(...) "Rund um den Globus stieg die Zahl der Hungernden 2009 auf 1,02 Milliarden Menschen, teilte die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) in Rom mit. Das sei der höchste Wert seit 1970. (...)
Nach dem diesjährigen FAO-Welthungerbericht bekommt zur Zeit statistisch gesehen jeder sechste Mensch auf der Erde nicht genug zum Essen. Insgesamt sind das 100 Millionen Notleidende mehr als noch im Jahr 2008. Die meisten unterernährten und hungernden Menschen leben in Entwicklungsländern." (...)
(...) "Seit vielen Jahren befasse ich mich mit globalen Trends in Landwirtschaft, Bevölkerungsentwicklung, Umwelt und Wirtschaft sowie deren Wechselwirkungen. Alles in allem laufen die Folgen – insbesondere die davon erzeugten politischen Spannungen – auf den Kollaps von Regierungen und Gesellschaften hinaus. Dennoch habe ich mich bis vor Kurzem gegen die Idee gesträubt, Nahrungsmittelknappheit könnte nicht nur einzelne Staaten zu Fall bringen, sondern auch unsere gesamte Zivilisation.
Doch ich vermag diese Gefahr nicht mehr zu ignorieren. Da wir nach wie vor nicht im Stande sind, die ökologischen Trends zu stoppen, welche die weltweite Nahrungsmittelproduktion untergraben – insbesondere Grundwasserabsenkung, Bodenerosion und Erderwärmung –, muss ich einen globalen Kollaps in Betracht ziehen.
Schon ein flüchtiger Blick auf die ökologischen Probleme unserer gegenwärtigen Welt erhärtet leider meine Schlussfolgerung. Wer sich mit Umweltfragen beschäftigt, beobachtet nun schon seit drei Jahrzehnten negative Entwicklungen, aber keine nennenswerte Anstrengung, auch nur einen dieser Trends umzukehren." (...)
(...) "Mitten in der Krise schütten die Banken erneut Boni in Milliardenhöhe aus. Insgesamt fließen den Bankern und Zockern dieses Jahr 26 Milliarden Dollar an Boni zu – 40 Prozent mehr als 2008." (...)
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solche zustände lassen sich natürlich nur mittelsstaatlicher gewaltdurchsetzen:
(...) "Für Straßenblockaden drohen Freiheitsstrafen von 40 Tagen ohne Bewährung. Bußgelder für die Störung der "öffentlichen Ordnung" sollen verfünffacht werden - und die Polizei soll DemonstrantInnen bei bloßem Verdacht ordnungswidriger Absichten vorab für zwölf Stunden in Vorbeugehaft nehmen können. Mit diesen Maßnahmen will die dänische Regierung gegen Proteste vorgehen, die im Zusammenhang mit dem UN-Klimagipfel im Dezember in Kopenhagen erwartet werden." (...)
(...) "Wir stehen vor einer Veranstaltung, zu der Hardcore-Unruhestifter anreisen werden, die nur Sachschäden und Gewalttaten zum Ziel haben", begründete der rechtspolitische Sprecher der regierenden rechtsliberalen Venstre, Kim Andersen, das geplante "Lømmelpakke" ("Lümmelpaket").
im ersten moment dachte ich ja, der meint die elitären klüngel, die sich bei dieser konferenz wieder einmal aufnichtsverständigen werden, was den status quo, den sie selbst für nützlich halten, auch nur ansatzweise qualitativ ändern könnte. klassische projektion, diese aussage eines wahren lümmels.
(wobei das natürlich nicht heissen soll, dass Sie sich nicht näher mit den präsentierten links beschäftigen, eher wünsche ich mir das gegenteil. aber bei mir ist´s gerade eine mischung aus depressiver unlust und zeitmangel, darum nur kurze kommentare).
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Gebt die Drogen frei!, fordert ein essay in der "zeit" mit argumenten, die durchaus im systemimmanenten ökonomischen rahmen liegen, aber deshalb - eben unter den jetzigen bedingungen - nicht falsch sind. die skizierte kosten-nutzen-rechnung könnte zur abwechslung tatsächlich viel leid ersparen.
das thema drogen kommt ansonsten hier auch meiner meinung nach viel zu kurz, wobei ich es schwer finde, wirklich neue aspekte beizutragen - diese diskussion läuft nun schon seit jahrzehnten öffentlich in schneisenbereiten ausgetretenen pfaden, positionen und verhältnisse sind weitgehend bekannt. und trotzdem habe ich den eindruck, dass die wirkungen der diversen psychoaktiven substanzen gesellschaftlich eher unterschätzt werden, und zwar in jeder hinsicht. ich merke mir das mal für einen basis-beitrag vor.
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zumal unter dem obigen thema auch solche sachen wie das sog.Neuro-Enhancementzu verzeichnen sind, dessen reale intentionen bei seinen befürwortern im artikel folgendermassen auf den punkt gebracht werden:
(...) "Von was reden wir also, wenn wir von kognitiven Enhancern sprechen? Doch in erster Linie von Substanzen, die Menschen stromlinienförmig im Arbeitsalltag agieren lassen. Und geht es nicht um Arbeit, so geht es um die Eliminierung unerwünschter Persönlichkeitseigenschaften; eine seltsames Phänomen unserer Zeit, die droht, aus jeder kleinen Macke ein behandlungswürdiges Syndrom zu machen. Hier spielen Psychologen, Wissenschaftler, Ärzte und Pharma-Unternehmen eine Rolle, sie alle tragen dazu bei, dass der Katalog der psychischen Krankheiten immer länger wird. Christopher Lane hat in seinem Buch "Shyness: How Normal Behavior Became a Sickness" gut beschrieben, welche Kräfte bei der Transformierung der Schüchternheit in die behandlungswürdige Sozialphobie am Werk waren.
Noch etwas muss bedacht werden. Der Begriff der "Kognition" wird im Zusammenhang mit NE so unscharf verwendet, dass viel gemeint sein kann, praktisch aber nur wenig erreicht wird. Durchhaltevermögen und Konzentrationsfähigkeit mögen mit diesen Mitteln zeitweise verbessert werden, die Hoffnung aber, dass damit das Kurzzeit- oder gar Langzeitgedächtnis gefördert werden können, haben sich nicht bestätigt." (...)
der seitenhieb auf die ausufernde praxis, mit hilfe neuer diagnostischer modelle nicht "gesellschaftskonformes" verhalten psychiatrisch in den griff zu bekommen, ist dabei durchaus berechtigt, was aber im umkehrschluß nicht bedeutet, dass es nun keinerlei tatsächlich ernsthafte und konsequenzenreiche psychophysische pathologien geben würde - ein beliebter kurzschluß gerade bei skeptischen menschen.
aus dem aktuellen text aber noch ein hübsches zitat von roth:
Und was für Laien besonders irritierend ist: "Viele Psychopathen", sagt der Hirnforscher Gerhard Roth von der Universität Bremen, "zeigen ein hohes Maß an Selbstkontrolle beim Lügen und Betrügen, können Mitgefühl heucheln, ihre wahren Motive verbergen und Straftaten vertuschen."
ich frage mich ja immer, ob der recht kleinen gruppe von neuroforschern, die sich mit dem phänomen soziopathie beschäftigen, eigentlich die gesellschaftlichen implikationen klar sind? das da oben in einem satz auf den punkt gebrachte jedenfalls ist ein wesentlicher bestandteil der nötigen psychophysischen grundausstattung, um in diesem system nach oben zu gelangen. und das sagt eigentlich bereits alles nötige aus, um viele erbärmliche zustände hier begreifen zu können.
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und das gilt auch fürsolche wie hier beschrieben- die entsprechende dokumentationHeilung unerwünschtläuft heute ab 21.00 h in der ard. nebenbei: man schaue sich mal die kommentare sowie die bewertungen im artikelforum der "süddeutschen" an und erhalte einen eindruck von kapitalistischer medienarbeit. das ist echt zu auffällig. - (hierzu siehe untenstehenden kommentar).
(...) "Nirgends werden die Folgen sozialer Verelendung und Untersozialisation, von Sucht und Gewalt, psychischer und körperlicher Verwahrlosung, Schröderscher Agendapolitik, Globalisierung oder gescheiterter Migration deutlicher als in psycho-sozialen Einrichtungen, besonders der Psychiatrie. Doch die Hürde zu einer ambulanten, aufdeckenden oder verhaltenssteuernden Psychotherapie nehmen nur jene, die den Psychotherapeuten und ihrer Schicht potentiell ähnlich sind: Für die Konsequenzen verfehlter Sozial- und Bildungspolitik gibt es keine Psychotherapie."
mit einem interessanten textfragment möchte ich mich heute näher beschäftigen, auf das ich eher zufällig durch einekommentierung- eine weitere findet sich bspw. auchhier- der medial so getauftenbrandrededes ehemaligen spd-parteivorstandsmitglied und finanzministers peer steinbrück aufmerksam geworden bin. im kontext seiner antworten auf das desaströse spd-wahlergebnis im september zieht er vier vorläufige schlußfolgerungen (die natürlich alle darauf hinauslaufen, vor einem "linksrutsch" zu warnen), von denen ich eine sehr bemerkenswert finde:
(...) "Und bei der Annäherung an die Linkspartei ist nicht einmal ein Nullsummenspiel, sondern eher ein Verlust für die SPD wahrscheinlich, weil immer um einen Faktor höher Wählerinnen und Wähler in der Mitte zu den konservativ-bürgerlichen Parteien überlaufen. Das hat etwas mit der ausgeprägten Sehnsucht der Deutschen nach Stabilität, Sicherheit und Beständigkeit zu tun. Diese in meinen Augen tief verankerte Sehnsucht in der deutschen Gesellschaft geht auf die Brüche und traumatischen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts zurück. Diese Traumatisierungen sind nach wie vor mentalitätsprägend und lassen die Wählerinnen und Wähler in Deutschland in der Mitte zusammenrücken. Jede Annäherung an die politischen Ränder trifft daher auf eine verbreitete Skepsis, mehr noch: Ablehnung in der Bevölkerung." (...)
