Sonntag, 29. Oktober 2006

kontext 29: von *konstruierten* erinnerungen unter gewaltbedingungen

in einem gewissen zusammenhang zu dem gerade im letzten beitrag besprochenen steht ein artikel bei spon, in dem es u.a. um manipulationen am menschlichen gedächtnis geht:

(...)"Die verwirrende Erkenntnis, dass das Gedächtnis keineswegs ein Archiv ist, das pendantisch die Vergangenheit speichert, beschäftigt Neurobiologen, Psychologen und Sozialwissenschaftler inzwischen weltweit. Noch vor 20 Jahren hielt man das Gedächtnis für eine Art Computer, der unbestechlich aufzeichnet, was faktisch geschehen ist.

Dass dies ein Irrtum war, hatte und hat ungeahnte Folgen, etwa bei Kindesmissbrauchs-Prozessen. Die renommierte, aber auch umstrittene Gutachterin Loftus legt immer neue Studien vor, um Richtern zu zeigen, wie wenig Verlass auf das Gedächtnis ist. Wie wenig man den Aussagen von Missbrauchs-Opfern unkritisch Glauben schenken könne, wenn sie sich erst nach Jahrzehnten an die Gewalttat erinnern. Loftus vertritt die Seite der Angeklagten; eine heikle Position.

Doch auch wenn der Streit in der "False Memory"-Debatte kaum lösbar ist - die Studien, die er anstieß, haben die Gedächtnis-Forschung ein gutes Stück vorangebracht. "Eines sollten wir uns klar machen", sagt Loftus, "unser Gedächtnis wird jeden Tag neu geboren."(...)

Im autobiografischen Gedächtnis lagert die persönliche, subjektiv erlebte Lebensgeschichte. Es ist das komplexeste der Erinnerungssysteme und zugleich dasjenige, das bei Kindern als letztes entsteht, im Alter von etwa drei Jahren, wenn ein Kind eine Vorstellung von seinem Selbst zu entwickeln beginnt. Dass Schimpansen und Menschen, die 99 Prozent des genetischen Codes gemeinsam haben, dennoch grundverschieden sind, liege vor allem am autobiografischen Gedächtnis, sagt Markowitsch. Nur der Mensch kann sich an seine Biografie bewusst erinnern, nur er weiß, wie er eine bestimmte Situation erlebt und wie er sich dabei gefühlt hat.

Die Erinnerungen an die Lebensgeschichte prägen die Persönlichkeit, formen die Identität. Doch nicht etwa die objektiven Lebensdaten spielen dabei die Hauptrolle, sondern Gefühle. Sie sind es, die filtern, was im Langzeitspeicher landet und was gelöscht wird. "Gefühle", sagt Markowitsch, "sind die Wächter unserer Erinnerung."(...)


diese (und auch gleich folgende) behauptungen dürften zunächst wie bestätigungen für diejenige weltsicht anmuten, die heute unter dem attribut konstruktivismus angesegelt kommt (mehr zu den sich in diesem zusammenhang stellenden fragen u.a. hier. ) ich betone das "zunächst", weil sich bei den fraglichen forschungen wiedereinmal die grundsätzlich fragmentierende tendenz der westlichen wissenschaft zeigt: erstens ist das sog. autobiographische nicht das einzige gedächtnis beim menschen; zweitens manifestieren sich aller wahrscheinlichkeit bereits selbst pränatale erlebnisse (und auch perinatale bzw. sehr frühe postnatale) bevorzugt in der körperlich-materiellen menschlichen struktur. ein synonym dafür wäre das körpergedächtnis, welches Sie selbst bspw. bei einem chronisch verspannten schulter-nacken-bereich spüren können - ständiges unwillkürliches ducken und an-/verspannen vor einer realen oder auch durch posttraumatischen stress bedingten imaginierten gefahr ist nicht eben selten ein auslöser für derartige verspannungen, bei denen sich im wahrsten sinne des wortes eine haltung der umwelt gegenüber körperlich fixiert. dabei müssen die ursprünglich auslösenden momente tatsächlich keinesfalls dem bewussten gedächtnis zugänglich sein.

in einer arbeit zu zusammenhängen zwischen (psycho-)traumata und wachkoma wird zur körperlichen speicherung von traumatischen stress u.a. ausgeführt:

(...)"Der traumatisierte Leib/Körper vergißt nichts (...). Er nimmt als sozialer Raum Erfahrungen über gelungene und misslungene zwischenmenschliche Beziehungen in sich auf. Durch die Projektions- und Verarbeitungsfläche des Gehirns kann der Körper sich im Ich spiegeln. Im Falle eines Phantomschmerzes behält das Gehirn einen Körperteil in (schmerzvoller) Erinnerung, während der Körper selbst zum Überleben kein Ich-Gehirn benötigt, sondern sich auf sich selbst und durch sich selbst schützen kann. Solange es atmet, ist Hoffnung. Der Körper/Leib ist in der Lage, sein erlittenes Trauma symbolisch auszudrücken (...). Es ist bemerkenswert, dass und wie die moderne Medizin, die am Körper ansetzt, das Objekt ihrer Begierde, den Körper/Leib vernachlässigt und ihn biomechanisch reduziert."(...)

den letzten satz kann ich nur unterstreichen, und eine ähnliche reduktion lässt sich leider auch in vielen bereichen der neurowissenschaften beobachten. ich kenne selbst aus meinen umfeld und auch aus psychiatrischen krankengeschichten viele beispiele dafür, wie sich ein trauma regelrecht "verschlüsselt" in anscheinend nur somatischen symptomen - aber auch bereits in körperlichen haltungen, wie sogar in der art und weise, wie jemand geht - ausdrücken kann. der bewusste zusammenhang ist den betroffenen meistens nicht zugänglich, und genau das dürfte u.a. dazu führen, das sich das gehirn über die lücken biographisch sozusagen etwas "hinwegkonstruiert" - aber das bedeutet eben nicht, das "eigentlich gar nichts passiert ist" - sondern das die authentischen details für die betroffenen nicht mehr zugänglich sind.

(...)"Viele Patienten im Wachkoma zeigen einen "verkrüppelte" Körperlichkeit mit einer sogenannten Dekortikationshaltung bzw. spinalspastischen Haltung: zurückgebeugter überstreckter Kopf, geöffnete Augen, starre indifferente Mimik, Ulnardeviation und Faustschluß der Hände sowie Beugestreck- oder Beuge-Beugespastik von Armen und Beinen, häufig mit Spitzfußbildung einhergehend.

Dieser Zustand der "Verunstaltung" und "Verkrüppelung", über die man lieber nicht reden möchte, erinnert in manchen Teilen an eine vorgeburtliche "primitive" Schutzhaltung, die auch als "Embryonalhaltung" bezeichnet wird. Nach traditionellem, defektmedizinischen Verständnis wird diese starre pathologische Körperhaltung als direkte Folge einer schweren Hirnschädigung aufgefaßt. Demgegenüber ist eine beziehungsmedizinische und psychosomatisch-psychodynamische Sichtweise eher geneigt, diese Körperhaltung auch als ein Resultat zusammenwirkender interner und externer pathologisch-isolativer Lebensbedingungen zu sehen (wie bei einer schweren beidseitigen parietalen Läsionen), oder als reaktiv-psychodynamisch bedingten Dysmorphophobie in Verbindung mit bizarren Körperfehlvorstellungen und Formen des selbstdestruktiven Körperagierens."(...)


was ich gerade mit "verschlüsselt" meinte, wird im folgenden satz deutlicher:

(...)"...sondern nahmen verschiedene Körperhaltungen ein, die in einigen Fällen so charakteristisch waren, daß aus der eingenommenen Körperhaltung auf die Art der Gewalteinwirkung rückgeschlossen werden konnte: die abwehrend-vorgestreckten Arme, die gekrallten Finger, die entsetzte Erstarrung, das ohnmächtige Ausgeliefertsein (Abb. 2). Offensichtlich kam es in der Hypnose zur "Erinnerung" an die im Körpergedächtnis des "autonomen Körperselbst" eingeschriebenen Spuren des Traumas.(...)

all das haben große teile der neurowissenschaftlichen forschung in ihrer hirnfixiertheit offensichtlich nicht so recht auf dem schirm - denn wenn sie es hätten, gehörte das folgende entsprechend ergänzt:

"(...)BLACK-OUTS, Verwechslungen und verzerrte Erinnerungen - was Menschen häufig besorgt an sich selbst wahrnehmen, ist letztlich oft ein Segen. "Unser ganzes Leben ist eine Erfindung", so spitzt Harald Welzer es zu, Sozialpsychologe und Leiter der Gruppe "Erinnerung und Gedächtnis" am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen. "Es gehört zur menschlichen Normalität, sich falsch zu erinnern. Das korrekte Erinnern ist das Anomale." Zwar forme das Gedächtnis das Ich, Erinnerung bilde sich aber erst in der Gemeinschaft, in der Kommunikation mit anderen heraus. Welzer spricht vom "kommunikativen Gedächtnis". Ein Ereignis sei nicht das, was passiert sei, sondern das, was erzählt werden könne."

an dieser stelle ist es durchaus nötig, in erinnerung zu rufen, dass sich die zitierte "menschliche normalität" durchaus nicht als "normal" begreifen lässt, wenn unsere jahrtausendealte gewohnheit der gewaltausübung gegen andere, aber auch gegen uns selbst, berücksichtigt wird. sollte gerade ein sozialpsychologe nicht in der lage sein, etwas weiter zu denken? dann könnte es vielleicht mal sehr bald forschungen darüber geben, wie sich "falsche erinnerungen" nicht aus einer menschlichen, sondern einer gewalttätigen realität heraus ergeben. aber sowas möchte natürlich auch niemand wirklich wissen.

(...)"Deutlich zeigt sich dies in Erinnerungsgemeinschaften, etwa bei Menschen, die sich über ihre Kriegserfahrungen austauschen. Die zunächst individuellen Berichte werden sich oft von Treffen zu Treffen immer ähnlicher, bis sie schließlich in eine kollektive Erinnerung münden.

Dieses Phänomen brach sich Bahn anlässlich eines Vortrags des Koblenzer Historikers Helmut Schnatz über den schweren Bombenangriff auf Dresden am 13. und 14. Februar 1945. Unter den Zuhörern waren viele ältere Dresdner, die sich daran erinnerten, wie britische Tiefflieger sie gejagt hätten, während sie vor den Flammen durch die Straßen flüchteten. Mehrere Teilnehmer sagten, sie hätten sie noch genau vor Augen, "die silbrig schimmernden Mustangjäger".

Doch Schnatz konnte belegen, dass dies unmöglich geschehen sein konnte, weil der durch den Bombenangriff erzeugte gewaltige Feuersturm jeden Tiefflug unmöglich gemacht hatte. Auch hatte eine Auswertung britischer Flugeinsatzpläne und Logbücher keinen Beleg für eine solche Menschenhatz geliefert. Die Zuhörer waren empört. "Ich protestiere dagegen", rief ein alter Mann, "dass fremde Historiker, die gar nicht in Dresden zu Hause sind, über unsere Heimatstadt schreiben dürfen." Hundertfacher Applaus.

Bei der Erinnerung an traumatische Erlebnisse ist das Gedächtnis besonders unzuverlässig: Erfahrungen wie die Dresdner Bombennacht können - ähnlich wie die einer Vergewaltigung - extremen Stress und damit zusammenhängende biochemische Prozesse im Gehirn auslösen, die eine Speicherung von Erinnerungen empfindlich stören. Nur noch Fragmente des ursprünglichen Ereignisses gelangen dann ins Langzeitgedächtnis. Um verstehbare Zusammenhänge bemüht, übernimmt das Gedächtnis dann die kreative Aufgabe, die Lücken zu schließen. Welzer vermutet, dass Erinnerungen an emotional belastende Situationen deutlich mehr hinzugedichtete Episoden enthalten als solche an "normale" Ereignisse.(...)


richtig: traumatische erinnerungen werden aller wahrscheinlichkeit im gehirn in seperaten neuronalen netzwerken gespeichert, die der bewussten erinnerung nicht oder nur sehr fragmentarisch zugänglich sind. dazu kommt die speicherung im körper bzw. den möglichen betroffenen körperregionen selbst. ich hatte oben schon geschrieben, dass es sehr gut sein kann, dass hier vom gehirn tatsächlich realitätskonstruktionen zur hilfe genommen werden, um derartige biographische "lücken" (die ja genauer betrachtet eigentlich keine sind, weil es hier eher um einen defektbedingt und gleichzeitig schützenden nicht möglichen zugriff auf die authentischen erinnerungen geht) sozusagen zu schliessen. nur: ein schwerer fehler scheint mir wie gesagt darin zu liegen, das als "menschliche normalität" zu postulieren. viel treffender ist es meiner meinung, das als menschliche "normalität" unter traumatischen sozialen bedingungen zu begreifen. und das ist ein ganz entscheidender unterschied.

notiz: presseschau gewaltfolgen

wie üblich zwangsläufig unvollständig, und bei der gelegenheit möchte ich die leserInnen nochmals darauf hinweisen, dass ich mich über hinweise auf weitere texte / informationen zu den blogrelevanten themen auch zukünftig freuen würde (dadurch sind bereits einige beiträge entstanden).

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zur aufgekommenen "unterschichtendebatte" trägt der neurologe, psychiater und psychoanalytiker hans-joachim maaz im aktuellen freitag eine art essay bei, den ich zwar an vielen stellen zu oberflächlich finde, nichtsdestotrotz aber wegen des aussprechens ein paar ganz elementarer dinge empfehlen möchte:

(...)"Sowohl das Wirtschaftswunder im Westen als auch die sozialistische Idee im Osten waren nach dem Krieg geeignet, demokratische Verhältnisse zu etablieren, ohne dass man sich ernsthaft der möglichen Heilung vorhandener seelischer Schäden bei Millionen Deutschen annehmen musste, die Nationalsozialismus, Krieg und Völkermord erst ermöglicht hatten. Dank der tiefenpsychologischen und neurobiologischen Forschung wissen wir, wie frühe Beziehungsstörungen, die Kinder erleiden, noch im Erwachsenen-Alter zu destruktiven innerseelischen Vorgängen führen, die sich bei sozialer Not, psychischer Angst und geeigneter Verführung als kollektiver Wahn abreagieren können, wenn eine Mehrheit davon betroffen ist.(...)

Man mochte sich in beiden deutschen Staaten anfangs mit Aufbauleistungen der Täuschung hingeben, es sei möglich, aus dieser prekären seelischen Notlage herauszuwachsen. Ein verhängnisvoller Irrtum, der durch die Spaltung Deutschlands zusätzlich befördert wurde. Die Täuschung erlaubte es, die innerseelischen Störungen auf die jeweils andere Seite zu projizieren, um eigene Verletzungen und Entfremdungen nicht wahrnehmen zu müssen."


mit der in den letzten sätzen anklingenden interpretation der folgen der spaltung dieses landes steht er nicht ganz alleine da; auch klaus theweleit hat die mauer notwendige bedingung für gegenseitige projektionen ähnlich interpretiert (mehr zu den beiden nachkriegsdeutschlands wird im traumaschwerpunkt zu lesen sein).

"Wir wissen, ein hohler Sozialismus, dessen Ideale eben nicht innerseelisch verankert werden konnten, ist durch den Verlust an Überzeugung und durch seine Mangelwirtschaft kollabiert. Und wir sehen heute, wie eine global entfesselte Marktwirtschaft das humane, soziale und ökologische Gleichgewicht zerstört. Erneut sind wir alle beteiligt an einer derartigen Fehlentwicklung. Wiederum darf keiner sagen, er hätte nichts gewusst. Wir wissen, dass materielles Wachstum begrenzt ist, wir wissen, wie Profitstreben Arbeitslosigkeit und Armut schafft, und wir wissen, dass unsere Lebensform die natürlichen Ressourcen vernichtet und unser Klima im wörtlichen wie übertragenen Sinne zerstört. Wir haben inzwischen auch erfahren, dass es selbst in einer Demokratie möglich ist, Kriege auf der Grundlage von Lügen zu führen. Es gibt also bereits wieder Mehrheiten, die sich von Suggestionen, Manipulationen und verlogenen Ideologien leiten lassen."(...)

das wort "innerseelisch" finde ich ehrlich gesagt ziemlich unglücklich, da es sofort wieder assoziationen zu (anscheinend) "luftigen" und immateriellen sphären aufruft - und diese art spaltung zwischen psyche/"geist" und körper sollte gerade ein gesellschaftlich doch etwas bewussterer professioneller nicht noch befördern. und auch das "bereits wieder" vor den mehrheiten lässt sich imo ruhig streichen - auch in der pseudostabilität des sog. kalten kriegs waren simulative zustände eher die regel.

ganz tendenziell aber kann ich seiner zustandsbeschreibung grundsätzlich beipflichten, und möchte nur noch einen satz herausheben:

(...)"Und wer durch äußere Gewinne seine inneren Defizite befriedigen will - ganz profan gesagt, sein Liebesdefizit mit Geld begleichen will -, der braucht erkennbare Verlierer."(...)

weitergedacht, lässt sich hier irgendwann der begriff von den notwendigen (für die innere stabilität der täter) opfern im sinne von deMause finden. und die "inneren defizite" lassen sich bestimmt auch präzisieren.

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wir bleiben eng am thema und finden in der taz vom wochenende gleich einen ganzen schwerpunkt zum bereich tatort familie. daraus möchte ich u.a. erstens ein interview mit einem sozialwissenschaftler zur situation in den zuständigen behörden empfehlen, in der er nochmals auf den anhand des "falls kevin" sich aufdrängenden verdacht einer art von stillschweigender entscheidung über das wohl von kindern nach ökonomischen kriterien kommentiert:

(...)"Es gab wohl Fehleinschätzungen in den Fallkonferenzen. Dazu aber haben sich die Sparvorschläge im gesamten Organisationsklima wohl als Druck ausgewirkt. Die Fachkräfte hatten vermutlich eine Art Zensur im Kopf. Die bewirkte, dass man nicht mehr fragte, was notwendig ist. Stattdessen fragte man, ob man es noch so eben verantworten kann, das Kind nicht in die Obhut einer Einrichtung zu geben.(...)"

zweitens eine art überblick über die situation in diesem land, die u.a. bereits im blog thematisierte punkte aufgreift:

(...)"Wir wissen nicht einmal viel über Kinder. Die umfassende Studie über das, was Drei- bis Zehnjährige über die Welt denken, welche Träume und Wünsche sie haben, wurde eben erst von der Hilfsorganisation World Vision in Auftrag gegeben. Über Misshandlungen und Vernachlässigungen gibt es nur eine Reihe vereinzelter Untersuchungen. Zwei Kinder sterben pro Woche in Deutschland an Misshandlungen, hat die Unicef herausgefunden. Doch was ist mit der großen Zahl an nicht tödlichen oder nicht sichtbaren Misshandlungen? Wie sieht es mit Vernachlässigungen aus? Hier können Experten nur mit Hilfe der Kriminalstatistik schätzen: Etwa ein Prozent der jährlich geborenen Kinder sind von Verwahrlosung bedroht, glauben sie. Das wären in der Altersgruppe der bis zu Zehnjährigen etwa 80.000 Kinder.

