Sonntag, 29. November 2009

peak oil in ton und bild

ergänzend zu den bisherigen blogbeiträgen zum thema möchte ich auf zwei mediale produktionen hinweisen, die meiner meinung gut und einfach nachvollziehbar die probleme im gefolge von peak oil und das phänomen selbst darstellen. einmal wäre da ein achtminütiger vortrag von der seite regionalentwicklung.de - "was bedeutet peak oil ?"




zum anderen gab es vor ein paar wochen im dritten fernsehprogramm des ndr die dokumentation vom ende des öls zu sehen, die gerade aufgrund ihrer dargestellten regionalen bezüge das thema sehr anschaulich werden lässt:

"Noch laufen die Ölpumpen im Takt, auch auf norddeutschen Feldern. Aber längst fördern sie viel mehr Wasser als Erdöl. Ist das der Beginn einer neuen Ölkrise?

Wie verzweifelt müssen die Konzerne sein, solche alten, erschöpften Vorkommen bis zum Anschlag auszubeuten? "Bis zum letzten Tropfen" ist eine spannende Spurensuche, die auf den Ölfeldern im Emsland und im Wattenmeer und auf der Bohrinsel Mittelplate in Schleswig-Holstein beginnt und bis nach Saudi-Arabien führt.

Dort haben die NDR Autoren Matthias Sdun und Jürgen Webermann unter anderem auf dem abgelegensten Ölfeld der Welt gedreht: Shaybah, in einem lebensfeindlichen Wüstenmeer gelegen, 400 Kilometer von der nächsten Siedlung entfernt. Dass Saudi-Arabien hier mit größtem Aufwand Öl fördert, ist für viele Experten ein Akt der Verzweiflung: Seit 40 Jahren haben die Saudis kein großes Vorkommen mehr entdeckt. Der Ölgigant im Mittleren Osten wankt.

Die Welt hat bislang jedenfalls keine Alternative zum Öl. Sie ist abhängig wie ein Junkie von seiner Droge. 90 Prozent aller hergestellten Produkte basieren direkt oder indirekt auf dem Rohstoff. Und so liefert der Film verblüffende Erkenntnisse: Bei VW in Wolfsburg rechnen die Forscher damit, dass wir künftig mehr Fahrrad fahren müssen. Und ein niedersächsischer Landwirt befürchtet gigantische Engpässe in der Nahrungsmittelproduktion, sollte nicht mehr genug Öl für alle da sein. Seine Kernbotschaft: Wir müssen endlich aufwachen, um das Schlimmste zu verhindern! Denn die Zeit, uns auf die Ölkrise einzustellen, wird langsam knapp."


der film ist inzwischen - ich hoffe, für länger - in der
mediathek des ndr zu sehen.

notiz: der neue bundesinnenminister...

... thomas de maiziére lässt sich anhand einer interessanten nebensächlichkeit tief in sein menschenbild blicken:

(...) "Auch würde de Maiziere die angeblich gestiegene Gewalt gegen Polizisten gern härter bestrafen - "ich halte das für nötig" - auf der nächsten Innenministerkonferenz werde es dazu "intensive Beratungen" geben. Er watschte nebenbei auch die Forscher des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen ab, die derzeit eine Studie zur Gewalt gegen Polizisten erstellen. In den ersten Fragebögen waren offenbar Fragen zum Privatleben der Beamten enthalten - etwa ob sie in Jugend oder Kindheit selbst Opfer von Gewalt waren. Damit würde suggeriert, die Polizisten trügen selbst Verantwortung für gegen sie gerichtete Gewalt, sagte de Maiziere. Es werde "diese Fragen, die das Privatleben ausforschen" mit ihm nicht geben." (...)

nun, von "suggestion" kann in diesem falle nur jemand reden, der keine ahnung von traumadynamiken, insbesondere dem phänomen der re-inszenierung traumatischer erfahrungen und der damit verbundenen täter-opfer-dialektik, hat. sachlich halte ich eine solche frage nicht nur für gerechtfertigt, sondern in bezug auf die - wie auch immer - "legitimierten" trägerInnen des staatlichen gewaltmonopols geradezu für geboten. es gibt einfach eine hohe wahrscheinlichkeit dafür, dass leute, die mit entsprechenden biographien im polizeidienst landen, dieses "gewaltmonopol" tatsächlich zum ausagieren nutzen könnten, was allerdings, wie in anderen bereichen auch, nicht mit irgendwelchen schuldfragen vermischt werden sollte. das de maiziére offensichtlich nicht anders als in kategorien von schuld als reaktion auf eine solche frage nach wichtigen biographischen einflüssen zu denken vermag, verstärkt nicht nur meinen eindruck von ihm, sondern dürfte auch generell repräsentativ für die - sozusagen instinktive ? - abwehr grosser teile der "eliten" gegen alle bestrebungen, die tieferen motivationen der in ihrem system mithandelnden besser zu begreifen, stehen.

indexaktualisierung

für neue leserInnen möchte ich nochmal auf folgendes hinweisen: um vergangene beiträge zu finden, auf die ich ja oft genug bezug nehme - weil hier thematisch vieles aufeinander bezogen ist und ich nicht immer wieder jene grundlagen wiederholen möchte, von denen ich persönlich inhaltlich ausgehe - bietet sich einmal die seiteninterne suche unten rechts in der sidebar an - zu bedienen wie jedes andere beliebige suchfeld auch.

zum anderen habe ich damals beim beginn des blogs eine extrarubik, den
index, als service für die leserInnen eingerichtet. hier sind alle thematisch relevanten beiträge seit beginn des blogs zu finden, aufgeschlüsselt mit stichworten (wenn der titel des jeweiligen beitrags nicht für sich selbst spricht). ausnahmen sind weiterhin die rubriken definitionsfragen; in eigener sache und lesen-sehen-hören (in letzterer rubrik finden sich hinweise, tipps und teils rezensionen von filmen, büchern und anderen medien, die aus meiner sicht eine gewisse zeitlosigkeit besitzen, was ihre aussagen anbelangt - darum empfehle ich hier bewusst das herumstöbern).

letzteres gilt auch für den index, weil sich eigentlich auf keinem anderen weg besser für interessierte nachvollziehen lässt, worum es hier im blog geht und warum ich wie argumentiere.

die ganz aktuelle fassung sei ausnahmsweise hier direkt verlinkt:
assoziation, notizen 2009, notizen 2008, notizen 2007, notizen 2005 / 2006, kontext und basis.

fundamentale und kontroverse diskussionen sind im
index spezial gelistet.

(und um etwaiger verwirrung der stammleserInnen vorzubeugen: aus platz- und übersichtsgründen habe ich die rubriken basis und assoziation getrennt, am inhalt ändert das natürlich nichts.)