"oups", dachte ich beim lesen dieser sätze, "unterschätze nie die instrumentelle intelligenz von "eliten" bei ihrem geschäft der machterhaltung". bemerkenswert finde ich vor allem einen möglichen einblick in die handlungsmotivationen von mitgliedern der "politischen klasse", der sich hinter den obigen sätzen offenbaren könnte. ebenso bemerkenswert aber ist aus so einer ecke das - eingeständnis? die behauptung? die vermutung? - , dass die -abbröckelnde - vorliebe großer teile der hiesigen bevölkerung für "rechte" politikkonzepte unmittelbar etwas mit der spezifisch deutschen traumageschichte zu tun hat, und sich "politik" bzw. parteien, die hier "mehrheitsfähig" sein wollen, sich den daraus resultierenden strukturen und motivationen letztlich nur anpassen können.
nun ist mir das schicksal der spd bekanntlich herzlich egal, und ebenso halte ich aus gründen nicht viel von der demokratiesimulation, die hier unter dem label der "parlamentarisch-repräsentativen demokratie" immer noch in zu vielen köpfen bzw. körpern für die fatale illusion sorgt, dass in diesem system relevante bevölkerungsteile irgendetwas zu sagen hätten. nicht egal finde ich es jedoch, wenn sätze wie die obigen aus dem munde eines kürzlich noch unmittelbar an formalen entscheidungsprozessen "auf höchster ebene" beteiligten kommen, um damit quasi einen bei weitem nicht nur die spd betreffenden gesellschaftlichen status quo zu rechtfertigen, der sich nicht erst seit gestern als komplette sackgasse erwiesen hat. deshalb im folgenden ein paar gedanken zu den inhalten der steinbrückschen einlassungen.
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die argumentative basis, von der er ausgeht, ist dabei aus meiner sicht nicht zu bestreiten - bereits früher waren die hiesigentraumainduzierten langzeitfolgen aus weltkrieg(en) und nationalsozialismus - die ddr ist dabei noch mal ein eigener bereich - hier thema; und ebenfalls kamen die durch jahrhunderte währenden fatalen ergebnisse der spezifisch deutschen (und sehr gewalttätigen)traumatisierenden erziehungspraktiken, welche sich in ihren übelsten ausprägungenbis teils weit in die 1970er jahre hinein als "normalität" halten konnten, zur sprache. wobei nicht nur ich die letzteren als entscheidend mitbeteiligt bei den ursachen für die ersteren halte, und ebenfalls von weitreichenden und tiefgehenden konsequenzen dieser traumatischen matrix für das gesamte gesellschaftlich-öffentliche, aber auch alltäglich-private leben hier ausgehe.
von daher scheint es also zunächst sogar ein fortschritt zu sein, wenn die skizzierte realität als solche gerade von leuten anerkannt wird, die hier z.zt. noch "politische" entscheidungen treffen. das problem ist dabei nur, dass diese "eliten" aller wahrscheinlichkeit nur aufgrund dieser traumatischen matrix überhaupt in ihren positionen sitzen können; und das führt dann in der folge zu allerlei unschönen paradoxien und / oder zu schlüssen wie denen von steinbrück.
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nun ergibt sich beim näheren nachforschen bezgl. der steinbrückschen thesen, dass er da - fast bin ich geneigt zu sagen, "natürlich" - nicht alleine drauf gekommen ist. wenn ein vertreter von angeblich notwendigen "reformen" wie der "agenda 2010" argumentativ zur erklärung der "reformunwilligkeit" der hiesigen bevölkerung mit dem rückgriff auf die traumatische matrix arbeitet, ist die mögliche quelle dieses diskurses nicht schwer zu finden: die autorinsabine bode, deren buch zu den (deutschen) kriegskindern der "vergessenen generation" weiter als empfehlung in der literaturliste steht (ein gutes einstiegsbuch zum thema mit viel geschichte zur ptbs-diagnose und abstechern in die neuroforschung und psychotraumatologie), hat einige zeit später unter dem titel"Die deutsche Krankheit - German Angst"etwas thematisch anschliessendes veröffentlicht, welches nicht nur ich beim querlesen so ärgerlich fand, dass ich auf eine betreffende empfehlung verzichtet habe. mir ist allerdings damals entgangen, dass sie dort nicht nur biographische fragmente und statements von bundesdeutschen "promis" wie u.a. norbert blüm, wolf biermann und eben auch steinbrück gesammelt hat, sondern eben dieser steinbrück selbst das buch bei der veröffentlichung 2006in einer redezu diesem anlass lobend vorgestellt hat - ein buch, in dem die verfasserin, bei der diese inhaltliche wendung bei der "vergessenen generation" zumindest von mir keinesfalls irgendwie zu vermuten war, u.a. diesesfatale fazitzieht:
(...) "Führt die Verfasserin diese generationsspezifische "Unlebendigkeit" zunächst auf die Sozialisation durch "gebrochene" Eltern zurück, die trotz oder gerade wegen der Erschütterung ihres eigenen Wertesystems die "schwarze Pädagogik" des Nationalsozialismus auch in der Nachkriegszeit noch praktizierten, so geraten später die Nachgeborenen in die Kritik. Jetzt erscheinen nicht mehr Krieg und Nationalsozialismus als "Vergifter", sondern die Vergangenheitsbewältigung der alten Bundesrepublik, die "Kulturleistungen, auf die üblicherweise jedes Volk stolz ist", verworfen habe, "weil man darin die Wurzeln des Zivilisationsbruchs" vermutet habe. "Es ist an der Zeit, unsere Erinnerungskultur zu überdenken", folgert Bode und referiert mit Sympathie ein erzkonservatives Leitbild: Familie, Gott und Nation seien "Ressourcen", die beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften in nur begrenztem Umfang zur Verfügung gestanden hätten. Es gelte, "vergessene Traditionen" wieder aufzunehmen, um ein "verunsichertes Kollektiv [...] zu unterstützen", wie die Verfasserin in ihrem Schlusswort fordert." (...)
(Jörg Arnold: Rezension von: Sabine Bode: Die deutsche Krankheit - German Angst, Stuttgart: Klett-Cotta 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 10 [15.10.2007])
offensichtlich hätte ich das buch damals doch genau von anfang bis ende lesen sollen - die richtung, die bode da mit rückgriff auf eine unbezweifelbare gesellschaftliche realität vorgibt, ist nicht nur fatal, nicht nur "politisch" reaktionär, sondern auch psychotraumatologisch höchst bedenklich, weil es sich bei den erwähnten "ressourcen" in der hier verankerten form allesamt um destruktive kollektivhalluzinationen handelt, von denen ich als beispiel in der vergangenheitdie "nationale identität" als identitätskrückeschon ausführlich kommentiert habe. bode geht damit bei ihren empfehlungen den vermeintlich leichtesten weg, ohne anscheinend auch nur im ansatz zu realisieren, welche destruktiven - und letztlich traumatischen - wirkungen diese "vergessenen traditionen" nicht nur in der deutschen geschichte zu verantworten haben. ebenfalls handelt es sich bei ihren vorschlägen keinesfalls um eine reale kollektive und individuelle bearbeitung der traumatischen matrix (von denen wir bis heute hier jeder und jede einen mehr oder weniger großen teil im wahrsten sinne des wortes verkörpern), sondern letztlich um ein ausweichen mit hilfe von objektivistisch produzierten und angeblich "ewigen" surrogaten - kollektive als-ob-identitäten, in denen sich die beschädigten menschen nicht nur formen anscheinender sicherheit holen, sondern sich durch stärke- und größenillusionen auch um ihre realen psychophysischen zustände selbst belügen.
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steinbrück nennt den erwähnten bezug auf die "nation" in derlangfassungder oben erwähnten rede anlässlich der buchvorstellung verklausuliert anders:
(...) "Wenn ich das richtig sehe, sagt sie, dass es drei Kraftquellen gibt, über die wir versuchen können, Identitäten zu stiften. Das ist die Familie, das ist der Glauben und das ist die Gemeinschaft. Und ich bleibe mal bei der Gemeinschaft, weil ich mich in das andere nicht einmischen
will. Ich glaube, Gemeinsamkeiten entdecken zwischen Generationen, zwischen sozialen Schichten, Gemeinsamkeiten entdecken in der Beurteilung von komplizierten gesellschaftlichen Fragestellungen, auch zwischen Ost- und Westdeutschen mit dem Ziel, so etwas wie eine kollektive Identität zu stiften, ist in meinen Augen der wahrscheinlich wichtigste Ansatz, um aus diesem verbreiteten mentalen Block herauszukommen, den wir hier als deutsche Angst wahrnehmen und diskutieren." (...)
gegen authentische gemeinschaft, die langsam wächst und sich über lange und teils schmerzhafte prozesse in einem gegenseitigen vertrauen als basis ausdrückt, ist nun nicht nur nichts einzuwenden, eher ist ein solches menschliches (!) und eben nicht durch surrogate wie "nationen", "götter" etc. herbeikonstruiertes bzw. -halluziniertes kollektiv ein noch nicht verwirklichter, aber notwendigerer entwicklungszustand der spezies als vielleicht jemals zuvor, wenn man sich die vielfältigen und bedrohlichen probleme betrachtet, die heute nur noch auf planetarer ebene lösbar erscheinen. was steinbrück aber da unter "gemeinsamkeiten entdecken" und "kollektive identität stiften" aller wahrscheinlichkeit nach versteht, hat mit dem obigen nicht nur nichts zu tun, sondern stellt in gewissem sinne sogar dessen negation dar:
die "gemeinschaft" ist hier als implizit als "national" bestimmte formuliert
"gemeinsamkeiten zwischen sozialen schichten" entdecken zu wollen ist in einer zeit der weitergehenden spaltung zwischen reich und arm und in einer geleugneten klassengesellschaft eine frechheit, welche die realen gegensätze zugunsten eines halluzinierten als-ob-kollektivs zu verwischen versucht. im prinzip und strukturell ist das nichts weiter als eine modifizierte bzw. neu formulierte variante der nazistischen volksgemeinschaft - "jeder und jede an seinem / ihrem "naturgegebenen" platz für das große ganze"
wenn man sich die von der spd maßgeblich mitverantwortete bundesdeutsche politik der letzten zehn jahre betrachtet, so machen gerade solche aktuellen ausfälle wie die des spd-mitglieds sarrazin aus obiger perspektive einen größeren sinn, denn die spaltungen, die die "unterschichten-debatte" formuliert und zementiert, dienen auf der anderen seite genau der produktion einer solchen "gemeinschaft", wie sie steinbrück oben vorschwebt. dazu ist es bei der konstruktion solcher kollektiven surrogat-identitäten unabdingbar, mit einem binären "wir" und "die" zu operieren, weil der ausführendeobjektivistische modusnur anhand solcher trennungen "identitäten stiften (konstruieren)" kann. der größte unterschied zur alten "volksgemeinschaft" nazistischen typs dürfte heute darin liegen, dass die aus- bzw. einschlußkriterien nur noch sekundär rassistisch/ethnisch bestimmt werden (obwohl das durchaus noch ein rolle spielt), sondern vor allem nach leistungskriterien (die machen "den ausländer" dann zwar immer noch nicht zum "deutschen", aber sie sorgen für etwas, was sich als murrende duldung bezeichnen liesse - solange eben die leistung stimmt.)