Bei der Berliner Polizei vergleicht man das Dunkelfeld verschiedener Straftaten und zieht daraus Rückschlüsse. "Bei Sexualdelikten gegen Kinder liegt das Verhältnis von einem aufgeklärtem Fall zu einem nicht polizeibekannten in einer Spannbreite von eins zu sechs bis eins zu zwanzig", sagt Michael Havemann, Leiter des Dezernats 12, das auch für Kindesmisshandlungen zuständig ist. "Und weil die Hemmschwelle für Vernachlässigung und Misshandlung wohl höher ist als bei sexuellem Missbrauch liegt die Dunkelziffer wahrscheinlich eher am oberen Ende dieses Spektrums." 2005 ermittelte die Berliner Polizei in 314 Fällen wegen Vernachlässigung und in 472 wegen Misshandlung. Diese Zahlen müsste man wohl mit zwanzig multiplizieren um sich eine Vorstellung vom Ausmaß des Leidens von Kindern zu machen.

Die Berliner Polizei ist bundesweit die einzige, die ein eigenes Kommissariat zur Bekämpfung von Kindesmisshandlung und -vernachlässigung unterhält. Die Beamten wissen genau, wie verharmlosend diese beiden Begriffe eigentlich sind. "Viele stellen sich unter Misshandlungen einfach nur ein paar blaue Flecke vor", sagt Havemann und blättert Bilder aus Ermittlungsakten auf den Tisch: ausgehungerte Säuglinge, dunkle Striemen von Kleiderbügeln, Glutnarben von Zigaretten, Knochenbrüche, Verbrühungen durch heißes Wasser, Flecken, die von heißen Bügeleisen stammen. Und er erzählt von Kindern, die geschüttelt werden, wenn sie zu viel schreien. Dabei reißen leicht die Brückenvenen, die zwischen Gehirn und Hirnhaut verlaufen. An den Blutungen kann ein Kleinkind durchaus sterben. Häufiger jedoch sind Spätfolgen - schwerste Behinderungen beispielsweise. Dann zitiert Havemann Aussagen von Eltern: "Ich habe dieses Kind in die Welt gesetzt, ich kann damit machen, was ich will", sagen sie. Oder: "Mir tat die Hand vom Schlagen so weh, da musste ich einen Bügel nehmen."(...)


"ich kann damit machen, was ich will" - mein eigentum, im sinne eines beliebigen dings. nicht oft genug kann wiederholt werden, dass es sich bei solchen äußerungen aller wahrscheinlichkeit nach um eine art symptom des objektivistischen wahrnehmungsmodus in einer krankheitswertigen monopolposition handelt - auch die täterInnen nehmen sich letztlich selbst, v.a. ihren körper, als ding wahr - und sitzen als virtuelles und immaterielles "ich" irgendwo "in" ihrem kopf, paranoid und kontrollierend. aber das ist weder ein muss noch gar die angeblich natürliche und einzige variante der menschlichen existenz (auf dieser behauptung gründet sich in letzter konsequenz, nebenbei gesagt, auch der kapitalismus als ideologie).

zur frage, welche gesellschaftlichen schichten (bzw. klassen) eigentlich vorwiegend betroffen sind, gibt es, wie eigentlich nicht anders zu erwarten, streit:

(...)"Die meisten Fälle, sind sich fast alle Experten einig, geschehen in armen Familien. "Vernachlässigung und Misshandlung sind fast ausschließlich ein Phänomen der Unterschicht", sagen unisono der Kriminologe Christian Pfeiffer und der Soziologe Klaus Hurrelmann (siehe Interview). LKA-Chef Havemann hat da andere Erfahrungen. Bei Misshandlungen, sagt er, stammen die Täter aus einem "breiten gesellschaftlichen Spektrum". Der Unterschied sei nur: Grausamkeiten gegen Kinder in Mittel- und Oberschicht äußere sich weniger häufig in körperlicher Gewalt: "Wenn eine Mutter den Hamster der Tochter im Klo runterspült, dann ist das eine seelische Misshandlung, aber dem Kind sieht man nichts an." Auch was Migrantenfamilien betrifft, sprechen die Zahlen der Berliner Polizei eine andere Sprache als die der Forscher. Die meinen, dass dort die Eltern öfter zuschlagen, die Beamten stellen bisher "keine diesbezüglichen Auffälligkeiten" fest. Den logisch scheinenden Befund, dass Drogensucht der Eltern ein erhöhtes Misshandlungsrisiko für Kinder sei, stellt eine noch nicht veröffentlichte Studie aus Leipzig ebenfalls in Frage. "Es besteht noch viel Forschungsbedarf", sagt Heinz Hilger, Präsident des Kinderschutzbundes. Er wehrt sich aber dagegen, eine "Ablenkungsdebatte" über Wohlstandsvernachlässigung zu führen. "Zu 90 Prozent sind Misshandlung und Vernachlässigung ein Problem armer Familien." Wo es Armut gebe, sei nun einmal weniger zu verteilen. Zudem hätten Eltern kaum Möglichkeiten, sich von der Kindererziehung zu entlasten, weil der Babysitter oder ein Kindermädchen zu teuer sind."(...)

ich sage dazu: vor allem die methoden der objektivistischen gewalt sind je nach klasse verschieden - die bürgerlichen mittel- und oberschichten sind sozusagen durch ihre konstruierten selbstbilder in ihrer virtualisierung (verachtung des körpers) weiter fortgeschritten, werden dazu eher durch bestimmte "moralische" (und ebenso konstruierte) gerüste von offener gewalt abgehalten - und greifen dann lieber zu primär "psychisch" erscheinenden formen (die sich aber natürlich letztlich ebenso materiell niederschlagen - bspw. in der neurophysiologie des gehirns - wie die "ganz banale" prügel).

ein streitgespräch greift als letztes einige widersprüche wieder auf, die ich selbst hier schon geäussert habe. ich kann nach wie vor verschiedene argumente nachvollziehen:

(...)"Auch überdauert bei uns das Denken, ein Kind allein als Privatsache zu betrachten. In unseren Köpfen dauert dieses Denken fort: dass Mutterliebe quasi ein Automatismus ist. Dass der Staat sich nicht einmischen sollte. Wir aber müssen deutlich machen: Ein Kind zu erziehen ist keine Privatsache."(...)

finde ich prinzipiell richtig (auch, wenn ich nicht gerade den staat als babysitter sehen möchte).

(...)"Man sollte so etwas nicht mit Androhungen von Strafen verbinden. Mutterliebe lässt sich nicht erzwingen. Im Gegenteil laufen wir dann Gefahr, dass die Eltern sich bevormundet fühlen und sich gegen jede Hilfe sperren."(...)

dito (wobei der aspekt der totalitären tendenzen in jeder art staatlicher kontrolle noch nicht mal angesprochen wurde).

solange die mitglieder dieser gesellschaft hier überwiegend meinen, ohne staat nicht auskommen zu können, wird im interesse der betroffenen kinder vermutlich nichts anderes übrigbleiben, als einen gewissen raum für staatliche sanktionen zuzugestehen - auch wenn mich diese (hoffentlich) übergangslösung keinesfalls zufrieden stimmt.

*

es ist ja doch der gleiche staat, der seinen eigenen untertanen (die frage, wieweit dieses untertanendasein gerade bei soldaten eigentlich tatsächlich selbstgewählt ist, sollte beim folgenden immer im hinterkopf bleiben) solches zumutet:

(...)"Wie leben Sie heute mit der PTBS?

Ich würde eher sagen, ich überlebe. Ich schlafe nur mit Tabletten ein und wache nur mit Tabletten wieder auf. Nachts fange ich an zu zittern. Damit ich das Pfeifen im Ohr nicht höre, lasse ich nachts das Radio an. Meine Freundin hat sich schon daran gewähnt. Wenn ich mit ihr oder meiner Tochter zusammen bin, komme ich zur Ruhe. Tagsüber habe ich Flashbacks, bei denen die Bilder wieder auftauchen. Vom Kameraden ohne Kopf, von den Fliegen. Den Blutgeruch habe ich immer in der Nase. Ich hab mir schon Tigerbalsam unter die Nase gerieben. Aber das hilft nicht. 2004 wurde ein Gehirntumor festgestellt. Der wurde schon ein paarmal entfernt, aber er kam immer wieder. Weil ich als Reservist nur eine kleine Rente bekomme, stehe ich vor dem finanziellen Ruin. Ich wurde beim Einsatz dienstunfähig, also kämpfe ich darum, wie ein aktiver Feldwebel bezahlt zu werden. Im November muss ich wieder nach Hamburg ins Bundeswehrkrankenhaus. Ich soll mal wieder untersucht werden, ob ich wirklich PTBS habe. Ich werde von einer Dienststelle an die nächste weitergereicht."(...)


und zum genannten hamburger bundeswehrkrankenhaus findet sich hier einiges interessante:

(...)"Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit ist das Bundeswehrkrankenhaus Hamburg zu einem düsteren Nebenkriegsschauplatz der Auseinandersetzungen in Afghanistan, Bosnien und Kosovo geworden: In der Abteilung VI für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie wurde und wird ein Großteil jener (offiziell) rund 1550 deutschen Soldaten behandelt, die als Folge ihrer Erlebnisse und Erfahrungen an schweren psychischen Störungen, vor allem an der selbstzerstörerischen Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leiden."(...)

es stellen sich gerade hier so einige fragen - wie kriege auch noch sozusagen indirekt in das soziale gefüge kriegführender gesellschaften eingreifen (und dabei wiederum in großen dimensionen geschädigte, aber gleichzeitig womöglich auch machtkompatible menschen hervorbringen), ist dabei längst keine frage mehr:

(...)"Patienten berichten, dass sie ihre Kinder bei Hausaufgabenhilfe geschlagen haben, was sie früher nie getan hätten", sagte Oberstarzt Dr. Karl-Heinz Biesold, Leitender Arzt der Abteilung VI, der auf dem Balkan und in Afghanistan im Einsatz war. "In akuten Fällen sind die Männer nicht aggressiv, sondern gefühlsmäßig taub. Sie spüren keine Gefühlsregung, weder Freude noch Trauer."(...)

einige fragen, die sich besonders die behandelnden ärzte, psychiater, psychologen/therapeuten stellen lassen müssen, entstehen zwangsläufig bei ansicht des folgenden:

(...)"In Hamburg hat es Dr. Biesold mit Opfern wie David Hallbauer zu tun, der am 13. Juni 1999 in Prizren die ersten tödlichen Schüsse eines Bundeswehrsoldaten abgefeuert hatte, als zwei Serben in einem gelben Lada feuernd auf ihn zurasten. Der 22-Jährige hatte, wie befohlen, erst Einzel-, dann Dauerfeuer abgegeben. Am Ende waren die von 27 Kugeln getroffenen Serben tot. Hallbauer hatte die Bedrohung der zivilen Marktplatzbesucher abgewendet, den ersten Schusswechsel seines Lebens aber konnte er nicht verkraften. Er ist seit drei Jahren in der Hamburger Militärpsychiatrie in Behandlung, seine Bewerbung als Berufssoldat wurde abgelehnt, sein Leben ist ruiniert."(...)

erstens: wer hat eigentlich überhaupt im "politischen" sinne die situation auf dem balkan zu verantworten? serbien als alleine verantwortlich zu begreifen, ist eine bequeme reduktion gerade der deutschen rolle bei der auflösung jugoslawiens. ich frage mich, ob sich die verantwortlichen mediziner auch selbst fragen, was eigentlich die institution, für die sie tätig sind, im ausland zu suchen hat? zweitens: kriege als extemste formen menschlicher gewalt in massendimensionen haben - und das ist seit jahrzehnten auch wissenschaftlich bekannt - nun mal entsprechend extreme folgen, die aber - und das ist wichtig! - keinesfalls immer zb. in form einer ptbs auftreten müssen. der oben beschriebene soldat zeigt imo doch eine durchaus menschliche reaktion: beschossen zu werden und selbst zu töten (auch in notwehr) ist letztlich für keinen menschen leicht "wegzustecken" - ausser für solche, die bereits in ihrer selbst- und fremdwahrnehmung geschädigt sind (die werden womöglich dann als "robuste naturen" noch als vorbilder hingestellt). es ist nicht sehr weit hergeholt zu spekulieren, dass gerade in einem militärkrankenhaus das kriterium der "funktionsfähigkeit" noch um das attribut "dienstfähig" als zeichen einer erfolgreichen behandlung erweitert sein dürfte. aber hat die fähigkeit, innerhalb einer gewaltproduzierenden institution wie einer armee funktionieren zu können, wirklich etwas mit "heilsein" in einem menschlichen sinne zu tun? meine antwort darauf können Sie sich vermutlich vorstellen.

fragen muss sich aber auch der autor des artikels stellen lassen:

(...)"Gebraucht werden jetzt mehr Psychologen für die Früherkennung am Einsatzort, damit man die Nachsorge nicht als Rückzugsgefechte betreiben muss. Wenn nicht, wird die Bundeswehr den "Krieg der Seelen" verlieren."(...)

wer medizinische tätigkeiten als "rückzugsgefecht" bezeichnet und dazu einen "krieg der seelen" postuliert (bei dem so ganz nebenbei das harte aushalten von grausamkeiten und gewalt implizit als "erstrebenswert" - weil nötig zum "gewinnen" - enthalten ist), schrammt bereits ganz nah an der wertung "schreibtischtäter" herum.

Sonntag, 22. Oktober 2006

assoziation: wenn die masken fallen - und einiges unsortierte zum *schrecklichen gelächter* (1) (update)

besonders die angehörigen der sog. politischen "eliten" müssen ja bekanntlich angesichts der hohen präsenz von kameras und mikrofonen in ihrem alltag besonders darauf achtgeben, dass die als-ob-fassaden (simulieren von verantwortlichkeit, humanität, friedensliebe...) gut sitzen. sonst können dabei solche sachen geschehen wie vor ein paar jahrzehnten dem damaligen us-präsidenten reagan, der bei (irrtümlich) schon laufenden mikros fröhlich seine geheimen träume ausplauderte:

"My fellow Americans, I am pleased to tell you I just signed legislation which outlaws Russia forever. The bombing begins in five minutes.

(Liebe amerikanische Mitbürger, ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass ich gerade ein Gesetz unterzeichnet habe, das Russland für immer für vogelfrei erklärt. Die Bombardierung beginnt in fünf Minuten.)"


solches wurde und wird dann normalerweise mit auffälliger rücksichtnahme und irgendwie peinlich berührt schnell unter den teppich gekehrt, und als "mißglückter bzw. schlechter scherz" abgehandelt.

so ist es auch gerade wieder zu beobachten, und das stichwort rußland liefert den übergang von reagan zu einem seiner heutigen kollegen im antisozialen geiste, dem russischen leader putin:

(...)"Beim Treffen mit Israels Regierungschef Ehud Olmert sagte er, dieser möge den israelischen Präsidenten Mosche Katzav, der der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung beschuldigt wird, grüßen lassen: „Was für ein starker Kerl! Zehn Frauen hat er vergewaltigt. Das hätte ich ihm nicht zugetraut. Er hat uns alle überrascht. Wir beneiden ihn alle.“ So zumindest übersetzen die Nachrichtenagenturen das Zitat aus der russischen Zeitung Kommersant. In Wirklichkeit hat Putin nicht „vergewaltigt“ gesagt, sondern: „Mit zehn Frauen ist er fertig geworden“."(...)

was es natürlich kein stück besser macht. solche zitate, die neben dem bekannten handeln dieser leute die antisozialen bis soziopathischen (mindestens) teile ihrer persönlichkeitsstruktur sehr deutlich machen, kommen bezeichnenderweise nur durch eine art pannen überhaupt in die öffentlichkeit:

(...)"Der Journalist kommentierte das Gehörte mit den Worten, das sei einer jener Momente gewesen, in denen man seinen Ohren nicht traue."

(überall auf der welt sind die schäfchen darauf konditioniert, in ihren henkern stets nur gütige und verantwortungsvolle schäfer wahrnehmen zu wollen.)

"Der Journalist äußerte die Vermutung, Putin habe offenbar nicht bemerkt, dass die Mikrofone noch eingeschaltet waren und dass Kolesnikow sich als einziger Journalist noch im Saal aufhielt."(...)

und die für die medienpolitik verantwortlichen in der russischen administration haben offensichtlich keinerlei ahnung davon, wie solche "erklärungen" eigentlich ankommen:

(...)"Es habe sich um einen Übersetzungsfehler gehandelt, versuchte der Kreml heute die Wogen zu glätten. Bei der Übertragung vom Russischen ins Englische werde ein Witz oft nicht richtig wiedergegeben, sagte ein Sprecher heute."(...)

einen witz wollt´ er sich also machen. wer über die verhältnisse in rußland, putins biographie, üblichen männlichen sexismus und das noch kaum verstandene weltweite revival patriarchaler strukturen plus deren gewalttätigkeit länger nachdenkt, wird diesen "witz" einzuschätzen wissen, von dem übrigens ein hintergrund das hier ist:

(...)"In Israel bereitet die Staatsanwaltschaft eine Anklage gegen Katzav vor. Zwei ehemalige weibliche Angestellte werfen dem Präsidenten vor, er habe sie mit Drohungen sexuell gefügig gemacht. Nach der Veröffentlichung dieser Vorwürfe hatten sich weitere Frauen gemeldet, die dem Staatsoberhaupt sexuelle Nötigung vorwerfen. Katzav beteuerte wiederholt seine Unschuld und bezeichnete sich als Opfer eines Erpressungsversuchs."(...)

derartige und andere gewalt witzig zu finden, ist ein wahrlich bemerkenswerter zug - oder zutreffender: vielleicht schon ein klinisch relevantes symptom, zb. für die in der icd unter F60.2 registrierte krankhafte störung?

