Samstag, 13. November 2010

assoziation: "der kommende aufstand" - zum inhalt (1)

(hier geht´s zur einführung.)

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ich kann diese knapp
hundert seiten hier natürlich nicht von anfang bis ende kommentieren, sondern werde mir ein paar meiner meinung nach besonders interessante abschnitte heraussuchen. und es dürfte nicht zufällig sein, dass sich das unsichtbare komitee gleich zum beginn des eigentlichen textes im ersten kreis die - westlich geprägten - aktuellen formen der ICH-struktur vorknöpft. auf den seiten 15 bis 18:

»I AM WHAT I AM.« Das ist die letzte Opfergabe des Marketing an die Welt, das letzte Entwicklungsstadium der Werbung, und vor, weit vor all den Mahnungen, anders zu sein, man selbst zu sein, und Pepsi zu trinken. Jahrzehnte von Konzepten, um dort anzukommen, bei der reinen Tautologie. ICH = ICH. Er rennt auf einem Laufband vor dem Spiegel in seinem Fitnesscenter. Sie fährt am Steuer ihres Smart von der Arbeit nach Hause zurück. Werden sie sich treffen?

»ICH BIN WAS ICH BIN.« Mein Körper gehört mir. Ich bin Ich, Du bist Du und es geht schlecht. Die Personalisierung der Masse. Die Individualisierung aller Bedingungen – des Lebens, der Arbeit, des Unglücks. Diffuse Schizophrenie. Schleichende Depression. Atomisierung in feine paranoide Partikel. Hysterisierung des Kontakts. Je mehr ich Ich sein will, desto mehr habe ich das Gefühl einer Leere. Je mehr ich mich ausdrücke, desto mehr trockne ich aus. Je mehr ich hinter mir herlaufe, desto erschöpfter bin ich. Ich betreibe, du betreibst, wir betreiben unser Ich wie einen geschäftigen Schalter. Wir sind die Vertreter unserer selbst geworden – dieser seltsame Handel, die Garanten einer Personalisierung, die letzten Endes einer Amputation ähnelt. In mehr oder weniger versteckter Unbeholfenheit schaffen wir es zum Bankrott.

Bis es soweit ist, verwalte ich, kriege ich es hin. Die Suche nach sich selbst, mein Blog, meine Wohnung, der letzte angesagte Scheiß, die
Pärchengeschichten, die Affairen... was es an Prothesen braucht, um ein Ich
zusammenzuhalten! Wäre »die Gesellschaft« nicht zu dieser definitiven
Abstraktion geworden, würde sie die ganzen existentiellen Krücken
bezeichnen, die mir gereicht werden, damit ich mich weiterschleppen
kann, die ganzen Abhängigkeiten, die ich um den Preis meiner Identität
eingegangen bin. Der Behinderte ist das Vorbild der kommenden Bürgerlichkeit.

Es ist nicht ohne jede Vorahnung, dass die Vereine, die ihn ausbeuten, ein existenzsicherndes Grundeinkommen für ihn fordern."


es sind solche sätze wie dieser - "Je mehr ich mich ausdrücke, desto mehr trockne ich aus" -, die ich in der einführung gemeint habe (und die vermutlich bei den zitierten feuilletonisten zu geistigen zuckungen geführt haben). aber wie sieht´s nun mit dem zitierten befund aus? nicht zum erstenmal wird hier von links das attackiert, was unter dem begriff "identität" mehr oder weniger unser aller bürgerliche haut geworden ist:

"Die allgegenwärtige Anordnung, »jemand zu sein«, erhält den pathologischen Zustand, der diese Gesellschaft notwendig macht. Die
Anordnung, stark zu sein, erzeugt die Schwäche, durch die sie sich erhält,
so dass alles einen therapeutischen Aspekt zu bekommen scheint, sogar arbeiten, sogar lieben. All die »Wie geht‘s?«, die jeden Tag ausgetauscht
werden, lassen ans Fiebermessen denken, wodurch die einen den anderen die Patientengesellschaft aufzwingen. Gesellschaftlichkeit besteht heute aus tausend kleinen Nischen, aus tausend kleinen Unterschlüpfen, in denen man sich warm hält. Wo es immer besser ist als draußen in der großen Kälte. Wo alles falsch ist, weil alles nur ein Vorwand ist, um sich aufzuwärmen. Wo nichts entstehen kann, weil man dort taub wird beim gemeinsamen Schlottern. Diese Gesellschaft wird bald nur noch durch die Spannung zwischen allen sozialen Atomen in Richtung einer illusorischen Heilung zusammengehalten. Sie ist ein Werk, das seine Kraft aus einem gigantischen Staudamm von Tränen zieht, der ständig kurz vor dem Überlaufen ist.

»I AM WHAT I AM.« Niemals hatte eine Herrschaft ein unverdächtigeres
Motto gefunden. Das Erhalten des Ich in einem Zustand permanenten
Halb-Verfalls, chronischer Halb-Ohnmacht ist das bestgehütete
Geheimnis der aktuellen Ordnung der Dinge. Das schwache, deprimierte,
selbstkritische, virtuelle Ich ist im Wesentlichen dieses unendlich
anpassbare Subjekt, das von einer Produktion gefordert wird, die auf
Innovation beruht, auf dem beschleunigten Veralten der Technologien, dem stetigen Umbruch der sozialen Normen und der verallgemeinerten Flexibilität. Es ist gleichzeitig der gefräßigste Konsument und, paradoxerweise, das produktivste Ich, welches sich mit einem Maximum an Energie und Gier auf das kleinste Projekt stürzt, um später wieder in
seinen larvenartigen Originalzustand zurückzukehren.

»DAS, WAS ICH BIN«, ja und? Von Kindheit an durchdrungen von
Flüssen von Milch, Gerüchen, Geschichten, Klängen, Affektionen, Reimen,
Substanzen, Gesten, Ideen, Eindrücken, Blicken, Gesängen und Fressen. Was ich bin? Von allen Seiten gebunden an Orte, Leiden, Ahnen, Freunde, Liebschaften, Ereignisse, Sprachen, Erinnerungen, an Dinge aller Art, die mit aller Offenkundigkeit nicht Ich sind. Alles, was mich an die Welt bindet, alle Verbindungen, die mich ausmachen, alle Kräfte, die mir innewohnen, verstricken sich nicht zu einer Identität, die zur Schau zu stellen wir aufgefordert werden, sondern zu einer Existenz: einzigartig, gemeinschaftlich, lebendig, aus der stellenweise, im Moment, dieses Wesen aufsteigt, das »ich« sagt. Unser Gefühl der Inkonsistenz ist nur eine Auswirkung dieses dummen Glaubens an die Permanenz des Ich, und der wenigen Sorgfalt, die wir dem entgegenbringen, was uns ausmacht.

Es macht schwindelig, das »I AM WHAT I AM« von Reebok an einem
Wolkenkratzer von Schanghai thronen zu sehen. Das Abendland rückt
überall vor wie sein bevorzugtes trojanisches Pferd, diese tödliche Antinomie
zwischen dem Ich und der Welt, dem Individuum und der Gruppe, der Verbundenheit und der Freiheit. Die Freiheit ist nicht die Geste, uns von unseren Verbundenheiten loszulösen, sondern die praktische Fähigkeit, auf sie einzuwirken, sich in ihnen zu bewegen, sie zu erschaffen oder zu durchtrennen. Die Familie existiert nur für denjenigen als Familie, das heißt als Hölle, der darauf verzichtet hat, ihre Mechanismen zu verderben, die uns schwachsinnig machen, oder der nicht weiß wie. Die Freiheit sich loszureißen war schon immer das Gespenst der Freiheit. Wir entledigen uns nicht von dem, was uns fesselt, ohne gleichzeitig das zu verlieren, worauf sich unsere Kräfte ausüben könnten.