Sonntag, 22. November 2009

notiz: lesetipps und vorschau

da ich zur zeit mal wieder keinen direkten netzzugang habe und dazu alltag und lohnarbeit ihren tribut fordern, wird es hier die nächsten wochen recht sprunghaft zugehen. aber das dürfte für viele leserInnen ja nix neues sein.

in der mache sind einmal die durch die zu diesem
beitrag zugehörige diskussion angeregte vertiefung des themas "freier wille", der ja als untergründiges motiv sowieso durch viele andere bereiche mitwandert; zum anderen gab´s vor längerer zeit in der kommentarrubrik eines beitrags mal einen kleinen disput (bzw. eher den beginn eines solchen) von mir und sansculotte bezgl. der realität des (anthropogenen) klimawandels, zu dem ich damals ebenfalls einen eigenen beitrag angekündigt hatte, was allerdings tatsächlich eine ganze ecke von der thematischen richtung des blocks wegführen würde.

nun gab es in der letzten woche erste informationen über einen
hackerangriff auf ein britisches klimaforschungsinstitut, welcher auf den einschlägigen websites bereits hohe wellen schlägt, sollen die inzwischen online veröffentlichen daten doch belegen, dass es u.a. systematische datenmanipulationen, kampagnen gegen "skeptiker" sowie eine sehr unwissenschaftliche politische "hörigkeit" bei denjenigen wissenschaftlern gäbe, die öffentlich vor dem klimawandel warnen (wobei letztere hörigkeit - oder besser abhängigkeit - von vielen wissenschaftlichen bereichen innerhalb des kapitalismus keine neuigkeit darstellt). in einem deutschen meteorologieforum, in dem auch die klimaforschung diskutiert wird, lassen sich erste bewertungen der ganzen geschichte nachlesen. und ich sehe gerade, dass inzwischen auch telepolis zum hack stellung bezieht.

weil ich persönlich nun finde, dass die bereits beobachtbaren negativen konsequenzen der klimaveränderungen weltweit im allgemeinen eher unterschätzt und/oder schlicht ignoriert werden und zudem die motivationen der "klimaskeptiker" in vielen fällen für erbärmlich halte, habe ich mir nun doch einen entsprechenden beitrag vorgemerkt - u.a. auch deshalb, weil ich den klimawandel ja seit längerem hier unter dem stichwort der krisenkaskade mit anführe und das eben auch näher begründen möchte. mit den zwei obigen projekten werde ich wahrscheinlich ordentlich beschäftigt sein.

ja, und dann steht auch mal dringend eine indexaktualisierung an. kommt innerhalb der nächsten zwei wochen.

*

dringend möchte ich daneben auch noch den hinweis von wednesday in den kommentaren zum enke-beitrag hervorheben:
"In der depressiven Falle" macht anhand des themas depression schön einige der bisher bekannten fundamentalen zusammenhänge zwischen genetischen dispositionen und umwelt deutlich und zieht sogar die verbindungslinien zum pränatalen leben ansatzweise nach - ein echtes fundstück (danke dafür!)

*

thematisch verwandt, aber noch grundsätzlicher und vielleicht wegen der seiner herkunft noch interessanter ist ein langer text, welcher folgenden satz enthält, der gleichzeitig auch das thema umreisst:


"Eine marxistische Theorie des Menschen muss jeder Vernachlässigung seiner natürlichen, biologischen, genetischen, neuro- und physiologischen Existenzbedingungen und Entwicklungsfaktoren ein Ende bereiten."

da bleibt mir nur zu sagen: na endlich!

Dienstag, 17. November 2009

themenabend "burn out - schuften bis zum umfallen" - heute ab 21.00 uhr...

...bei arte:

(...) "Der Themenabend wird der Frage nachgehen, welche Auswirkungen die zunehmende Ökonomisierung der Arbeit auf den Einzelnen hat, welche Maßnahmen Menschen ergreifen, um dem wachsenden Druck gerecht zu werden und welche Alternativen und Zukunftsperspektiven es gibt."

könnte ganz interessant werden; ich werd´s leider aus diversen gründen nicht sehen können und hoffe darauf, dass mindestens ein beitrag später irgendwo im netz, u.a. auch bei arte direkt, zu finden sein wird. zum ein- oder nachlesen empfehle ich ein paar passende beiträge aus der vergangenheit, bspw.
hier und hier.

Sonntag, 15. November 2009

kontext 59: das große gesellschaftsspiel - simulationen und fakes allerorten

"Wir leben doch nur noch mit Lügen und belügen uns in Wirklichkeit selbst - mit allen Konsequenzen!"

*

so der letzte satz eines
kommentars, der nicht nur im kontext des suizids von robert enke eine absolut treffende realitätsbeschreibung darstellt. ich musste die letzten tage immer mal wieder an jene "empfehlungen" denken, die ich hier vor langer zeit unter ihrem titel "als-ob-strategie - hochstapeln für anfänger und schüchterne" thematisiert hatte. nach allem, was inzwischen von enkes umgang mit seinem zustand bekannt ist, könnte ich den verdacht formulieren, dass er - recht "erfolgreich" - intuitiv eine abwandlung dieser strategie zur täuschung des größten teils seiner sozialen umwelt angewendet hat. und nein, das hat ihn sicherlich nicht zu einer als-ob-persönlichkeit im sinne des hier im blog vertretenen modells gemacht - eher kann seine geschichte für ein extremes, aber dennoch exemplarisches beispiel dafür stehen, wie wir alle unsere simulativen fähigkeiten aka als-ob-modus nutzen, um alltäglich über die runden zu kommen.

das ich hinsichtlich dieser fähigkeiten, genauer bezgl. ihrer anwendung innerhalb sozialer beziehungen, bekanntlich eher skeptisch bin, ist nichts neues. und die ereignisse der letzten woche bestärken mich in meiner skepsis.

*

existenziell bedrohlich können diese simulationen nicht nur für einzelne werden, sondern auch für ganze kollektive - wenn diese sich nämlich innerhalb von fortgeschrittenen und ebenso existenziell bedrohlichen
systemkrisen dafür entscheiden, sich lieber mit fakes und simulationen zu "vergnügen" statt mit der öden und bedrückenden realität. das verhalten von individuen unter solchen bedingungen stimmt dabei meiner meinung nach in solchen situationen mit demjenigen von kollektiven weitgehend überein: fluchtverhalten, schönreden, den-schein-wahren, die maske bis zum letzten verteidigen - wenn das nicht mehr funktioniert, kommt es dann meist zu einem plötzlichen, sehr rapiden zusammenbruch - die karthasis (oder aber der tod) - erscheint.

das bspw. die bundesdeutsche erwerbslosenstatistik mittels statistischer tricks auf einer offensichtlich für bestimmte leute "erträglichen" höhe gehalten wird, hat sich mittlerweile selbst in eher desinteressierteren gruppen herumgesprochen. und das ist, gerade innerhalb der krise(n), kein einzelfall. zwei beispiele der letzten wochen dazu.

*

im als quellensammlung sehr empfehlenswerten blog
wirtschaftsfacts.de, welches ich bei dieser gelegenheit endlich mal vorstellen kann, erschien vergangenen montag ein beitrag, der unter dem titel "Schwachstelle in US-Datenpublizierung übertreibt Wachstum und Produktivität schlaglichtartig den hintergrund verschiedener "erfolgsmeldungen" über die angeblichen "erholungstendenzen" der us-ökonomie deutlich macht:

"Eine sich vergrößernde Lücke zwischen den publizierten Daten und der Realität verzerrt das Bild, welches sich die US-Regierung über den Gesundheitszustand des Landes macht, sowohl das Wachstum als auch die Produktivität in einer Weise überbewertend, welche die politische Debatte in Bezug auf den Handel, Löhne und Gehälter sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen beeinflussen könnte, wie cnbc.com berichtet. Die Unzulänglichkeit der publizierten Daten wurde am vergangenen Freitag und Samstag laut und deutlich kundgetan auf einem ersten Treffen seiner Art, an dem Ökonomen, Personen aus dem akademischen Spektrum und Mitglieder der Regierung teilnahmen, um ein genaueres statistisches Bild im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung zu entwerfen. Der fundamentale Grund für die Unzulänglichkeit der publizierten Daten basiert auf der Weise, wie Importe statistisch erfasst werden. (...)