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wo ich gerade beim thema bin: sowohl bode als auch steinbrück blenden völlig aus, dass sich inzwischen ebenfalls relevante gruppen und menschen aus anderen regionen / ländern hier teils selbst zur bevölkerung zählen, teils faktisch als zugehörig betrachtet werden sollten. und diese bringen aus (bürger-)kriegsregionen, diktaturen, zuständen extremer armut sowie entsprechenden fluchtgeschichten oft genug selbst traumatisierungen mit, deren konsequenzen dann hier vor ort genauso virulent werden wie dietradierten"selbstproduzierten". komplexer wird die situation noch dadurch, dass der deutsche staat bzw. die deutsche gesellschaft teils direkt (bei kriegsbeteiligungen), teils indirekt (bei ökonomischer ausplünderung bspw.) als täterkollektiv auftritt, was die täter-opfer-dialektik fast aussichtslos verwirrend werden lässt.
gleichfalls ist besonders bei steinbrück als vertreter der antisozialen "agenda-gesetze" ein weiterer blinder fleck dahingehend zu konstatieren, dass er offensichtlich dietraumatischen bis tödlichen folgengerade der "hartz-IV"-gesetze entweder nicht wahrnehmen kann oder will. spätestens dieser umstand macht jedes wort, was leute wie er über die traumatische matrix verlieren, zur heuchelei. nicht, dass ich alles als falsch begreifen würde, was er diesbezgl. sagt (aber vieles); ohne aber zu begreifen, dass er selbst und die politik, für die er steht resultate dieser matrix darstellen, wird er letztlich nur noch eins: unglaubwürdig.
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nichtsdestotrotz ist ein aspekt in der langfassung der rede gerade vor dem hintergrund seiner position als finanzminister und seiner rolle beim umgang mit der wirtschaftskrise interessant, nämlich dann, wenn er bodes blickwinkel bezgl. historisch traumatisierender ereignisse erweitert:
(...) "...mit Sicherheit durch die Inflationsentwicklung 1923, durch den Zusammenbruch auch des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Mittelstandes, dass sie ökonomisch traumatisiert worden sind in der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre,..." (...)
ich finde es nicht allzu abwegig, anzunehmen, dass bei der systemrettung um jeden preis auch solche motivationen bei den protagonistInnen in d-land eine rolle gespielt haben bzw. spielen (ihre kapitalhörigkeit wird damit weder bestritten noch in ihrer bedeutung tangiert). wenn auch nur relevante teile der hiesigen "eliten" tatsächlich die existenz der traumatischen matrix in ihr kalkül miteinbeziehen, wird die auch hier im blog schon oft thematisierte simulation von "normalität" in einer ausgewachsenen systemkrise nochmals verständlicher, zumal gerade die "politische klasse" hier an führender stelle beteiligt und tätig ist. es wäre dann, wie steinbrück ganz oben bezgl. der wahlen ausführt, teil eines machtkalküls, bei dem leute wie er meinen und glauben, die traumatisierten bevölkerungsteile durch eine illusion von sicherheit und beständigkeit zur eigenen unterstützung instrumentalisieren zu können. muss ich an dieser stelle noch extra erwähnen, dass ein vom interesse an authentischer menschlicher emanzipation geleiteter umgang mit der traumatischen matrix qualitativ sehr anders aussehen müsste? das ständige platte an- und belügen über die tatsächliche realität bis hin zum einsatz komplizierter fakes und simulationen bspw. lässt sich als permanenter trigger mit re-traumatisierender wirkung betrachten, den eine emanzipatorische politik im eigenen interesse zu vermeiden hat (nebenbei gesagt, wird sich meiner meinung nach u.a. an solchen stellen auch die tatsächliche emanzipatorische kraft der "linken" [partei] herausstellen).
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bleibt zum schluß noch der kurze hinweis auf andere politikfelder wie zb. die "innere sicherheit" (ein wahrhaft treffender begriff!), bei dem die traumatische matrix mitverantwortlich sein dürfte für widersprüche wie denjenigen zwischen einer einerseits in den letzten jahren ständig sinkenden kriminalitätsrate und andererseits steigenden unsicherheitsgefühlen vor allem bei älteren menschen (die größtenteils noch der kriegskindergeneration angehören). einschäubleals bisher handelnder protagonist jedenfalls stellt mit seinem individuellen traumatischen background einen perfekten stellvertreter für all jene dar, die sich unbegriffenerweise durch ihre individuelle und kollektive biographie in den historischen wirren dieser welt weiterhin in angstbesetzten, paranoiden, dissoziativen und destruktiv-aggressiven traumainduzierten zuständen befinden. schon aus solchen gründen ist das gerede von "mündigen bürgern" übrigens ein schlechter witz.
die zu beobachtende größere gewalt und brutalität bei in relation kleiner werdenden tätergruppen lässt sich ebenfalls vor dem hintergrund der traumatischen matrix besser verstehen, aber das ist ein anderes thema für andere beiträge.
(...) "Wer die Position des Premiers bestreite, urteile gegen das Volk, behauptete Bossi. Berlusconis Anwälte, die beide auch für seine Partei im Parlament sitzen, hatten vor dem höchsten Gericht ähnlich argumentiert. Berlusconis Regierung sei der Wille des Volkes – darüber dürfe sich kein Richter erheben. Der Regierungschef könne vor Gericht nicht wie jeder andere Bürger behandelt werden." (...)
"Der Führer schützt das Recht vor dem schlimmsten Mißbrauch, wenn er im Augenblick der Gefahr kraft seines Führertums als oberster Gerichtsherr unmittelbar Recht schafft . . . Der wahre Führer ist immer auch Richter. Aus dem Führertum fließt das Richtertum . . . In Wahrheit war die Tat des Führers echte Gerichtsbarkeit. Sie untersteht nicht der Justiz, sondern war selbst echte Gerichtsbarkeit . . . Das Richtertum des Führers entspringt derselben Rechtsquelle, der alles Recht jeden Volkes entspringt . . . Alles Recht stammt aus dem Lebensrecht des Volkes."
(carl schmitt 1934)
soviel zu einemquasi-mafiosoundmöchtegern-duce - und vor allem auch zu den restlichen eu-staaten, von deren regierungen offensichtlich keine mit der ehrenwerten gesellschaft dieses mannes probleme hat. vaffanculo!
(...) "Zwei Tage nachdem das Verfassungsgericht seine Immunität aufgehoben hat, sagte er: "Ich bin der beste Premier aller Zeiten." Zu den Erwägungen in seiner Partei Popolo della Libertà (Volk der Freiheit) und bei seinem nationalistischen Koalitionspartner Lega Nord, die Bevölkerung zu Demonstrationen für Berlusconi aufzurufen, sagte er, das sei nicht nötig. "Wir sind an der Regierung, wir haben die Zustimmung der Bevölkerung. Es ist klar, dass wir in der Mehrheit sind, und wir werden fünf Jahre lang regieren." (...)
"Ich bin der am meisten Verfolgte der Geschichte, sagte er, "angesichts dessen, dass ich immer freigesprochen worden bin." Es habe 109 Verfahren gegen ihn gegeben, mehr als 2500 Anhörungen, mehr als 530 Durchsuchungen, erklärte Berlusconi weiter. "Ich musste mehr als 200 Millionen Euro ausgeben, um Anwälte zu bezahlen", klagte er." (...)
was hatte ich unten in einem kommentar geschrieben? "paranoider querulatorischer narzissmus". das problem ist dabei wie üblich, dass solche leute wie der "BePreMaz" wie auch in früheren unseligen zeiten regelmässig "nur" tendenzen zu bündeln scheinen, die in größeren teilen der bevölkerung in den tiefenstrukturen der individuen vorhanden sind - unter dem aspekt dient berlusconi primär als projektionsfläche, nützt das allerdings auch - wie ebenfalls üblich -skrupellos aus. es gibt übrigens einen recht interessanten clip seiner partei aus dem wahlkampf 2008:
und genau so sieht eine der faschismus-versionen dieser jahre aus: junge, lohnarbeitende, "ethnisch" homogene, leistungswillige (man beachte die szene aus dem fitnessstudio ziemlich am ende) leute finden sich unter der fuchtel eines gottähnlichen "führers" in einem halluzinierten "kollektiv" unter ausblendung sämtlicher realen klassen- und interessensgegensätze zusammen, um den "italienischen traum" ( was das sein soll, wollen Sie und ich womöglich gar nicht genau wissen... aber btw erinnert mich das auch an eine personalisierte variante des "du bist deutschland"-mülls von vor ein paar jahren hierzulande) in die realität umzusetzen (laut einem kommentar im netz spielt die schlußszene mit der jubelnden masse vor einem gebäude aus der mussolinizeit - wenn das jemand bestätigen kann, wäre das noch das i-tüpfelchen auf einem bild, welches in seiner widerwärtigkeit zumindest bei mir immer neue stadien des abscheus auslöst.) italien hat offensichtlich nicht nur ganz ernsthafte probleme, es droht bei weiterem ungehinderten regime dieses mussolininachfolgers auch zu einem problem für andere zu werden, und dies nicht nur für die bedauernswerten flüchtlinge, die gewollt oder zufällig in italien anlanden. nein, die gefahr liegt eher in der impliziten vorbildfunktion, die dieser typ und sein verhalten auch für "eliten" in anderen ländern haben könnte. von der potenziellen bürgerkriegsgefahr in italien selbst (doch, die sehe ich als latenz tatsächlich) mal ganz abgesehen.
»Investmentbanker stellen einen Aufwärtstrend fest«, schreibt die New York Times. »Weiterer Fortschritt in der Geschäftswelt«, berichtet das Wall Street Journal. »Ökonomen sehen Zeichen einer Erholung«, »Kräftiger Aufstieg an den Börsen«, melden andere. Einige Blätter schreiben, dass sich in Amerika ein Bischof zu Wort gemeldet habe, der das große »Misstrauen« in der Welt der internationalen Finanzanleger geißele. So etwas halte die wirtschaftliche Erholung bloß unnötig auf.