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edit am 23.10.: der beitrag ist jetzt bei den assoziationen gelandet, und das nicht ohne grund - die frage "was wird eigentlich warum als witzig empfunden?" beschäftigt mich immer wieder mal, und hat bspw. anläßlich des sog. "karikaturenstreites" vor einiger zeit zu einem (nicht veröffentlichten) beitrag geführt, aus dem ich im folgenden einiges entnehme.

zunächst aber ein paar ergänzungen: 1. reagan hat bei seinen zitierten massenmordwünschen gelacht. 2. es ist imo hinsichtlich des hier thematisierten uninteressant, ob putin seine sprüche womöglich "ironisch" gemeint hat (ich glaube das bei betrachtung des handelns von putin und seiner "administration" sowohl innen- wie außen"politisch" absolut nicht - solche leute haben keinen humor, bzw. eher eine bösartige abart davon). 3. ich habe vom revival patriarchaler strukturen geschrieben - und finde das jetzt einen klaren fehler, aus mehreren gründen: von einem revival kann höchstens unter einem bestimmten blickwinkel hinsichtlich der verhältnisse in den westlichen ländern gesprochen werden - susan faludi hat das in den 1990ern in "backlash" speziell bezgl. der lage weißer frauen aus der sozioökonomischen mittelklasse ganz gut herausgearbeitet. im rest der welt sieht und sah es nicht viel besser aus als in den letzten jahrhunderten. dazu kommt, dass eigentlich eine neudefinition des patriarchatsbegriffs längst überfällig ist - in kürze skizziert, würde unbedingt dazu gehören: die koppelung männlichkeit/objektivität aufzulösen (letztere ist geschlechtslos); die ansatzweise begonnene thematisierung patriarchaler verhältnisse in und unter männern weiterzuführen; und die ebenfalls ansatzweise begonnene diskussion zu frauen als täterinnen ebenfalls fortzusetzen. klingt für Sie wie böhmische dörfer? macht nichts, wird zukünftig hier im blog etwas deutlicher werden, was ich selbst unter den benannten punkten verstehe - zb. beim traumathema.

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was das schreckliche lachen anbelangt, habe ich bereits in anderen inhaltlichen zusammenhängen hier öfter die these vertreten, dass die nazis bei der kenntlichmachung bestimmter essentieller machttechniken und auch bei der sichtbarmachung der durch machtverhältnisse stattfindenden bzw. diese verhältnisse selbst mit hervorbringenden bösartigen psychophysischen deformationen bis heute quasi unerreicht sind. und ich neige in den letzten jahren mehr und mehr zum standpunkt, dass ganz wesentliche lektionen, die wir durch die nazis hinsichtlich unserer menschlichen optionen lernen könnten, bis heute nicht begriffen worden sind - ganz im gegensatz zur behauptung, dass die zeit des nationalsozialismus aus der sicht der geschichts- und sozialwissenschaften so gut erforscht sei wie kaum eine andere geschichtliche epoche. im sinne der streng objektivistischen mainstreamwissenschaften mag das sogar zutreffen - aber wieviele tatsächliche erkenntnisgewinne, gar im sinne einer wirksamen prävention, sind dabei rübergekommen?

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naziführer unter sich, nach dem pogrom vom 9. november 1938. gesprochen wird über "sühne- und gegenmaßnahmen" gegenüber "den juden". einer von ihnen wird das protokoll seiner eigenen worte selbst kommentieren.

Ich hatte das Dokument 1816 PS, das die stenographische Niederschrift über die (...) Sitzung vom 12.11.1938 enthält, mitgebracht und übergab es dem Angeklagten durch die kleine Schiebeklappe, die für diesen Zweck rechts unten im Gitter angebracht ist. Göring las sich das umfangreiche Schriftstück durch, lachte ein paar Mal, schüttelte dann aber den Kopf und sagte: "Wir wollen uns lieber darauf nicht mehr beziehen. Die Äußerungen sind doch wohl ein wenig zu kräftig. Hören Sie z.B. einmal:

"Goebbels: ...Weiterhin halte ich es für notwendig, daß die Juden überall da aus der Öffentlichkeit herausgezogen werden, wo sie provokativ wirken. Es ist z.B. heute noch möglich, daß ein Jude mit einem Deutschen ein gemeinsames Schlafwagenabteil benutzt. Es muß also ein Erlaß des Reichsverkehrsministers herauskommen, daß für Juden besondere Abteile eingerichtet werden, und daß, wenn dieses Abteil besetzt ist, die Juden keinen Anspruch auf Platz haben, daß die Juden aber nur dann, wenn alle Deutschen sitzen, ein besonderes Abteil bekommen, daß sie dagegen nicht unter die Deutschen gemischt werden und daß, wenn kein Platz ist, Juden draußen im Flur zu stehen haben.

Göring: Ich finde es viel vernünftiger, daß man ihnen eigene Abteile gibt.

Goebbels: Aber nicht, wenn der Zug überfüllt ist.

Göring: Einen Moment! Es gibt nur einen jüdischen Wagen. Ist der besetzt, müssen die übrigen zu Hause bleiben.

Goebbels: Aber nehmen wir an, es sind nicht so viele Juden da, die mit dem Fern-D-Zug nach München fahren, sagen wir: es sitzen zwei Juden im Zug, und die anderen Abteile sind überfüllt. Diese beiden Juden hätten nun ein Sonderabteil. Man muß deshalb sagen: die Juden haben erst dann Anspruch auf Platz, wenn alle Deutschen sitzen.

Göring: Das würde ich gar nicht extra fassen, sondern ich würde den Juden ein Wagen oder ein Abteil geben. Und wenn es wirklich jemals so wäre, wie Sie sagen, daß der Zug sonst überfüllt ist, glauben Sie, das machen wir so, da brauche ich kein Gesetz. Da wird er herausgeschmissen, und wenn er allein auf dem Lokus sitzt während der ganzen Fahrt."

...und weiter:

"Goebbels:...Es wäre zu überlegen, ob es nicht notwendig ist, den Juden das Betreten des deutschen Waldes zu verbieten. Heute laufen Juden rudelweise im Grunewald herum. Das ist ein dauerndes Provozieren, wir haben dauernd Zwischenfälle. Was die Juden machen, ist so aufreizend und provokativ, daß es dauernd zu Schlägereien kommt.

Göring: Also wir werden den Juden einen gewissen Waldteil zur Verfügung stellen und Alpers (Forstbeauftragter in Preußen) wird dafür sorgen, daß die verschiedenen Tiere, die den Juden verdammt ähnlich sehen - der Elch hat ja so eine gebogene Nase - dahinkommen und sich da einbürgern!"

...Göring lachte so heftig, daß er erst einmal eine Pause machen mußte, ehe er fortfuhr (...)


nun, wie finden Sie das? so machen historische persönlichkeiten geschichte - unsere geschichte. neben (späteren) rentabilitätsberechnungen über solche fragen zb., ob es sich wirklich lohnt, aus den leichen ermordeter seife, lampenschirme und filzstiefel herzustellen, werden auch sehr ernsthaft fragen nach der belegung von eisenbahnabteilen sowie nach der berechtigung des zugangs zum deutschen wald erörtert. der herr göring hat vermutlich tatsächlich geglaubt, dass daran irgendetwas lustiges gewesen sei. eine art von "humor", die (nicht nur) ihm eigen gewesen zu sein scheint:

Aber auch zu den augenblicklichen Verhältnissen in Deutschland hatte er eine Menge Fragen. Als ich ihm erzählte, daß man sich in der Nürnberger Bevölkerung recht viele Gedanken über Kinder der amerikanischen Negersoldaten mache, die jetzt bereits verschiedentlich ausgesetzt würden, und meine schweren Bedenken über die Gewissenlosigkeit der Mütter ausdrückte, die gar nicht an das zukünftige Schicksal dieser armen Kinder dächten, lachte Göring heftig, wischte sich die Augen und sagte, zu mir gebeugt: "Da machen Sie sich mal keine Sorgen! Die kann man ja in einigen Jahren verheizen." -

(notiert hat sich görings reaktionen der rechtsanwaltsassistent werner bross, der als helfer von görings verteidiger otto stahmer in nürnberg in die prozeßvorbereitung und -durchführung involviert war, und darüber die "Gespräche mit Hermann Göring während des Nürnberger Prozesses" veröffentlichte - flensburg 1950, verlagshaus christian wolff. die obigen zitate stammen aus den seiten 35 bis 37 sowie 167 der originalausgabe.)


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ich begreife görings gelächter als in einem eigenartigen sinne authentisch - authentisch soziopathisch sozusagen. dieses böse gackern ist weltenweit von einem freudvollen, teilenden mitlachen entfernt, von der liebevollen und oft genug leicht boshaften selbstironie, die ich bei menschen sehr anziehend finde. es ist auf niedermachen und zerstören aus, kommt aus einer (halluzinierten) position des obenseins, und findet im dingmodus das mühsame herumkriechen der sklavengemeinde (zu denen faktisch alle anderen ausser sich und der eigenen gang gezählt werden) unter sich unglaublich amüsant. es ist im schlimmsten sinne schadenfroh (eines der treffendsten deutschen wörter, die es überhaupt gibt):

"Die Männer lachen herzhaft, während die Schweine ihre Kiefer in das Menschenfleisch graben. In kurzer Zeit ist von dem armen Teufel kaum noch etwas übrig."

nicht jedes lachen ist gesund. wenn Sie ein solches lachen einmal selbst hören wollen: in der berühmten rede des ss-chefs himmler 1943 in posen gibt es eine solche stelle - hören Sie der originalrede zu und achten Sie darauf, was aus dem publikum nach dem folgenden satz zu hören ist:

"Und dann kommen sie alle an, die braven 80 Millionen Deutschen, und jeder hat seinen anständigen Juden. Es ist ja klar, die anderen sind Schweine, aber dieser eine ist ein prima Jude."

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ohne weitere anmerkungen nun ein teil des nichtveröffentlichten beitrags zum "karikaturenstreit" - ich finde, er passt ergänzend zum thema.

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beim anblick von islamistischen fundamentalisten werden sich die meisten vermutlich fragen: wo haben die denn humor? haben sie nicht, würde ich sagen. aber das ist oberflächlich, wie die obigen beispiele zeigen - es gibt nachweislich gerade unter sog. "führungseliten" eine art von destruktivem und zynischem gelächter, bei dem der witz immer auf kosten anderer geht. und da unterscheiden sich fundamentalisten aller coleur nicht von der mafia und auch nicht von sog. demokratischen führungspersonen. aber gerade die nazis, auch ihre heutigen selbsterklärten nachfolger, sind in dieser "kunst" schwer zu übertreffen. eine mildere und verbreitere variante davon stellt das sog. "politisch unkorrekte" gelächter dar, wie es vor allem gerne von sog. konservativer seite als "tabubruch" dargestellt wird - hier wird der witz zur ideologischen waffe und als "befreiend" halluziniert - "befreiung" von den als lästig empfundenen anforderungen, mit gesellschaftlich stigmatisierten bzw. diskriminierten gruppen/menschen solidarisch zu sein. ich glaube gerne, dass diese rechte art der verachtung von den protagonistInnen sogar als "ehrlich" bzw. authentisch empfunden wird - aber das ist keinesfalls ein beleg für humor, sondern eher für empathiestörungen.

viel zu viel von dem, was heute öffentlich so als "lustig" betrachtet wird, ist eher ganz deutlich verletzend gemeint und wirkt bei den gemeinten meist auch so. und es ist imo sehr bedauerlich, dass sich dabei auch im weitesten sinne als irgendwie "links" geltende medien wie bspw. die "titanic" viel zu häufig auf diese ebene begeben - als reaktion auf wahnsinnige und bösartige realitäten lässt sich das vielleicht begreifen, aber genau diese motivation wird von den derart handelnden entweder nicht gesehen, abgestritten, oder aber als rechtfertigung benutzt.

damit ich nicht falsch verstanden werde: ich will hier nicht für ein sozialpädagogenhaftes klischee von zwischenmenschlichem umgang plädieren - ich schätze selbst auch drastischere formen von humor, auch sarkastische (mit offen zynischen habe ich allerdings zunehmend schwierigkeiten). ebenfalls ist selbstironie eine begrüßenswerte fähigkeit. aber zu oft fehlt mir ein bewußtsein dafür, dass gerade solche gefühle, die sich in verletzenden "scherzhaften" formen ausdrücken, ihre basis immer auch in den unerträglichen realitäten haben, wie sie hier thema sind.

die konstatierte humorlosigkeit in teilen der fundamentalistischen islamistischen bewegungen ebenso wie in den christlichen gegenparts v.a. der usa mag dabei als besonders leicht zu provozierendes ziel reizen - aber ich sehe weit und breit nichts positives, was daraus entstehen könnte - erst recht nicht den fakt, das diejenigen, die mit derlei mitteln arbeiten, sich selbst als "tabubrecher" im namen der "meinungsfreiheit" feiern - dabei agieren sie lediglich ihre eigene verachtung und destruktivität aus. wer solchen "humor" hinnimmt, wird sich nicht mehr über etwaige karikaturen über bspw. auschwitz beschweren dürfen - auch, wenn das ein ganz anderes thema ist. es geht um die methode an sich, mit der hier gearbeitet wird. und nein, das bedeutet noch lange nicht, dass auch grundsätzliche kritik am islam oder anderen religionen bspw. nicht legitim sei - aber die arrogante, alles ins lächerliche ziehende und verletzende art und weise der "kritik" besonders einiger westlicher massenmedien ist ganz offensichtlich nicht an tatsächlichen interkulturellen fortschritten interessiert, sondern an eskalation. und wer jetzt ruft, islamische medien würden doch das gleiche zb. mittels antisemitischer schmähungen betreiben, hat den schuß nicht gehört - das uralte kindische spielchen "aber der hat doch auch..." sagt dabei wieder am meisten über diejenigen aus, die es praktizieren. und spielt im übrigen den fundamentalisten der "anderen seite" perfekt in die hände.

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vielleicht bringt es das folgende am besten auf den punkt: machen Sie sich einfach klar, dass eine große mehrheit aller heute lebenden menschen auf die eine oder andere art psychophysisch mehr oder weniger schwer verwundet ist, und zwar unabhängig davon, auf welchem kontinent jemand lebt. machen Sie sich weiter klar, dass sich mindestens ein teil dieser verwundungen wiederum in destruktiven und antisozialen verhaltensweisen manifestieren kann und auch manifestiert. dagegen ist selbstschutz legitim und nötig - aber das herumbohren in den fremden wunden hat damit absolut nichts zu tun, sondern verschärft die probleme nur noch. und führt dazu in die irre, indem es von den gerade genannten realitäten wegführt bzw. sie vernebelt. und wer aus eigenen wahrnehmungsdefekten heraus andere auslacht, macht sich selbst - lächerlich.

Freitag, 20. Oktober 2006

notiz: "für freiheit und demokratie", "für volk und vaterland", für... wie lange noch?

innerlich verspüre ich immer öfter bei solchen meldungen eine art von erstarrung - Traumatisierter US-Soldat zerstückelte Freundin.

der inhalt des darunter stehenden berichts ist teils extrem grausam, deshalb möchte ich allen, die aufgrund ihrer eigenen biographie möglicherweise re-traumatisierende triggereffekte verspüren könnten, dringend raten, mit dem lesen vorsichtig zu sein. wobei der dokumentierte horror einmal mehr das deutlich macht, was ich schon öfter unter täter-opfer-dialektik gefasst habe.

eher allgemein geht es dann mit informationen weiter, die für interessierte nicht gar so neu sind, aber nicht oft genug wiederholt werden können:

(...)"Mehr als ein Drittel aller aus dem Irak zurückgekehrten US-Soldaten hat binnen eines Jahres nach dem Einsatz psychologische Hilfe erhalten. Dies geht aus einer Untersuchung des Verteidigungsministeriums in Washington hervor. Bei zwölf Prozent der Heimkehrer wurden demnach psychische Probleme diagnostiziert.

Auch immer mehr Bundeswehrsoldaten leiden nach Auslandseinsätzen an psychischen Störungen: Die Zahl der Einsatzkräfte mit posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) hat sich in den vergangenen drei Jahren fast verdreifacht, teilte das Verteidigungsministerium am Dienstag der Nachrichtenagentur AP mit. Im Jahr 2005 waren demnach mindestens 140 Bundeswehrsoldaten wegen posttraumatischen Störungen in Behandlung. 2003 waren es noch 48 gewesen.

In den USA sehen sich sechs von sieben medizinischen US-Einrichtungen für Kriegsveteranen nicht in der Lage, die wachsende Nachfrage nach Behandlung von PTSD zu decken, heißt es in einem Bericht des Government Accountability Office (einer Art US-Bundesrechnungshof) vom September 2004. Dabei gehen Forscher inzwischen von Hunderttausenden seelisch kranker GIs aus."(...)


mehr zu kriegstraumata bei soldaten ebenfalls im kommenden traumaschwerpunkt - und bis dahin empfehle ich die lektüre dieses älteren beitrags zum thema us-soldaten und trauma: benutzt und weggeworfen.

Dienstag, 17. Oktober 2006

notiz: der wahnsinn der normalität

erinnern Sie sich noch an das zitat im letzten teil dieses beitrags?

(...)"Unsere Gesellschaft ist, was Armut betrifft, autistisch. Sie interessiert sich, wie viele Autisten, nur für Systeme. Sie diskutiert die "Agenda 2010", sie predigt den "Umbau des Sozialstaates", sie wägt den Vorteil von "Teilhabegerechtigkeit" gegenüber der "Verteilungsgerechtigkeit" ab, sie kennt tausende Statistiken über die deprimierende Lage auf dem Arbeitsmarkt. Sie spuckt Zahlen, Diagramme und Schaltpläne aus. Sie kann alles abstrahieren. Aber den Kontakt zu denen, die das betrifft, die damit klarkommen müssen, die darunter leiden, diesen Kontakt hat die Gesellschaft verloren. Sie ist unfähig, sich in die Lage armer Menschen hineinzuversetzen oder gar sie zu verstehen. Sie schildert stets eine völlig andere Welt, obwohl doch beide, die Mehrheitsgesellschaft und ihre Armen, in derselben Welt leben."(...)

die groteske derzeitige "diskussion" über die anscheinend wie aus dem nichts über die natürlich mal wieder völlig ahnungslose mehrheitsgesellschaft hereingebrochene "neue unterschicht" ist bei genauer betrachtung eine nachdrückliche unterstreichung der obigen these (und noch einiger anderer): es wird sich ausschließlich um begriffe gestritten, und dazu gibt´s eine ordentlich dosis realitätsverweigerung - etwa dann, wenn allen ernstes behauptet wird, dass die sog. "reform" namens "hartz IV" natürlich nichts mit der immer massiver werdenden verelendung ganzer bevölkerungsgruppen zu tun hätte - und sicher, wer würde denn überhaupt auf eine so abstruse idee kommen? das das bösartige demagogie ist, kann doch nun wirklich jede/r sehen - oder?