Sich mit diesen Aspekten auseinandersetzend, stimmten nahezu alle 80 auf der Konferenz anwesenden Experten darin überein, dass die momentan publizierten Statistiken dazu tendieren, die ökonomische Stärke der Wirtschaft zu übertreiben. Diese Sichtweise wurde ebenfalls geteilt von den an der Konferenz teilnehmenden Personen des Amts für wirtschaftliche Analyse, dem Amt für Arbeitsmarktstatistik und der Federal Reserve, von denen alle Institutionen große Player in Bezug auf die Messung der wirtschaftlichen Aktivität sind. Das gesetzte Ziel unter den Konferenzteilnehmern basiert auf der Reparatur der publizierten Statistiken, allerdings wird dies mehrere Jahre und viel Geld (seitens des Kongresses) erfordern, um mehr Information darüber zu sammeln, was die Unternehmen tatsächlich machen." (...)


hier haben wir es also mit einen offensichtlichen fehler innerhalb der struktur basaler ökonomischer statistiken zu tun, der - und zwar von leuten, die einen großteil ihrer zeit mit nichts anderem als solchen statistiken, ihrer erstellung, bewertung etc. verbringen - angeblich erst jetzt "entdeckt" und verstanden wurde. und das zu einem zeitpunkt, an dem die realität in der usa - dazu können Sie bspw. verschiedenen krisennews hier nachlesen - jeglichem "aufschwungsgetöse" so derart hohnspricht, dass der widerspruch zwischen virtuellen (u.a. in form von zahlenreihen etc.) realitäten und authentischer wirklichkeit bei jenen, die diesen widerspruch direkt erleben müssen, salopp gesagt wie ein schlag in die fresse ankommen muss. wenn sich elitäre expertenklüngel also bereits genötigt sehen, ihre virtuellen realitätssimulationen faktisch zu widerrufen, sagt das einiges über die reale lage aus. und wenn wirtschaftsfacts als anmerkung schreibt: "Welchen Daten kann man also noch Glauben schenken?", so lässt sich zur antwort direkt der eingangs zitierte satz lesen.

*

insgesamt eine stufe bedrohlicher wird es meiner meinung dann, wenn es dann um fragen wie
peak oil geht, die global einschneidende konsequenzen nach sich ziehen werden (und die frage in der überschrift des verlinkten beitrags wird in gewisser hinsicht im folgenden auch beantwortet).

hatte die internationale energie-agentur iea noch
im sommer gewarnt, dass "die ölquellen im rekordtempo versiegen" würden - eine durchaus angemessene feststellung -, so klingt es in ihrem neuesten bericht auf einmal so:

(...) "Die IEA versichert jedenfalls, dass bis 2030 und darüber hinaus, die Ressourcen ausreichen würden, auch wenn es zu keinen weiteren Energieeinsparmaßnahmen oder dem Ausbau von Erneuerbaren Energien, der Atomenergie und der CCS-Technik kommt. Es hätte allerdings schwere Folgen für Umwelt, Klima und Wirtschaft, weil dann die Temperaturen um 6 Grad Celsius steigen würden. Von dem schon seit Jahren beschworenen Peak Oil (Ende des Ölförderwachstums) will die IEA also auch weiterhin nichts wissen."

haben sich nun plötzlich neue erkenntnisse aufgetan (zu den allseits gefeierten neuen ölfunden der letzten monate hatte ich zur damit betriebenen vernebelung schon geschrieben)? eine britische zeitung dürfte auf der richtigen spur sein:

"Angeblich resultiert der "Optimismus" der IEA, so berichtet der Guardian, aber nicht aus faktisch begründeten Erwartungen, sondern er soll sich dem Druck der USA Verdanken. Um Panik auf den Märkten zu verhindern, werde beispielsweise die Möglichkeit, neue Ölfelder zu finden, höher angesetzt, so dass auch in mittelfristiger Zukunft nicht mit Knappheit zu rechnen ist. Das habe ein hoher Angestellter der IEA der Zeitung berichtet, allerdings unter der Bedingung der Anonymität. Die Amerikaner würden auch das Ende der Vorherrschaft des Öls fürchten, weil sie damit auch ihre Macht, den Zugang zum Öl zu kontrollieren, schwinden würde. Das allerdings ist auch ohne Peak Oil der Fall, eher schon würde der Dollar noch stärker als Leitwährung gefährdet werden.

Während die IEA offiziell eine Fördermenge von 105 Millionen Barrel noch 2030 für möglich angibt, würden viele in der Behörde davon ausgehen, dass es höchsten 90 bis 95 sein werden. 2005 hatte die IEA 120 Millionen Barrel Fördermenge angegeben. Das sei Blödsinn, sagt der Whistleblower. Auch die jetzt angegebene Zahl sei nicht realistisch – und jeder wisse das in der IEA. Und ein weiterer Informant, der früher bei der IEA gearbeitet hat, soll dem Guardian bestätigt haben, dass es Devise gewesen sei, die USA nicht zu verärgern. Er meint, Peak Oil sei jetzt schon erreicht."


und was zu erwarten war, folgte auch prompt:

"Die IEA weist den Bericht des Guardian als "grundlos" zurück und betont, dass die Behörde unabhängig berichte: "Wir haben eine Menge Kritiker", sagte Birol dem Guardian. "Wir können nicht jeden glücklich machen."

den letzten satz darf man sich vor dem gesamten hintergrund auf der zunge zergehen lassen.

*

und wenn Sie demnächst mal wieder zu irgendeinem anlass jubelnde menschenmassen sehen, die sich vor freude über ihr leben in dieser "besten-aller-welten (TM)" schier nicht einkriegen und ihren elitären repräsentanten huldigen, dann denken Sie auch an
solche bizarren fakes, die nicht nur mich an die den vorbeiziehenden massen zuwinkenden starren greise des verblichenen "realen sozialismus" haben denken lassen...

Mittwoch, 11. November 2009

notiz: der tod eines fussballers...

...und die bemerkenswerten öffentlichen reaktionen werden bis auf weiteres ausgerechnet in einem fussballforum am treffendsten kommentiert:

"Lasst die 96er um ihren Torwart trauern! Sendet stille Grüße an Enkes Frau, seine Freunde und all diejenigen, die ihn wirklich kannten und nun vermissen werden!

Aber die Schleimspur, die die justament wieder neu entdeckte (Mit-)Menschlichkeit in ihrem aufdringlichen Trauergewand quer durch Deutschland zieht, ist schier unerträglich. Auf ihr verwischen nämlich die Grenzen zwischen echtem Mitgefühl und falsch verstandener Informationspflicht, zwischen echtem Verlust und kribbelnder Neugier, zwischen echter Trauer und eigener Ohnmacht - und leider auch die unzähligen alltäglichen Schicksale, um die wir uns für gewöhnlich einen Scheißdreck kümmern."


mehr gibt es dazu meiner meinung nach tatsächlich nicht zu sagen. schon gar nicht so etwas perfides wie jene letzten sätze in einem kommentar der financial times, die unter der eigentlich interessanten frage danach, warum sich - anscheinend - tatsächlich so viele menschen von diesem suizid eines zugegebenermassen zurückhaltend-sympathisch wirkenden fussballers (das ein solches, eigentlich "normales", öffentliches auftreten innerhalb der szene der profi-fussballer bereits positiv auffällt, spricht schon für sich - und nicht für letztere szene) "persönlich" betroffen fühlen, zu folgendem fazit kommt:

(...) "Enke hat, und das macht den Unterschied - eine andere Geschichte, eine gebrochene. Während andere Karrieren linear nach oben verlaufen, ist Enkes Lebensweg ein Auf und Ab, sportlich wie privat, mit extremen Schwankungen und existentiellen Tiefen, die man niemandem wünscht. Bewundernd beobachtete die Öffentlichkeit, wie sich Enke aus all den (bekannten) Krisen wieder herausarbeitete. Still, beharrlich, freundlich. Enke war damit so etwas wie ein Gegenentwurf zu Alphatieren wie seinen Vorgängern im Tor der Nationalelf, Kahn oder Jens Lehmann - Egomanen mit einem Hang zu Arroganz und Brutalität. Enke hat stets nur seine Leistung sprechen lassen - und das kommt an in einem Land, das von Lautsprechern und Aufschneidern in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft genug gepeinigt worden ist."