»I AM WHAT I AM«, also, keine bloße Lüge, keine bloße Werbekampagne,
sondern ein Feldzug, ein Kriegsschrei, gerichtet gegen alles, was es zwischen den Wesen gibt, gegen alles, was ununterscheidbar zirkuliert, alles, was sie unsichtbar miteinander verbindet, alles, was die perfekte Verwüstung hindert, gegen alles, was bewirkt, dass wir existieren und dass die Welt nicht überall wie eine Autobahn aussieht, wie ein Vergnügungspark oder eine Trabantenstadt: pure Langeweile, ohne Leidenschaft und wohl geordnet, leerer Raum, eiskalt, nur noch durchquert von registrierten Körpern, automobilen Molekülen und idealen Waren. Frankreich ist nicht das Vaterland der Anxiolytika, das Paradies der Antidepressiva und das Mekka der Neurose, ohne gleichzeitig Europameister der Stundenproduktivität zu sein. Die Krankheit, die Müdigkeit, die Depression können als individuelle Symptome dessen wahrgenommen werden, was geheilt werden muss. Sie arbeiten also am Erhalt der existierenden Ordnung, an meiner folgsamen Anpassung an dumme Normen, an der Modernisierung meiner Krücken. Sie umfassen die Selektion der opportunen, konformen und produktiven Neigungen in mir, von jenen, die brav zu betrauern sind. »Man muss sich verändern können, weißt du.« Werden sie aber als Fakten angenommen, können meine Störungen auch zur Zerschlagung der Hypothese des Ich führen.

Sie werden also zu Akten des Widerstandes im laufenden Krieg. Sie werden zur Rebellion und zum Energiezentrum gegen alles, was sich verschwört, uns zu normalisieren, uns zu amputieren. Es ist nicht das Ich, was bei uns in der Krise ist, sondern die Form, die man uns aufzuzwingen versucht. Es sollen wohl abgegrenzte, wohl getrennte Ichs aus uns gemacht werden, zuordenbar und zählbar nach Qualitäten, kurz: kontrollierbar; während wir Kreaturen unter Kreaturen sind, Einzigartigkeiten unter unseresgleichen, lebendiges Fleisch, welches das Gewebe der Welt bildet. Entgegen dem, was uns seit der Kindheit immer wieder erzählt wird, besteht Intelligenz nicht darin, sich anpassen zu können – oder wenn das eine Intelligenz ist, dann die der Sklaven.

Unsere Unfähigkeit zur Anpassung und unsere Müdigkeit sind keine
Probleme, außer aus der Sicht dessen, was uns unterwerfen will. Vielmehr
deuten sie auf einen Ausgangspunkt, einen Verbindungspunkt für neue Komplizenschaften. Sie eröffnen den Blick auf eine noch viel verfallenere, aber unendlich viel teilbarere Landschaft als all die Trugbilder, die diese Gesellschaft von sich selbst bereithält. Wir sind nicht deprimiert, wir streiken. Wer sich weigert, sich zu verwalten, für den ist die »Depression« kein Zustand, sondern ein Übergang, ein Auf-Wiedersehen, ein Schritt zur Seite hin zur Aufkündigung einer politischen Zugehörigkeit. Davon ausgehend gibt es keine andere Schlichtung als die medikamentöse und die polizeiliche. Genau deswegen scheut sich diese Gesellschaft nicht, ihren zu lebhaften Kindern Ritalin aufzuzwingen, zu jeder Gelegenheit Laufleinen pharmazeutischer Abhängigkeiten zu flechten, und vorzugeben, schon bei Dreijährigen »Verhaltensstörungen« festzustellen. Weil die Hypothese des Ich überall Risse bekommt."


ich bin bei diesem ersten kreis durchgängig zwiegespalten, wie eigentlich bei allen aussagen von "links", die ich in den letzten jahren zu themen wie subjekt, identität und individualität so wahrgenommen habe. und anlässlich einer entsprechenden kritik von robert kurz hatte ich dazu in der vergangenheit mal die folgenden sätze
grundsätzlich formuliert:

"ich betrachte das "subjekt" im kapitalismus immer als ein als-ob-subjekt, weil es sich von seinen dominierenden psychophysischen funktionsweisen her betrachtet eher um ein schwer beschädigtes subjekt handelt, welches diese beschädigungen - die sich vor allem im gesamten bereich der sozialen beziehungen manifestieren - kompensatorisch versucht, mittels verdinglichung/objektivierung seiner selbst und auch aller anderen, genauer gesagt alles lebendigen anderen, auszugleichen - es geht also um überlebensversuche, die bei einer postulierung des subjekts als "eigentlich überflüssig" an stärke und verzweiflung nur noch zunehmen werden. die sog. subjektform, die kurz als identisch mit der "kapitalistischen daseinsform" begreift, ist aus meiner perspektive eigentlich keine authentische subjektform mehr, besser gesagt, es ist ihre totale negierung: nämlich der soziopath (unabhängig davon, unter welchen namen diese extreme manifestation der kapitalistischen normen in körperlicher gestalt nun historisch bisher aufgetreten ist). hier haben wir den meiner meinung nach einzigen tatsächlichen fall, in dem das subjekt aufgrund psychophysischer prozesse tatsächlich zu einer art objekt im totalitären, d.h. allumfassenden sinne, und damit zur kapitalistischen daseinsform, geworden ist.

es bedarf zu einer tatsächlichen emanzipation bei den meisten menschen also eher des zurückdrängens der objektivistischen, konstruktivistischen und simulativen prozesse, was ich gleichbedeutend mit gesundung begreifen würde - und zwar nicht mit einer gesundung im sinne kapitalistischer verwertungs- und leistungsfähigkeit, wie hoffentlich klar sein sollte. wir brauchen gerade mehr authentische subjektivität und auch individualität, um zur authentischen kollektivität zu kommen!"


das unsichtbare komitee greift aus meiner sicht einiges vom obigen auf, wenn sie bspw. schreiben: "wir sind vertreter unserer selbst geworden" - "... was es an Prothesen braucht, um ein Ich
zusammenzuhalten! Wäre »die Gesellschaft« nicht zu dieser definitiven
Abstraktion geworden, würde sie die ganzen existentiellen Krücken
bezeichnen, die mir gereicht werden, damit ich mich weiterschleppen
kann, die ganzen Abhängigkeiten, die ich um den Preis meiner Identität
eingegangen bin."
wobei sie die wichtigsten und auch destruktivsten dieser krücken vergessen haben, nämlich die identitätsprothesen der konstrukte von "nation" und "gott".

auch der begriff "virtuelles ich", der im laufe des kapitels auftaucht, bringt das von mir oben gemeinte auf den punkt. ich halte eine krititk an den konstruierten bzw. simulierten (pseudo-)identitäten, wie sie sich im gefolge der bereits in der kindheit der allermeisten vollzogenen subjektzerstörenden gewalt einnisten, nicht nur für legitim, sondern für sehr notwendig. all die konsumierbaren und käuflichen identitätssurrogate, wie sie ständig durch den medienapparat und die unterhaltungsindustrie produziert und verworfen werden, sind in ihrem wesen vampiristisch, und das durchaus im buchstäblichen sinne, weil sie die lebenskraft und -energie zu vieler absorbieren. ich sehe allerdings auch hier das gleich problem wie schon damals bei robert kurz: es wird nicht genau bzw. gar nicht unterschieden zwischen authentischer und simulierter identität, und individualität zu oft mit vereinzelung verwechselt. gerade der begriff der individualität muss den klauen der werbe- und marketingabteilungen wieder entrissen werden, weil er - zu recht - positiv besetzt ist, aber das damit eigentlich gemeinte unter den bedingungen des totalitären kapitalismus zwangsläufig nur antagonistisch, d.h. als widerspruch und im widerstand, existieren kann. "der konsument" aka "der bürger" ist kein individualist - auch bzw. gerade dann nicht, wenn er viel kapital investiert (mode, autos, dreck), um sich das einbilden zu können - und lebt auch kein authentisches subjekt aus. er ist im normalfall ein vereinzeltes und vereinsamtes etwas, welches sich mit allerlei simulierten pseudoidentitäten über die runden seiner verplanten und verwalteten existenz schleppt. im schlimmsten fall noch mit einer art von makaberer begeisterung im angesicht der eigenen existenziellen amputation.

und möglicherweise ist das hier...