(...)"Erhielten am 21. Dezember 2004 noch 270 585 Berliner laufende Hilfe zum Lebensunterhalt, waren es ein Jahr später nur 8266 Personen. Dafür ist die Zahl der Berliner, die unter die Hartz-IV-Gesetze fallen - dazu zählt das neue Sozialgesetzbuch II -, im vergangenen Jahr explosionsartig gestiegen. Als Anfang 2005 Arbeitslosengeld und Sozialhilfe bundesweit zusammengelegt worden waren, zählten die Jobcenter 225 000 Bedarfsgemeinschaften mit 310 000 Menschen. Im März 2005 waren es bereits 279 000 Bedarfsgemeinschaften, im Oktober 314 000. Und bis April 2006 stieg die Zahl auf 335 000 Haushalte an."(...)

naja, großstadt halt, da ist ja alles ein bißchen extremer - aber woanders, zb. in einer kleinen niedersächsischen (nicht sächsischen!) stadt, sieht das bestimmt ganz anders aus. oder?

(...)"So etwa die Kunden der Tafel, deren Armut sie zwingt, sich regelmäßig in die langen Schlangen vor der Ausgabestelle einzureihen. Die ehrenamtliche Vorsitzende Monika Schmidt fühlt sich nach eigenen Angaben von der Politik im Stich gelassen. Viele wollten einfach nicht sehen, wie viel Armut es in Delmenhorst mittlerweile gebe. Und die Zahl derer, die auf die Unterstützung durch die Tafel angewiesen sind, steigt ständig. Laut Schmidt waren vor viereinhalb Jahren 67 Familien Kunden der Tafel, heute sind es 1447 Erwachsene und 492 Kinder, die sich in den Räumen an der Elbinger Straße regelmäßig Lebensmittelspenden abholen. Insbesondere mit der Einführung von Hartz IV habe sich die Lage dramatisch verschlechtert.

Erschütternd auch die Darstellung des Leiters der Parkschule, der darüber berichtete, dass viele Kinder zur Schule kommen und „richtig Hunger haben“. Aber auch in anderen Bereichen, wie etwa der Finanzierung von Klassenfahrten, sei die Armut deutlich spürbar."(...)

(danke an dieser stelle zum wiederholten male für die dokumentation dieser und vieler anderer meldungen an das forum auf der subfrequenz!)


schluß mit lustig - zahlen und statistiken sind zur genüge bekannt bzw. könnten es für alle interessierten sein. sie belegen nur in objektivistischer weise etwas, was seit jahren für alle auch nur noch leidlich wahrnehmungsfähigen menschen ziemlich deutlich ist, so wie der folgende auszug aus einem ebenfalls deutlichen kommentar:

(...)"Und mit Ausnahme einiger versprengter Linker in- und außerhalb der SPD sind sich alle Beteiligten in einem Punkt einig: Eine eigene Mitschuld an der sich ausbreitenden Armut und der Resignation vermögen sie nicht zu erkennen. Genau das ist die Lüge.

Beispiel Hartz IV: Zahllose Praktiker haben gewarnt, dass die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe vor allem Kinder und Jugendliche treffen werde, nicht zuletzt deshalb, weil ein Viertel der von der Kürzung Betroffenen alleinerziehende Mütter sind. Doch Beck, Kauder und ihre Mittäter kümmerte das nicht. Wenn sie jetzt angesichts der Verdoppelung der Kinderarmut in nur zwei Jahren über die Folgen klagen, ohne die eigene Verantwortung zu benennen, ist das bloße Heuchelei im Amt. Noch schwerer wiegt, dass sie die Verarmung der Verlierer bewusst vorantreiben, indem sie die Mehrwertsteuer erhöhen und eine Gesundheitsprämie einfordern. Beides wird wieder die Geringverdiener am härtesten treffen.

Beispiel 400-Euro-Jobs: Jeder Experte hat gewusst, dass die Begünstigung von Midi- und Mini-Jobs den Abbau regulärer Beschäftigung massiv beschleunigen würde. Doch die Gesetzesmacher der vermeintlichen Volksparteien scherte das wenig. Vielmehr förderten sie von der Befristung bis zur Leiharbeit alles, mit dem sich das Angebot an unsicherer, schlecht bezahlter Arbeit ausweiten ließ. Sich nun darüber zu beklagen, dass die so erzeugten Arbeitslosen ihre Bezüge mit Mini-Jobs aufbessern anstatt nach einem der neuen Hungerlohnjobs zu suchen, ist eine zynische Provokation."(...)


zynische provokationen stellen auch die reaktionen der kapitalistischen organisierten schwerkriminalität (deren gangs sich immer noch als "unternehmen" - nichts anderes sind ganz prinzipiell auch die diversen mafiösen vereinigungen, die sich zb.dem profitorientierten frauen- und kinderhandel, dem waffenschmuggel, dem organhandel und weiteren geschäftszweigen widmen - zu bezeichnen pflegen) auf die folgen der von ihnen mitverantworteten zustände dar:

(...)"Eine Realität, die sich so beschreiben lässt, bringt spezielle Sitten hervor. Die Hartnäckigkeit vieler Gläubiger ist so unfein wie die Lage, in die sie mehr und mehr geraten. Man hört zum Beispiel solche Geschichten: Anders als ihr Vorgänger Bewag übe die Energiefirma Vattenfall kräftig Druck auf säumige Kunden aus. Einer ihrer Klientinnen, erzählt Vetter, wurde der Strom abgedreht, obwohl die Mutter eines Säuglings durch die Härtefallregelung gesetzlich geschützt ist. Handyfirmen drohten mit Beugehaft. Fitnessstudios schickten Gerichtsvollzieher. Eine Inkassofirma hat das Konto einer Arbeitslosengeld-II-Empfängerin gepfändet, obwohl dort kein Cent zu holen ist. Gepfändete Konten werden schnell gesperrt, mit Schufaeintrag gibt’s kein neues, ohne Konto keinen Arbeitsplatz."(...)

mehr und mehr wird dadurch auch die bisher versteckte sozialdarwinistische selektion zur offenen:

(...)„Empfindungsschmerz“, nennt er das. Solchen Schmerz braucht das Land. Gillar lässt sich erzählen, wofür die Leute Geld ausgeben. Oft ist ihm unklar, wie sie über die Runden kommen. „Sie sparen an Essen und Körperpflege“, sagt er. „Glauben Sie, meine Klientinnen gehen zur Vorsorgeuntersuchung zum Arzt?“ Kürzlich erlitt eine junge, erschöpfte Mutter einen Hörsturz, im Krankenhaus diagnostizierte man Krebs. Erschreckend viele seiner Klienten sind im letzten Jahr an Krebs erkrankt."(...)

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die durchsicht der aktuellen medienlandschaft ist eine einzige obszöne zumutung, die gestern selbst meine durchaus belastbaren selbsschutzmechanismen zum kollabieren gebracht hat - gleichmäßig verteilte wut und angst waren die folgen. neben dem schon oben angerissenen gibt es immer mehr und weitere indizien für eine unheilvolle antisoziale entwicklung, und zwar nicht nur in d-land:

eins:

"Die Kriminalität der rechtsextremen Szene in Deutschland ist offenbar nicht zu stoppen. Das Bundeskriminalamt hat von Januar bis Ende August schon fast 8000 rechte Straftaten registriert. Das sind über 20 Prozent mehr als in den ersten acht Monaten des Jahres 2005, damals zählte die Polizei 6605 einschlägige Delikte. Im Vergleich zu dem gleichen Zeitraum 2004 (5127 Straftaten) zeichnet sich sogar ein Anstieg um 50 Prozent ab.(...)

Gleichzeitig nimmt auch die Brutalität der Szene weiter zu. Von Januar bis August zählte die Polizei bundesweit 452 rechte Gewalttaten, bei denen 325 Menschen verletzt wurden. In den ersten acht Monaten 2005 waren es 363 Gewaltdelikte und 302 Verletzte."(...)


zwei:

"Die Deutsche Kinderhilfe hat die Misshandlung von Kindern als "nationale Katastrophe" bezeichnet. Es sei bedrückende Realität, dass fast täglich Kinder mitten unter uns gequält und getötet werden. Der Aufbau einer funktionierenden Kinder- und Jugendhilfe sei die aktuelle Herausforderung, hinter der vieles zurückstehen müsse."

drei:

(...)"In anderthalb Wochen jährt sich der Beginn der Banlieue-Unruhen vom vergangenen Herbst. Pünktlich zu diesem Datum wächst die Gewaltbereitschaft wieder, die Wut in Frankreichs Vorstädten kocht weiter. Die Zeitung "Le Monde" zitiert einen vom Innenministerium erhobenen "städtischen Gewaltindikator". Der sei im September - im Vergleich zum August - um ein Drittel angestiegen - auf 480 Angriffe auf Polizisten allein in diesem einen Monat. Arbeitslosigkeit, Wohnsituation - kaum etwas hat sich zum Besseren verändert, beklagen Vereine und Lokalpolitiker."(...)

vier:

(...)"In Wirklichkeit jedoch hat der globale Triumph des Kapitalismus die größte Welle von Grenzbefestigungen in unserer Geschichte ausgelöst. Der Erdball erinnert heute eher an das späte Römische Reich oder das China der Sung-Dynastie als an das Goldene Zeitalter des viktorianischen Liberalismus. Gut ein Dutzend Länder zieht derzeit den Eisernen Vorhang zu.(...)

Diese internationale Mauer ist keine bloße metaphorische Überhöhung nationaler Grenzen, sondern ein eng gefügtes System von Befestigung, Überwachung, bewaffneten Patrouillen und Internierungslagern, das sich über den halben Planeten zieht und mindestens 12000 Kilometer Festlandsgrenze abriegelt. Für verzweifelte illegale Grenzgänger ist es gefährlicher als einst der Eiserne Vorhang.(...)

Historisch gleicht die derzeitige Einmauerung des Westens jener Periode im zweiten christlichen Jahrhundert, als das Römische Reich von den relativ offenen, durch mobile Legionen geschützten Grenzen des julisch-claudischen Kaiserhauses zum massiven Limes der nachflavischen Herrscher überging. So wie sich die spätrömische Grenze aus verschiedenen Befestigungssystemen zusammensetzte (Hadrianswall, Limes Porolissensis, Fossatum Africae), besteht die Große Mauer des Kapitals aus drei kontinentalen Grenzregimen: der US-amerikanischen frontera, der Festung Europa und der Howard-Linie, die das weiße Australien von Asien trennt.(...)

Die Quäker-Hilfsorganisation American Friends Service Committee schätzt, dass im Lauf der letzten zehn Jahre mindestens 3000, vielleicht sogar 5000 Menschen ums Leben kamen: in Güterwagen vor Laredo erstickt, in Bewässerungskanälen bei El Centro ertrunken, im Organ Pipe Cactus National Monument verdurstet oder in den Bergen östlich von San Diego erfroren. Andere starben bei Buschbränden und Verfolgungsjagden mit der Grenzpolizei, oder sie wurden – wie Menschenrechtsaktivisten berichten – von Bürgerwehren in Arizona ermordet."(...)


was die inzwischen ebenfalls in die tausende gehende zahl der toten an den grenzen der festung europa anbelangt, so war hier im blog bereits genügend dazu zu lesen.

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mörderische - und für die überlebenden, zu denen bis auf weiteres auch wir gehören, potenziell traumatische - zustände also, grundsätzlich nichts neues (zumindest für die, deren tellerrand - ein etwas seltsames synonym für wahrnehmung - weiter reicht als bis zum nächsten urlaub, der täglichen soap und der nächsten fälligen rate für die eigentumswohnung).

es gibt - und das wird nicht nur ein blick zb. in das dem zuletzt zitierten "zeit"-artikel angeschlossene forum zeigen - durchaus genügend leute, die eine oder auch mehrere der folgenden reaktionen zeigen: a) verleugnung, b) verdrängung, c) rechtfertigung.

um es klipp und klar zu sagen: diese leute sind mittäter und -täterinnen - anders lässt sich die entschuldigende akzeptanz oder gar rechtfertigung der a-sozialen und im schlimmsten sinne des wortes unmenschlichen zustände nicht benennen. in d-land ließe sich auch zusätzlich sagen: sie sind genauso gewollt-ungewollt bösartig wie ihre vorfahren im nationalsozialismus.

eine ganz wesentliche basis, ohne die sich eine derartige realität, wie wir sie erleben müssen, nicht entwickeln könnte, stellen die verschiedenen menschlichen wahrnehmungsmodi dar, die sich in einem ständigen wechselspiel mit der (sozialen) realität befinden, sie gestalten und gleichzeitig von ihr gestaltet werden. ich reite deshalb immer wieder auf diesem punkt herum, weil die wahrnehmung tatsächlich das nadelöhr bildet, durch das wir quasi zur welt kommen, aber die welt auch zu uns kommt. diverse als mit recht pathologisch zu begreifende zustände, in denen sich die menschliche wahrnehmung verfangen kann, bilden ein untrügliches merkmal für die verschiedenen, hier unter beziehungskrankheiten zusammengefassten störungen/krankheiten, zu deren symptomen u.a. (selbst-)destruktives und antisoziales agieren gehören kann. die tödlichen realitäten, die im ersten teil dieses beitrags thema waren, sind mindestens in ihren wirkungen traumatisch - viel schwerer ist es jedoch in der regel nachvollziehbar, dass mit einiger wahrscheinlichkeit gesagt werden kann, dass sie auch wiederum ihrerseits in traumatischen bzw. traumatisierenden verhältnissen ihren ursprung besitzen. und hier liegt imo auch die lösung einiger rätsel verborgen, die im zusammenhang mit den verheerenden entwicklungen auffallen:

- warum regt sich so wenig widerstand?
- warum kann das "teile-und-herrsche"-prinzip (spaltung) der herrschenden "eliten" bis jetzt so gut aufgehen?
- warum gibt es tatsächlich in den verarmenden bevölkerungsteilen nicht nur resignation, sondern auch eine teils stark ausgeprägte bereitschaft zu ressentiments gegen als noch schwächer/ausgegrenzter wahrgenommene menschen?
- welche bedeutungsebenen haben die grenzen, die auf dem planeten real gezogen werden?

um darauf möglichst zutreffende antworten zu geben, ist es nötig, sich tief und intensiv mit dem thema "trauma" zu beschäftigen, und wie angekündigt wird das der nächste blogschwerpunkt in den kommenden wochen und monaten sein, auf den ich mich ab jetzt konzentrieren möchte.

Dienstag, 10. Oktober 2006

notiz: vor unserer haustür (3.update am 12.10.)

besonders im letzten jahr hatte ich hier immer wieder verschiedene meldungen unter den keywords infantizid / gewalt gegen kinder dokumentiert. das diese traurige realität sich nicht deshalb erledigt hat, nur weil es medial gerade keine besonders "spektakuläre" fälle zu vermelden gibt, sollte - so die vielleicht naive hoffnung meinerseits - hoffentlich im bewußtsein präsent sein. es geschieht weiter und immer wieder - vor unserer haustür:

"Das Bremer Jugendamt hatte Alarm geschlagen: Gemeinsam mit der Polizei wollten Mitarbeiter ein Kleinkind aus der elterlichen Wohnung holen. Sie entdeckten den fast zweijährigen Jungen im Kühlschrank - tot.(...)

Das Kind wurde seit seiner Geburt von der Jugendhilfe begleitet, da die Mutter dem Säugling gegenüber gewalttätig war. Das letzte Lebenszeichen des Kindes stammt vom Juli 2006, als ein Arzt das Kind gesehen hatte. Seitdem bekam es kein Mitarbeiter der Sozialbehörde mehr zu Gesicht. Zu der Frage, ob ein solcher Zeitraum für angemessen gehalten wird, machte das Ressort keine Angaben.(...)

Den Ermittlern zufolge wies die Leiche des Kindes Spuren von Mangelerscheinungen auf. Der Junge sei nicht erst in den vergangenen Tagen gestorben. Gegen den Vater wird nun ermittelt. Dabei werde noch geprüft, ob die Staatsanwaltschaft dem Verdächtigen aktive Tötung oder Vernachlässigung des Kindes vorwirft. Er hatte auf die Frage nach dem Kind mit den Worten geantwortet "Da drüben liegt er" und auf den Kühlschrank gedeutet. Danach habe er geschwiegen. Der 41-Jährige befand sich in einem Methadon-Programm gegen seine Drogensucht."


es lässt sich ahnen, was sich für eine trostlose geschichte dahinter verbirgt. ebenso wie im folgenden:

"Vor einer Woche war in einer Müllsortieranlage in Passau ein totes Baby entdeckt worden. Nach Angaben der Mutter sei es bereits tot zur Welt gekommen. Die junge Frau habe sich am Sonntagabend der Polizei gestellt, sagte der Leitende Passauer Oberstaatsanwalt.

Die Mutter habe bei den Vernehmungen ausgesagt, dass sie das Kind bei einer Sturzgeburt auf der Toilette geboren habe. Da das Kind keine Lebenszeichen von sich gegeben habe, habe sie das Neugeborene in einem Plastiksack in die Biotonne geworfen. Bis zur plötzlichen Geburt habe sie nichts von ihrer Schwangerschaft bemerkt, erklärte die Mutter. Es habe bei ihr keinerlei körperliche Anzeichen dafür gegeben. Laut Gerichtsmediziner ist das Baby jedoch lebend zur Welt gekommen."(...)


mal gesetzt den fall, es handelt sich bei der aussage der mutter nicht nur um eine simple (not-)lüge: in was für einem wahrnehmungszustand muss sich eine frau befinden, um monatelang eine schwangerschaft nicht zu bemerken? und wie sah es diesbezgl. mit ihrem sozialen umfeld aus?

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edit am 11.10.: in der bremer geschichte hat es ganz aktuell jetzt erste politische konsequenzen gegeben: die für die sozialbehörden verantwortliche senatorin röpke ist heute zurückgetreten.

(...)"Bei der Pressekonferenz räumte sie ein, schon früher persönlich mit dem Schicksal des Jungen befasst gewesen zu sein.

Nach dem Fund der Leiche waren Fragen über mögliche Versäumnisse der Behörden bei der Betreuung des Jungen laut geworden. Das Kind stand unter der Vormundschaft des Jugendamtes und wurde im Juli zuletzt lebend gesehen. Zunächst war nicht klar, wann zuletzt ein Sozialarbeiter Vater und Sohn besuchte, die im Brennpunktviertel Gröpelingen lebten. Jugendamtsleiter Jürgen Hartwig hatte am Dienstag erklärt, Mitarbeiter der Sozialbehörde hätten regelmäßigen Kontakt zu Eltern und Arzt gehabt und sich vergewissert, "dass die Dinge richtig laufen.


aber genau dieser "regelmäßige kontakt" scheint ja hier real nicht vorhanden gewesen zu sein. mit röpke geht übrigens eine person, die im bremer filz in den letzten monaten gerade im sog. "klinikskandal" eine alles andere als vertrauenerweckende rolle spielte. von daher scheint sie jetzt der neue - hm, skandal völlig untragbar gemacht zu haben. ich werde mich bemühen, die weiteren entwicklungen in dieser geschichte zu verfolgen.