"stets nur seine leistung sprechen lassen" - mit diesem strunzdummen und vor ideologie (da wird ganz nebenbei hübsch die fiktion der "ehrlichen, leistungsorientierten sozialen marktwirtschaft" vs. "egomanischer raubtierkapitalismus" als hintergrund geliefert) triefenden satz hat sich der kommentator selbst eine erstklassige merkbefreiung ausgestellt. denn genau das darf mit einiger wahrscheinlichkeit mit als entscheidender umstand angesehen werden, der eine unter depressionen leidende "öffentliche person" letztlich auf die schienen getrieben hat.

bleibt nur zu hoffen, dass als eine mögliche positive folge der ganzen trostlosen geschichte wenigstens der gesellschaftliche umgang mit depressionen vielleicht zukünftig ein bisschen angemessener daherkommt - bei solchen kommentaren wie oben bleibt das leider schwer zu bezweifeln.

ps. gerade viele funktionäre, aber auch fans, haben jetzt auch allen anlass, ihr verhalten gegenüber
sebastian deisler nochmals zu überprüfen...

Montag, 9. November 2009

notiz: einfach göttlich! [update]

sehr passend zum begriff der opferökonomie hat der derzeitige chef der us-bank "goldman-sachs" in einem interview sein selbstverständnis - welches bei betrachtung der psychophysischen verfassung bspw. eines berlusconi durchaus kein einzelfall in kreisen der "eliten" sein dürfte - ausgebreitet:

(...) "Der Chef der US-Großbank Goldman Sachs hat hohe Profite und Bonuszahlungen als Zeichen für eine Erholung der Weltkonjunktur bewertet. In einem Interview mit der Londoner "Sunday Times" sagte Lloyd Blankfein: "Wir helfen den Unternehmen zu wachsen, indem wir ihnen helfen, Kapital zu bekommen. Unternehmen, die wachsen, schaffen Wohlstand. Und das wiederum ermöglicht es den Menschen, Jobs zu haben, die noch mehr Wachstum und noch mehr Wohlstand schaffen."

Seine Schlussfolgerung: Banken hätten einen gesellschaftlichen Zweck und würden deshalb "Gottes Werk" verrichten, sagte Lloyd Blankfein wörtlich." (...)


kaum noch unverhülllt tritt mal hier, mal da der elitäre größenwahn zutage - und warum auch nicht, wenn man sich die sehr realen konsequenzen des göttlichen wirkens
betrachtet:

„Durch diese Krise verlieren Leute ihre Krankenversicherung, sie sehen ihren Arzt nicht mehr. Und wenn sie ihn doch sehen, dann kaufen sie die verschriebenen Medikamente nicht weil sie sie nicht bezahlen können.“

zeit für eine ordentliche götterdämmerung.

*

edit: zufällig kam mir gerade eine andere meldung - auch aus den usa - unter die augen, in denen ebenfalls ein
gottgesandter die hauptrolle spielt:

(...)"Nennt mich Gott" , schrieb John Allen Muhammad auf Zettel, die er der Polizei hinterließ.

Drei Wochen lang spielte er Gott, zusammen mit seinem Komplizen Lee Boyd Malvo, einem Teenager. Es war im Oktober 2002, der Schock der Terroranschläge auf das World Trade Center im Jahr davor war noch frisch. Als wäre er der Herr über Leben und Tod, wählte Muhammad willkürlich seine Opfer aus. Jeden konnte es treffen, es war das grausame Zufallsprinzip bei diesem russischen Roulette, das die amerikanische Hauptstadt und ihre Vororte in den Bundesstaaten Maryland und Virginia in Angst und Schrecken versetzte. Am Dienstag soll der "DC Sniper" hingerichtet werden, im Gefängnis von Greensville in Virginia." (...)


interessant sind dabei einige hintergründe zum washington sniper:

(...) "Der Anwalt des Todeskandidaten führt die mentalen Probleme seines Mandanten ins Feld. "Er ist paranoid" , sagt Jonathan Sheldon.

"Nachdem Muhammad aus dem Golfkrieg von 1991 zurückkehrte, war er zornig auf die Regierung." Zudem hänge der dunkelhäutige Mann Wahnvorstellungen einer rassistischen Verschwörung an. Sich selber halte er für einen Propheten." (...)


paranoia, sicherlich auch - bloß entsteht die niemals im luftleeren (sprich gesellschaftsfreien) raum. und es klingt mal wieder so, als verberge sich hinter der geschichte ein destruktiver verarbeitungsversuch von kriegstraumata, kombiniert mit der erfahrung rassistischer strukturen in der us-gesellschaft. täter-opfer-dialektik, die sich die usa nicht nur in diesem fall mit der finalen "lösung" vom hals schaffen will.

es ist recht interessant, das ganze einmal mit der situation, der position und dem umgang mit leuten vom schlage eines blankfeins zu vergleichen - gottgesandte in god´s own country alle beide, der eine ein schreibtischtäter mit einer unbekannten opferzahl, der andere ein (ge- und beschädigter) ex-soldat im vormaligen dienste für u.a. eben solche schreibtischtäter und ihr system, direkt auf der strasse mordend mit einer benennbaren zahl von toten. der eine bzw. seine institution wird vom staat massiv quasi-subventioniert und gefördert, der andere bekommt - ebenfalls vom staat - die tödliche spritze. der eine beruft sich bei seinem tun auf den "göttlichen auftrag" und wird dafür - bestenfalls - belächelt; der andere betrachtet sich als "gott" und "propheten", begründet damit ebenfalls sein handeln und wird als paranoid klassifiziert. der eine ist weißhäutig, der andere hat eine dunkle hautfarbe.

eine vergleichende geschichte, die aufgrund ihres exemplarischen charakters eigentlich eingang in viele schulbücher finden müsste.

Montag, 2. November 2009

assoziation: ist der kapitalismus auch eine *opferökonomie*? anmerkungen zur psychohistorischen sicht auf ökonomische krisen

ziemlich missvergnügt melde ich mich zwischenzeitlich wieder; es gibt gerade zu viele baustellen, die im realen leben warten - und das hat einfluss auf das schreiben hier. der angekündigte beitrag zum "freien willen" kommt noch, aber aus aktualitätsgründen (s.u.) schiebe ich jetzt ein thema dazwischen, welches aus meiner sicht nicht nur schon viele unsichtbare verbindungen zum willenskomplex aufweist, sondern mich auch schon spätestens seit dem offenen ausbruch der wirtschaftskrise letztes jahr beschäftigt. aber bislang fand ich irgendwie noch nicht den richtigen einstieg - das hat sich nun geändert.

*

und dafür verantwortlich ist hartmut finkeldey, der sich in einem
beitrag mit der frage beschäftigt hat...