Von Kindheit an durchdrungen von Flüssen von Milch, Gerüchen, Geschichten, Klängen, Affektionen, Reimen, Substanzen, Gesten, Ideen, Eindrücken, Blicken, Gesängen und Fressen. Was ich bin? Von allen Seiten gebunden an Orte, Leiden, Ahnen, Freunde, Liebschaften, Ereignisse, Sprachen, Erinnerungen, an Dinge aller Art, die mit aller Offenkundigkeit nicht Ich sind. Alles, was mich an die Welt bindet, alle Verbindungen, die mich ausmachen, alle Kräfte, die mir innewohnen, verstricken sich nicht zu einer Identität, die zur Schau zu stellen wir aufgefordert werden, sondern zu einer Existenz: einzigartig, gemeinschaftlich, lebendig, aus der stellenweise, im Moment, dieses Wesen aufsteigt, das »ich« sagt. Unser Gefühl der Inkonsistenz ist nur eine Auswirkung dieses dummen Glaubens an die Permanenz des Ich, und der wenigen Sorgfalt, die wir dem entgegenbringen, was uns ausmacht.

... jenseits der schönen sprache ein beleg für nötige und überfällige definitionen: das, was da als "existenz" beschrieben wird, würde ich als authentische identität bezeichnen, die sich u.a. genau durch das eigene bewußt-sein über die beschiebenen unauslöschlichen beziehungen in der welt auszeichnet. ich finde es einen fehler, den begriff identität einfach dem gegner zu überlassen. ebenso wie individualität berschreibt er eigentlich etwas sehr positives, was innerhalb dieses systems zu einer negativen verzerrten karikatur des ursprünglichen geworden ist. aber begriffe lassen sich, wie oben gesagt, auch zurückerkämpfen.

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an mehreren stellen des kapitels werden ja diverse psychophysische störungen bzw. krankheiten angesprochen, und zwar in einem sinne, der mich sofort an die ferne gegenwart von linker psychiatriekritik, foucault und thesen des
sozialistischen patientenkollektivs erinnerte. mein auch hier zwiespältiges gefühl zu der, kurz auf den punkt gebrachten, definition von krankheiten bzw. analog begriffenen zuständen als quasi automatisch auch irgendwie widerständige, wenn auch unbewußte, "handlung", hatte ich vor jahren beim beginn des blogs mal so formuliert:

"eine besonders aus den linkeren teilen des politischen spektrums stammende sichtweise, die sich teils auch in der sog. antipsychiatrie manifestiert hat (...), hat sicher in bestimmten bereichen der psychiatriekritik notwendiges geleistet. aber mit der konstruktion eines bildes vom wahnsinnigen menschen als quasi heroischem outdrop, der mit seiner verrückten art ein mörderisches system ins leere laufen lässt, an die stelle berechtigt demontierter mythen letztlich nur neue gesetzt. und das könnte ein gewaltiges eigentor in der hinsicht gewesen sein, dass sich eine progressiv gemeinte linke psychiatriekritik damit unfreiwillig an der vernebelung äußerst bedrohlicher gesellschaftlicher entwicklungen beteiligt."

und wie damals auch schon gesagt: nichts gegen eine absolut nötige psychiatriekritik, aber eine depression kann durchaus viel mehr als ein schritt zur "aufkündigung der politischen zugehörigkeit" eben auch eine persönliche hölle erster klasse bedeuten, gar nicht so selten mit einem tödlichen ausgang. ich halte die entsprechenden interpretationen im aufstand keinesfalls für völlig falsch - natürlich existiert nicht nur ein zusammenhang zwischen individueller krankheit und kollektivem wahnsinn -, aber für unerfreulich verkürzend. ich sehe durchaus dispositionen und verhältnisse, in denen auch unter anderen gesellschaftlichen verhältnissen zumindest eine krankheit wie depression weiter vorkommen dürfte. und bis auf weiteres ist es einfach ein eiertanz zwischen der nötigen kritik der verhältnisse gerade bei psychophyischen störungen, und dem bewußtsein über ihre multidimensionale matrix im hintergrund. vielleicht das in bezug auf die aktuelle situation: in der heutigen lage ist es womöglich tatsächlich notwendig, die bedingtheit gerade von beziehungskrankheiten auf die ge- und beschädigte kollektive sozialität immer wieder herauszustellen, weil diese bedingtheit nun mal auf jeden fall vorhanden ist. nur sollte niemand dem irrtum verfallen, dass es diese störungen - wenn auch wahrscheinlich nicht in ihren heutigen ausprägungen und v.a. ihrer häufigkeit - unter qualitativ anderen sozialen verhältnissen gar nicht mehr geben würde.

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soviel für den moment zum ersten kreis. die folgenden in den nächsten wochen; je nach zeit, lust und laune.

assoziation: "der kommende aufstand" - ein (gedrucktes) gespenst geht um in europa

"Die Polizei hat die Kontrolle verloren. Das kann man nicht nur in Harlingen erleben, wo in der Nacht von Sonntag auf Montag die größte Schienenblockade in der Geschichte des Wendlands läuft. Eine Schlüsselszene spielt sich 11 Kilometer entfernt ab. Am Kreisverkehr westlich von Dannenberg, dort wo sich die zentralen Kreisstraßen 216 und 248 kreuzen, haben Bauern mit dutzenden Treckern eine schmale Passierstelle eingerichtet: Hier kontrollieren sie den Zugangsverkehr in die Region. „Klar darfst du durch", ruft ein Landwirt einem Autofahrer zu. "Nur keine Polizisten!"

(neulich im wendland)

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May 2010 Greek protests

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zwei orte in europa, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten - einmal die beschauliche ländliche provinz im östlichen niedersachsen; zum anderen die griechische hauptstadt athen. und zwei szenen, die sich jenseits aller unterschiede ideal zur illustration der thesen jenes textes eignen, der im folgenden thema sein soll. vorher aber noch das: die szene in athen fand in jenen tagen des vergangenen mai statt, in denen zehntausende rund um das griechische parlament strömten, in dem die sog. sparbeschlüsse verabschiedet wurden - tage, in sich denen griechenland tatsächlich vielleicht mehr noch als im winter 2008 am rande eines allgemeinen aufstands befand. diese dynamik wurde wie auf einen schlag mit dem
tod von drei bankangestellten unter durchaus diskussionswürdigen umständen beendet. aber genau diese geschichte kann auch exemplarisch für all das janusköpfige stehen, was mit dem begriff aufstand untrennbar assoziiert ist.

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der kommende aufstand also - hinter dem link verbirgt sich die druckreife pdf-fassung dieses textes (aus der ich im folgenden auch zitieren werde), der seit ein paar jahren erst versteckt, dann immer offener, in immer mehr ländern zum gegenstand aufgeregter mutmaßungen mutiert. zumindest im sinne der aufmerksamkeitsökonomie kann sich das "unsichtbare komitee", welches wahlweise als herausgeber und/oder autorInnenkollektiv betrachtet werden kann, bereits etliche punkte gutschreiben. ich weiß seit ein paar jahren von der existenz dieses textes, hauptsächlich aufgrund der furore, die er in frankreich ausgelöst hat (wo sich das buch durchaus als heimlicher bestseller bezeichnen lässt). geschrieben irgendwann in den jahren nach den unruhen in den banlieus 2005, bezieht sich der text zwar auch logischerweise auf spezielle ausprägungen der innerfranzösischen gesellschaftlichen verhältnisse, lässt sich aber durchaus ebenfalls als eine allgemeine situationsbeschreibung vieler gesellschaften des sog. westens lesen. und vor diesem hintergrund empfehle ich durchaus die lektüre. angemerkt werden sollte noch, dass zu dieser lektüre auch ein neueres vorwort gehört, welches 2009 geschrieben wurde und sich zentral auf die griechische dezemberrevolte 2008 bezieht. und dort wird meiner meinung nach deutlicher als in den vorherigen ausgaben, dass sich das "unsichtbare komitee" selbst als kommunistisch verortet - ein kommunismus allerdings, der sich historisch eher an der pariser commune als an die bolschewiki anlehnt.