Die Schlagzeilen könnten aus den letzten Wochen sein – stammen aber aus dem Jahr 1931, in der kurzen Erholungsphase der great depression, der schärfsten Wirtschaftskrise des 20. Jahrhunderts." (...)
geschichte wiederholt sich also zumindest teilweise denn doch. oder sollte es besser heissen, dass probleme solange in verschiedenen, jeweils aktuell angepassten formen wiederzukehren pflegen, bis sie grundsätzlich gelöst sind? wie dem auch sei: die in vergangenen news angesprochene realitätsleugung der "eliten", aber auch größerer teile der ihnen an den lippen hängenden bevölkerungen, hat jedenfalls nicht nur, aber besonders in d-land wie zu erwarten in den wochen vor der "wahl" neue rekorde gesetzt. umso schmerzhafter wird das böse erwachen - die (wirtschafts-)krise ist, ganz im gegensatz zu bspw. etlichen banken, quicklebendig. von ihren globalen schwestern in sachen ressourcen und ökologie mal ganz abgesehen. dementsprechend die news:
globale krisenkaskade I: peak oil - neue ölfunde? keine lösung für nichts!
globale krisenkaskade II: erste zögerliche schritte, das wachstumsdogma in frage zu stellen?
globale wirtschaftskrise: zum neuen geab
krisenfolgen in afrika: 8 bis 10 millionen menschen zusätzlich in "absoluter armut"
deutschland I: städte und gemeinden schlagen nach dem sturz mit als erste auf
deutschland II: realitätsleugnung allerorten
usa I: das einzige, was steigt, sind die erwerbslosenzahlen und die zahlen der ausgegebenen lebensmittelkarten
usa II: anzeichen des großen change - "yes, we can!" - tauschhandel, mobile ärzteteams und beschleunigter verfall der shopping malls
rumänien: generalstreik und massenentlassungen
frankreich: suizide als protestform?
in aller kürze: baltikum - anzeichen für schwere währungskrise / ukraine im finanziellen und sozioökonomischen desaster /einbrüche im globalen tourismus / spanien: mehrwertsteuererhöhung und andere taten / baltic dry index weiter auf südkurs / ganz aktuell: goldpreis und dollarflucht
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"peak oil? kein problem!", so lautete die unterschwellige botschaft in vielen meldungen der letzten wochen, die sich mit einigen neuenölfundenbeschäftigten. mal abgesehen davon, dass für alle die, rechnen können - geschätzte 10 milliarden barrel in den neuen feldern reichen bei einem aktuellen täglichen globalen verbrauch von 85 millionen brl für genau wie viele tage? - , zeigt sich bei einem großen teil der öffentlichen jubelarien auch mal wieder neben der grundsätzlichen ignoranz für die probleme, die das erdöl-zeitalter generell mit sich bringt, immer noch ein starkes unverständnis dessen, was peak oil tatsächlich bedeutet. deshalb schalten wir einmal mehr um zuoelschock:
(...) "Das Problem mit dem Hubbert-Maximum ist ja nicht, dass überhaupt kein Öl mehr gefunden oder gefördert würde – das Problem ist, dass die alten Felder (etwa das (...) mexikanische Cantarell, das größte Offshore-Feld der Welt, das in den ersten sieben Monaten 2009 bereits einen Rückgang der Fördermenge um 35 % verzeichnen musste) schneller leer werden, als neue gefunden werden und in Produktion gehen. In diesem Zusammenhang hat auch der unermüdliche Sadad al-Huseini (ehemaliger Vize der saudischen Ölgesellschaft Aramco, wurde Ende 2007 bekannt, als er als erster saudischer Brancheninsider von einer nahenden Obergrenze der Förderung sprach) ein Interview gegeben, in dem er die neuerlichen Ölfunde in die rechte Perspektive rückt:
Am Ende ist es einfach so, dass es nicht genug Förderprojekte gibt. Es wird nicht genügend neue Kapazität verfügbar sein, sagen wir in den nächsten fünf bis sechs Jahren, um den weltweiten Förderrückgang aufzuwiegen. Und selbst das nur unter der Voraussetzung eines sehr moderaten Förderrückgangs – 6 bis 6,5 % für Nicht-OPEC-Länder, vielleicht 3,5 bis 4 % für die OPEC.
Sogar bei derart moderaten Förderrückgängen müssen wir mehr oder weniger innerhalb von zwei bis drei Jahren mit Kapazitätsmängeln rechnen. Wir werden momentan von dieser enormen Überschusskapazität eingelullt, die alles mit dem Nachfragerückgang, aber nichts mit der Förderkapazität zu tun hat. Wir haben also bereits kurzfristig ein Problem. Langfristig wird es noch schlimmer, weil bis zu 10 Jahre vergehen können, bevor ein neu gefundenes Ölfeld so weit entwickelt wird, dass es in Förderung gehen kann. Und es wird langfristig auch insgesamt zu wenig getan. Das Problem ist also sowohl kurz- als auch langfristiger Art. [...]"
so ist es. betrachtet man sich dazu die hoffnungen der wachstumsfetischisten weltweit, die v.a. in china und indien mit ihren milliarden menschen neue märkte sehen und sich darüber den absatz von autos und vielfältig auf öl basierenden konsumgütern erhoffen, so sollte klar sein, dass sich der gegenwärtige tägliche verbrauch dann nochmals entsprechend erhöhen würde. konsequenzen: nachfrageanstieg -> angebotsverknappung -> höhere preise, auch um die immer aufwendigere förderung zu finanzieren -> belastung des (pseudo-)"aufschwungs" -> neuer ökonomischer einbruch. in abgeschwächtem maße gilt das sogar jetzt schon ohne die hypothetische entwicklung chinas und indiens, die dazu bei der gewünschten tendenz zu einem globalen ökologischen desaster führen würde. die wachstumsgläubigen befinden sich wie eine fette quiekende ratte in einer selbstgebauten falle ohne ausgang. game over. immer noch.
*
das das (exponentielle) wachstum als existenzgrundlage mit schon religiös anmutenden verklärenden zügen innerhalb der kapitalistischen gesellschaften ein grundsätzliches strukturelles problem mit grundsätzlicher systemsprengkraft darstellt, dämmert vielleicht inzwischen sogar schon instrumentell intelligenten, aber keieneswegs sympathischen vertretern der "eliten" wie einem monsieursarkozy:
(...) "Zitat aus einer Politikerrede, die von Veränderung, Umdenken und Umsteuern handelt: "Wenn wir nicht wollen, dass unsere Zukunft, die Zukunft unserer Kinder, die Zukunft künftiger Generationen durchsetzt ist von Finanz-, Wirtschafts-, Umwelt- und sozialen, letztendlich also menschlichen Katastrophen, dann müssen wir unsere Art zu leben, zu konsumieren, zu produzieren ändern. Und wir müssen die Kriterien unserer gesellschaftlichen Organisation und unserer öffentlichen Politiken ändern. Eine großartige Revolution erwartet uns. Jeden von uns." Veränderung. Obama-Sound. Aber er kommt aus Paris. Originalton Nicolas Sarkozy.(...)
Das Timing war kein Zufall. Sarkozy wählte für seinen Auftritt nicht zufällig den 1. Jahrestag der Lehman-Brothers-Pleite. Ort des Events: Die Große Aula der Sorbonne. Der Anlass: Die von ihm Anfang 2008 eingesetzte internationale Kommission über die Messung der wirtschaftlichen Leistung und des gesellschaftlichen Fortschritts legte nun ihren Bericht vor.(...)
Der Fortschritt von Gesellschaften und Staaten und das Glück der Menschen und der Völker können durch schlichtes ökonomistisches Zusammenzählen von Wirtschaftsvorgängen nicht einmal annähernd beschrieben oder definiert werden. Das hat sich mittlerweile herum gesprochen. Genauso wie die Absurdität, dass in dieser Statistik nichtstaatliche Solidaritätsleistungen, ehrenamtliche Gemeinschaftsaktivitäten, die Kindererziehung im Allgemeinen und familiäre Krankenpflege und Altenbetreuung im Besonderen, mangels Preiszettel nicht berücksichtigt werden. Mehr als dreißig Jahre nach der Veröffentlichung des ersten Berichts des Club of Rome über die "Grenzen des Wachstums" ist das hinreichend bekannt.(...)
Doch die globale Wirtschafts- und Finanzkrise zeigt deutlich, dass die Einsicht politisch und praktisch keine Folgen hat. Die Staaten, ihre politische Führer und deren Berater klammern sich unverändert an die globale Lebenslüge, dass nur die in Dollar, Euro, Yen oder Yuan messbare Leistung ein Beitrag zur Wirtschaftsleistung und zum Wohlstand sei." (...)
einigermaßen zutreffend sind hier primäre probleme mit dem wachstumsmantra umrissen. in zeiten aber, in denen die reichtumsverteilung von unten nach oben quasi das primäre programm der kapitalistischen staaten als antwort auf die krise darstellt, haben solche gedanken von vertretern eben dieses "oben" auch immer ein gschmäckle:
(...) "Drang zur Selbstdarstellung und Imponiergehabe? Oder innenpolitische Strategie, um der Linken das Thema wegzunehmen? Das Misstrauen ist nicht unbegründet. In der Tat wäre "Sarkos" engagierte Warnung vor Risiken aus Profitsucht auch glaubwürdiger, wenn diese Debatte die Kernenergie samt Risiko und Nebenwirkungen einbezöge." (...)
sowie die situation in den banlieus, die verzweiflung vieler arbeiterInnen und erwerbsloser etc. etc. allerdings ist das thema so wichtig, das eine derart grundsätzliche infragestellung des mantras, die auch öffentlich wahrnehmbar ist, erstmal immer zu begrüßen ist - selbst wenn sie von so jemandem wie sarkozy kommt.
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den stammleserInnen dieser reihe sollte das regelmässige geab des europäischen "think tanks" leap 2020 ein begriff sein. wie kommentiert nun dieaktuelle ausgabedie lage?
(...) "Nicht einmal LEAP/E2020 bestreitet, dass sich die Geschwindigkeit, mit der die Weltwirtschaft auf den Absturz zurast, in den letzten Monaten verlangsamt hat, was ja von den hinlänglich bekannten Experten und den Medien als „gute Nachrichten vom Licht am Ende des Tunnels" ausgeschlachtet wird. Aber dieses Bremsen auf dem Weg zum Abgrund wurde mit einem unglaublichen Aufwand öffentlicher Gelder während der letzten zwölf Monate bezahlt. Doch die unglaublichen Summen aus den Taschen der Steuerzahler wurden schlecht genutzt; sie hätten für den Aufbau eines neuen internationalen Finanz- und Währungssystems eingesetzt werden müssen. Denn die aktuelle umfassenden Krise ist die Agonie des bisherigen Systems. Diese Baustelle blieb jedoch vollständig unberührt – wenn man von einigen schönen Absichtserklärungen und den Rettungsgeldern für amerikanische und europäische Banken absieht. In der Zukunft werden internationale Egoismen das Geschehen an den Finanz- und Devisenmärkten bestimmen .
Mit dem Ende des Sommers 2009, wenn nun die drei Monsterwellen des Sommer die Weltwirtschaft mit voller Wucht treffen (Arbeitslosigkeit, Insolvenzen, Währungskrisen) ist die Chance für einen kontrollierten und geordneten Übergang der bisherigen Weltordnung zu einer neuen vergeben. Dass die großen Weltregionen sich von der US-Wirtschaft abkoppeln und von der US-Dominanz emanzipieren, wird nun auch an konkreten Tatsachen ablesbar. Der US-Dollar ist dabei, seine Stellung als globale Reservewährung und die Leitwährung vieler Devisen zu verlieren. Wie man dem unten stehenden Schaubild entnehmen kann, kann mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass in Kürze 1.000 Milliarden neuer Dollar gedruckt werden. Das wird im Wert des Dollars und in den Volkswirtschaften, die eng an die US-Wirtschaft gekoppelt sind, deutliche Spuren hinterlassen.