"...warum speziell der Mittelstand sich so widersprüchlich verhält, warum er zB zwar in Umfragen immer wieder pro soziale Politik votiert, um dann dennoch schwarz-gelb zu wählen. Albrecht Müllers Antwort - das Volk sei Opfer manipulativer Machenschaften - habe ich hier schon mehrfach als zwar nicht falsch, jedoch unzureichend bezeichnet." (...)

und danach als antwortversuch friedrich engels mit einer art sozioökonomischer betrachtung aus dem vorletzten jahrhundert zitiert, die phasenweise selbst auf das aktuelle heute bezogen gar nicht mal falsch sein mag, aber erstens nach meinem eindruck zu sehr eine art irrational-rationaler kalkulation bei der skizierten klasse unterstellt, und zweitens muss die frage damals wie heute auch breiter gestellt werden: was treibt nicht nur die mittelklasse, sondern auch das "lumpenproletariat", aktuell die "unterschicht" oder - weiter gefasst - das sog. prekariat immer wieder in die in unterschiedlichen gewichtungen / ausprägungen zu konstatierenden haltungen wie
  • resignation, apathie, fluchtverhalten aller art
  • devotes bücken nach oben
  • aggressives treten nach unten ?
speziell bezgl. der hiesigen bevölkerung hatte ich ja schon einen
mehrteiligen antwortversuch geschrieben, aber erstens ist das obige nicht nur ein rein "deutsches" phänomen in der krise, und zweitens fehlt noch ein bereits existierender theoretischer ansatz, das ganze einmal aus einer qualitativ anderen perspektive zu betrachten. und darum geht´s jetzt im folgenden.

*

"Wir geben dir (...) keine Schuld an der Rezession. Wir waren zu fett geworden, zu bequem, zu faul zum Konkurrieren. Unsere Standards sind nicht mehr so hoch, wie sie es immer waren und man ist viel zu schnell bei der Hand, jemandem die Schuld zuzuschieben... Aber wir glauben noch an die alten (...) Werte, von denen Sie sprechen. Vielleicht mußten wir leiden, um uns zu reinigen von unserem ausschweifenden Leben."

na, wer könnte das wann gesagt haben - oder sagen? kein langen ratespiele: in die erste auslassung gehört der name ronald reagan, in die zweite das wort "puritanische", und beides zusammen macht ort und zeit deutlich:

"Obwohl das schwer zu glauben sein mag: Selbst viele Opfer der Reaganomics stimmten der Opferung zu. Eine Umfrage der Washington Post 1983 unter Reaganomics-Geschädigten faßte die Gefühle von Arbeitslosen, die krank waren und nicht behandelt werden konnten, weil sie keine Krankenversicherung mehr hatten, deren Leben durch die Reagan-Rezession zerstört worden war, derart zusammen."

und damit sind schon ein paar schlüsselbegriffe - "ausschweifendes leben", "opferung", "reagonomics" - gefallen, die allesamt eine zentrale rolle spielen im 1984 erschienenen buch des psychohistorikers
lloyd deMause, reagan´s amerika (der link führt auf die derzeitige neue url der ex-utopie 1, deren betreiber öfter mal im wahrsten sinne des wortes die seite wechselt. aber dankenswerterweise sind große teile des buches online lesbar - tipp!).

das buch eignet sich als praktische einfürhrung in die methodik und arbeitsweise der us-psychohistorie sehr gut, beschäftigt sich neben reagans wirtschaftspolitik als weiteren zentralen punkt mit den teils bizarr anmutenden militärischen übergriffen (lybien, grenada...) der frühen reagan-jahre und stellt teils überraschende zusammenhänge - oder eher ein zusammenspiel - zwischen regierung, medien (als vermittler) und eben großen teilen der damaligen us-bevölkerung her.

kritikpunkte und vorbehalte in kürze: einmal generell der meiner meinung nach überbelastete bezug der deMausschen psychohistorie auf die orthodoxe freudsche psychoanalyse, der mir in jüngerer zeit - siehe Das emotionale Leben der Nationen - durch eine größere berücksichtigung der neurowissenschaften sowie der psychotraumatologie bei ihm etwas in den hintergrund getreten zu sein scheint, aber in dieser vielleicht ersten wirklich spektakulären veröffentlichung noch eine (zu) große rolle spielt. dann sind die eigenarten der damaligen (und heutigen) us-amerikanischen medienwelt, die für die dortigen psychohistoriker als vermittelnde projektionsfläche für die "stillen" botschaften zwischen regierung und bevölkerung eine zentrale rolle spielt, natürlich so nicht auf andere regionen übertragbar, erst recht nicht in zeiten der online-medien. hierzulande wären, wenn man den damaligen deMausschen ansatz ein zu eins übertragen würde, vermutlich nur zeitungen wie die "bild" und andere auflagenstärkere boulevardblätter sowie illustrierte wie "spiegel", "stern" und "focus" im sinne von einigermaßen repräsentativen und wirkmächtigen vermittlungsquellen für
fantasy-messages denk- und brauchbar.

dazu kommen dann noch die ziemlich spezifischen eigenarten des religiösen lebens in den usa sowie die tatsächlich verbreiteten puritanischen einstellungen zur sexualität, die - neben der nachweislich explizit antifeministischen ausrichtung der "reagan-revolution" - mit dazu beigetragen haben mögen, dass deMause die entsprechenden teile der freudschen pa oft und gern zur untermauerung vieler thesen herangezogen hat.

nichtsdestotrotz: eine erweiterung des blicks auf die unzweifelbar vorhandenen zusammenhänge zwischen ökonomischen strukturen einerseits und andere gesellschaftliche bereiche andererseits ist dringend geboten und nötig, und da ist die perspektive von deMause zumindest für mich eine inspirierende. und kann zur eingangs erwähnten fragestellung durchaus neue antwortversuche beisteuern.

*

(...) "Trotz der erstaunlichen Regelmäßigkeit von Wirtschaftszyklen (in den Industrienationen haben sie im allgemeinen einen Achtjahresrhythmus) und der Kriege (die meisten Länder haben durchschnittlich alle zwanzig Jahre einen) wurden sie niemals als Wünsche angesehen; als Wege, durch periodische selbstzerstörerische Abläufe, die wir selber sorgfältig inszenieren, die Angst zu begrenzen, die daher kommt, daß wir unser Leben genießen. Wie der Patient, der seine Probleme als Folge von »Fehlern« in seinem Leben sieht, versteht man gemeinhin ökonomische und politische Krisen als Ergebnisse kollektiver »Fehler«, seien es »Fehler der Überinvestition«, »Fehler in der Geldpolitik«, »Fehler der Finanzierungsprogramme« oder die »Fehler von München«. Ökonomische Zyklen wie auch die Abfolge der Kriege werden kaum gesehen als gewollte.

Der Grund, aus dem gesellschaftliche Probleme so oft als Folge von Fehlern dargestellt werden, liegt in der Modellannahme eines »homo oeconomicus«, den die meisten Gesellschaftswissenschaften unterstellen. Dieser, er oder sie, handelt nur nach Eigeninteresse, vermehrt den eigenen Lustgewinn, arbeitet rational und rationell und geht in jeder Hinsicht klug mit seinem / ihrem Geld um. Um das zu glauben, muß man allerdings an der erstaunlichen Tatsache vorbeisehen, daß alle die, die man selber kennt, dem »homo oeconomicus« nur sehr entfernt, wenn überhaupt, ähneln. Die eigenen Nachbarn scheinen ihr Geld eher blindlings auszugeben, sie sparen kaum, mit der Arbeit gibt es Probleme oder sie trinken zuviel, oder sie sind eher depressiv oder zu schüchtern, zu streng, zu gelangweilt oder zu sehr geladen, um ihre Talente wirklich entfalten zu können oder ihr Familienleben zu genießen.