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hierzulande gab es meines wissens die erste nennenswerte mediale reaktion im mainstream, nachdem der text 2009 tatsächlich in einem verlag erschien und seitdem wie ein ganz normales buch für knapp einen zehner in etlichen buchhandlungen zu erwerben ist (ein vorgang, der im kapitalismus zwar normal, aber gerade bei diesem text mit einem höchstmaß an absurdität verbunden ist). in der "taz" durfte ein mitarbeiter der grünen bundestagsfraktion einen eher unverblümten
verriß schreiben, mit einem - aus seiner sicht - nachvollziehbaren schwerpunkt:

(...) "Mit derartigen Grobschnitzereien bedient dieser Diskurs das grassierende Ressentiment gegen repräsentative Demokratien und ihre Institutionen." (...)

ist natürlich auch zu ärgerlich, wenn man sich als irgendwielinker unter dem dach der grünen partei in der "repräsentativen demokratie und ihren institutionen" häuslich und vor allem bequem eingerichtet hat - und dann kommen da irgendwelche anonymen chaoten aus frankreich und feuern genau gegen das eigene heim eine theoretische breitseite ab, die in gewisser weise massenwirksam zu werden droht. da heißt es dann, die eigene vergangenheit zu plündern, um diesem treiben systemtragende riegel vorzuschieben.

in den letzten wochen nun wurde der kommende aufstand aus gründen, die mir nicht ganz klar sind - stuttgart und gorleben mögen hier eine rolle spielen - auch zum thema besonders des konservativen und "liberalen" feuilletons. den interessantesten beitrag finde ich denjenigen von nils minkmar in der "faz", der unter dem titel
Seid faul und militant! unter anderem den wirkungsgrad des textes einzugrenzen versucht:

(...) "Doch das ist erst der Anfang: „Nie war das Gefühl eines unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruchs so lebhaft!“ So steht es in „Der kommende Aufstand“, einem französischen Buch, das dieser Tage abseits der Buchhandlungen und Bestsellerlisten stetig an Lesern und Relevanz gewinnt. Glenn Beck, der einflussreiche rechtsanarchistische amerikanische Fernsehprediger, hat schon vor Monaten eine ganze Sendung lang gegen das Werk monologisiert. An britischen und französischen Universitäten wird es als kanonischer Text studiert und besprochen.

Und wenn, wie in der vergangenen Woche in Berlin, nachts die Autos brennen, im Kanzleramt ein Sprengkörper griechischer Anarchisten gefunden wird und die S-Bahn aus ungeklärten Gründen ausfällt und sich in der Stadt das Gefühl einer nahenden Großstörung breitmacht, dann passt das dermaßen perfekt zu der in diesem Buch entwickelten Strategie, dass man an bloßen Zufall nicht mehr glauben mag." (...)


minkmar setzt sich als vielleicht einziger autor der ganzen rezensentenriege besonders am schluß seines besprechung auf eine ernstzunehmende art und weise mit den thesen des "aufstands" auseinander, und darauf werde ich später nochmals zurückkommen. ansonsten taucht in so ziemlich allen artikeln über kurz oder lang unweigerlich der name michel houellebecq auf, und vielleicht lässt sich hier auch eine art feuilletonistischer strategie bei der arbeit sehen, die darauf zielt, die explosivität einiger inhaltlicher thesen mittels der magischen beschwörung "und es sei und werde kunst!" zu entschärfen - deutlicher wird das in der
"neuen züricher":

(...) "Ich wollte mir das Bändchen eigentlich nur aus Neugier und aus Jux kaufen, davon überzeugt, dass sein verquaster Inhalt und sein schwerverdaulicher Jargon mich schmunzeln machen würden. Zumindest was letzteren Punkt betrifft, lag ich freilich völlig daneben. «L'insurrection qui vient» verzichtet weitgehend auf jede Phraseologie und ist in einem eiskalten, messerscharfen Stil verfasst. Das Bändchen liest sich wie ein früher Roman von Michel Houellebecq, nur ist es viel besser geschrieben (was zugegebenermassen mit einem Mindestmass an Begabung nicht sehr schwer ist)." (...)

gerade die letzten sätze lassen sich als schönes beispiel für das obligatorische bürgerliche kulturgeschwätz ansehen, und an houellebecq ist in diesem zusammenhang anscheinend wirklich kein vorbeikommen, wie auch die
"süddeutsche" findet:

(...) "Das Besondere an dem Buch ist dessen glänzender Stil. Der Text kommt ohne das sonstige phraseologische Sperrholz linker Pamphlete aus, die Autoren schreiben mit situationistischem Schwung und gleichzeitig düsterrevolutionärem Zorn eine "Ästhetik des Widerstands" für das neue Jahrtausend. Der erste Teil ist in sieben "Kreise" unterteilt, ein Verweis auf Dantes Inferno. In der Hölle unserer Tage ist der Mensch eine kleine, überflüssige Konsum-Monade, der als Lebenssinn nur das kalte Neonlicht der Warenwelt bleibt. Das System ist überall, fast wie Gas ist es noch in die letzten Ritzen des Privatlebens gedrungen. Aber gerade weil es unbesiegbar und übermächtig ist, muss man jetzt dagegen aufbegehren.

Während die meisten Europäer seit zwei Jahren angststarr auf die vielköpfige Hydra der Krise blicken und darauf hoffen, dass alles noch mal gutgehen möge, wird hier mit heiterster Miene davon ausgegangen, dass die Katastrophe des Zusammenbruchs längst begonnen hat. (...)

Kurzum: Die ersten 60 Seiten sind eine Gegenwartsanalyse, so beißend wie poetisch, geschult an Guy Debord, Antonio Negri, Giorgio Agamben, und oft meint man Michel Houellebecqs Stimme durchzuhören, wenn da genüsslich die Kälte und Vereinsamung der Leistungsgesellschaft beschrieben wird." (...)


naja. jenseits von houellebecq, von dem ich besonders seine "ausweitung der kampfzone" schätze, sind mir beim ersten lesen vor allem folgende dinge aufgefallen: erstens setzt der text durchaus einiges voraus; zweitens eignet er sich nicht nur deswegen - ohne das jetzt abwertend zu meinen - nicht unbedingt dafür, mal eben schnell die pause auf der nächsten baustelle abzupassen und dort den arbeitern eine alternative zum totschläger mit den vier buchstaben in die hand zu geben; und drittens enthält er tatsächlich eine fülle von metaphern und sätzen, die geeignet sind, dinge und verhältnisse auf den punkt zu bringen oder sie zumindest kenntlich werden zu lassen. viertens aber sind jenseits aller formulierungskünste dann doch die inhaltlichen aussagen bei so einem text immer noch das wichtigste, und einige dieser aussagen sollen im nächsten beitrag genauer unter die lupe genommen werden. wobei ich einerseits besonders aus meiner heutigen perspektive (d.h. dieses blogs) schauen werde, zum anderen aber auch meine eigene vergangenheit eine rolle spielt - etliche jahre in der autonomen linken haben mich auch etliche sog. militanzdebatten miterleben lassen, ebenso wie direkte erlebnisse der existenz, folgen und wirkungen von (massen-)militanz - im guten wie im schlechten.

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und unabhängig von meinen eigenen inhaltlichen wertungen noch dieses: falls Sie dieses jahr wieder mal nicht wissen, ob und was Sie weihnachten verschenken sollen, ist das ein guter tipp. ausgedruckt, hübsch gebunden und mit wahlweise kunstvoller schleife oder aber an einem pflasterstein angebunden, eignet sich der kommende aufstand als stilvolles und zeitgemäßes präsent unter jedem baum. und statt der obligatorischen lieder lässt sich damit eine inspirierende leserunde im kreise der liebsten veranstalten. und auch auf jeder firmenweihnachtsfeier ist ein großes hallo! garantiert.