Die Welt ist damit auf dem besten Weg in die Phase des Zerfalls der Öffentlichen Ordnung, deren Beginn wir für das vierte Quartal 2009 vorhersagten" (...)
nun, ich vermute stark, dass sich die vorstellungen von leap hinsichtlich einer "neuen weltordnung" von meinen wünschen stark unterscheiden. ungeachtet dieser grundsätzlichen differenz sind für mich die wesentlichen aussagen plausibel. die ersten beiden "monsterwellen" fangen bspw. gerade in d-land damit an, nicht mehr nur etliche keller volllaufen zu lassen - diejenigen, die ganz vorne am strand stehen (leih- und zeitarbeiterInnen, etliche kommunen, transportsektor, maschinenbau...) werden inzwischen teils bis zum hals umspült.
(...) "Nach der Auffassung unserer Forscher ist der von uns vorher gesagte Zerfall der Weltordnung paradoxer Weise der einzig mögliche Weg für eine wirtschaftliche Erholung." (...)
das ist entschieden zu kurz gegriffen, vor allem dann, wenn unter "wirtschaftlicher erholung" ein modifiziertes "weiter-so-wie-bisher" unter anderen bedingungen verstanden wird, wie ich das leap unterstelle. die in früheren news angesprochenen vielfältigen rückkoppelungseffekte der krise in ganz andere bereiche sowie die unverkennbar destruktiven systemkomponenten werden in letzter konsequenz nicht den neustart des alten spiels, sondern ein ganz neues bedeuten müssen - wenn die spezies nicht in einer langen und quälenden agonie dahindämmern will.
bei anderen punkten jedoch kann ich wieder sagen: d´accord.
(...) "Heute kann niemand mehr aus makro-ökonomischem Statistiken verlässliche Angaben über den realen Zustand der Weltwirtschaft ableiten. Denn diese werden immer widersprüchlicher oder gerade zu grotesk. Daten und Meßmethoden wurden so lange manipuliert, und der Dollar trotz seiner chaotischen Kurssprünge als ausschließlicher Meß- und Vergleichsstandard akzeptiert, dass heute weder Regierungen noch internationale Institutionen oder Banken in der Lage sind, sich ein Bild davon zu machen, wohin sich die Weltwirtschaft bewegt. Die Lektüre der Medien ist ein Spiegelbild dieses Chaos und stürzt die Leser in Abgründe intellektueller Frustration: In Abständen von nur einigen Tagen, manchmal auch nur Stunden, ist man einer Abfolge widersprüchlicher Nachrichten über das Finanzsystem, die Wirtschaft oder die Währungen ausgesetzt. (...)
Der Scheitern des weltweiten Wirtschafts-, Finanz- und Währungssystems wird mit Händen greifbar; noch nie in der modernen Geschichte war es so brüchig. Bei der geringsten Erschütterung kann es in sich zusammenbrechen. Dabei kann die Erschütterung von den Finanzmärkten, der internationalen Politik oder einer Naturkatastrophe ausgehen. Die Explosion der staatlichen Defizite, die die öffentlichen Hilfen in den Staatshaushalten verursachen, führt in den betroffenen Staaten zu politischen Spannungen. Aber die Regierungen sehen keine Alternative, denn sie spüren, dass ohne die staatlichen Hilfen die Wirtschaft unmittelbar wieder in einen Abwärtsstrudel gerissen wird. Damit wird es in Japan, USA und Europa wohl unweigerlich zu Steuererhöhungen kommen. Wenn also ein Bereich einen Aufwärtstrend verzeichnen kann, dann sind es Steuern und Abgaben. (...)
Wir sehen die Krise wie den Lauf eines Gummiballs auf einer Treppe. Auf jeder Stufe springt er hoch, um danach auf die nächste, tiefere Stufe hinabzufallen. Doch bei jedem Aufspringen könnte man mit Fug und Recht behaupten, die Abwärtsbewegung sei gestoppt, es gehe wieder aufwärts, obwohl es sich nur um ein Zwischenhoch auf dem Weg zu einem weiteren Tief handelt." (...)
alleine schon wg. der öfter zu bewundernden farbigen metaphern sei die lektüre empfohlen.
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paradigmatisch jedoch stellt sich nicht nur bei leap die focussierung des blicks auf europa, die usa und die "boom"-regionen asiens dar. afrika als gesamter kontinent wird einmal mehr von den meisten krisenanalysen schlicht vergessen, wie es den menschen dort schon seit langer zeit widerfährt. dabei sorgt die krise gerade dort fürvielfältig gefährliches elend:
(...) "Acht bis zehn Millionen Menschen zusätzlich dürften in ganz Afrika dieses Jahr in absolute Armut hineinschlittern, erklärte die Weltbank diese Woche - mit der Konsequenz von 30.000 bis 50.000 zusätzlichen, vermeidbaren Todesfällen bei Kleinkindern. Afrikas Volkswirtschaften werden dieses Jahr laut Weltbankprognose um 1,7 Prozent wachsen und liegen damit unter dem Bevölkerungswachstum. Länder und Regionen, die sich auf einzelne Bereiche des Rohstoffexports spezialisiert haben, ob Diamanten oder Öl, brechen am tiefsten ein.
Regierungen, die die Vorgaben der internationalen Geldgeber am eifrigsten befolgt und ihre Wirtschaft am meisten geöffnet haben, stehen jetzt als die Dummen da, denn fast alle größeren Investitionsprojekte sind auf Eis gelegt. In ganz Afrika sind nach jüngsten Berechnungen Auslandsinvestitionen von 82 Milliarden Dollar entweder eingefroren oder verschoben. Die Neuinvestitionen schrumpfen dieses Jahr gegenüber 2008 von 32,7 auf 26,7 Milliarden Dollar. Im Bürgerkriegsgürtel Westafrikas, der von Guinea über Sierra Leone und Liberia bis in die Elfenbeinküste reicht, kippen reihenweise die Hoffnungsträger des Aufbaus (...)
Ganz einheitlich ist die Katastrophe natürlich nicht. Die von der Finanzkrise ausgelöste Rezession folgte direkt auf eine Ernährungskrise, als weltweite Spekulation die Lebensmittelpreise in ungeahnte Höhen trieb. Dies stürzte viele Städter in Armut, nützte aber vielen Bauern. Seither sind die Preise nicht wesentlich gesunken, aber nun fallen in vielen Städten auch noch Einkommen aus. Die Armut breitet sich immer weiter aus.
Warnungen, dass in Afrikas Metropolen eine soziale Explosion droht, sind durchaus ernstzunehmen. Am vergangenen Donnerstag eskalierte in Ugandas Hauptstadt Kampala ein alter Streit zwischen Regierung und Großhändlern um Eigentumsrechte auf den innerstädtischen Märkten in massive Gewalt, bei der arbeitslose Jugendliche und die Polizei aufeinander losgingen, gestärkt durch ethnische Ressentiments in einem zunehmend aufgeheizten Vorwahlklima.
Während abends Gerüchte von immer mehr Toten die Runde machten und die Armee auffuhr, sorgten sich Ugander um mögliche ethnische Säuberungen durch ein perspektivloses, gewaltbereites Lumpenproletariat.
Die Versprechungen der internationalen Gemeinschaft, die ärmsten Länder der Welt beim Bewältigen der Krise nicht zu vergessen, erweisen sich derweil größtenteils als Humbug." (...)
zynisch könnte man sagen, die menschen dort dürfen sich immerhin amwestlichen atommüllwärmen... und was lässt sich womöglich auch noch alles mit giftmüll anstellen? jedenfalls wird eine krisenfolge im wahrsten sinne des wortes todsicher in steigenden flüchtlingszahlen zu besichtigen sein, für die sich die europäische union mittels der aufrüstung von "frontex" bereits in stellung bringt. das handeln der sog. "europäischen demokratien" gegenüber dem afrikanischen kontinent und den dortigen menschen ist in so vielfältigen dimensionen nur noch als so schwer kriminell zu begreifen, dass man jedesmal, wenn repräsentanten dieser staaten mit dem wort "menschenrechte" ankommen, nur noch mit tiefer verachtung ausspucken kann.
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letzteres gilt bekanntlich ja auch bereits innerhalb der eu für den umgang mit den so called "minderleistern", deren reihen sich mit demfinanziellen untergang vieler kommunen und gemeindenhierzulande weiter kräftig füllen werden. ich spare mit hier das eingehen auf einzelne beispiel, im link ist genügend material für weitere eigene studien enthalten. in den nächsten jahren jedoch wird es in so ziemlich der gesamten öffentlichen infrastruktur, und zwar mit sicherheit gerade in bereichen wie soziales, kultur und bildung zu verwüstungen kommen, die sich gewaschen haben werden. das ein großteil der hiesigen bevölkerung das erst dann realisieren wird, wenn überall die türen verschlossen sein werden, ist zu einem guten teil auch das "verdienst" vieler sedierender medien.
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über letztere macht sich einmal mehrjoachim jahnkelesenswerte gedanken:
"In diesen trüben Jahren möchte man sich den Optimismus herbeischwindeln. Die meisten Medien tun das permanent, quasi als Serientäter. In der Regel gibt es ein politisches Programm dahinter und nicht etwa den Versuch, Menschen einfach nur froh zu stimmen. Das haben diese natürlich längst bemerkt. Daher sind die Medien, nach den Sprüchen der Politiker und der ach so schlauen Wirtschaftsforschungsinstitute, die größte Quelle von Zynismus in Deutschland geworden." (...)
als kommentar zum kommentar passen bspw. meldungen wiediese- kein wort davon, dass die bahn neben den anstehenden massenentlassungen (deren ausmaß vermutlich nach oben korrigiert werden muss) auch bereits schon hunderte güterwaggons stillgelegt hat. solche bilder hätten nämlich jenseits aller zahlen ein so starke symbolkraft, dass sie von den medien gemieden werden wie das weihwasser vom teufel.
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was sich beim blick in ausland bekanntlich (noch) anders verhält - vermutlich dient das aufzeigen von fremden elend immer auch der verbreitung der botschaft "schaut mal, wie gut wir es hier haben!" (das dieses relative "gutgehen" zu einem großen teil auch schon vor der krise auf dem fremden elend basierte, wird natürlich gleichfalls beschwiegen). und gerade die berichte aus den usa zu den krisenfolgen sind hier teils von einer nur mühsam unterdrückten schadenfreude durchzogen, die mit etlicher sicherheit in den nächsten zwei jahren allerdings wie ein boomerang zurückkommen und das selbstzufriedene grinsen aus den hiesigen medialen fratzen wischen wird. ungeachtet dessen sind die relevanten zahlen aus den usa weiterhin auf depressionsniveau - ich mache es mir einfach und verweise einmal mehr auf die vorzügliche aufarbeitung bei den querschüssen -eins...