In Wahrheit sind die Leute auf genau die Weise irrational menschlich, wie sie in den umlaufenden Romanen vorkommen, und ähneln viel mehr einem Typ, der sich alle Mühe gibt, seine/ihre Vergnügen und Fähigkeiten zu begrenzen als sie zu entgrenzen. Selbst jene, denen es gelingt, ihre Arbeit als fruchtbar zu erleben, enden oft darin, daß alles, was sie tun, ihnen letztlich mißfällt oder sie opfern ihre Familien, ihr Liebesleben oder ihre Gesundheit »dem Beruf«. Menschen, die psychologisch gesund genug sind, sowohl Erfolg zu haben als auch Freude an ihrer Arbeit und an ihrem Besitz und an ihren Angehörigen und an ihrer Liebe, sind in Wahrheit höchst selten anzutreffen.

Wenn aber die meisten Individuen ihre Befriedigungen beschränken, ihre Fähigkeiten nicht entfalten, sowie ihre Einkünfte und ihre Vergnügungen opfern, grad so, als wollten sie keine Schuldgefühle provozieren durch zu exzessiven Lebensgenuß, dann wird das auch auf die Nationen zutreffen, die aus solchen Menschen bestehen. Eine brauchbare Theorie der Psychoökonomie muß deshalb auch untersuchen, durch welche Strategien Nationen ihren Überfluß vernichten, nicht nur, wie sie ihn erzeugen — Strategien, die periodische Blütezeiten, Zusammenbrüche und Kriege einschließen.

Wirtschaftswissenschaftler stoßen hin und wieder eher unfreiwillig auf die Möglichkeit selbstzerstör­erischer Motivationen, aber da ihr Modell dem »homo oeconomicus« nur rational zu sein erlaubt, verwerfen sie ihre Wahrnehmung als offensichtlich zu verrückt, um sie ernsthaft in Erwägung zu ziehen. So folgt in mehreren Büchern auf den Versuch, die Wirtschaftzyklen nach rationalen Modellen zu erklären, das Eingeständnis ihres Ungenügens; die Autoren werfen die Arme in die Luft und stellen, wie Paul Samuelson, fest, fast scheine es, als ob die Menschen »absichtlich einem manisch-depressiven Muster folgten und dabei erst den ökonomischen Zyklus erzeugen«, oder jemand ist versucht, wie Robert E. Lucas Jr., »anzunehmen, daß die Leute Depressionen mögen.« Aber das sind nur Momente psychologischer Einsichten, die schnell wieder fallengelassen werden; und sie kehren zurück zu ihrem Grundlagemodell »ökonomischer Mensch« mit seinen unmotivierten »Fehlern«. (...)


so ein längeres zitat aus der einleitung des kapitels 4,
Reaganomics als Opferritual, welches einen ganz zentralen punkt der psychohistorischen sichtweise deutlich macht. als reaganomics wird seit damals - analog dem britischen thatcherism - eine explizit neoliberale politik verstanden, die ökonomisch auf der "chicagoer schule" des milton friedman fusst, und in der umsetzung durch rabiate steuersenkungen zugunsten der oberklasse einerseits und ebenso rabiate sozialkahlschläge anderseits, bei ideologischer beweihräucherung der "freien märkte", reaktionären vorstellungen bezgl. familie und ehe, nationalismus als popanz, militaristischer aussenpolitik sowie allgemein antisozialer tendenz berühmt und noch mehr berüchtigt geworden ist. in einem artikel zur neuen bundesregierung, der mir kürzlich unter die augen kam (ich weiss leider nicht mehr wo), werden übrigens etliche gemeinsamkeiten vor allem der fdp-politik zu den reaganomics herausgearbeitet - die lassen sich meiner meinung nach tatsächlich nicht nur in punkto steuern auch belegen.

ich empfehle übrigens zum besseren verständnis, mindestens das gesamte kapitel, besser noch auch die anderen vorhandenen auszüge des buches zu lesen - einfach, weil sich durch das gesammelte mediale material die inhaltliche tendenz der argumentation besser erschliessen lässt.

eine argumentation, die ich jetzt in eigenen worten versuchen will, auf´s wesentliche zu komprimieren:

bekanntlich geht die psychohistorie von der existenz von psychoklassen aus, deren mitglieder durch die art und weise des elterlichen / familiären umgangs mit ihnen in der kindheit (dazu gehört auch die pränatale phase) entsprechend zugeordnet werden. diese klassen sind nicht identisch mit soziologischen oder ökonomischen klassen (auch, wenn "erziehungsstile" durch entsprechende materielle umstände natürlich beeinflusst werden), sondern stellen sich sozusagen quer - liebevoller oder liebloser, verdinglichender umgang mit kindern lässt sich jeweils sowohl in (materieller) armut als auch im "reichtum" beobachten.

diese psychoklassen, die ihre mitglieder quasi durch die jeweilige individuelle neurologische konfiguration gewinnen, agieren nun im öffentlich-gesellschaftlichen leben als quasi-kollektive - ältere erziehungsstile mit ihrem gewaltvolleren umgang gegenüber kindlichen bedürfnissen produzieren angstbesetzte, in destruktiv-irrationalen emotionalen mustern verhedderte erwachsene, die davon determiniert nun in der öffentlichen arena zwanghaft all das abspalten, verfolgen und projizieren, was sie selbst als bedrohlich empfinden und sich eher für grundsätzlich reaktionäre politikkonzepte gewinnen lassen, weil diese sie nicht zwingen, sich mit ihren mustern auseinanderzusetzen, sondern eher ihre konflikte im aussen inszenieren und symbolhaft und praktisch stellvertretend ausagieren (ganz im diesem sinne war auch "der führer" primär ein delegierter, wie überhaupt als grundaussage über den verschiedensten autoritären herrschern der geschichte als motto stehen könnte: er bündelte die vorherrschenden psychophyischen pathologien am wirksamsten und gab ihnen am wirkungsvollsten ausdruck. bezgl. ronald reagan empfehle ich auch noch mal den zweiten teil
dieses beitrags.)

demgegenüber sind die mitglieder neuerer psychoklassen, bedingt durch weniger traumatisierende kindheiten, innerlich ein stückchen freier - (hier befindet sich ein wichtiger link zum thema des "freien willens") - und eher zur emotionalen rationalität fähig; deMause fügt als wichtigen punkt u.a. auch die fähigkeit zum qualitativen genuß an. diese psychoklassen sind es in der psychohis. lesart, die letztlich die träger jedes gesellschaftlich-zivilisatorischen fortschritts darstellen - ohne unbedingt in moralischer hinsicht jetzt "bessere menschen " zu sein.

aus der psychohistorischen lesart der geschichte ergibt sich nun bezgl. der vorherrschenden und "beliebtesten" kollektiven inszenierungen (die eigentliche aufgabe von regierungen! jedenfalls werden sie dafür von älteren psychoklassen gewählt) eine schnelle focussierung auf den begriff des opfers. und der stammt nicht zufällig ursprünglich aus dem religiösen bereich - die praxis von sach-, aber auch tier- und menschenopfern zur beruhigung der "götter", aber auch zur "reinwaschung" von empfundener schuld (mit eine der schlimmsten möglichen plagen von traumatisierten menschen!) ist ein uraltes und global verbreitetes, interkulturelles und interreligiöses phänomen.

opferung eines chistlichen kindes
<br />
nürnberg 1493
<br />
quelle: wikipedia

während deMause in seinem buch sehr schön die entsprechenden amerikanischen motive - wo die azteken historisch eine nachwirkende rolle gespielt haben - herausgearbeitet und illustriert hat, habe ich als bewussten kontrast die darstellung eines kindlichen opfers aus dem hiesigen christlichen mittelalter gewählt.

und im kern spielt der doppeldeutige begriff des opfers bei seiner analyse eine hauptrolle: reagan wurde gewählt (und auch geprüft) dafür, dass er die rolle des opfernden als delegierter einehmen sollte (und dazu das passende ökonomische system bereitstand, welches strukturell u.a. auf solchen kollektiven dispositionen aufbaut). und sowohl die von ihm angezettelte us-rezession der frühen 1980er jahre als auch sein militärisches banditentum lassen sich als materiell gewordene inszenierungen von opferungen begreifen. und in alter paranoider und traumatischer tradition waren diese opfer hauptsächlich, aber nicht nur, kinder (kinder und frauen in rezessionen, jugendliche männer in kriegen):

(...) "Man soll nicht denken, Sätze wie die von den »Opfern der Reaganomics« seien bloß metaphorisch zu nehmen. Ein wirksames Opfer verlangt einen wirklichen Menschenschlucker und echte Tote.