Donnerstag, 11. November 2010

notiz: die lüge von der "sauberen atomkraft" - kurze nachbemerkungen zum castortransport

anläßlich solcher und ähnlicher dispute an anderen stellen scheint es nötig, bezgl. der angeblich "sauberen" nutzung der angeblich "zivilen" atomenergie wieder mal ein paar elementare tatsachen in erinnerung zu rufen.

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den schwerpunkt lege ich dabei bewußt auf einen zumindest hierzulande fast regelmässig "vergessenen" bzw. ignorierten aspekt, nämlich die gewinnung des brennstoffs uran. nicht nur der laufende betrieb - symbolisiert in namen wie harrisburg und tschernobyl, symbolisiert auch in den aberhunderten "kleinen" und größeren störfällen alleine in den akw hierzulande, und ebenfalls symbolisiert in den dauerdesastern von
sellafield und la hague...



... und auch nicht nur die fehlende - und zwangsläufig fehlende, weil schlicht auf zeiträume von zehntausenden von jahren bezogen sein müssende - "sichere endlagerung" machen diese technologie zu einem der schwerpunktskandale der industrialisierten "zivilisation", sondern es geht vor (störanfälligem) betrieb und (simulierter) müllbeseitigung bereits von beginn an hoch destruktiv zur sache.

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beispiel niger:

"Weltweit leiden Zigtausende Menschen unter den Folgen des Uranabbaus. In Deutschland weiß das kaum jemand. Hier streiten viele nur über Verlängerung von Laufzeiten für Atomkraftwerke, Atommüll und Brennelementsteuer. (...)

Uran ist hoch toxisch, radioaktiv und hat eine Halbwertszeit von bis zu 4,5 Milliarden Jahren. Zum Vergleich: Die Erde wird etwa auf dasselbe Alter geschätzt. Die natürlichen Uranvorkommen in den Tiefen der Erdkruste stellen in ihrer geringen Konzentration keine Gefahr für Mensch und Umwelt dar, anders ist das jedoch beim abgebauten und durch Weiterverarbeitung hoch konzentrierten Uran. (...)

"Die Konzerne geben keine Daten raus. Wir wissen nichts über die Belastung. Greenpeace jedoch hat neulich im Niger eine Untersuchung gemacht und fest gestellt, dass ein vielfaches der Strahlenbelastung vorhanden ist, gegenüber dem, was die Konzerne sagen."

Der Präsident der kanadischen Vereinigung für nukleare Verantwortung, Gordon Edwards, weist darauf hin, dass sich die abbauenden Firmen überhaupt nur für einen ganz geringen Teil des radioaktiven Materials interessieren. Dafür aber in riesigen Minen in der Erde herumstochern.

"Die Firmen wollen beim Abbau nur an das Uran, das aber nur 15 Prozent der Radioaktivität ausmacht. Und lassen 85 Prozent des radioaktiven Materials vor Ort zurück. Für sie ist das nutzlos, aber dieser Rest ist sehr giftig." (...)


und zwar nicht nur für die zwangsläufig direkt betroffenen arbeiter in den minen, sondern auch für und in den umliegenden landschaften incl. der dort wohnenden menschen.
weiteres aus dem niger...

(...) "2003 reiste der französische Nuklearwissenschaftler Bruno Chareyron vom Strahlenforschungslabor CRIIRAD mit einem Team in den Niger, um die radioaktive Belastung zu messen, der die Bevölkerung ausgesetzt ist. Über die Ergebnisse berichtete Chareyron 2007 auf einem Kongress in Stockholm: Fast alle Unterkünfte in den Slums ließen den Geigerzähler laut werden, beim Trinkwasser maßen die Aktivisten Belastungen bis zum 110-fachen des von der Weltgesundheitsorganisation WHO festgesetzten Grenzwerts.

Das Team fand heraus, dass die Firma jahrelang verstrahltes Altmetall abgegeben hatte, das dann auf den Märkten angeboten und für den Bau von Hütten verwendet wurde. Ein Rohr, das offensichtlich aus der Erzaufbereitungsanlage stammte, wies eine Belastung von 200000 Becquerel pro Kilogramm auf. Einige der Befragten erzählten, dass sie strahlenden Schrott als Bonus erhalten hatten; manche hatten aus dem verseuchten Metall sogar Kochtöpfe gefertigt. Über die gesundheitlichen Gefahren waren die Arbeiter nie informiert worden. In einer Hütte fand das Team ein Stück radioaktives Erz, das der Bewohner als Souvenir aufbe-wahrte; die gemessene Dosisleistung betrug ein Millisievert pro Stunde. "Wenn der Mann sich nur wenige Minuten am Tag in einem Meter Entfernung zu dem Brocken aufhält, hat er die erlaubte Strahlendosis bereits weit überschritten," erläutert Chareyron. (...)


... sowie den usa (gleicher link):

(...) "Phil Harrison kennt alle betroffenen Familien. Er hat das "Komitee für die Opfer der Uranstrahlung" gegründet; er sorgt dafür, dass die Wiedergutmachungen aus Washington, die in zähen Gerichtsverfahren erkämpft wurden, auch zu den Betroffenen gelangen. Sein Büro ist in Shiprock, nahe den "Four Corners", jener Stelle, an der die vier Staaten Utah, Colorado, New Mexico und Arizona aneinandergrenzen. Seine Arbeit geht ihm "unter die Haut"; er hat sofort Tränen in seinen Augen, wenn er über die Opfer spricht. Seit Jahren sieht er sich Kranken gegenüber, die von Leukämie, Haut- und Lungenkrebs gezeichnet sind; in vielen Familien wurden geistig Behinderte geboren. In allen Wohnungen stehen die Fotos der Verstorbenen und erinnern an die ahnungslose Zeit, als alle den Uran-Boom willkommen hießen. Doch seither heißt das Uranoxid in der Sprache der
Diné "Leetso" - das gelbe Monster." (...)


und in australien ist es die regenbogenschlange:

(...) "Die gestörte Ruhe des Urans war für die Ureinwohner der Beginn des Unheils. Denn tief in der Erde wohnt nach ihrer Überlieferung die Regenbogenschlange. Sie verkörpert die Erzadern: Wer die Schlange stört, entfesselt verheerende Kräfte. Alle Bodenschätze haben in der Kosmologie der Aborigines eine Tiergestalt. "Die Bodenschätze sind Organe des Planeten", sagt Rebecca Wingfield-Bear, eine Aktivistin vom Stamm der Kokatha Mula; "verletzte Organe lassen die Erde krank werden. Alle Konturen des Landes stammen aus der Traumzeit und sind heilig; sie geben den Lebewesen Raum und Identität." (...)

von welchen dimensionen wir hier reden, wird ebenfalls am beispiel
australien ganz gut deutlich:

(...) "Die ökologischen Folgen für die Umwelt sind enorm. Denn der Abbau von Uranerz ist nicht weniger gefährlich als die Kernkraftwerke selbst. Da der Urangehalt im Erz nur sehr gering ist, müssen große Mengen gefördert werden. So entstehen für eine Tonne Uran bis zu 40.000 Tonnen Abraum, der noch 85 Prozent der Radioaktivität enthalten kann. Diese todbringende Hinterlassenschaft türmt sich in riesigen Halden in der Landschaft auf und verseucht sie für eine lange Zeit. Durch die Überschwemmungen in der Region während der Regenzeit gelangt der radioaktive Abfall in die weitverzweigten Gewässersysteme. Eine dauerhafte und sichere Lagerung des Abraums ist kaum möglich, schließlich würde er noch mindestens 200.000 Jahre giftige Strahlung abgeben." (...)

und so weiter und so fort - die berichte gleichen sich aus allen zonen, in denen uran abgebaut wird. ähnlich wie bei der fiktionalen "endlagerung" lässt sich hier das in der realität umgesetzte (un-)heimliche motto der beteiligten konzerne und staalichen institutionen deutlich wahrnehmen: "nach uns die sintflut!"

und wer im jahre 2010 trotz aller bekannten fakten immer noch das lied der ach so "sauberen" atomkraft singt, macht sich, ob gewollt oder nicht, selbst zu einem nützlichen idioten der herrschenden soziopathie.