"Bereits den 21. Monat in Folge führt die Finanz- und Wirtschaftskrise zu einem drastischen Stellenabbau in den USA! Im September 2009 lag die Anzahl des vom Bureau of Labor Statistics (BLS) gemeldeten Stellenabbaus bei saisonbereinigten -263'000 Jobs! Insgesamt kumuliert sich der Stellenabbau auf gewaltige -7,205 Millionen verlorene Jobs seit Januar 2008! Dies ist der längste und größte Einbruch am Arbeitsmarkt seit Beginn der Datenerhebung durch das BLS im Jahre 1939!" (...)
"Nach den heutigen Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums (United States Department of Agriculture - USDA), steigt die Anzahl der US-Bürger welche Lebensmittelmarken beziehen Monat für Monat auf ein neues Allzeithoch! Unfassbare 35,851 Millionen Amerikaner bezogen per Kreditkarte, für je 133,31 Dollar pro Person im Monat Juli 2009, Lebensmittel auf Basis des Supplemental Nutrition Assistance Program (SNAP).
Dies ist ein gewaltiger Anstieg von +725'621 Leistungsbeziehern bzw. von +2,1% zum Vormonat und von unfassbaren +23,4% bzw. +6,791 Millionen zum Vorjahresmonat, mit damals 29,059 Millionen Bedürftigen." (...)
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um sich aus diesen immer noch abstrakten zahlen ein realistisches bild davon zu machen, was das dann alles ganz konkret bedeutet, folgen ein paar aktuelle beispiele aus den usa - so ist eine renaissance destauschhandelsmit ganz spezifischen ausprägungen zu beobachten...
(...) "Ganz egal, welche der etwa 400 registrierten Internet-Tauschbörsen in den USA man zurzeit anklickt, Anfragen zur Ware Gesundheit sind ganz klar auf dem Vormarsch: "Suche Zahnbehandlung, biete Teppichlegen / Tausche Chiropraktiker-Service gegen Abendessen / Heilmassagen gegen Geigenunterricht / Biete Gartenarbeit für neue Brille."
Es sind die vielen unversicherten und unterversicherten US-Amerikaner, die auf diesem Weg versuchen, ihre Gesundheitsversorgung zu organisieren. Und es sind Menschen, bei denen wegen der Wirtschaftskrise das Geld knapp ist und die ihre Arztrechnungen auf andere Weise zahlen wollen. Gehandelt wird per direktem Tausch oder in einem professionell organisierten Tauschring mit eigener Währung. (...)
Mittlerweile gibt es ganze Krankenhäuser, die einen Tauschservice anbieten. "More than Money" - Mehr als Geld - heißt es im Gesundheitszentrum in der Kleinstadt Goshen in Indiana. Bedürftige Patienten können hier kleine Jobs erledigen und werden im Gegenzug medizinisch behandelt. Die schwangere 15-jährige Stephanie etwa macht Büroarbeit, um für die Vorsorge-Untersuchungen zu zahlen." (...)
...was ja bei den bereits in der vergangenheit thematisiertenzuständendes dortigen gesundheitssystems in kombination mit den krisenfolgen kein wunder ist:
(...) "Heute ist es wieder so weit in Wise County. Zum zehnten Mal schon hat die Hilfsorganisation Remote Area Medical (RAM) in dem abgelegenen Grubenrevier der Appalachen-Berge Virginias ihr Feldlazarett aufgeschlagen. Unter einer weissen Zeltplane stehen dicht gedrängt in endlosen Reihen graue Klappliegen. Zahnärzte beugen sich im Akkord über offene Münder. Nebenan brummt ein mobiler Röntgenwagen. Ein Stück weiter werden alte Spenderbrillen angepasst und neue Gläser geschliffen. In einer verwitterten Scheune trennen schwere Planen schmale Behandlungszimmer ab. Hier kümmern sich Ärzte um chronisch Kranke und akute Leiden. Dazwischen tummeln sich wie auf einem Jahrmarkt Hunderte Menschen mit roten, blauen und gelben Armbändern und schwarzen Nummern auf den Handrücken. Wer heute früh nicht pünktlich um fünf Uhr vor den Toren des Lagers stand, um sich für eine Behandlung zu registrieren, muss es morgen noch einmal versuchen. Nur 1600 Patienten haben täglich Einlass. «Wir mussten mehr Leute wegschicken als je zuvor», bedauert die Krankenschwester Teresa Gardner, «es kommen einfach jedes Jahr immer mehr.» (...)
neben den leeren zwangsgeräumten häusern, den tent cities der obdachlosen, den boomenden stadtgärten zur selbstversorgung sowie den mobilen medizinischen einsatzteams ist vielleicht der verfall eines originären us-kulturguts - oder vielleicht besser: symbol einer außer rand und band geratenen konsumkultur - in form dershopping mallsbemerkenswert - eine entwicklung, die nicht erst mit der krise begonnen hat, und deren aktueller stand sich auf der zum herumstöbern einladenden seitedeadmalls.comablesen lässt, die auch unter dem hübsch doppeldeutigen titel "malls R us" eine filmische dokumentation über diese dem (verdienten) untergang geweihten konsumtempel erstellt haben - hier der trailer:
das immer mehr bewohnerInnen der usa schlicht nicht mehr in der lage sind, die synthetischen welten mittels konsum am "leben" zu erhalten, machen am schluß ein paarfakten aus new yorkdeutlich:
(...) "Drei von fünf Beschäftigten im Einzelhandel verdienen weniger als dreizehn Dollar die Stunde, 44 Prozent weniger als zehn. Ein Viertel der im Einzelhandel Beschäftigten über 24 hat einen Collegeabschluss. Einem von drei New Yorker Vollzeitbeschäftigten ist im letzten Jahr eines oder mehrere der folgenden Missgeschicke passiert: a) Gas, Telefon oder Strom wurden wegen Zahlungsrückständen abgestellt; b) sie konnten die Miete nicht zahlen; c) sie konnten sich ein vom Arzt verschriebenes Medikament nicht leisten; d) sie mussten in einer öffentlichen Armeneinrichtung essen."
die vereinigten staaten der abgebrannten und zombiebanken - einmal mehr ein weltmodell?
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aus osteuropa ist derzeit - mit ausnahme des baltikums vielleicht - medial insgesamt eher selten etwas zu vernehmen, was in diesen zeiten auch schnell als indiz dafür gewertet werden kann, dass sich dort etliches unerfreuliche - wie bspw. die faschistische mobilisierung in ungarn - zusammenbraut und/oder schon im gange ist. harte soziale auseinandersetzungen jedenfalls werden von hiesigen medien gerne mal ausgeblendet, erst recht, wenn sie sich in solchen ländern wierumänienzutragen, von denen der gemeine durchschnittsdeutsche in aller regel nur zu wissen meint, dass sich dort etliche geklaute autos auf den strassen bewegen (von der im wahlkampf stattgefundenen höchst offiziellen "aufklärung" über die arbeitsweisen des "rumänen an sich" mal ganz abgesehen). das ist vor allem deshalb bedauerlich, weil das deutsche schaf auch dort etwas lernen könnte:
(...) "Der gesamte öffentliche Sektor - Rathäuser, Kreisräte, Ämter, Schulen, Polizei und Spitäler - hat am Montag in Rumänien gestreikt. Hunderttausende Rumänen legten aus Protest gegen ein neues einheitliches Besoldungsgesetz im öffentlichen Dienst die Arbeit nieder. Aus Sicht der Gewerkschafter sieht das neue Gesetzespaket, für das die Regierung Mitte September die Vertrauensfrage gestellt hatte, eine Einkommenskürzung für öffentlich Bedienstete vor. (...)
Die Einsparungen, die durch das Gesetzespaket erzielt werden sollen, stellten die Bedingung des Internationalen Währungsfonds (IWF) für die finanzielle Krisenunterstützung Rumäniens dar.(...)
Die staatliche rumänische Eisenbahngesellschaft CFR will in diesem Jahr 10.300 von insgesamt rund 78.000 Beschäftigten abbauen. Einen entsprechender Gesetzesentwurf habe die Regierung in Bukarest ausgearbeitet, berichtete die rumänische Nachrichtenagentur Mediafax am Montag. Die freigestellten Bahnarbeiter sollen Abfindungen und 20 bis 24 Monate lang Zuschüsse zum Arbeitslosengeld erhalten.
Betroffen von der angekündigten Kündigungswelle sei sowohl der Güter- als auch der Personenverkehr auf der Schiene. Die Eisenbahner-Gewerkschaft protestierte gegen die geplanten Freistellungen und drohte mit Streik." (...)
der iwf ist also wie in alten zeiten dabei, sich in all den ländern, in denen er den menschen an die gurgel geht, äusserst beliebt zu machen. das wird wie üblich nicht ohne folgen bleiben.
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die während der krise bisher aufgetretenen widerstandsformen in frankreich - vom bossnapping über drohungen, besetzte fabriken in die luft zu jagen - haben nun ein weiteres pendant bekommen, welches von der fremd- zur autoaggression wechselt, alleine deswegen bereits unakzeptabel ist und auch keine origonäre krisenerscheinung ist, sondern bereits davor im ganz normalen kapitasitischen geschäft zu beobachten war. inzwischen aber mit zunehmender tendenz, lassen sich diesuizidevon französischen arbeiterInnen als beleg für die gefühlte ausweglosigkeit ansehen, in die der kapitalismus als ganzes inzwischen gesteuert ist:
(...) "In den vergangenen 18 Monaten kam es zu 24 Selbstmorden in der Belegschaft des Ex-Monopolisten, acht davon allein seit Anfang Juli. Gewerkschaftler prangern Stress und schlechten Führungsstil an, die Konzernleitung wies jede Verantwortung aber lange von sich. (...)
Die Suizidfälle beschränken sich allerdings nicht nur auf France Télécom, wo man alle Umstrukturierungsmaßnahmen bis Ende Oktober gestoppt hat und, nach Worten Lombards, nach einem neuen "contrat social" für das Unternehmen sucht. Eine beunruhigende Anzahl von Selbsttötungen, die entweder am Arbeitsplatz stattfanden oder mit Verhältnissen am Arbeitsplatz verbunden wurden, gab es in der Vergangenheit auch von Peugeot und Renault und vom Atomkonzern Areva zu berichten. (...)
Es scheint tatsächlich, als seien die Mittel des herkömmlichen Arbeitskampfes erschöpft, als gelänge es frustrierten Arbeitnehmern immer seltener, eine tragfähige Form des Protests zu organisieren. Die "Politik der Straße", die auf bevölkerungsweite Solidarität setzte und mit deren Hilfe kleine Interessengruppen in der Lage waren, die Gesamtgesellschaft gegen Sozialabbau zu mobilisieren, hat möglicherweise ihre Kraft verloren.(...)