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edit 2 am 12.10.: deutlich sind der tod des kleinen jungen in bremen sowie die zutage getretenen behördlichen versäumnisse heute in der hiesigen presselandschaft hauptthemen; ich möchte aber zunächst nochmals auf den oben verlinkten spon-artikel eingehen, bzw. auf folgende absätze daraus:

(...)"Als Reaktion auf die zahlreichen Fälle von vernachlässigten Kindern hat der Kriminologe Rudolf Egg gefordert, die medizinischen Vorsorgeuntersuchungen gesetzlich vorzuschreiben.

Die Kinderärzte dürften nicht zum verlängerten Arm der Staatsanwaltschaft gemacht werden, seien auf der anderen Seite aber verpflichtet, die Gesundheit der Kinder zu schützen, sagte der Leiter der Kriminologischen Zentralstelle von Bund und Ländern in Wiesbaden."(...)


eine forderung, die vermutlich - und auch nachvollziehbar - größtenteils zustimmung auslösen dürfte. ich hänge da immer noch in einem zwiespalt, den ich hier genauer beschrieben habe:

(...)"ein problem bei den derzeit diskutierten maßnahmen staatlicher und institutioneller eingriffe (denen ich als provisorische sofortmaßnahme im interesse der opfer nicht grundsätzlich abgeneigt bin) besteht imo in der tendenz, das generelle gewaltproblem besonders an familien festzumachen, die nach allen kriterien unter ökonomischer verarmung, schlechter bildung etc. leiden.

sicher - wie früher schon einmal ausgeführt, tragen schlechte bis existenziell bedrohliche ökonomische bedingungen einiges zur wahrscheinlichkeit von gewalttätigen strukturen innerhalb von familien bei. primär auslösend jedoch sind sie nicht. die hier thematisierte gewalt kommt in allen gesellschaftlichen klassen vor, auch in den sog. ober- und mittelschichten. es erscheint nicht nachvollziehbar, warum diese von interventionsprogrammen ausgeschlossen bleiben sollten. so wird das problem ungerechtfertigt verkürzt und an einer bestimmten gesellschaftlichen gruppe festgemacht - einer gruppe zudem, die bereits zunehmend im focus staatlicher und institutioneller maßnahmen steht - die grenze zwischen tatsächlicher hilfe und systematischer entmündigung, kontrolle und repression in zeiten zunehmender ökonomischer verelendung mitsamt den begleitenden sozialen selektionsprozessen ist eine sehr fließende.

bei betrachtung der ständig perfektionierten ausweitung der innerstaatlichen repressionsapparate in der gesamten sog. westlichen welt jedenfalls kann ich mich des eindrucks nicht erwehren, dass weitreichende staatliche eingriffe gerade in den bereits sozial stigmatisierten gruppen sehr schnell für zwecke instrumentalisiert werden können, die mit der vielleicht z.t. aufrichtig gemeinten hilfe nichts mehr zu tun hätten."(...)


in diesem fall - bekannt gewordene gewalt zwischen den eltern, das symptom des drogenabusus u.ä. - hätte jedoch tatsächlich nur die herausnahme des kindes aus dem familiären umfeld etwas rettendes bewirken können. hinterher ist man zwar immer schlauer, jedoch ist eine solch im schlimmsten sinne des wortes dysfunktionale familiensituation ja nun weder ein einzelfall, noch den behördlich verantwortlichen prinzipiell unbekannt. hinsichtlich meiner obigen bedenken schätze ich, dass es bis auf weiteres ein eiertanz bleibt, weitreichende staatliche maßnahmen mit ihrem immanenten repressionspotenzial für u.u. lebensrettende aktionen einzusetzen. in diesem konkreten fall wäre das nötig und vertretbar gewesen - und hat ausgerechnet dann tödliche folgen nach sich gezogen.

und dann wird neben - bekannten - zutreffenden beobachtungen noch einmal eine ganz üble platte aufgelegt:

(...)"Neben der körperlichen Verwahrlosung und Vernachlässigung gebe es nach seiner Beobachtung zunehmend Fälle von psychisch und sozial isolierten Kindern. "Die haben zwar genug zu Essen und Anzuziehen, erfahren in ihren Familien aber sonst keine Zuwendung. Die Isolation vor der elektronischen Spielkonsole führe zu Leistungsmängeln, erklärte Egg unter Hinweis auf die Studien seines Kollegen Christian Pfeiffer aus Hannover."(...)

sind leistungsmängel wirklich das einzige argument, die benannten zustände zu ändern? diese verdammte bwl-logik mit ihren verdinglichenden wirkungen zieht sich wie ein schimmelpilz durch die gesamte gesellschaft. und ist genauso giftig.

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zur jetzt ausgebrochenen politischen diskussion ist u.a. zu lesen:

(...)"Dass der Hintergrund Kostenerwägungen sein könnten, wie Kritiker sagen, bestritten die Vertreter der Sozialbehörde gestern."(...)

naja, das wäre ja auch einmal wirklich eine echte überraschung gewesen, das gegenteil zu hören.

der konkrete diesbezgl. verdacht lautet im großen und ganzen so:

(...)"Böhrnsen ging einen Schritt weiter und sagte, das "gesamte Hilfesystem" müsse auf den Prüfstand. Die Heimleitung hatte ihm gegenüber im Januar darauf hingewiesen, dass sich Praxis der Bremer Sozialbehörde im Umgang mit Kindern in den letzten Jahren geändert habe. Dahinter steht der Verdacht, dass aus Spargründen die Zahl der Heimunterbringungen bürokratisch begrenzt worden ist."(...)

(und diese begrenzung wird dann noch schlimmstenfalls pädagogisch-ideologisch mit einer eigentlich durchaus berechtigten distanz zur institution "heim" begründet, aber das soll jetzt hier nicht weiter vertieft werden).

der behördliche - und bisher bekanntgewordene - umgang lässt jedenfalls etliches im unklaren:

(...)"Im Sozialamt, so berichtete dessen Leiter Jürgen Hartwig, sei die Frage der Erziehungsfähigkeit im Frühjahr 2006 noch kontrovers diskutiert worden, eine Minderheit habe mit Hinweis auf das Kindeswohl darauf gedrungen, das Kind dem Vater zu entziehen, eine Mehrheit habe aber mit Hinweis auf die "Familienorientierung", wie Hartwig formulierte, dagegen entschieden. Bedingung sollte allerdings sein, dass der Vater Hilfe annimmt. Der hatte sich der Vater aber weitgehend erfolgreich entzogen und stattdessen behauptet, er wolle zu seiner Mutter ziehen, die außerhalb Bremens lebe. Damit wäre das Bremer Sozialamt die Verantwortung los gewesen, eine andere Kommune hätte die Zuständigkeit übernehmen müssen.

Als die Großmutter von Kevin dann allerdings im Sommer dem Sozialamt mitteilte, dass ihr Sohn und Kevin gar nicht bei ihr seien, da wuchs offenbar das Misstrauen beim "Fallmanager". Im September beschloss die Fallkonferenz, das Kind dem Vater wegzunehmen. Als am 10. Oktober dann die Polizei die Tür zur Wohnung aufbracht, war es zu spät."(...)


imo wird hier ein schwer durchschaubarer wust aus individuellen versäumnissen und strukturellen begrenzungen sichtbar - "familienorientierung" als behördliches leitbild trifft auf versteckte einsparmotivationen, individuelle wahrnehmungsschwächen und institutionell bedingte behäbigkeit, auf der anderen seite darf jedoch auch nicht der täter/vater vergessen werden, der offensichtlich über ausreichende simulative fähigkeiten verfügte, um den behörden entsprechende fakes vorzusetzen. aus diesen und vermutlich noch anderen quellen entwickelte sich dann die tödliche konstellation. um solche verhältnisse aufzulösen, bedarf es u.a. ziemlich radikaler wahrnehmungserweiterungen als nötiger grundlage - rücktritte und andere personelle konsequenzen sind eher als scheinaktionismus zu werten, der vermutlich als eine art bewährtes placebo ans publikum verabreicht wird.

im betreffenden stadtteil gröpelingen soll übrigens anfang november ein schon länger geplanter aufmarsch der npd stattfinden, und es ist zu befürchten, dass die nazis aus den umständen dieser geschichte - drogenmilieu, behördliche "laschheit" - in noch nicht abzuschätzender form profitieren könnten. einfache "lösungs"angebote bei komplexen situationen stellen eine nicht zu unterschätzende gefahr dar - gerade dann, wenn ein derartig grausiger kindstod mit sicherheit ebenso nicht abzuschätzende tiefgehende emotionale triggereffekte in der bevölkerung bewirkt. ich fürchte, das hier nicht (nur) mein pessimismus spricht.

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edit 3: was zum teufel hat die verantwortliche spon-redaktion dazu veranlasst, die populistischen vorschläge zum internet-pranger für verurteilte sexualstraftäter mit den meldungen zum ermordeten kind in bremen und neuen unerträglichen informationen zusammen in einem schwerpunkt als topaufmacher zu präsentieren? soll das einfach nur zum unfreiwilligen erneuten beleg dafür dienen, dass die sehnsucht nach anscheinend "durchgreifenden lösungen" nicht nur ganz rechts verbreitet ist?

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immerhin stecken auch ein paar informationen in den artikeln dieses zusammenkonstruierten schwerpunkts: so sind inzwischen ermittlungen gegen die sozialbehörde eingeleitet worden, und - mediale und öffentliche aufmerksamkeit erfordern aktionismus - aus berlin wird das folgende bekannt:

(...)"Das Bundesfamilienministerium will noch in diesem Jahr ein Kompetenzzentrum einrichten, das die Aktivitäten in den Ländern koordiniert, begleitet und evaluiert. In die Einrichtung eines Frühwarnsystems für vernachlässigte und misshandelte Kinder sollen den Angaben zufolge zehn Millionen Euro investiert werden.

Den Familien, die mit der Erziehung ihres Kindes völlig überfordert seien, müsse von Anfang an geholfen werden, betonte von der Leyen. In Modellprojekten, die mit Ländern und Kommunen entwickelt wurden, sollen diese Familien vor oder ab der Geburt des Kindes intensiv begleitet werden."(...)


zehn millionen euro. wenn´s nicht so abgrundtief zynisch und traurig wäre, würde mein lachanfall immer noch andauern. (nur zum vergleich ein paar aktuelle zahlen aus dem deutschen rüstungsetat:

(...)"Die Bundesregierung will noch in diesem Jahr neue Rüstungs-Projekte mit einem Volumen von knapp sechs Milliarden Euro auf den Weg bringen. Ein einziger Eurofighter kostet allein 108 Millionen Euro.

Das Verteidigungsministerium bestätigte Berichte über eine entsprechende Planungsliste, die in eine Vorlage des Finanzministeriums an den Haushaltsausschuss des Bundestages einfließen soll. Demnach wird die Bundeswehr neue Fregatten, U-Boote und eine neue Generation geschützter Fahrzeuge erhalten; die Kosten sollen schrittweise im Laufe der kommenden Jahre anfallen.

Verteidigungsminister Jung will unter anderem dem Heer für rund 891 Millionen Euro 272 gepanzerte Transportkraftfahrzeuge vom Typ Boxer zur Verfügung stellen. Das für Auslandseinsätze wichtige vierachsige Fahrzeug kann bis zu zehn Soldaten aufnehmen, ist - mit einem Maschinengewehr ausgestattet - bei einer Reichweite von 1.050 Kilometern über 100 Kilometer pro Stunde schnell und bietet Schutz gegen Minen und Beschuß. Weitere große Rüstungsvorhaben sind vier Fregatten vom Typ 125 für 2,2 Milliarden Euro sowie zwei U-Boote vom Typ 212 für 864 Millionen Euro. Für die Modernisierung des seit 30 Jahren betriebenen Transporthubschraubers CH 53 sollen zudem rund 500 Millionen Euro ausgegeben werden."(...)


sagte hier jemand gerade etwas von prioritäten? soviel wert ist das leben und die gesundheit von menschen - kindern - in den augen der herrschenden zombieklasse.)

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der häßliche verdacht, dass bei der entstehung der mörderischen konstellation für den kleinen jungen in bremen auch kostenfragen bei den versagenden behörden eine rolle gespielt haben könnten, wird durch einen artikel in der morgigen taz doch stark untermauert - ein paar auszüge:

"Nach dem Tod des kleinen Kevin in Bremen erheben freie Träger von Sozialhilfe-Angeboten schwere Vorwürfe gegen den Leiter des Bremer Jugendamtes: Der habe Jugendhilfe nach Kassenlage gemacht. Die Grünen fordern einen Untersuchungsausschuss. (...)

Seit Jahren, so berichtete die Fraktionsvorsitzende Karoline Linnert, würden die Fachvertreter im Jugendhilfeausschuss dagegen Sturm laufen, dass die Kostenbegrenzungen beim Rechtsanspruch auf Hilfe eine immer größere Rolle spielten. "Kevins Tod ist nur die Spitze des Eisbergs. Es gibt zahlreiche Hinweise, dass Bremer Kindern in Not nicht oder nicht angemessen geholfen wird."

Die Grünen fordern deshalb auch die Suspendierung des Leiters des Jugendamtes, Jürgen Hartwig. Der habe "dafür gesorgt, dass nicht allein nach fachlichen Gesichtspunkten entschieden wird, ob ein Kind in eine Pflegefamilie oder ein Heim kommt." Es sei im Zweifelsfall in Vier-Augen-Gesprächen ein "unerhörter Spardruck" von ihm ausgeübt worden, meinte der jugendpolitische Sprecher Jens Crueger - "rechtswidrig" sei das, da das Kinder- und Jugendhilfegesetz ausschließlich fachliche Kriterien kenne."(...)


und nachdem der leiter des heimes, in dem der kleine kevin zweimal kurzzeitig untergebracht worden war, ausführlich seine version der vorgänge dargestellt hat, kommen ein paar wirklich aufschlußreiche dinge zum vorschein:

(...)"Bestürzt formulierte er einen Bericht an den Träger des Heimes, einen privaten Verein, in dessen Kuratorium der Bürgermeister sitzt - so empört sei er gewesen, "welche Zustände in dieser Stadt herrschen". Denn, so Joachim Pape, jahrelang hatte das Heim rund hundert Fälle von "In-Obhut-Nahmen" von Kindern pro Jahr, 2005 dann nur 44. "Wo sind diese Kinder? Ist plötzlich alles gut?" Papes Verdacht: Das Jugendamt hat seine "Politik" geändert.

Den Verdacht teilen andere private Träger. Seit Monaten führen sie Verhandlungen über die Zahl der vorzuhaltenden Plätze - unter anderem für Kinder in Notfall-Situationen. Die Vertreter des Sozialamtes würden da erklären, Bremen brauche nicht so viele Plätze - der Beleg seien die Zahlen von 2005, heißt es.

Die Auseinandersetzungen im Jugendhilfeausschuss um die "Budgets", die eingehalten und nicht durch steigende "Fallzahlen" überschritten werden dürfen, füllen Aktenordner. "Die Zahl der Fremdplatzierungen darf nicht gesteigert werden", heißt es unmissverständlich in einem Papier der Sozialsenatorin vom 1.8.2006. Indem das Jugendamt den kleinen Kevin wieder in die Obhut des Vaters gegeben hat, hat es nur diese sozialpolitische Vorgabe umgesetzt."(...)


parteipolitik hin, finanzielle interessen der freien träger her - von diesen vermutlich vorhandenen motivationen abgesehen, bleibt dann doch ein einblick in die antisoziale realität einer gesellschaft übrig, in der sich ein durchdrehender kapitalismus und die darin und daran durchdrehenden menschen die bälle zuspielen. sparen bis zum bitteren und tödlichen ende; sparen bei den schwächsten und wehrlosesten. meine finsteren gedanken aus meinem kommentar unten erhalten gerade wieder neue impulse. und unter den jetzt bekanntgewordenen verhältnissen werden auch die rücktritte der "persönlich" verantwortlichen (der leiter des jugendamtes dürfte ebenfalls seinen posten loswerden) tatsächlich als placebos für die öffentlichkeit erkennbar: sie haben lediglich eine überall propagierte "politik" im schlimmsten sinne des wortes exekutiert - und "wo gehobelt wird, fallen nun einmal späne". "das system ist okay, persönliche versäumnisse (die ja eigentlich aus der perspektive des ökonomisch betrachtenden wahns strenggenommen gar keine sind) werden sanktioniert" - und wir schafe sollen wieder in den üblichen betäubungsschlaf zurückfallen. wenn wir das akzeptieren, verdienen wir vielleicht tatsächlich alles weitere.

notiz: kennen Sie Ihr *bauchgehirn*? ein kleiner ausflug zum enterischen nervensystem

ich schreibe hier ja öfter von den menschlichen nervensystemen, und ich weiß nicht, ob das wissen darum tatsächlich weiter verbreitet ist - nun also ein kleiner ausflug in unsere anatomie mitsamt etlichen infos zum ens, dem kleinen bruder oder der kleinen schwester des zns.

(...)"Werden Menschen gefragt, wo Wohl- und Unbehagen, Emotion und Intuition, Freude und Leid am besten zu orten sind, zeigen sie, gleich welcher Herkunft oder Hautfarbe, auf die Leibesmitte. Der Volksmund mit seinen Sprichwörtern wie "Liebe geht durch den Magen" oder "Vor Angst in die Hosen machen" liegt wahrscheinlich gar nicht falsch. Wissenschaftlich gesichert ist, dass das enterische Nervensystem nahezu autark funktioniert - die motorischen Vorgänge im Magen-Darm-Kanal sind auch ohne die Innervation durch Parasympathikus und Sympathikus, also auch bei Durchtrennung der entsprechenden Nervenfasern, gewährleistet. Das Bauchhirn kann Informationen seiner Sensoren selbst bearbeiten und in Eigenregie kontrollieren. Wegen seiner weitgehenden Unabhängigkeit und seinem mit dem ZNS vergleichbaren Aufbau heißt das enterische Nervensystem auch das "kleine Gehirn".