Es ist nicht einmal sehr schwer, die ungefähre Zahl der Tode anzugeben, die auf das Konto von Reagans Opferungszeit gehen. Der durchschnittliche Anstieg der Sterblichkeitsrate in Rezessionen wird sorgfältig statistisch aufgezeichnet und analysiert vom Gemeinsamen Wirtschaftsausschuss des Kongresses (Congressional Joint Economic Committee), insbesondere für Selbstmord, Mord, Herztode und andere, die mit der ökonomischen Lage in Verbindung gebracht werden können. Ausgedehnt bis zum jetzigen Zeitpunkt (1984) können demnach annähernd 150.000 zusätzliche Tode den Effekten der Reaganomics zugeschrieben werden.

Dazu kommen die Todesfälle, die man mit Reagans Haushaltskürzungen in Beziehungen setzen darf — die vor allem auf die Millionen von Frauen und Kindern zielten, die auf die Unterstützung durch die Regierungsprogramme angewiesen sind —, sowie die Tode, die durch Kürzung von Kinderernährungsprogrammen verursacht wurden, durch Kürzung der Hilfe für Familien mit mehreren Kindern in Schule oder Ausbildung, der Lebensmittelhilfe für schwangere Frauen mit niedrigem Einkommen, der staatlichen Schulspeiseprogramme, der Unterstützung für behinderte Kinder und Erwachsene usw. Die abrupte Kürzung solcher Hilfsprogramme läßt den Todeszoll für Reaganomics die Zahl von 150.000 weit übersteigen.

Schließlich umfaßt diese Zahl noch nicht einmal die weniger augenfälligen Opfer von Kürzungen wie der beim Umweltschutz, bei der Unterstützung von Wohlfahrtsorganisationen wie der UNICEF, den Wegfall der Krankenversicherung bei Millionen von Arbeitslosen, Tode in den unterentwickelten Ländern als Folge der Reagan-Rezession und eine Reihe ähnlicher todbringender Aktivitäten. (...)

»Cut«, runter mit drei Millionen Kindern von der Schulspeise. »Slash«, weg mit den Geldern für 340.000 Stellen der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. »Chop«, raus mit den behinderten Kindern aus der staatlichen Hilfe."(...)


und weiter aus dem buch zitiert (online leider nicht vorhanden):

(...) "So aber erschien im Winter 1981/82 Artikel auf Artikel über die steigende Kindersterblichkeit in sozialen Bereichen, die am härtesten von den Kürzungen und der Arbeitslosigkeit betroffen waren. Artikel über die Kinder auf den Armenlisten, mehr als eine Million waren hinzugekommen, über die sechs Millionen Kinder, die wegen der Arbeitslosigkeit ihrer Eltern die Krankenversicherung verloren hatten, über die halbe Million Kinder, denen die Krankenversorgung entzogen war durch die Schließung von 229 Gesundheitszentren (community health centers) seitens der Regierung und über die Hunderte von Kindern, die zu Tode geprügelt werden würden, weil Reagan fast alle Mittel für das sehr erfolgreich arbeitende Zentrum für mißhandelte und vernachlässigte Kinder gestrichen hatte - man kommt auf über zwanzig Millionen Kinder, die unnötig Schmerzen und Hunger leiden mußten oder sogar starben, aber kaum jemand war zu sehen, der um sie getrauert hätte.

Während jener kalten Winternächte saßen wir alle vor dem Fernseher und sahen, Abend für Abend, Szenen von Kindern, die im Schnee unter Brücken schliefen, weil ihre Eltern Arbeit und Wohnung verloren hatten und Bilder von Neugeborenen, die vor der Kamera aus Schwäche starben, weil der Regierung die Gelder "fehlten" zur weiteren Finanzierung der Zusatzdiät für mittellose schwangere Frauen und stillende Mütter. (...)

"Reagans Netz sozialer Sicherheit ist ein Mythos", kommentierte Bill Moyers im Fernsehen. "Menschen sterben infolge dieser Kürzungen". (...)

(s. 117/118)


opfer - mindestens geduldet, schlimmstenfalls gewollte.

*

wie gesagt: lesen Sie das ganze kapitel selbst und betrachten Sie sich vor allem die vielzahl an entsprechenden medialen motiven aus der zeit - das ist schon frappierend.

ansonsten kann zumindest ich die obigen kapitel nicht lesen, ohne sehr schnell an die hartz-IV-kinder hierzulande denken zu müssen - vielleicht nicht in solch drastischen formen wie oben für die usa beschrieben, so ist die kinderarmut vor dem hintergrund des geldhinterherwerfens an die bankster doch ebenso als geduldet, wenn nicht schlimmstenfalls als gewollte, zu verstehen - wäre das grundlegend anders, so würde die mehrzahl von uns anders handeln als bisher. manchmal habe ich schon den eindruck, dass die kollektiven uralten frühreligiösen überbleibsel in unseren psychophysischen strukturen gerade von sich selbst als "aufgeklärt" haltenden gerne unterschätzt werden.

nun hatte ich weiter oben schon die reibungslose übertragbarkeit des ansatzes von deMause bspw. nach d-land relativiert, und dazu kommen zwei weitere punkte, die ich schon in der rezension des Emotionalen Lebens... angemerkt hatte: einmal die bei ihm fehlende berücksichtigung von anderen, aber trotzdem massenwirsamen traumata (wie kriege und diktaturen), zum anderen die möglichkeit, dass die existenz generationenübergreifender tradierter traumatischer strukturen am ende per evolutionärer selektion etwas hervorbringt, was sich als psychophyische mutationen bezeichnen liesse: empathiegestörte und weitgehend gleichgültige, aber deswegen auch schmerzunempfindlichere, überlebensfähigere (in traumatischen sozialen bedingungen) menschen -> soziopathen .

und trotzdem kann der ansatz auch hierzulande zum erweiterten verständnis befruchtend sein, wenn nämlich einfach hinsichtlich der aktuellen politik von einer gewünschten ausgegangen wird, und zwar gerade deswegen, weil sie verheerende soziale konsequenzen nach sich zieht und ziehen wird. die dazu nötigen psychoklassen hatte neulich ausgerechnet
peer steinbrück explizit und beispielhaft benannt, nämlich in dem fall die generation der kriegskinder des wk2, die sich nach den psychohistorischen kriterien durchaus als klasse verstehen lassen. und mehrheitlich immer noch in ihren traumatischen lebensbezügen feststecken, diese teils schon weitergegeben haben (da weiss ich sehr gut, wovon ich rede...) und in ihrem zustand die öffentlichen diskurse mitbestimmen. es geht dabei nicht um mehr oder weniger sinnlose schuldzuweisungen, aber ich denke, wir brauchen dringend ein erweitertes verständnis gesellschaftlicher prozesse. und da sollten ansätze wie der hier skizzierte und eher "klassische", soziologische und ökonomiekritische nicht als widersprüchlich, sondern als ergänzend empfunden werden.

auch, wenn es uns dann vielleicht selbst in der erkenntnis, dass all die
kevins und jessicas und all die anderen bekannten und unbekannten kinder, die hier in den letzten jahren thema waren, in der doppelten wortbedeutung zu opfern wurden, vorkommen mag, als würden uns aus dem spiegel, in den wir schauen, monster zurück anstarren. vielleicht ist der schreck dann groß genug für konsequenzen.