Es bleibt abzuwarten, ob sich die politische Kultur in Frankreich derart gewandelt hat, dass Proteste in immer kleineren, verzweifelteren und zugleich gewalttätigeren Formen verharren müssen. Mit der Globalisierung und der "Krise" scheinen höhere Mächte über die nationalen Volkswirtschaften gekommen zu sein, denen das (Arbeits-)Volk scheinbar ohnmächtig gegenübersteht." (...)
das erinnert mich spontan etwas an die hiesigen"hartz IV"-totenund tatsächlich lassen sich in beiden fällen die ursachen in verschiedenen ausdrucksformen ein und desselben regimes verorten. wie lange wollen die leute eigentlich noch auf die fassade dieses tödlichen systems hereinfallen?
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in aller kürze - das krisentelegramm + neueschlagzeilenaus dem baltikum: "Frühwarnindikatoren deuten zudem auf eine bevorstehende Währungskrise in Lettland hin. Eine Abwertung würde zwar die Wettbewerbsfähigkeit des Landes verbessern, aber aufgrund des hohen Anteils der in Fremdwährungen ausgereichten Kredite zu großen Kreditausfällen im Inland führen. Nicht zuletzt könnte es durch eine starke Abwertung der lettischen Währung zu einer Kettenreaktion kommen. So könnten zum Beispiel die Probleme der lettischen Banken über die schwedischen Mutterbanken in die anderen baltischen Länder übertragen werden." ich bin ja hinsichtlich unserer aller perspektiven inzwischen ebenfalls bei der alternative angelangt, dass uns entweder eine längere phase des langsamen verfalls und auch der gewöhnung an eben diesen ins hasu stehen, oder aber - wie oben im geab skizziert - ein kollapsartiges ende zunächst des finanzsystems sehr plötzlich und überraschend eintritt, so wie fast schon im oktober letzten jahres, als es bereits haarscharf gewesen ist. ein solches szenarion wie oben könnte dabei durchaus als auslöser für letzteres fungieren + schlagzeilen aus der ukraine:"Konjunktureinbruch, Abwertung der Währung, extreme Staatsverschuldung" - also wie fast überall. nur noch offensichtlich ein bisschen schlimmer + auch - oder gerade - der globaletourismuskommt natürlich nicht ungeschoren davon: "Die Wirtschaftskrise und die Schweinegrippe lassen den globalen Tourismus gemäss der Welttourismusorganisation UNWTO im laufenden Jahr um bis zu 6 Prozent schrumpfen. Damit fällt der erste Rückgang in der Branche seit 2003 schlimmer aus als zunächst befürchtet, wie die UNWTO aus Anlass ihrer Hauptversammlung in der kasachischen Hauptstadt Astana mitteilte. Zum Jahresbeginn hatte die Organisation den Rückgang noch auf maximal 2 Prozent geschätzt. Es gebe aber für das nächste Jahr begründete Hoffnung auf eine Erholung, hiess es." also scheinen die dort zuständigen funktionäre genauso merkbefreit zu sein wie ihre kollegen aus anderen bereichen *umpfh* im übrigen müssen die derzeitigen formen des tourismus eh auf den prüfstand, auch unabhängig von der krise + man betrachte sichspanienund erhalte einen eindruck von dem, was bald auch in anderen eu-staaten angesagt sein wird + zum alten bekannten, dem baltic dry index, mal ein blick aus der perspektive vonrohstoffzockern: "Während die Lagervorräte an Rohstoffen steigen, sinken die Frachtraten. So haben die Ölbestände in den letzten zwölf Monaten um 15 Prozent zugenommen. Hingegen hat der Baltic Dry Index, ein Barometer für die Rohstoffnachfrage, im dritten Quartal um 41 Prozent nachgegeben. Diese Entwicklungen sprechen dafür, dass die Preise wohl bald fallen dürften.
"Wir sind bei Rohstoffpositionen ausgestiegen und haben die Barpositionen erhöht", berichtet Peter Sorrentino, Fondsmanger bei Huntington Asset Advisors, der den Preisrückgang bei Rohstoffen im vergangenen Jahr korrekt prognostiziert hat. "Die Leute waren so begeistert, dass das Wirtschaftswachstum zurückkehrt. Aber jetzt ist sich keiner mehr so sicher, wie stark die Dynamik der Erholung sein wird." tja + das allerletzte ist heute mal ganz im chronologischen sinne zu verstehen: einmal wäre da dieser aktuellesachverhalt - "Der Goldpreis steigt heute auf ein neues Jahreshoch mit 1026 Dollar, er spiegelt eventuell bereits die beginnende Flucht der immensen Buchgelder, vor allem aus dem Dollar, in ein schuldenfreies Asset wider.", der vielleicht etwas mit einer meldung zu tun haben könnte, die seit heute vormittag über dietickerläuft: "Wie die Tageszeitung "The Independent" berichtet, haben die arabischen Golfstaaten geheime Gespräche mit China, Russland, Japan und Brasilien geführt. Die US-Währung solle im Ölhandel als Zahlungsmittel durch einen Währungs- und Rohstoffkorb ersetzt werden." von saudi-arabien inzwischen zwar dementiert (von denen nicht anders zu erwarten), ist das eine potenzielle bombe für die usa. auch dieser oktober scheint schon wieder spannend zu werden...+
"Spuren an der Jacke verrieten ihn: Ein 14-jähriger Förderschüler soll die neunjährige Kassandra brutal misshandelt und in einen Gully-Schacht gesteckt haben.(...)
Er wird verdächtigt, die Neunjährige brutal misshandelt und lebensgefährlich verletzt in einen Gully-Schacht geworfen zu haben. Ein Richter erließ am Samstag Haftbefehl wegen versuchten Mordes." (...)
ich habe gerade keine lust, die früheren beiträge zu anderen, ähnlich gearteteten "fällen" herauszusuchen, bei denen seitens polizei und/oder staatanwaltschaft fast wortwörtlich gleichlautende beobachtungen zu konstatieren waren:
(...) " Der 14-Jährige sei bereits am 15. September als Zeuge vernommen worden.
Damals habe er völlig gelassen und abgeklärt gewirkt und - wie die Ermittler inzwischen glauben - immer wieder "spontan gelogen". Der Leiter der Mordkommission, Wolfgang Siegmund, nannte das Verhalten und die Gefühllosigkeit des 14-Jährigen bei den Vernehmungen "in höchstem Maße beeindruckend".
Die Familienverhältnisse des Jugendlichen seien unauffällig. Sein Vater sei Geschäftsmann, seine Mutter Hausfrau. Er habe zwei Geschwister. (...)
Eltern hatten sich beschwert, dass der Jugendliche die kleineren Kinder ärgere und provoziere." (...)
die fatale kombination von stark ausgeprägtensimulativen fähigkeitenund der gesellschaftlich deutlich eingefordertengefühls- und rücksichtslosigkeit- wobei beides bekanntlich derart zusammenhängt, dass erstere zur maskierung der letzteren fungieren, um einen allerletzten rest pseudosozialer tünche in der hinterhand zu behalten -drückt sich nicht nur in solchen taten und tätern aus - auch zum sog."amok" von ansbachgibt es jetzt neuigkeiten aus seinenschriftlichen aufzeichnungen, welche die inkarnation der aktuellen gesellschaftlichen "werte" in die psychophysis gerade jüngerer leute eindrucksvoll belegen:
(...) " In seinem Tagebuch, in dem sich Briefe an eine fiktive Freundin namens »Summer« finden, schwärmt er vom »Töten im dreistelligen Bereich« und träumt von einem »Sturm auf die Schule«, der ihn als »Massenmörder« berühmt machen werde. Das Tagebuch beginnt am 26. April 2009, dem siebten Jahrestag des Massakers am Erfurter Gutenberg-Gymnasium, das Georg R. sich zum Vorbild erkoren hatte.
Obwohl von den gut 80 Seiten umfassenden Aufzeichnungen, die der Gymnasiast hinterlassen hat, bislang nur Bruchstücke an die Öffentlichkeit gelangt sind, machen bereits diese deutlich, dass Georg R. weder ein Sonderling noch ein »Problemschüler« im üblichen Sinn gewesen ist, sondern weit besser als erfolgsorientierter Streber beschrieben werden kann, der sich seiner »sozialen Verantwortung« voll bewusst war: Als Ziel seiner Tat benennt er ausdrücklich, die Welt von »Unwürdigen säubern« zu wollen, zu denen er nicht nur seine Lehrer und Mitschüler, sondern alle »sozial Schwachen« rechnet. Sich nach seinem Gemetzel das Leben zu nehmen, lehnt er in vollem Einklang mit dem hierzulande üblichen Ehrenkodex als »Kapitulation« ab, stattdessen sei es seine Aufgabe als »überlegene Persönlichkeit«, möglichst viele der »Maden« auszutilgen, die sich heutzutage ohne jedes Recht an den Gymnasien tummelten. Obwohl er sich, im Gegensatz zu den Einschätzungen seines Umfelds, als »Außenseiter« fühlte, der bei »hübschen Mädchen« keine Chance habe, beschreibt er sich stolz als »klar denkenden Menschen«, der seiner Umgebung intellektuell überlegen sei.
Entsprechend monströs und minutiös scheint sein Planungseifer gewesen zu sein: Die Schule in Brand zu setzen, sollte nur der Anfang sein. Danach wollte er an strategisch günstigen Stellen auf Flüchtende warten, um sie mit den mitgebrachten Haushaltsutensilien der Reihe nach zu töten. Es wäre nicht übertrieben zu behaupten, er habe in seine Planungen ebenso viel Energie und Konzentration investiert wie ein konventioneller Streber in das exzellente Bestehen einer Klausur." (...)
ich stimme dabei einigen späteren schlußfolgerungen des artikels nicht zu: auch, wenn sich der täter ganz offensichtlich im vollen einklang mit einigen propagierten "grundwerten" der durchkapitalisierten gesellschaft befindet, so greift hier die klassische ideologiekritik meiner meinung nach eindeutig zu kurz. die ideologie ist etwas sekundäres, mit deren hilfe sich der täter seinen eigenen defekten wahrnehmungszustand in etwas "gesellschaftlich nützliches" umkonstruiert. die demonstrierte empathielosigkeit, die verachtung gegen alles "schwache" etc. sind bereits symptome einer pathologischen entwicklung, die zwar durch die entsprechenden ideologien in gewissem sinne gerechtfertigt wird, die ihre basis jedoch in den sozio- und psychookönomischen mikroverhältnissen besitzt, in denen solche leute aufwachsen und geprägt werden. und dazu gehört untrennbar die täter-opfer-dialektik.
nichtsdestotrotz müssen sich aber vor solchen hintergründen typen wie der unsäglichesarrazinund seine gesinnungsgenossen berechtigt als geistige brandstifter bezeichnen lassen, die das tor weit für eine regelrechte eskalation antisozialer bis soziopathischer verhaltensweisen aufgestossen haben. wer solchen leuten zustimmt, stimmt deshalb auch immer letztlich seiner / ihrer eigenen zukünftigen opferung zu - die hoffnung, sich u.a. durch opportunismus aus der zielgruppe der loser entfernen zu können, wird in die irre führen.