Diese Autonomie ist relativ. Das enterische Nervensystem wird vom ZNS beeinflusst. Sympathikus und Parasympathikus wirken modulierend. Beide fungieren als eine Art Standleitung zwischen den beiden großen Nervensystemen: 80 Prozent der Nervenstränge, die zwischen beiden geschaltet sind, laufen vom Bauch zum Hirn, und nur der Rest verläuft in umgekehrter Richtung. Das enterische Nervensystem sendet viel mehr Signale zur Zentrale als es von dort empfängt."


die letztere aussage ist ziemlich spannend, oder? selbst unter berücksichtigung der tatsache, dass das ens natürlich primäre aufgaben in seiner anatomischen region erfüllt, sind die möglichen komplexen wirkungen, die sich aus der erfüllung dieser aufgaben ergeben, auch hinsichtlich der themen dieses blogs relevant:

"Wie sein großer Bruder ist das kleine Gehirn ein Meister der feinen Manipulation. Denn dass der Transport des Speisebreis durch den Magen-Darm-Kanal weitgehend reibungslos vonstatten geht, verdankt er dem feinen Gespür des kleinen Gehirns in der Magengrube. Es sorgt mit einem fein austarierten Gleichgewicht an aktivierend und hemmend wirkenden Botenstoffen, Hormonen und Sekreten für die Lösung, wenn spezielle Nahrungsbestandteile bei der Verdauung Probleme bereiten. Überwiegen die hemmenden Faktoren, entspannt der Darm so sehr, dass er gelähmt wird. Rezeptoren registrieren keine Wandspannung mehr, Verstopfung ist die Folge. Gewinnen dagegen die erregenden Faktoren die Oberhand, wird der Speisebrei zu schnell transportiert und endet als Durchfall.

Der Bauch reagiert auf jede Stimmungsschwankung. Bei Trauer wird weniger Magensaft, bei Angst mehr Speichel gebildet. Angst treibt den Stuhlgang an und lässt ihn dünner ausfallen. Wut steigert die Grundspannung der Muskeln des Gastrointestinaltraktes. Möglicherweise entspricht die Darmregion auch dem, was Freud als Unterbewusstsein bezeichnete. Diese Hypothese stellt der New Yorker Neurogastroenterologe Michael Gershon auf, Pionier auf dem Gebiet der Erforschung des enterischen Nervensystems. Depressionen, Neurosen oder Angsterkrankungen könnten ihren Ursprung teilweise in einer gestörten Kommunikation von kleinem und großem Gehirn haben. Auffällig: Reizdarm-Patienten neigen Studien zufolge vermehrt zu Ängstlichkeit und Depressivität.

Gleiches gilt auch umgekehrt: Beschwerden durch den Reizdarm könnten eine Reaktion des enterischen Nervensystems auf emotionalen Stress sein. Beweisen lässt sich das noch nicht. Es gibt aber immer mehr Indizien, die solche Theorien untermauern. Die neuesten Forschungsansätze besagen, dass es sich um eine Fehlsteuerung auf Neurotransmitterebene handelt, und zwar sowohl im enterischen als auch im Zentralnervensystem."(...)


aus etlichen gesprächen mit krankenpflegerInnen vor ein paar jahren konnte ich die damals für mich neuen informationen ziehen, dass von diesen patientInnen mit schweren darmerkrankungen wie bspw. morbus crohn oder colitis ulcerosa durch die bank als irgendwie in psychischer hinsicht auffällig empfunden wurden, was bestimmte persönlichkeits- bzw. verhaltensmerkmale wie ängstlichkeit, hilflosigkeit im umgang mit den eigenen gefühlen u.a. betraf. das lässt sich sicher auch als eine folge dieser wirklich scheußlichen krankheiten begreifen; andererseits scheint v.a. psychischer stress mit seinen negativen wirkungen auf das immunsystem die entstehung zu begünstigen.

es ist vermutlich ein fehler, sich bei erklärungsmodellen zu psychophysischen störungen nur auf das kopfhirn zu konzentrieren. als untrennbarer teil des körpers ist das gehirn in ein ebenso untrennbares beziehungsgeflecht zu anderen körperregionen gebettet. klingt banal, aber bei unseren fragmentierenden denkgewohnheiten scheint es nötig zu sein, sich daran immer wieder zu erinnern.

*

merkwürdig ruhig scheint es aktuell bei der erforschung des ens zuzugehen, jedenfalls konnte ich bisher kaum aktuellere texte finden, die sich speziell mit den möglichen wechselwirkungen zwischen kopf und bauch befassen. vor jahren schon brachte die zeitschrift geo einen artikel, der als eine art zusammenfassung des wissens zum ens immer noch einen ganz guten einstieg bietet - auszüge:

(...)"Eigentlich eine Sensation, war doch für damalige Wissenschaftler das Gehirn der uneingeschränkte König über den gesamten Körper. Bayliss und Starling konnten noch nicht wissen, was ihre Kollegen erst viel später herausfanden: Je tiefer im Verdauungstrakt, umso schwächer die Herrschaft des Kopfhirns. Mund, Teile der Speiseröhre und Magen lassen sich temporär noch etwas von oben sagen. Doch hinter dem Magenausgang übernimmt ein anderes Organ die Regie: Was wann wo dort passiert, entscheidet das Bauchhirn. Erst am allerletzten Ende, am Rektum und Anus, regiert das menschliche Gehirn mit bewusster Steuerung wieder mit.

Das Darmhirn hat also Macht: Es kann die Daten seiner Sensoren selbst generieren und verarbeiten, und es kontrolliert einen Set von Reaktionen. Es gibt den Nachbarorganen Anweisungen, koordiniert die Infektabwehr und die Muskelbewegung, es muss schnell entscheiden und gespeichertes Wissen abrufen. Es ist funktionell organisiert, arbeitet mit Kreisläufen. Und es ist in der Lage, unterschiedliche Zustände zu registrieren und darauf zu reagieren. Das zweite Gehirn hat alles, was ein integratives Nervensystem braucht. "Ja", sagt Schemann, "man kann sagen, das Darmhirn denkt."(...)


und deshalb lässt sich der ausdruck von den nervensystemen durchaus berechtigt nutzen. aber vielleicht sollten wir uns auch angewöhnen, von unseren hirnen zu reden?

(...)"Was dem Hirn geschieht, bleibt dem Bauch nicht verborgen. Bei Alzheimer- und Parkinson-Patienten findet sich häufig der gleiche Typ von Gewebeschäden im Kopf- wie im peripheren Hirn. Auch bei BSE, dem "Rinderwahn", ist der Darm extrem befallen.(...)

Der identische Zell- und Molekülaufbau erklärt ebenfalls, warum psychiatrische Medikamente für den Kopf auch auf den Darm wirken, und umgekehrt körpereigene Stoffe als Pharmaka im Gespräch sind. Sekretin etwa, ein Verdauungshormon, wird als Arznei getestet, die möglicherweise autistischen Kinder helfen kann. Ein bekanntes Migränemittel beruhigt hochaktive Eingeweide. Betäubungsmittel können Entzündungen im Trakt in Schach halten. Antidepressiva bewirken umgekehrt Verdauungsstörungen.

So auch die Psycho-Droge Prozac. Sie erhöht die Konzentration des Neurotransmitters Serotonin in den Räumen zwischen den Nervenzellen. Im Kopf hebt diese Veränderung nicht selten die Stimmung. Im Bauch allerdings - Serotonin wirkt beim peristaltischen Reflex - führt sie je nach Dosierung zu Durchfall oder Verstopfung."(...)


yo, wer schon einmal längerer zeit psychopharmaka nutzen musste (ich habe selbst über ein paar jahre phasenweise verschiedene antidepressiva angewandt), dürfte sich noch gut an die diesbezgl. nebenwirkungen erinnern...

"Vor kurzem wurde das erste Medikament gegen die Volkskrankheit "Reizdarm" auf den Markt gebracht, das auf den Erkenntnissen des intensiven Zusammenhangs von Bauchhirn und Psyche basiert: Die Arznei gegen "irritablen Darm" - englisch: "irritable bowel syndrom" oder IBS - wurde ursprünglich als eine Anti-Angst-Droge entwickelt und soll zumindest einigen der Millionen betroffener Menschen helfen. IBS-Symptome: starkes Unwohlsein, Unregelmäßigkeiten beim Stuhlgang, Blähungen und Bauchschmerzen. Nicht weniger als 20 Prozent der Bevölkerung leiden darunter, weitere 20 Prozent plagen sich mit anderen Funktionsstörungen, etwa der chronischen Verstopfung.

Das Verdauungssystem dieser Menschen funktioniert nicht richtig, und kein Arzt weiß warum. Keine anatomischen oder chemischen Effekte sind erkennbar. Deshalb werden IBS-Patienten oft als hypochondrische Spinner abgetan. Dabei beruhten viele solcher Erkrankungen auf einer "neuronalen Fehlfunktion" im Bauch, sagt Michael Schemann. Oder das Darmhirn spiele verrückt. Oder im Dialog zwischen oben und unten hätten sich Missverständnisse eingeschlichen. Mehr als 50 verschiedene Krankheiten werden mittlerweile mit solchen Fehlschaltungen in Zusammenhang gebracht.

Das Bauchhirn entwickele seine eigenen "Neurosen", sagt Michael Gershon. Und noch viel mehr. Erst vor kurzem stellten Forscher fest, dass weitaus mehr Nervenstränge vom Bauch in das Gehirn führen als umgekehrt: 90 Prozent der Verbindungen verlaufen von unten nach oben. Warum? "Weil sie wichtiger sind als die von oben nach unten", sagt Gershon. Die meisten Botschaften vom Darm sind allgegenwärtig, wir nehmen sie nur nicht bewusst wahr - außer den Alarmzeichen wie Übelkeit, Erbrechen oder Schmerzen. Aber die ungeheure Fülle der unbewussten Signale vom Bauch zum Hirn ist voller biologischer Bedeutung."(...)


ob´s nun genau 80 oder 90% sind - die signalstrecken zwischen kopf und bauch scheinen schon fast so etwas wie einbahnstraßen zu sein.

die folgenden aussagen nun könnten sowohl hinsichtlich traumatischer erfahrungen und ihrer folgen als auch bei den als persönlichkeitsstörungen bezeichneten krankheitsbildern von bedeutung sein:

(...)"Früher Lebensstress ist eingebrannt in Gehirn und Bauch und bestimmt die Sensibilität der Darm-Hirn-Achse für das ganze Leben. Eine Beobachtung am Menschen stützt die These: Kinder mit den berüchtigten Säuglings-Koliken wachsen nicht selten zu Erwachsenen mit "irritablem" Darm heran. Ein solches Gedächtnis im Bauchhirn "beruht auf Lernprozessen auf der Mikroebene", sagt Michael Schemann. "Wir finden die gleichen Substanzen und Moleküle, die im Gehirn für Erinnerung benutzt werden."

Das Bauchhirn lernt jung am besten. Denn wie das Kopfhirn reift es nach der Geburt weiter; es ist für mindestens drei Jahre plastisch und entwickelt sich. Frühe "Erfahrungen" des Darms können so die "Persönlichkeit" beider Gehirne beeinflussen. Exzessive oder langanhaltende Furcht hinterlässt Spuren nicht nur im Kopf, sondern auch im Intestinaltrakt, wie Tierexperimente erwiesen haben. So belegen Versuche an erwachsenen Ratten, die man als Neugeborene Stress-Situationen ausgesetzt hat, eine Hypersensitivität der Tiere und ihrer Gedärme mit Reizdarm ähnlichen Symptomen.

Und das stärkste Indiz für die verhängnisvollen Reaktionsketten zwischen Gedärm und Psyche: 40 Prozent der IBS-Patienten leiden, wie neueste Studien zeigen, an Angsterkrankungen und häufig auch an Depressionen."(...)


was selbst die etablierte schulmedizin dazu bewogen hat, psychotherapeutische maßnahmen in betracht zu ziehen.

(...)"Kein Kollege lacht heute mehr, wenn Emeram Mayer, der Neurogastroenterologe und Professor für Physiologie, in den so überraschend umfangreichen Nervenfasern, die das kleine mit dem großen Gehirn von unten nach oben verbinden, quasi das biologische Korrelat menschlicher "Bauchgefühle" sieht - und der Intuition. Sie entsteht aus der Wechselwirkung der zwei intim verschalteten Gehirne.

Als Resultat postulieren Forscher eine "Emotions-Gedächtnis-Bank" im Kopfhirn, die alle hoch gesendeten Reaktionen und Daten des Bauches sammelt. Etwa jene unangenehmen Sensationen bei stark beängstigenden Situationen. Aber auch biologische Chiffren der Vorfreude, wie die harmlosen Schmetterlinge im Bauch oder irritierende Ablehnung beim Augenkontakt mit bestimmten Zeitgenossen.

Jedes Mal, wenn der Mensch eine Entscheidung in einer ähnlichen Situation fällen muss, basiert diese nicht nur auf intellektuellen Kalkulationen, sondern wird massiv von jenen unbewussten Informationen aus dem gigantischen Katalog von gespeicherten Emotionen und Körperreaktionen mitgeprägt, eben den "gut feelings". Darin sehen Forscher auch eine Triebfeder der Evolution: Die starke Ausbildung der vorderen Hirnrinde im Kopf ist dem Bauch zuzuschreiben. Denn von dort unten kommt die größte Masse an Information, an Feedback, wie Emeran Mayer es nennt, das oben verarbeitet werden muss."(...)


nun, wenn Sie nicht wahrnehmungsmäßig schwer beeinträchtigt sein sollten, können Sie (nicht nur) die obige aussage zur intuition an sich selbst nachvollziehen - versuchen Sie einfach mal beim nächsten intuitiven moment, die körperliche "quell-region" zu orten.

und am ende wird zum wiederholten male diese frage gestellt:

(...)"Könnte nicht angesichts dieser Erkenntnisse "der Bauch auch ein Teil der biologischen Matrix für das große Unbewusste sein"? Für jene ebenfalls vor etwa 100 Jahren entdeckte psychische Innenwelt des Menschen, die bis heute realtiv unerforscht in uns schlummert?"(...)

leider fällt mir gerade nicht mehr der urheber der folgenden aussage ein: "legen Sie die hand auf Ihren körper - und Sie legen die hand auf Ihr unbewusstes". wobei die klassifizierung in diesem satz wohl nicht verständlich ist, ohne den miserablen, kulturell verankerten umgang mit dem körper als objekt nicht nur in unserer gesellschaft zu beachten.

Montag, 9. Oktober 2006

kontext 28: mehr zu autismus, empathie, spiegelneuronen und quasiautistischen zuständen

so, wie vor ein paar wochen angekündigt, möchte ich mich nochmals genauer den ergebnissen einer studie widmen, die sich speziell mit dem verhältnis von autismus und empathie beschäftigt - und dabei zu ergebnissen gekommen ist, die u.a. einigen der hier im blog behandelten thesen grundsätzlich widersprechen. wichtig und interessant genug also, um genau hinzuschauen.

(...)"Psychologen schreiben vermehrt über Gemeinsamkeiten zwischen Autisten und Psychopathen, die sie angeblich gefunden haben. J. Arturo Silva konstatiert „eine Assoziation zwischen der Psychopathologie des autistischen Spektrums und dem Verhalten von Serienmördern“. Pierre Flor-Henry schreibt: „Asperger-Syndrom und Psychopathie … teilen sich einige Charakteristika, insbesondere die völlige Abwesenheit jeglicher menschlicher Empathie.“

von den genannten konnte ich bisher keine deutschsprachigen übersetzungen ausfindig machen; hier gibt es eine art zusammenfassung einiger thesen von silva in englisch zu lesen. denen u.a. zu entnehmen ist, dass er bspw. zwei der bekanntesten attentäter der neueren us-amerikanischen geschichte als asperger-verdächtig ansieht. im deutschsprachigen raum lässt sich die these von der verbindung zwischen (asperger-)autismus, empathielosigkeit und psycho- bzw. soziopathischem verhalten in modifizierter form zb. bei j. erik mertz finden.

"Empathie ist die Fähigkeit, Gedanken, Motive und Gefühle anderer Menschen zu erkennen und mit angemessenen Emotionen darauf zu reagieren. Also unser Einfühlungsvermögen. Eine für das Zusammenleben sehr wichtige Eigenschaft: Auf der Empathie basieren Anteilnahme und Hilfsbereitschaft. Wir helfen anderen in schwierigen Situationen, weil wir ihre Not und ihr Leid selbst spüren. Wer solches Mit-Leid nicht empfindet, ist tatsächlich – das belegen Untersuchungen – oft ein Psychopath. Auch Autisten wirken oft teilnahmslos, wenn sie andere in Not sehen. Mit dieser scheinbaren Parallele argumentieren einige Psychologen, um sie mit Gewalttätern und Mördern in eine Ecke zu stellen. Doch besitzen Autisten, nur weil sie nicht helfen, tatsächlich kein Mitgefühl?"

wie im weiteren verlauf dieses beitrags noch zu sehen sein wird, verdichtet sich in letzter zeit die vermutung, dass die sog. spiegelneurone im menschlichen gehirn eine sehr wichtige rolle für die menschliche empathiefähigkeit spielen - und in diesem zusammenhang liegen bereits studien vor, die sich mit dem funktionieren bzw. nichtfunktionieren der spiegelsysteme bei autismus beschäftigen:

(...)"Bei Autisten funktionieren die Gehirnschaltungen, die Menschen ermöglichen die Aktionen anderer wahrzunehmen und zu verstehen, nicht auf die herkömmliche Art und Weise. Zu diesem Ergebnis ist eine Studie der University of California gekommen. Die EEGs von zehn Patienten mit Autismus wiesen eine Dysfunktion des Spiegelneuronensystems auf. Ihre Spiegelneuronen reagieren nur auf ihre eigenen Aktionen und nicht auf die anderer. Bei Spiegelneuronen handelt es sich um Gehirnzellen im prämotorischen Kortex."
(...)
Heute wird davon ausgegangen, dass das menschliche Spiegelneuronensystem nicht nur bei der Ausführung und Beobachtung von Bewegungen eine Rolle spielt, sondern auch bei höheren kognitiven Prozessen. Dazu gehören zum Beispiel die Sprache, die Fähigkeit andere zu imitieren oder von ihnen zu lernen, ihre Intentionen zu erkennen oder mit ihrem Schmerz zu fühlen. Autismus wird teilweise genau durch Defizite in diesen Bereichen charakterisiert. Frühere Studien legten daher nahe, dass ein dysfunktionales Spiegelneuronensystem die beobachteten Pathologien erklären könnte. Die aktuellen Forschungsergebnisse unterstützen diese Hypothesen in einem entscheidenden Ausmaß."


behalten Sie das obige bitte im hinterkopf, wenn Sie sich die weitere argumentation zur vermuteten empathiefähigkeit von autistischen menschen ansehen - ich zitiere weiter aus dem ursprünglichen artikel:

"In den 1980ern teilte man Empathie noch in zwei Bereiche: kognitive Empathie, nämlich die Fähigkeit, mental in die Haut eines anderen zu schlüpfen, und affektive Empathie, nämlich die emotionale Reaktion auf einen beobachteten Gemütszustand. Letzteres entspricht dem, was man unter Mitgefühl versteht."

und an dieser stelle habe ich das erstemal schwer gestutzt: diese zweiteilung scheint mir keinesfalls sachlich gerechtfertigt zu sein - "kognitive empathie" klingt eher nach einem widerspruch in sich selbst, wenn ich nämlich empathie als den umfassenden (!) prozeß begreife, mittels dem das zwischenmenschliche mitfühlen bzw. -"schwingen" überhaupt erst möglich wird. das wörtchen "kognitiv" in seiner klassischen bedeutung reduziert diesen prozeß meiner meinung nach alleine auf die "mentale" rekonstruktion bzw. simulation von empathie - und eben das ist keinesfalls als empathie im vollen sinne des wortes anzusehen. auch diese art von simulation ist bereits thema von studien bezgl. des autismus geworden, und die daraus gezogenen schlüsse habe ich hier auszugsweise zitiert (in der mitte des beitrags):

"Mitgefühl als "mentale Arithmetik"

Eine Londoner Wissenschaftlerin hat drei Gehirnregionen identifiziert, die bei gesunden Menschen vermutlich für das Einfühlungsvermögen zuständig sind, berichtet das Wissenschaftsmagazin "New Scientist". Autisten dagegen versuchen sich mit Hirnregionen des reinen Verstandes in andere Menschen einzufühlen, sagte Francesca Happe auf der Konferenz der Britischen Psychologischen Gesellschaft in Glasgow."