*

kurz noch direkt zum gerade gelaufenen castortransport: ziemlich interessant finde ich die sich verdichtenden indizien für eine aktive (!) beteiligung nicht nur
französischer bereitschaftspolizei...

(...) "Weder die Bundespolizei noch die für den Castor-Einsatz zuständige Polizei Lüneburg wollten die Fotos am Mittwoch kommentieren. Ein Sprecher der Bundespolizei bestätigte gegenüber der taz, dass französische Polizisten in Deutschland am Einsatz beteiligt waren, aber nur "als Beobachter". Dagegen wies das Bundesinnenministerium diese Darstellung zunächst zurück. "Wir haben keine französischen Beamten angefordert, also waren in Deutschland auch keine französischen Polizisten im Einsatz", erklärte ein Sprecher. Die Bilder seien kein Beweis. Später relativierte er die Aussage und erklärte, ihm sei von einem solchen Einsatz nichts bekannt." (...)

... sowie auch hinweise auf
kroatische und polnische polizisten:

(...) "Außerdem will Ströbele Hinweise darauf haben, dass auch polnische und kroatische Polizisten sowie Bundeswehrangehörige an dem Einsatz beteiligt gewesen seien." (...)

es gab tatsächlich während der blockadetage hinweise in den tickern, nach denen beamte in unbekannten uniformen mit dem wort "Policija" auf dem rücken gesichtet worden seien. hingegen war bezgl. der bundeswehr bereits von beginn an klar, dass die polizei logistisch durchaus auf armeeunterstützung hinsichtlich unterkunft und verpflegung zurückgreifen wird. mir ist nicht klar, wie weit ströbele hier auf weitere arten der militärischen beteiligung verweisen will. "skandalös" - wenn man dieses unzutreffende wort überhaupt noch verwenden will, weil der normale alltagszustand in all seinen aspekten zu einem einzigen riesenskandal geworden ist, wie es nicht nur hierzulande seit langem der fall ist, macht das wort keinen wirklichen sinn mehr -; als skandalös also würde ich nicht die beteiligung anderer polizeitruppen aus europa betrachten - das ist im zuge der weiteren destabiliserung des systems zukünftig immer öfter zu erwarten. aber bezeichnend ist das ungenierte plattmachen all jener sonst immer als heiliger fetisch hochgehaltenen rechtsvorschriften, gesetze etc. von seiten derjenigen, die diesen fetisch erst erzeugen und unten auch mit aller gewalt durchsetzen - die macht zeigt inzwischen unverblümt ihre eigentliche fratze.

abschließend sei auch noch auf den verdacht hingewiesen, dass beim diesjährigen castor das erstemal in nennenswertem umfang
polizeidrohnen zur quasi militärischen aufklärung benutzt wurden:

(...) "auf Radio freies Wendland, einem Ticker und aus Quellen der Polizei wurde bekannt, dass offensichtlich im Wendland sogenannte Drohnen zur Aufklärung und Überwachung des Widerstandes genutzt wurden und werden." (...)

das wird seltsamerweise kaum irgendwo thematisiert, obwohl es bereits vor monaten entsprechende
ankündigungen gab:

(...) "Auch Niedersachsen plant einen Versuch mit einem "Quadrocopter". Dem Vernehmen nach ist daran gedacht, die Castor-Transporte und die Demonstrationen im Umfeld zu beobachten. Für die Polizei ergeben sich dieselben Erkenntnisse, die sie bei Demonstrationen auch aus dem Hubschrauber gewinnen kann, allerdings fallen die Kosten je Flugstunde deutlich günstiger aus." (...)

wobei verschwiegen wird, was sich mit drohnen alles so anstellen lässt im gegensatz zu großen, lärmenden und sichtbaren hubschraubern. mehr zu drohnen
hier.

Freitag, 5. November 2010

dokumentation "ich bin ein psychopath" jetzt online zu sehen

im letzten jahr veranstaltete arte einen themenabend psychopathie, und in diesem rahmen wurde dann auch die dokumentation des regisseurs ian walker gesendet - jetzt ist sie auf yt verfügbar:



zu den weiteren teilen:
zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, und die neun.

*

aus dem eingangs verlinkten damaligen beitrag übernehme ich mal meine persönliche rezension dieses films:

"der film von ian walker hat zumindest für mich im großen und ganzen das gehalten, was die ankündigung versprochen hat - die rücksichtlosigkeit (die in solchen fällen gerne mit "aufrichtigkeit" verwechselt wird) und dreistigkeit des sam vaknin wurde an vielen entscheidenden punkten aufschlußreich eingefangen; ebenfalls die elementare lieblosigkeit, mit der vaknin die sog. "beziehung" führt - seine charakterisierung der frau als u.a. "weißes blatt papier" (welches er dann beschreibt), macht seine selbst- und fremdwahrnehmung bzw. besser die defekte in dieser mehr als deutlich. interessant auch seine anfängliche selbststilisierung als narzisst (mit der er im übrigen durch sein buch noch geld verdient), die erst im laufe der im film dokumentierten psychiatrisch-neurologischen untersuchungen widerlegt wird - er ist tatsächlich ein klinischer soziopath, was die erste begutachtende psychologin und v.a. der psychoanalytiker an der zweiten station nicht bestätigen wollten, was vermutlich größtenteils mit an den denk- und diagnosemodellen liegt, die beide angewendet haben. walker hat aber primär durch den einsatz seiner versteckten kamera auch deutlich gemacht, dass eigentlich erst der alltägliche umgang mit soziopathen die ganze destruktive wirkung solcher leute deutlich macht; und dementsprechend überhaupt erst dann der entsprechende diagnostische verdacht aufkommen kann. neu war für mich immerhin die relative sicherheit bei der diagnosestellung, die sich durch den kombinierten einsatz von hirnscans und testverfahren wie dem von robert hare ergibt - das (anscheinend) sehr selbstsichere auftreten, der durchaus vorhandene (wenn auch meist verletzende) witz in kombination mit der als-ob-aufrichtigkeit und der rätselhaften wirkung des soziopathischen "charmes" machen es tatsächlich sehr schwer, hinter dieser maske die extrem kranke und krankmachende persönlichkeitsstruktur zu erkennen. da dürfte dann viel von dem gelten, was im ersten teil des (...) blogbeitrags zu als-ob-persönlichkeiten an zitaten von j.e. mertz zu der von ihm so genannten "psychoallergischen reaktion" zu lesen ist - die zeichen der eigenen wahrnehmung im umgang mit soziopathen bleiben meist so subtil, dass sich das "normale" gegenüber dann eher in irritationen und ausufernder selbstreflexion verliert, was dann für den soziopathen bei seinem treiben erleichternd wirkt.

beklemmend das verzweifelte klammern der ehefrau an ihrem konstruierten bild des "geliebten", welches auch durch die bestätigte diagnose nicht gestoppt werden kann. noch beklemmender aber die darstellung dessen, wie soziopathen anhand körperlicher bewegungsmuster opferpersönlichkeiten identifizieren können.

die bezüge zum öffentlichen leben, v.a. der rolle von soziopathen in der ökonomie, waren zwar vorhanden, wurden aber meiner meinung nach zu beiläufig abgehandelt. dabei ist einer entscheidenden frage nach dem sehen dieser doku eigentlich überhaupt nicht mehr auszuweichen: wie viele solcher leute sind in führungspositionen in politik, wirtschaft und militär unterwegs? wenn man sich das treiben in diesen bereichen so betrachtet, kann die antwort nur niederschmetternd sein.

und auch zu einer alten streitfrage hier im blog möchte ich noch was sagen: oberflächlich weist vaknin sicher zunächst überhaupt keine züge auf, die irgendwie als autistisch verstanden werden könnten. wenn man als zentrales und definitorisches merkmal von autismus jedoch weitgehende bis totale störungen der beziehungsfähigkeiten ansieht, ist er in meiner wahrnehmung ein gutes beispiel für strukturellen und simulationsfähigen autismus, wie er eben von mertz beschrieben wird. (...)