* ... 29,2 Prozent aller Wahlberechtigten gar nicht.
* ... 23,6 Prozent aller Wahlberechtigten die CDU/CSU.
* ... 16,1 Prozent aller Wahlberechtigten die SPD.
* ... 10,2 Prozent aller Wahlberechtigten die FDP.
* ... 8,3 Prozent aller Wahlberechtigten die LINKE.
* ... 7,5 Prozent aller Wahlberechtigten die Grünen.
Die schwarz-gelbe Koalition, ausgestattet mit einer souveränen Mehrheit im Reichstag, kann 33,8 Prozent aller wahlberechtigten Stimmen auf sich vereinigen. Die Oppositionsparteien zusammengenommen, verfügen über einen Rückhalt von 31,9 Prozent.
(mit dank für die darstellung der nackten fakten anad sinistram).
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alles andere, was nachzutragen wäre, wird entweder größtenteils in vielen anderen blog schon geschrieben, oder aber führt so schnurstracks vom ausgangsthema weg, dass ich das momentan eher sein lassen möchte. in den kommenden wochen und monaten wird diese nun immerhin endlich ganz offen als vertretung derwirklichen machtin diesem land fungierende regierung vermutlich sowieso in vielen beiträgen im- und explizit eine rolle spielen.
die nichtwählerei hingegen und auch die ungültigen stimmen - beides für das hiesige bundesland in diesem kleinenfilmthematisiert, aus dem auch der screenshot (dem sich inhaltlich nur schwer widersprechen lässt) stammt - stellen eine in meinen augen sehr interessante entwicklung dar, und ich finde die im film genannte zahl von rund 5000 ungültig gemachten stimmzetteln hier in der stadt ziemlich bemerkenswert, weil sich dabei nicht mehr groß über die motivationen herumspekulieren lässt bzw. der entsprechende raum doch deutlich zusammenschrumpft.
das werde ich wohl noch mal in einer weiteren folge dieserreiheaufgreifen. wird aber etwas dauern, da ich die nächsten tage in der realen welt sehr beschäftigt sein werde.
"ich bin nicht frei und ich kann nur wähln
welche diebe mich bestehln, welche mörder mir befehln..."
nicht- bzw. ungültigwählen kann für viele der erste innere schritt sein, den pseudopartizipativen angeboten des systems eine grundsätzliche absage zu erteilen - und der erste schritt zum entzug der loyalität. die sog. wahlen sind im kern tatsächlich nichts weiter als das:
"die linke"? eine sozialdemokratie 2.0 ist aufgrund der nicht mehr in den herkömmlichen denkschablonen der letzten jahrhunderte zu begreifenden und bearbeitenden globalen probleme von vorneherein so anachronistisch wie die glücklicherweise im zerfall begriffene erste version. das "kleinere" übel bleibt vor allem genau der gruppe der übel zugehörig, und auch viele kleine übel bringen den tod.
dazu sind jetzt schon ähnliche tendenzen sichtbar, wie beim gelieferten beweis der grünen vor zwei jahrzenhnten dafür, dass der aktuelle parlamentarische politikbetrieb genügend sicherungen gegen alle tatsächlich verändernden impulse eingebaut hat: korrumpierung, programmatisches weichspülen und die unerbittliche unterwerfung gegenüber denwahren befehlsgebernin diesem land (die sich durch den akt der stimmabgabe - nomen est omen - für ihre bezahlten öffentlichen interessenvertreter letztlich legitimieren lassen).
bezgl. der "linken" sieht der oben umrissene prozess dann bspw.soaus...
"Ehemalige Landessprecherin der WASG-Schleswig-Holstein, Angelika Hannappel, verlässt DIE LINKE.
Austritt aus der Partei DIE LINKE: Begründung (...)
Die Diskussionen über das Parteiprogramm werden auf die Zeit nach der Wahl vertagt. Ein Parteiprogramm würde die Linke greifbar machen und damit angreifbar. Die Eckpunkte, die sich DIE LINKE gegeben hatte, werden mehr und mehr aufgeweicht. So ist es bei HARTZ IV und bei der sofortigen Beendigung der Auslandseinsätze der Bundeswehr der Fall, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Im Jahr 2005 war die Linkspartei vor allem für Menschen eine Hoffnung, die politisch obdachlos geworden waren, für Arbeitslose und Geringverdiener. Sie war die Kraft der Menschen ohne spezielles Kapital. Inzwischen aber ist die Linkspartei in die gesellschaftliche Mitte vorgerückt, sie hat es geschafft, aus eigener Kraft heraus politische Räume zu besetzen. Die vergangenen Landtagswahlen, bei denen die Linke selbst der Union Wähler abspenstig machte, scheinen dies nur zu bestätigen. Dies ist jedoch nicht das Ziel, welches sich viele Mitglieder der LINKEn – besonders in den alten Bundesländern - einmal gestellt haben. Sie wollen eine antikapitalistische Gesellschaft, die auf der Basis der BürgerInnen zustande kommt. (...)
Umso bezeichnender ist es, dass gerade jetzt führende Politiker der Linkspartei mehr und mehr von ihrer bisherigen Position der Ablehnung des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan abrücken. Wer bisher dachte, die Forderung der Linkspartei nach einem "sofortigen und unbedingten Abzug der deutschen Streitkräfte aus Afghanistan" sei auch so gemeint – wird nun eines Besseren belehrt. Es ist nicht das erste Mal, das Positionen der Linken für die Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung zurechtgestutzt werden. Das zeigte sich schon bei ihrer Beteiligung am Berliner Senat, wo sie die Politik der Monopole und die Abwälzung der Krisenlasten auf die breiten Massen voll mitträgt. Im Saarland war bereits das Wahlprogramm Lafontaines ganz auf die Regierungsfähigkeit an der Seite der SPD ausgerichtet. In Thüringen möchte Bodo Ramelow als Vorsitzender der zweitstärksten Partei sogar bei einem Rot-Rot-Grünen Bündnis auf den Ministerpräsidentenposten verzichten, nur um mitregieren zu können.
Dies alles sind für mich Gründe, die mir eine Mitarbeit in der Partei DIE LINKE unmöglich machen. Alle wollen regieren, ich möchte positiv verändern."
"Öffentliche Erklärung zum Austritt aus der Partei “DIE LINKE”
Von Harry Bleckert, Vorsitzender der Plöner Kreistagsfraktion der Partei DIE LINKE (...)
Mit großer Enttäuschung erkenne ich, dass die Vereinigung von WASG und PDS gescheitert ist.
Der Parteiapparat der PDS hat die WASG vereinnahmt und die ehemaligen WASG Mitglieder bis heute entweder weitgehend assimiliert oder aber zum Parteiaustritt gebracht.
Statt, wie in den programmatischen Eckpunkten festgelegt, eine „Mitmach-Partei“ mit transparenten basisdemokratischen Strukturen zu sein, ist die PdL eine in ihren tatsächlichen Strukturen weitgehend zentralistisch-hierarchische Organisation die wesentlich von konspirativen Netzwerken des Partei-und Fraktionsapparates dominiert wird. Tatsächliches Ziel dieses Apparates sind Machterhalt und Machtgewinn. Politische Inhalte sind dabei nur unter Marketing-Gesichtspunkten wichtig. Aus allen Landesverbänden in den alten Bundesländern mehren sich Vorwürfe massiver Satzungsverstösse und willkürlichen Machtgehabes von Vorständen und Schiedskommissionen." (...)
Von Jörn Seib, Vorsitzender der Linksfraktion im Kreistag Neumünster
Im Juli 2005 bin ich voller Enthusiasmus und Begeisterung in die Partei "Die Linke" eingetreten, habe zur Bundestagswahl im Jahr 2005 beachtliche Erfolge in Trappenkamp erzielen können und habe daraufhin als Gründungskreisvorsitzender den Kreisverband Neumünster aufgebaut.
Bis zuletzt fühlten sich ca. 60 Mitglieder dem Kreisverband zugehörig. Zur Kommunalwahl 2008 hatte der Kreisverband Neumünster das beste Ergebnis auf Kreisebene mit 13,25% in Westdeutschland erzielt.
Gewissermaßen als "Keimzelle" eines Kreisverbandes fällt mir der Austritt alles andere als leicht, aber die Erkenntnis, dass die Ideale im jetzigen Zustand der Partei verraten werden, lassen mir keinen anderen Ausweg. (...)
In diesem Jahr hat sich abgezeichnet, dass die Partei sich zu einer zunehmend zentralistischen Organisation entwickelt statt dem pluralistischen Prinzip zu folgen, inhaltliches Engagement aus der Mitgliedschaft wird abgebügelt, inhaltliche Anträge werden in Programmkomissionen verschoben, die nie gegründet wurden oder einfach abgewiesen wie das zu dem Parteitag im Januar vorgelegte 100-Punkte-Programm des Neumünsteraner Kreises zur Landtagswahl. Statt durchdiskutierter Standpunkte der Landespartei wird nun zur vorgezogenen Landtagswahl mit einem Sofortprogramm der Parteigremien,Wahlkampf gemacht, bei dem einfache Mitglieder kein Mitspracherecht hatten."
ich halte die beschriebenen tendenzen nicht für "betriebsunfälle" oder "bedauerliche ausrutscher", sondern für strukturell bedingt - innerhalb eines so verfassten politischen systems, wie es hier existiert. und spätestens die grünen haben den beweis für die nutzlosigkeit des "marsches durch die institutionen" bereits geliefert. ein weiterer beleg dafür ist überflüssig und kostet nur zeit, kraft und energien, die anderswo wesentlich sinnvoller und nützlicher zum einsatz gebracht werden könnten.
das hier herrschende machtsystem wird nicht ursächlich von innen heraus aufgelöst werden können, auch wenn es durchaus im zuge der weiter anrollenden diversen strukturellen krisen immer mehr zerfallsprozesse / -kämpfe in sich selbst aufweisen wird. aber eher wird es in seinem verfall versuchen, alles andere mit sich zu reißen, als mit einem winseln zusammenzubrechen. wie schon früher einmal geschrieben:
die grenzen werden von außen gesetzt werden müssen. und das ist ein projekt, welches täglich im alltag umgesetzt wird - oder gar nicht.