Bei den gesunden Versuchspersonen stellten die Forscher in drei Hirnregionen eine erhöhte Aktivität fest. Die autistischen Probanden dagegen nutzten ganz andere Gehirnbereiche, um die Aufgaben zu lösen. "Es scheint, dass sie dazu eher den reinen Verstand als die soziale Intelligenz nutzten", erklärt Happe."


"sich mit logik einfühlen" wäre vielleicht tatsächlich die treffende beschreibung von "kognitiver empathie" - nur würde das, wie gesagt, imo eine vollständigkeit der empathischen fähigkeit implizieren, die ich an der stelle nicht erkennen kann - und die ich nach dem bisherigen wissensstand auch nicht für begründbar halte. wieder zurück zum ausgangsartikel:

„Die empathischen Kapazitäten beim Asperger-Syndrom sind zwar zunehmend in den Fokus der Forschung gerückt, doch niemand hat bisher versucht, zwischen diesen Punkten zu unterscheiden“, erklärt Kimberley Rogers. Die Untersuchungen konzentrierten sich fast ausschließlich auf den kognitiven Aspekt. Dabei gibt es seit über zwanzig Jahren ein Verfahren, das beide Komponenten mit 28 Fragen misst: den vom Sozialpsychologen Mark H. Davis entwickelten interpersonellen Reaktivitätsindex (IRI).

Im Center for Brain Health an der NYU beantworteten 21 Erwachsene mit Asperger-Syndrom diese Fragen. Ging es um die kognitive Empathie, schnitten sie tatsächlich schlechter ab als die 23 zum Vergleich herangezogenen „normalen“ Testpersonen. Bei den Fragen zur affektiven Empathie hingegen offenbarten sich keine Unterschiede. Im Gegenteil, emotionsgeladene Situationen versetzten Asperger-Probanden oft stärker in inneren Aufruhr als die psychisch unauffälligen Teilnehmer."


das hier erwähnte schlechtere ergebnis bei der "kognitiven empathie" wäre meiner meinung nach viel eher als indiz für eine abgrenzung vom (asperger-)autismus zum soziopathischen spektrum zu werten; zumindest könnte das darauf hindeuten, dass die oben erwähnten besonderheiten beim "einfühlen" seitens autistischer menschen funktionell und/oder strukturell tatsächlich anders aussehen als die entsprechende besonderheit des "kognitiv empathischen" vermögens bei soziopathen. aber vielleicht ergibt sich die verwirrung auch durch das testverfahren selbst:

"Allerdings hat der IRI eine große Schwäche: Ob die Testpersonen etwa „oft ein Gefühl der Sorge für Leute empfinden, die wenig Glück im Leben haben“, schätzen sie selbst auf einer Skala ein. Es besteht die Gefahr, dass sie so antworten, wie es ihnen sozial erwünscht scheint. Also entwickelten die Forscher ein Verfahren, das sich an konkreten Situationen orientiert, in denen Menschen üblicherweise empathisch reagieren. Die Probanden bekommen Fotos gezeigt, etwa ein weinendes Kind vor einem abgebrannten Haus. Zunächst sollen sie sagen, wie sich das Kind fühlt – es wird also die kognitive Empathie geprüft. Die passende Antwort lautet „elend, kläglich“, und die bekommen die Teilnehmer auch mitgeteilt, bevor es mit den Fragen zur affektiven Empathie weitergeht: Wie sehr wühlt Sie das Bild auf? Fühlen Sie sich selbst beim Betrachten elend?"

und hier kann ich dann nur noch mit dem kopf schütteln: wie sich erstens die erwähnten antworten nach sozialer erwünschtheit dadurch verhindern lassen sollen, indem fotos gezeigt werden, erschließt sich zumindest mir keinesfalls. und zweitens: wenn dazu noch die passenden antworten - die (in diesem fall berechtigt) "sozial erwünschten" - vor dem eigentlichen test mitgeteilt werden - was kann dann tatsächlich berechtigt aus den ergebnissen gefolgert werden?

"17 Probanden mit Asperger-Syndrom durchliefen den Test und bestätigten, was sich zuvor angedeutet hatte: Mitgefühl und Anteilnahme waren bei ihnen ebenso ausgeprägt wie bei jedem anderen. Schwer fällt ihnen dagegen, zu erkennen, was in jemanden vor sich geht. Denn sie können die sozialen Zeichen, die unser Inneres nach außen tragen – also Gesten, Gesichtsausdruck, Tonfall – schlechter „lesen“. Dass Menschen mit autistischen Störungen oft teilnahmslos wirken, liegt also sehr wahrscheinlich daran. Mit Unfähigkeit zu Mitgefühl hat es nichts zu tun."

die letzten aussagen bzgl. des "schlechter lesen" sind imo berechtigt, und auch hier finde ich, dass diese eigenschaften des als solchen definierten autismus eher eine abgrenzung zur klassischen soziopathie nahelegen (weil soziopathen dieses "lesen" i.d.r. besser beherrschen - mit der wichtigen einschränkung der angstwahrnehmung bei sich selbst und bei anderen). was hingegen die folgerung betrifft, dass die empathiefähigkeit genauso "ausgeprägt wie bei jedem anderen" ist, habe ich nicht nur aufgrund der eigenarten der testsituation so meine zweifel. das klassisch autistische spektrum mag sich gerade durch die weitgehende simulative unfähigkeit der betroffenen von der klassischen psycho-/soziopathie unterscheiden. aber gerade bei aspergerautistischen menschen lässt sich imo begründet von einer gewissen simulativen fähigkeit ausgehen - lesen Sie dazu zb. nochmals die aussagen von temple grandin im basisartikel autismus 1. davon ausgehend und berücksichtigend, dass die "richtigen" antworten beim test quasi vorgegeben waren, ließe sich hier eher von einem groben schnitzer der beteiligten forscherInnen reden. so stellt sich zumindest für mich die situation dar, und ich bin gespannt auf Ihre interpretationen des testrahmens.

„Die längste Zeit wurde Autismus als Empathiestörung bezeichnet – in ebenso fälschlicher wie unverantwortlicher Weise“, kritisieren die New Yorker. „Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse dazu beitragen, Autisten den Platz im empathischen Spektrum zu geben, den sie verdienen.“ Der ist jedenfalls nicht auf der Seite von Psychopathen. Denn diese besitzen in der Regel eine sehr gute soziale Wahrnehmung. Zu erfassen, was in anderen vor sich geht, bereitet ihnen keinerlei Probleme. Charakteristisch ist vielmehr, dass sie diese Fähigkeit einsetzen, um ihre Opfer zu manipulieren. Psychopathen fehlt die affektive Empathie, sie empfinden also tatsächlich kein Mitleid."(...)

nein, die ergebnisse berechtigen aufgrund der eigenarten ihres zustandekommens und auch aufgrund der bisherigen erkenntnisse zum zusammenhang zwischen (gestörten) spiegelneuronen und autismus imo nicht dazu, eine solche aussage wie oben zu treffen. zweitens ist der ausdruck "gute soziale wahrnehmung" in bezug auf soziopathen aus meiner sicht einfach falsch - ich habe es in den beiträgen zur als-ob-persönlichkeit irgendwo so ausgedrückt: "sie sind zwar fähig, zu beobachten und das beobachtete auch objektiv korrekt zu beschreiben - aber sie werden davon nicht berührt" - und genau das ist kein ausdruck von "guter sozialer wahrnehmung", sondern eine schwere empathiestörung, die als "kognitive empathie" zu beschreiben lediglich falsche und u.u. gefährliche assoziationen aufruft (empathie lässt sich selbst als ein wahrnehmungsmodus begreifen, der nur in seiner vollen funktionsgestalt - wovon das mitfühlen einen untrennbaren teil darstellt - als vollständig anzusehen ist). eine schwere empathiestörung zudem, die vermutlich durch simulative fähigkeiten kompensiert und maskiert wird.

und gerade beim letzteren wären aus meiner sicht eher elementare unterschiede zwischen dem klassischen autistischen spektrum und der soziopathie festzustellen: die simulativen fähigkeiten sind viel deutlicher auf soziopathischer seite zu sehen. was aber die einschränkungen der empathiefähigkeiten betrifft, so würde ich bis auf weiteres bei beiden eher von quantitativen als qualitativen unterschieden ausgehen.

*

solche diskussionen wie die obigen mögen einigen leserInnen arg akademisch und in gewisser weise abgehoben erscheinen - aber aus meiner perspektive trifft solches aus gründen, die gleich näher beleuchtet werden, keinesfalls zu. die empathiefähigkeiten mitsamt ihren daraus folgenden handlungsoptionen stellen für das gesamte soziale leben eine unverzichtbare bedingung, eine grundlegende basis dar. und wenn hier psychophysische strukturelle und funktionelle schäden und defekte möglich sind, so ist es eine schlichte notwendigkeit, die art und weise dieser schäden und ihrer möglichen individuellen und kollektiven folgen so gut wie möglich zu verstehen. dies gilt umso mehr vor dem hintergrund extrem verbreiteter gewaltvorgänge in den aktuellen und historischen menschlichen gesellschaften.

das wort "autismuskritik" ist daher von mir nicht nur als metapher gemeint: eine begründbare erweiterung des autismusbegriffes halte ich sowohl für möglich als auch für nötig, gerade vor dem hintergrund von modellen und theoretischen hypothesen, die es nahelegen, zustände, die sich funktionell und/oder strukturell als autistisch auch bei nicht derart "offiziell" diagnostizierten menschen begreifen lassen, anders - und vermutlich zutreffender - zu verstehen, als es jetzt der fall ist. das die sich daraus ergebenden verbindungslinien bspw. zwischen dem autistischen spektrum und soziopathischen serienmördern für autistische betroffene keinesfalls angenehm sind, kann ich gut nachvollziehen. jedoch ist es imo einfach eine tatsache, dass nicht nur von dieser psychophysischen störung aus die genannten verbindungen zu teils extrem antisozialen verhaltensweisen existieren - borderline und narzißtische persönlichkeitsstörungen wären ein anderes beispiel.

das es leute geben könnte, die aus diesen verbindungen kurzschlüsse v.a. im handeln herstellen könnten, ist dabei ebenso unbestreitbar. aber das kann kein grund dafür sein, über diese verbindungen keinerlei worte mehr zu verlieren.

eine bisher im blog immer wieder nur angerissene these besteht in der aussage, dass wir alle sozusagen ein gesundes autistisches potenzial in gestalt unseres objektivistischen werkzeugs in uns tragen, welches aber unter bestimmten bedingungen krankheitswertig "entgleisen" kann und im monopolmodus bspw. für ein auch als solches erkennbares autistisches störungsbild sorgt. von letzterem bild bis hin zu einem gesunden gleichgewicht sind dabei vermutlich viele "mischungen" denkbar, in denen betroffene zb. in entscheidenden wahrnehmungsfähigkeiten funktionell in einen quasiautistischen status rutschen können. letztere these wird aus meiner sicht von einer relativ neuen studie untermauert, bei der es um gestörte empathische fähigkeiten und spiegelneurone bei "normalen" menschen geht:

(...)"Die Wissenschaftler konnten nun erstmals nachweisen, dass auch die Aktivität der Spiegelneuronen und somit das Empathie-Niveau von gesunden Menschen Unterschiede zeigen können. Die Studienergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Current Biology veröffentlicht."(...)

"Spiegelneuronen werden beim Verrichten von Handlungen aktiviert, aber auch, wenn man Aktivitäten von anderen Personen beobachtet", erklärt Keysers gegenüber pressetext. In ihrer aktuellen Studie konnten die Forscher zudem erstmals nachweisen, dass es auch "auditive Spiegelneuronen" gibt, die beim Hören eines bestimmten Geräusches aktiviert werden. Ein gutes Beispiel, an dem sich dies zeigen lasse, sei die Getränke-Werbung, wobei man nur das Öffnen einer Dose, das Zischen des Getränkes und ein zufriedenes 'Aaaah' hört. "Man hört nicht nur die Aktion, sondern man fühlt es in sich - das eigene Gehirn fängt an, genau so zu funktionieren wie das Gehirn derjenigen, denen man zuhört", so Keysers.

Die neuen Erkenntnisse seien das Ergebnis einer langen Reihe von Experimenten. So zeigte sich bei Experimenten mit Affen, dass viele Neurone sowohl beim Knacken von Erdnüssen sowie bei der rein akustischen Wahrnehmung dieses spezifischen Knirschens aktiviert wurden. Im neuesten Experiment wurde untersucht, ob dieses Phänomen auch auf Menschen zutrifft. "Wir haben sowohl für Mundaktionen, wie etwa Knirschen, als auch für Handaktionen, beispielsweise das Zerreißen von Papier, erforscht, ob die Aktivitäten im Gehirn sich überlappen, wenn man die Handlungen selber verrichtet oder wenn man nur zuhört", so Keysers. Das haben die Forscher untersucht, indem sie die Gehirnaktivität von 16 Probanden beim Abspielen von verschiedenen Geräuschen in einem Scanner observierten. Es gab tatsächlich eine Überlappung und zwar in der bilateralen temporalen Gyrus sowie in der oberen temporalen Sulcus.

Bei den Experimenten stellte sich weiterhin heraus, dass Menschen mit einem großen Einfühlungsvermögen auch eine höhere Spiegelneuronenaktivität vorweisen."(...)


diese ergebnisse halte ich für sehr bemerkenswert, lassen sie doch verschiedene schlüsse bzw. fragen zu: erstens - wie oben schon erwähnt - können offensichtlich auch nicht als autistisch bezeichnete menschen autistische funktionseinschränkungen aufweisen; zweitens stellt sich die frage, wodurch diese beeinträchtigungen des spiegelsystems jeweils zustandekommen (das wäre einmal eine frage speziell an die psychotraumatologie, weil sich der verdacht äußern lässt, dass gewaltverhältnisse verschiedenster art mitverantwortlich sein können); drittens aber: sind diese defizite reversibel? und wenn ja, auf welche art und weise? viertens: wäre das funktionieren des spiegelsystems nicht vielleicht zukünftig als vorbedingung dafür zu setzen, dass jemand in gesellschaftliche autoritätspositionen gelangen kann? (zumindest solange, wie eine mehrheit unter uns offensichtlich nicht von hierarchischen systemen lassen kann).

ist empathie also für grundsätzlich - in relation zu den herrschenden sozialen bedingungen gesetzt - gesunde menschen am ende sowohl ver- als auch erlernbar? letzteres könnte erfreuliche perspektiven hinsichtlich nötiger gesellschaftlicher veränderungen eröffnen.

*

etwas konkreter möchte ich die obigen gedanken anhand eines textes machen, der sich vor einiger zeit in der "taz" mit dem thema armut in d-land beschäftigt hat. ein ziemlich lesenswerter text, der bei einer passage mein besonderes interesse geweckt hat:

(...)"Der eklatante Mangel an sozialer Empathie ist übrigens nicht neu, und er hat einen Grund. "Wir sind arm an Wissen über Armut", sagt Heiner Geißler. Diesen Befund erstellte der CDU-Politiker bereits 1976; damals war er Sozialminister in Rheinland-Pfalz.

Unsere Gesellschaft ist, was Armut betrifft, autistisch. Sie interessiert sich, wie viele Autisten, nur für Systeme. Sie diskutiert die "Agenda 2010", sie predigt den "Umbau des Sozialstaates", sie wägt den Vorteil von "Teilhabegerechtigkeit" gegenüber der "Verteilungsgerechtigkeit" ab, sie kennt tausende Statistiken über die deprimierende Lage auf dem Arbeitsmarkt. Sie spuckt Zahlen, Diagramme und Schaltpläne aus. Sie kann alles abstrahieren. Aber den Kontakt zu denen, die das betrifft, die damit klarkommen müssen, die darunter leiden, diesen Kontakt hat die Gesellschaft verloren. Sie ist unfähig, sich in die Lage armer Menschen hineinzuversetzen oder gar sie zu verstehen. Sie schildert stets eine völlig andere Welt, obwohl doch beide, die Mehrheitsgesellschaft und ihre Armen, in derselben Welt leben."(...)


mal abgesehen davon, dass das ein weiteres beispiel für die metaphorische nutzung des autismusbegriffs darstellt, wird in der obigen passage doch schon sichtbar, dass sich hier tatsächlich deutliche bezüge zu den gerade behandelten themen finden lassen. bezüge, die sich hier einmal primär auf kollektive wahrnehmungs(un-)fähigkeiten beziehen.

als "mangel an sozialer empathie" lässt sich der allgemeine umgang mit armut und v.a. mit armen schon bezeichnen; der angegebene grund "zuwenig wissen" hingegen überzeugt mich nicht. empathie ist eben keine primär kognitive angelegenheit - was sich beim thema armut u.a. daran sehen lässt, dass auch die vernünftigsten und logischten (kognitiven) vorschläge, die die katastrophalen gesellschaftlichen folgen weit verbreiteter armut berücksichtigen (was auch eine frage des wissens ist), ständig weitgehend ignoriert werden. armut wird zwar beobachtet, aber sie berührt eben viele nicht - und das kann tatsächlich viel mit empathiedefiziten zu tun haben; im konsequenten weiterdenken dann eben auch mit gestörten spiegelneuronen. ich finde das ein nachdrückliches beispiel dafür, was ich in diesem blog immer wieder versuche zu thematisieren: wie das, was so allgemein unter "politik" bzw. gesellschaftlichen bedingungen verstanden wird, eigentlich nicht verständlich ist ohne das wissen um die menschliche psychophysische struktur, ihre möglichen defekte und das entsprechende funktionieren - individuell, und bei weit verbreiteten individuellen eigenschaften dann eben auch kollektiv.

im weiteren zitat werden dazu viele typische produktionen des abstrahierenden objektivistischen modus benannt. und die monopolposition, die diese(r) statt der empathischen wahrnehmung einnehmen, lässt sich durchaus berechtigt als autistische struktur betrachten. ich frage mich wirklich, ob die autorInnen hier intuitiv etwas von den möglichen inneren dynamiken dieser gesellschaft ausgedrückt haben.