Dienstag, 26. Oktober 2010

notiz: krisennews spezial - frankreich, weitere updates und unterstützungsaufrufe

um den vorherigen beitrag zum thema nicht zu unübersichtlich werden zu lassen, jetzt eine fortsetzung - und ich zitiere zum einstieg einen satz, dessen inhalt ich nach wie vor für sehr treffend halte:

"und klar sollte auch sein, dass es sich hier um eine echte kraftprobe mit signalwirkung für ganz europa handelt"

in diesem sinne also - los geht´s:

zuerst ein ganz wichtiger punkt - wie vielleicht bekannt, gibt es für streikende in frankreich seitens der diversen gewerkschaften kein oder nur ein geringes streikgeld, was dann eben mittelfristig zu massiven existenziellen problemen führen kann, wenn sich eine situation wie die aktuelle entwickelt hat, in der es dringend notwendig erscheint, den druck durch die verschiedenen streiks aufrechtzuerhalten und noch auszuweiten. deshalb hat das labournet inzwischen verschiedene aufrufe aus frankreich übersetzt und veröffentlicht, in denen es um die
materielle solidarität geht:

(...) "Jeden Tag wird die Zahl der Lohnabhängigen und Bürger_innen in vielen großen, mittleren und kleinen Städten Frankreichs größer, die sich zum Widerstand gegen die Regierungspolitik entscheiden: Lehrer_innen, Schüler_innen, Studierende, Lkw-Fahrer_innen sowie Beschäftigte der SNCF, der Flughäfen, der Raffinerien und Häfen. Es wird möglich, das Wirtschaftssystem des gesamten Landes lahm zu legen.

Hier spielt Geld eine strategische Rolle. Es ist notwendig, den Streikenden zu helfen, damit sie durchhalten können, um diese ungerechte und niederträchtige Reform zu bekämpfen. Wer nicht streiken kann, hat die Möglichkeit, durch finanzielle Unterstutzung Solidarität zu zeigen, selbst mit bescheidenen Beiträgen. Bereits gibt es zahlreiche Initiativen dieser Art, sie sollen aber weiter ausgeweitet werden.

Wir rufen alle dazu auf, die in der Streikbewegung involvierten Gewerkschaften mit Spenden zu unterstützen." (...)


es gibt in den beiträgen drüben links und daten, die wege für spenden aufzeigen.

*

aber nicht nur auf dieser ebene lassen sich die aktionen unterstützen - ich übernehme, allerdings ungeprüft, auszugsweise ein posting bei
indymedia, welches sich hinsichtlich der beschriebenen situation durchaus plausibel anhört:

"Die Raffinierie-Arbeiter/innen aus Frankreich brauchen dringend
internationale Solidarität. Der sehr wirksame Raffinerie-Steik wird
ausgehölt durch vermehrte Treibstoff-Importe aus Nord-Europa (auch
Deutschland), was man nur als internationalen Streikbruch bezeichnen kann
(auch wenn die betroffenen LKW-Fahrer und Seeleute sich dessen meist nicht
bewusst sind).

Angeblich sind belgische Genoss/innen bereit die belgisch-französische
Grenze dicht zu machen, aber sie warten erst auf grünes Licht aus Paris. Das
Problem ist, dass die Gewerkschaftszentralen in Paris gegen den Streik sind
(ausser FO und Solidaires). Die Basis ist jedoch in grossem Masse für den
Streik. Deshalb ist es unsinnig, auf Zustimmung der Gewerkschaften aus Paris
zu hoffen.

Es wäre ausserordentlich nützlich, wenn Ihr in Deutschland in diese Richtung
hin agitieren könntet. Selbst sehr symbolische Blockade-Aktionen vor
deutschen Treibstoff-Lagern, Raffinerien oder in deutschen Häfen wären sehr willkommen."


*

zur aktuellen situation ansonsten hier ein
aufruf aus rennes, unterschrieben von teilnehmenden an einer vollversammlung von studentInnen, erwerbslosen und (streikenden) lohnarbeiterInnen. und ein weiterer bericht von bernard schmid, der sich mit den folgenden punkten beschäftigt: die staatlich angeordneten "dienstverpflichtungen" zwecks streikbruchs, den tendenzen bei den verschiedenen gewerkschaften sowie der an verschiedenen orten zu beobachtenden faschistischen gegenmobilisierung , die besonders gegen die teilnehmenden migrantischen jugendlichen aus den banlieus zielt. dabei wird einmal mehr sehr gut deutlich, welche funktionen faschistische straßenschlägertrupps in krisenhaften entwicklungen schon immer hatten, wem sie nutzen und wer sie nutzt - geschichte wiederholt sich zumindest partiell dann doch.

*

zum schluß noch unkommentiert der hinweis auf eine weitere - und bislang noch nirgends wirklich ausprobierte - aktionsform, zu der sich zumindest in frankreich bisher an die zehntausend menschen mit ihrer unterschrift bekennen: am 7. dezember sollen von zehntausenden überall in frankreich, nach möglichkeit aber auch an vielen anderen stellen in europa, die eigenen konten und sparbücher bei den banken abgeräumt und aufgelöst werden -
stopbanque ...

"...ist ein Aufruf zum Europaweiten massiven Abzug aller Gelder von Banken und der Schliessung von Sparkonten.

Die Aktion Stopbanque hat in Frankreich bisher 10’100 Teilnehmer, und erwartet weitere 57’000.

Das ist die erste spontane Bürgerinitiative, um sich vor medialer und politischer Korruption zu schützen und uns aus der Sklaverei, die uns vom Grosskapital auferlegt wurde, zu befreien.

Unsere Aktion ist legal, friedlich, säkular, nicht politisch und nicht gewerkschaftlich organisiert.

Wir tun dies da Demonstrationen offensichtlich nichts mehr nützen, da die Elite uns nicht zuhört und die reale Macht sowieso in den Händen Internationaler Banken und Konzerne liegt." (...)


mehr dazu in den nächsten tagen.

Montag, 25. Oktober 2010

notiz: bildungsfernsehen

und zwar im besten und eigentlichen sinn:

"Ferienjob mal anders: Die Doku-Soap "Blut, Schweiß und Fastfood" begleitet sechs wohlstandsverwöhnte junge Briten, die als Wanderarbeiter nach Südostasien gehen. Saus und Braus weichen dort erschreckenden Verhältnissen - und die Kids lernen, dass ihr billiges Convenience Food hart erarbeitet wird." (...)

ist eine möglichkeit, die noch zu wenig genutzt wird, die ich aber aufgrund der möglichen lern- und aha-effekte ziemlich hoch einschätze. und nicht nur für schülerInnen bzw. studentInnen - auch der bildungsurlaub könnte hier neue wege gehen: kohlekumpel verdingen sich ein paar wochen mal in südamerikanischen oder afrikanischen minen; hiesige textilarbeiterinnen in den mittelamerikanischen sweatshops. den möglichkeiten sind (theoretisch) keine grenzen gesetzt. das wäre mal was, wo sich die hiesigen gewerkschaften sinnvoll betätigen könnten, zumal deren streikkassen eh fast niemals in anspruch genommen werden...

ps: im angesicht der verkündeten "sparmaßnahmen" in großbritannien wie auch überall anders in europa könnte es allerdings passieren, dass für solche erfahrungen zukünftig keine weiten reisen mehr nötig sind.