Freitag, 23. Oktober 2009

notiz: schwarz-geld im kampf gegen "extremismus"

stück für stück wird in diesen tagen immer mehr von dem sichtbar, was demnächst in "gesetze" gegossen hierzulande als richtlinien für das gesellschaftliche leben seitens der von einer minderheit gewählten neuen regierung in ihrem sinne (und also im sinne der realen machthaber) gelten soll. auf dem gebiet der "inneren sicherheit" werden nun erstmals konkrete maßnahmen mit perspektive bekannt:

(...) "Union und FDP wollen künftig die Programme gegen rechts auch zur Bekämpfung von Linksextremismus und Islamismus nutzen. Das geht aus dem Entwurf des Koalitionsvertrags hervor, der der taz vorliegt.

Darin heißt es, dass "die Aufgabenfelder des Fonds für Opfer rechtsextremistischer Gewalt sowie des Bündnisses für Demokratie und Toleranz auf jede Form extremistischer Gewalt ausgeweitet werden". Die vom Bund geförderten Programme gegen Rechtsextremismus sollen zudem in Zukunft als "Extremismusbekämpfungsprogramme unter Berücksichtigung der Bekämpfung linksextremistischer und islamistischer Bestrebungen" fortgeführt werden. Aus dem Entwurfstext für den Bereich Justiz und Inneres geht hervor, dass Rechtsextremismus nicht mehr explizit genannt wird, sondern mit Extremismen jeder Art gleichgestellt wird." (...)


in einem
kommentar dazu, der aufgrund seiner deutlichen benennung der lage ausführliche zitierung verdient, wird dazu bemerkt:

"Erst kürzlich erhöhte die alte Bundesregierung die Zahl der Todesopfer rechter Gewalt seit 1990 offiziell um 5 auf 46. Nichtstaatliche Beobachter gehen von mehr als 130 Menschen aus, die in diesem Zeitraum von selbst ernannten Herrenmenschen verbrannt, erstochen oder zu Tode getreten wurden.

Jährlich verletzen rechte Schläger rund 1.000 Personen. Der Terror richtet sich zumeist gegen Schwächere ohne Lobby: Obdachlose, Punks, Schwarze oder andere Minderheiten. Werden Politiker oder Polizisten angegriffen, gibt es bisweilen größeres Aufsehen. Ansonsten gehören Hassverbrechen zur Normalität der Berliner Republik.

Seltsam: Denn in den vergangenen Monaten haben Ermittler ganze Waffendepots bei Neonazis ausgehoben, bei einem Funktionär der NPD-Jugendorganisation fanden sie Chemikalien, die denen der Sauerlandgruppe ähnlich sein sollen. Und in Berlin marschierten fast 1.000 Neonazis unter der Parole "Vom Widerstand zum nationalen Angriff" durch die Stadt, verlasen Namen und Adressen von Linken, skandierten dazu: "Wir kriegen euch alle!" Die Polizei schaute zu. Die NPD setzt derweil ihren systematischen Aufbau fort: Über mehr als 300 Kommunalmandate verfügt sie mittlerweile, in Teilen Ostdeutschlands wird sie als normale Partei wahrgenommen.

Dies ist auch ein Ergebnis der Gleichsetzung von links und rechts. In Sachsen werden die Konsequenzen daraus besonders deutlich: Erstmals gelang es einer offen neonazistischen Partei, in einen Landtag einzuziehen und fünf Jahre später diesen Erfolg zu wiederholen. Die Öffentlichkeit debattiert unterdessen, wie viel Substanz in den rassistischen Aussagen von Bundesbanker Sarrazin steckt; Unionspolitiker bedienen sich dumpfesten Populismus, indem sie das Thema "integrationsunwillige Ausländer" verantwortungslos überzeichnen.

Und nun soll das Treiben der Neonazis, geht es nach den Plänen der schwarz-gelben Koalition, offiziell erleichtert werden. Die Ausweitung der Aufgaben des Fonds für Opfer rechtsextremer Gewalt bedeutet, die Toten und Verletzten zu ignorieren." (...)


als "maßnahmen mit perspektive" bezeichne ich das deshalb, weil sich die sicht- und unsichtbaren "eliten" in diesem fall gleich mehrfach weitblickend instrumentell intelligent zeigen:
  • erstens lassen sich die organisierten faschisten auch als stille reservearmee für unruhigere zeiten begreifen, die alle möglichen oppositionellen kräfte binden und mittels (strassen-)terror wirkungsvoll einschüchtern kann. die verquickungen seitens des staatsapparates (über v-leute) mit dieser szene sind hinreichend belegt; ebenso der fehlende "verfolgungsdruck" - der einem repressionsapparat des bundesdeutschen kalibers bei einem echten willen ohne weiteres möglich wäre. und der bewegungsraum für diese gruppen wird durch die skizzierten veränderungen definitiv erweitert werden.
  • zweitens werden damit, ganz im sinne der "bürgerlichen" totalitarismustheorie, die mörderischen besonderheiten gerade des deutschen historischen und aktuellen faschismus relativiert, was ebenfalls vor dem hintergrund der krise manöver des teile-und-herrsche einfacher werden lässt, weil sich die elitären schichten eben nur aus jenem fundus bedienen können, der dafür real geeignet ist (rassismus etc.), in diesem land jedoch - mit abnehmender tendenz - aufgrund der historie nicht als opportun angesehen wird.
  • drittens werden, anschließend an die benannte relativierung, dadurch auch die reaktionären und/oder faschismusaffinen teile der bevölkerung ermuntert, sich entsprechend zu äussern und zu verhalten, was zu weiteren inneren spannungen führen kann, auf die sich dann der "unparteiliche staat" als wächter von ruhe und ordnung" bei weiteren verschärfungen der repressionsspirale berufen kann.
  • und viertens bestimmt bekanntlich im zweifelsfall der staatsapparat selbst, was als "linksextremistisch" zu gelten hat - und das könnten dann zukünftig bspw. eben auch gewerkschafterInnen sein, die zu politischen streiks aufrufen, demonstrierende schülerInnen oder auch eine sozialdemokratische partei wie "die linke", die sich mittels solcher bennenungen noch mehr unter druck setzen lässt, um sie auf den "rechten weg" zu bringen.
all das ist weder neu noch überraschend, aber die stumpfsinnigkeit, mit der das projekt "systemerhalt um jeden preis" durchgezogen wird (und die eben auch an solchen punkten sichtbar wird), ist dann doch erschütternd.

ganz passend dazu die (wahrscheinliche)
neue charaktermaske an der spitze des innenministeriums:

"Der bisherige Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) wird neuer Bundesinnenminister,..."

was hatte ich noch
im juli geschrieben?

"ich würde sagen, er bringt wirklich alle qualifikationen für einen schäublenachfolger mit..."

yo. und von so jemandem darf auch ein strammer kampf gegen den "extremismus" erwartet werden, müssen solche leute doch immer auch ihre eigenen extremistisch-antisozialen tendenzen im aussen projizieren und ausagieren.

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