Freitag, 6. Oktober 2006

notiz: "Das Gewaltlabor"

mit einigen einschränkungen, was die "spiegel"-typische schreibe und darüber eine gewisse verzerrung der inhalte anbelangt, möchte ich doch den artikel unter der obigen überschrift empfehlen, der sowohl in der aktuellen printausgabe als auch z.zt. online vorhanden ist. er stellt erstens einmal mehr ein beispiel dafür dar, wie sich bestimmte szenarien v.a. aus der science fiction auf einmal in der realität manifestieren können (john brunners werke wären hier neben anderen eine referenz); und zweitens lässt er sich als illustration einiger thesen lesen, die bspw. in diesem beitrag enthalten sind. ebenso empfehle ich nochmals die informationen, die hier ganz am ende zur situation in brasilien zu lesen sind. und auch, wenn die skizzierte realität wieder vielleicht manche zur schlußfolgerung "wolfsgesellschaft" bewegen mag, so bleibe ich bei meiner meinung, dass wir hier eher die bitteren früchte von jahrhunderten sozialer gewalt vor uns haben.

"Die Unterwelt greift nach der Macht, die Reichen von São Paulo verbarrikadieren sich in Luxusburgen und fühlen sich nur in Hubschraubern sicher - die größte Stadt auf der Südhalbkugel der Erde gibt eine Vorahnung von der Zukunft der Mega-Citys."(...)

(...)"Gemeint sind die Unterweltler von São Paulo. Die Kuriere, Dealer, Mörder, Reifendiebe und Kidnapper der Stadt, die jungen Frauen, boshaften Greise, die muskelbepackten Männer, die Zwölfjährigen in kurzen Hosen, und nahezu alle sind bewaffnet. Sie sind Bewohner der schätzungsweise 2000 bis 2400 Favelas von São Paulo allein im Stadtgebiet, organisiert im "Primeiro Comando da Capital", dem "Ersten Hauptstadtkommando". Ein sperriger Name, alle sagen ohnehin nur PCC, wie bei einer Partei. Und stünde Elvira de Souza in diesem Moment in der Lounge, stünde sie neben de Nadai am Tresen, würde sie ihm sogar zustimmen. Si, Senhor, unser Aufstand ist politisch, wir glauben nicht an Wahlversprechen, an Almosen, wir wollen die Macht, ein besseres Leben."(...)

Dienstag, 3. Oktober 2006

kontext 27: von der gewalt gegen kinder, schreibtischtätern und dem schrei nach disziplin (update)

ein thema, welches hier mit trauriger regelmäßigkeit eine rolle spielt - zuerst ein paar neue zahlen des schreckens:

(...)"Mindestens 275 Millionen Kinder weltweit sind von Gewalt in der Familie betroffen. "Es ist gegenwärtig eine der meist verbreiteten Menschenrechtsverletzungen." Sie bleibe ein größtenteils verborgenes Problem, dem sich nur wenige Länder stellen, hieß es in dem Bericht."(...)

und die potenziellen - und belegbaren - folgen sollten sich langsam mal herumgesprochen haben:

(...)"Die Folge solcher - oft traumatischer - Erfahrungen auf psychischer und physischer Ebene können Lernschwierigkeiten und eingeschränktes Sozialverhalten sein. Kinder, die in gewaltgeprägten Familien aufwachsen, können gewalttätiges, leichtsinniges oder kriminelles Verhalten an den Tag legen, leiden an Depressionen oder schweren Angstzuständen, kamen die Experten zum Schluss. Auf Grund der begrenzt verfügbaren Daten in manchen Teilen der Welt bezeichnete UNICEF die Zahl von 275 Millionen Kindern als "vorsichtige Schätzung". Wer in seinen ersten Lebensjahren Zeuge von Gewalt in der Familie wird, für denjenigen erhöhen sich die Chancen enorm, später wieder mit Gewalt in Berührung zu kommen - sei es als Opfer oder als Täter."(...)

in mindestens 275 millionen biographien also "erhöhte chancen", die gewalt in den verschiedenen aspekten zu re-inszenieren (und hier geht es "nur" um die familiäre gewalt gegen kinder; die durch bspw. krieg traumatisierten müssen dazugerechnet werden) - falls wir uns immer noch über die achsounbegreifliche neigung unserer spezies wundern, sich selbst das leben zur hölle zu machen, dürfen und müssen wir uns einfach einzigartige kollektive und selbstmörderische dummheit hinsichtlich unseres nichtwissens über unser psychophysisches funktionieren attestieren. wobei dummheit in einer gewissen hinsicht auch hauptsächlich nichts weiter als ein moralisch wertendes synonym und symptom gestörter wahrnehmung darstellt, letztere ebenso häufig als folge traumatischer gewalt auftritt - und sich so die katze in den eigenen schwanz beißt. diesen absolut fatalen kreislauf des wahnsinns endlich, endlich zu durchbrechen - das stellt imo weiterhin die sinnvollste und dringendste aufgabe unserer zeit dar.

(und nein, bitte keine mißverständnisse: ich möchte traumatisierte menschen damit keinesfalls pauschal als dumm bezeichnen - machen Sie sich vielleicht einfach mal gedanken darüber, was dummheit eigentlich ausmacht. und ich möchte mich bei der quelle für den hinweis auf die obige nachricht bedanken, beim forum der subfrequenz, welches ich als sammlung sehr wichtiger und interessanter informationen nur empfehlen kann. das zugehörige fraktallog ist aus gleichem grund eh bereits verlinkt.)

*

vor dem hintergrund des obigen sind diskussionen besonders bizarr, bei denen es hauptsächlich darum geht, die im angesicht einer gewaltverseuchten welt durchaus nachvollziehbar renitenten kids mit den mitteln aus dem arsenal einer totalitären pädagogik wieder zur ordnung zu rufen - einen lesenswerten kommentar dazu gibt es hier zu lesen:

(...)"Der neueste Katastrophenmanager heißt Bernhard Bueb, war dreißig Jahre lang Leiter der Internatsschule Schloss Salem und präsentiert ein Traktat, mit dem er den Geist der 68er endgültig aus den deutschen Klassenzimmern exorzieren will: Lob der Disziplin heißt sein Werk, das schon kurz nach Erscheinen einen kollektiven Erlösungsseufzer unter den ratlosen Erziehern hervorgerufen hat. Und auch die Journaille schlägt mit den Flügeln vor Begeisterung angesichts des »erfrischenden Tabubruchs«. Kaum eine Zeitung, kaum ein Sender, in der Bueb seine schmalen Thesen nicht immer wieder aufs Neue zum Besten geben darf. Flankiert von Bild,FAZ und Spiegel, soll »Deutschlands strengster Lehrer« in den Schulen für »Recht und Ordnung« sorgen. Gerade noch wurde anlässlich der Fußball-WM der angeblich entspannte Patriotismus gefeiert – in dessen Gefolge die NPD nun im Osten ihre Wahlsiege feiert –, schon sollen die Hacken zusammengeschlagen werden.

Bueb fordert »Strenge, Härte, Disziplin«. Mehr noch: »die vorbehaltlose Anerkennung von Autorität und Disziplin«. Denn: »Erziehung bedeutet immer Führung.« Und: »Wer führt, erwartet Gefolgschaft.« Natürlich will auch er nur das Beste für unsere Kinder: »Die Fürsorge gebietet manchmal Disziplin ohne Debatte.« Gebetsmühlenhaft bläut er dem Publikum die wenigen Maximen seiner Kasernenhofpädagogik ein. Es ist, als wolle er die Prinzipien seiner Kindererziehung erst mal an den erwachsenen Lesern seines Buches exekutieren, indem er ihnen die Lektüre als Strafe auferlegt.

Keine Frage: Tugenden sind gut. Wären sie schlecht, hießen sie Untugenden. Nur muss eine Tugend sich immer danach fragen lassen, für welche Werte sie eingesetzt wird. Mit Disziplin kann man ein Haus bauen, Geige spielen lernen und einen Fünftausendmeterlauf gewinnen. Mit Disziplin kann man den Regenwald abholzen, in den Krieg ziehen und, wie Oskar Lafontaine in seinen lichteren Momenten formulierte, »ein Konzentrationslager führen«.

»Ja, ohne harte Disziplin kann man das Lager nicht in Schuss halten Sie müssen ja durchgreifen.« Sagt nicht Bernhard Bueb, sondern sagte während des Frankfurter Auschwitz-Prozesses der Angeklagte Stefan Baretzki, ehemals Angehöriger der SS und Kommandoführer in Birkenau. Es gibt Begriffe, Bilder, Wendungen, die vor dem Holocaust vergleichsweise harmlos geklungen haben mögen, die seitdem aber so nachhaltig kontaminiert sind, dass, wer sie verwendet, dies selten unschuldig tut.

Dass ein Hörfunkjournalist Bueb darauf hinweisen konnte, dass sein Buch, würde man nur wenige Passagen streichen, auch als das bildungspolitische Programm der NPD gelesen werden könne, dafür trägt der Autor die Verantwortung. Wenn er schreibt: »Die Nationalsozialisten waren Meister der Gemeinschaftserziehung, das darf man nicht verschweigen.« Oder wenn er sagt: »Gehorsam verlor in den letzten vierzig Jahren jedes Ansehen in der Pädagogik, aber nicht in der Armee.« Und man bekommt mehr als eine Ahnung, wofür er seine Schüler fit machen will, wenn er feststellt: »Soziale Tugenden, die Menschen für Extremsituationen qualifizieren, wie sie der Krieg mit sich bringt, bedürfen der Übung wie andere Tugenden auch.«


dem bleibt eigentlich wenig hinzuzufügen. vielleicht schweben dem herrn bueb ja bootcamps nach us-muster vor? es ist eine sache, notwendige und haltbare grenzen bei und für menschen zu setzen, die diese nicht (mehr) bei sich und anderen wahrnehmen können. das dürfte in unserer lage leider unverzichtbar sein. aber gerade bei kindern und jugendlichen mit den erwiesenermaßen gewaltfördernden und offen menschenverachtenden mitteln aus totalitären institutionen wie zb. dem militär zu arbeiten, ist letztlich als verbrechen zu werten. der ruf nach härte und disziplin stellt einerseits das symptom von hilflosigkeit dar, andererseits ist er ebenso ausdruck des bereits oben erwähnten nichtwissens über die psychophysischen menschlichen strukturen, deren funktionsgesetzen wir alle individuell und kollektiv unterworfen sind. im schlimmsten fall werden die effekte aus solcherlei gehirnwäsche auch bewußt eingesetzt bzw. angestrebt - auch dafür stellt der militärische drill das nachdrücklichste beispiel dar (immer noch die eindrucksvollste und sehenswerteste inszenierung dieses drills und seiner folgen: der erste teil von "full metal jacket" von stanley kubrick).

"Nicht das revolutionäre, aber immerhin das kecke Aufbegehren gegen die Obrigkeit (wie es sich in den Werken von Heine über Tucholsky bis Erich Kästner findet) galt lange Zeit in den gescheiteren Teilen des nachwachsenden Bürgertums als Tugend. Irgendetwas ist seitdem geschehen. Denn jetzt werden, wie eine von dieser Zeitung zitierte Umfrage belegt (ZEIT Nr. 37/06), Polizei und Bundeswehr von den Jugendlichen zu den attraktivsten Ausbildungsunternehmen gezählt. Traumberufe, in denen die Strukturen der Demokratie weitgehend außer Kraft gesetzt sind, wo stattdessen Befehl und Gehorsam gelten. Das scheint Buebs Behauptung Recht zu geben, dass die orientierungslos gewordene Jugend für ein gewisses Maß an Härte geradezu dankbar sei. Die Frage ist nur, ob man als Pädagoge diesem Unterwerfungsbegehren folgen oder ob man ihm entgegenarbeiten sollte.

»Das gepriesene Hart-Sein, zu dem da erzogen werden soll«, schreibt Adorno in seiner berühmten Rede Erziehung nach Auschwitz, »bedeutet Gleichgültigkeit gegen den Schmerz schlechthin."


also funktional eine selbstwahrnehmungsreduktion.

"Dabei wird zwischen dem eigenen und dem anderer nicht einmal so sehr fest unterschieden. Wer hart ist gegen sich, der erkauft sich das Recht, hart auch gegen andere zu sein, und rächt sich für den Schmerz, dessen Regungen er nicht zeigen durfte.« Anders gesagt: Zum Kuscher gehört der Mucker. Und wer klein gemacht wurde, gibt das, einmal aufgestiegen, nach unten weiter. Der Glaube, man müsse der Natur nur ihren Lauf lassen, dann werde sich das Gute schon Bahn brechen, hat die Pädagogik auf einen kurzen Irrweg geführt. Größer, langlebiger, folgenreicher war der Irrglaube, man müsse den Willen der Kinder brechen, um aus ihnen Menschen zu machen."(...)

und u.a. genau dieser zuletzt erwähnte irr- und aberglaube übelster prägung beschert uns bis heute genau die verhältnisse, die weiter oben im bericht von unicef angesprochen werden. all das hat mit "zivilisation" nichts, aber auch gar nichts, zu tun.

(...)"Die Sehnsucht nach der harten Hand, die Ergebenheit vor dem päpstlichen Mummenschanz, der patriotische Taumel während der Weltmeisterschaft, das Wiedererstarken der NPD, die dramatisch sinkenden Wahlbeteiligungen, all das weist auf eine wachsende Demokratiemüdigkeit hin. Das verbliebene Restbürgertum, ebenso denkfaul wie hinfällig, seiner eigenen Geschichte ungewiss oder überdrüssig, hat dem nichts entgegenzusetzen. Lieber sinkt es mit lasziver Eleganz dem starken Mann in die Arme, als sich weiter den Mühen der eigenen Einsichten und Errungenschaften zu unterziehen."(...)

der letzte satz ist zwar schön formuliert, jedoch lässt sich arg bezweifeln, ob das "bürgertum" jemals wirklich daran interessiert war zu begreifen, aus welchen gründen seine und die mitglieder anderer sozialer klassen so "ticken", wie sie´s denn tun. freud hat zwar die tür aufgeschlossen (was sein ewiger verdienst bleiben wird, jenseits aller nötigen und berechtigten kritik), ist letztlich aber noch lange nicht ausreichend zum verstehen unserer selbst. und genau das wird letztlich über sein oder nichtsein der menschheit entscheiden - manchmal finde ich die perspektive eines evolutionären intelligenztestes gar nicht so weit hergeholt. momentan muss am bestehen leider stark gezweifelt werden.

*

edit am 04.10: war ja klar, dass es ergänzungsbedarf verschiedenster art geben würde - also:

- einen sehr, sehr finsteren aspekt habe ich - unzulässigerweise, wie ich finde - auf das militär beschränkt. und zwar einfach die sehr reale variante, dass das brechen gerade, aber nicht nur, von kindlichen persönlichkeiten von denjenigen gewollt und propagiert wird, die selbst in unbeschreiblicher art davon wissen, dass sie auf diese weise erstens eine art sklaven zur persönlichen verfügung bekommen (die eher innerfamiliäre variante), und/oder von den heute herrschenden a-sozialen gesellschaftlichen machtverhältnissen profitieren und ebenfalls wissen, dass eingeschüchterte, verängstigte und zur freien kollektivität unfähige menschen keine bedrohung für den status quo darstellen (diejenigen, die auf die gewalt selbst mit gewalt reagieren, können ebenfalls instrumentalisiert werden - so funktioniert das militär - oder aber sind eine aufgabe für die repressionsapparate und geben dazu noch prächtige gesellschaftliche feind- und schreckbilder ab). im kommenden traumaschwerpunkt werde ich u.a. dem schon früher geäusserten verdacht nachgehen, dass massenhafte traumatisierungen durch soziale gewalt vielleicht einen bisher völlig unterschätzten baustein für hierarchische systeme aller art darstellen.

- zum teil des adorno-zitats mit der erwähnten "gleichgültigkeit gegen schmerz" (bei sich und anderen) hatte ich angemerkt, dass ich das funktional für eine reduktion von selbstwahrnehmung halte. das sollte ruhig ergänzt werden: wieder vor dem hintergrund der eigenheiten traumatischer strukturen lässt sich erkennen, dass die erzeugte gleichgültigkeit sich tatsächlich bereits als posttraumatisches symptom verstehen lässt, vielleicht sogar als symptom von dissoziation. derart können posttraumatische strukturen in einem menschen bei entsprechenden inneren und äußeren dispositionen mindestens zu einer art soziopathie führen - das wäre dann die materialisierung der täter-opfer-dialektik.

- nochmals zur dummheit: ich habe mich da ungeschickt ausgedrückt, bin aber gerade nicht in der lage, das zu präzisieren. das ausmaß und die konsequenzen dessen, was so als dummheit verstanden wird, sind in meinen augen jedenfalls wesentlich weitreichender, als ich so als angenommen unterstelle. der dummheit immanent scheint ihre notorische unterschätzung zu sein, und all das hat sehr sehr viel mit unseren jeweiligen wahrnehmungsfähigkeiten zu tun. anders: bestimmte wahrnehmungstunnel erzeugen das phänomen namens dummheit - und diese tunnel, so meine hypothese, können in bestimmten fällen wiederum auch zu den posttraumafolgen gezählt werden. die untertanen dumm zu halten, was die eigene machtbasis anbelangt, ist jedenfalls bis heute eine tägliche beschäftigung von sog. eliten weltweit.

- vielleicht überflüssig, aber ich möchte es trotzdem erwähnen: mit liebe haben die geschilderten praktiken und vorschläge nichts, aber auch gar nichts, zu tun. sicher, ein grundsätzlich liebevoller umgang mit kindern beinhaltet auch die option, bei auftretender notwendigkeit grenzen zu setzen. aber das "wie" ist hier entscheidend. ich glaube, dass bei einer - potenziell erreichbaren - wesentlich verbesserten individuellen und kollektiven psychophysischen selbstregulation viele der heute zu beobachtenden probleme gerade hinsichtlich eigener und fremder grenzen, die wir uns gar als "normal" anzusehen angewöhnt haben, keine große rolle mehr spielen würden. dabei wären dann auch wesentlich mehr als heute bereits die pränatale phase sowie die umstände der schwangerschaft zu berücksichtigen.

- und zum schluß möchte ich noch auf einen ganz frischen tp-artikel zum thema hinweisen.

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