Montag, 18. Oktober 2010

notiz: krisennews spezial - die lage in frankreich eskaliert [3. update, 24.10.]

ergänzung und fortsetzung zu den anmerkungen über die vielen widerstandsformen und brennpunkte im europäischen herbst, und gleichzeitig auch wegen der zumindest bis zur stunde auffällig, aber sicher nicht zufällig deckelnden berichterstattung ein weiteres spezial mit nur einem thema.

*

womöglich sehen wir in diesen tagen nach allerhand vorgeplänkeln in frankreich die erste ernsthafte und immer grundsätzlicher werdende auseinandersetzung zwischen einem kapitalistischen regime und großen teilen der bevölkerung in der krise, und das auch noch in einem westlichen kernstaat. was sich letzte woche schon andeutete und eigentlich erst morgen in vollem ausmaß sichtbar werden sollte (mehr oder weniger ein faktischer generalstreik, der da laufen soll), ist bereits heute flächendeckend
eskaliert- ein überblick zu den brennpunkten, und zwar nur das, was überhaupt den mainstream erreicht:

(...) "Nach fast einwöchigen Dauerprotesten gegen die Rentenreform wird in Frankreich der Sprit knapp. Etwa 1500 Tankstellen können wegen blockierter Raffinerien und Treibstoffdepots kein Benzin und Diesel mehr verkaufen. (...) Die Regierung setzte einen Krisenstab ein, um die Energieversorgung des Landes zu sichern. In zwei Departements riefen die Behörden Autofahrer dazu auf, unnötige Fahrten ab sofort zu vermeiden. (...)

Die Beteiligung der Lastwagenfahrer an den Protesten hat die bestehenden Engpässe bei der Benzinversorgung noch verschärft. Es kam zu ersten Bummelstreiks auf Autobahnen rund um die Großstädte Lyon und Rennes: Lastwagenfahrer fuhren mit Kleinlastern auf allen Spuren absichtlich langsam und behinderten so den Verkehr.

Begleitet wurden die Aktionen durch schwere Jugendkrawalle mit brennenden Autos und zerbrochenen Schaufenstern in diversen Städten des Landes. Die Polizei setzte Tränengas ein und nahm rund 200 Randalierer fest.

Unter dem Druck der Streiks sah sich Frankreich zur Einschränkung des Flugverkehrs gezwungen. Die Luftfahrtbehörde forderte die Fluggesellschaften auf, am Dienstag die Hälfte ihrer Frankreich-Flüge zu streichen. (...)

Die Proteste haben mittlerweile auch die Energieversorger erreicht. Die Belegschaft des nordfranzösischen Atomkraftwerks Flamanville stimmte für einen 48-stündigen Ausstand (...)

Weiterhin gestört ist auch der Bahnverkehr. Etwa jeder zweite innerfranzösische Schnellzug (TGV) ist ausgefallen." (...)


es darf getrost davon ausgegangen werden, dass die beabsichtigte renten"reform" zwar als auslösendes moment eine hauptrolle spielt, innerhalb der sich auf dem weg vom protest zum widerstand befindlichen vielfältigen bewegungen aber auch durchaus grundsätzliche widersprüche zum gesamten system motivierend sind. für wirklich fundierte hintergrundinformationen empfehle ich für alle, die nicht wirklich der sprache mächtig sind (falls Sie französisch sprechen, sind bspw. die verschiedenen indymedia-france-seiten als primärquelle brauchbar) das
spezial vom labournet. da lassen sich dann solche wichtigen und interessanten hintergrundinfos wie die von bernard schmid in seinem aktuellen text von heute finden:

(...) "Begleitet wurden die Protestzüge auf den Straßen von Streiks sowohl in öffentlichen Diensten als auch in Teilen der Privatwirtschaft. Seit dem 12./13. Oktober wird nun zum unbefristeten Streik in einigen Sektoren aufgerufen, wo „harte Kerne“ ihn aus Eigeninitiative tragen können – denn die Führungen der gewerkschaftlichen Dachverbände lassen ihrer Basis zwar freie Hand, wo sie in den unbefristeten Streik eintreten möchten, tun aber auch aktiv nichts für einen unbefristeten Streik. (De facto passen den obersten Führungsspitzen der Gewerkschaftsdachverbände härtere Konfrontationsformen zwar nicht in den Kram. Aber vor allem bei der CGT, dem stärksten Dachverband, ist der Druck von radikaleren Teilen der Basis sehr stark, und die Führung hat beschlossen, ihnen die Zügel locker-, doch gleichzeitig ihnen selbst die Initiative zu überlassen.) Die Energieversorgungsunternehmen und Teile der Metallindustrie waren ebenso betroffen wie der Eisenbahnverkehr, der seit Tagen beeinträchtigt, wenn auch nicht völlig lahmgelegt ist." (...)

das bedeutet nach meinem verständnis nichts anderes, als das wir aktuell das wirken einer ansatzweise autonomen organisierung von teilen der lohnarbeitenden klasse(n) zu sehen bekommen. ebenfalls ist die zunehmende beteiligung von schülerInnen und ansatzweise studentInnen bemerkenswert - ein bündnis aus den gerade benannten gruppen auf den straßen stellt seit dem
mai 1968 einen der alpträume für jede französische regierung dar, und man darf mit aller wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass sich der frisch gebildete krisenstab keineswegs nur mit fragen der treibstoffversorgung beschäftigt.

*

wie geht es weiter? kann ich persönlich überhaupt nicht einschätzen, weil in so einer angespannten situation stündlich bspw. durch polizeiübergriffe jederzeit weitere eskalationsmomente ausgelöst werden können. es scheint aber ein paar zeitfenster zu geben; einmal wäre da die für mittwoch terminierte formale abstimmung zur "reform", zum anderen die am wochenende beginnenden einwöchigen herbstferien für die dortigen schulen. aus verschiedenen äusserungen ist zu schließen, das insbesondere die wachsende beteiligung vieler jugendlicher an den protesten innerhalb des apparats für unbehagen sorgt und darauf gesetzt wird, dass die ferien da quasi de-eskalierend wirken. das finde ich allerdings nicht zwangsläufig - es bedeutet auch mehr zeit für schülerInnen zum nachdenken, informieren und aktiv sein. viel dürfte jetzt davon abhängen, was innerhalb der nächsten beiden tage passiert. und klar sollte auch sein, dass es sich hier um eine echte kraftprobe mit signalwirkung für ganz europa handelt - bekommt die regierung diese sog. "reform" durch, werden wir nicht nur hierzulande die üblen folgen zu spüren bekommen. und deshalb ist es eigentlich dringend an der zeit darüber nachzudenken, wie die nachbarInnen unterstützt werden können - als blogger und bloggerinnen ist dabei die informationsverbreitung das mindeste, aber primär sehe ich hier an erster stelle die gewerkschaften gefordert.

*

edit am 19.10.: ich werde so richtig erst ab donnerstag wieder genügend zeit und raum haben - darum heute nur abermals der verweis auf das
labournet mit dem "tagesbericht" von bernard schmid. das ist bisher die zumindest mir bekannte beste, weil informativste, deutschsprachige berichterstattung.

*

edit am 21.10.: die mediale berichterstattung ist für diesen anlaß - soziale proteste und unruhen in einer landesweiten dimension - weiterhin deutlich zurückgenommen, und an vielen stellen von ihrer tendenz her paternalistisch bis deutlich negativ. und es ist durchaus ärgerlich, dass sich bspw. auf einem medium wie indymedia bis zur stunde noch keinerlei übersetzungen von den französischen schwesterseiten finden, ganz im gegensatz zu früheren analogen ereignissen bspw. in griechenland. so bleibt zumindest für alle nicht französischsprechenden bis zur stunde nichts weiter übrig, als auf die "offiziellen" darstellungen der presseagenturen und vereinzelter journalistInnen zurückzugreifen. eine art
zusammenfassung der bisherigen heutigen situation findet sich in der taz. dort fand sich gestern auch unter dem bemerkenswerten titel "Der Staat ist autistisch" ein einigermaßen lesenswertes interview mit einer historikerin, die im letzten absatz folgendes sagt:

(...) "Sind Sie überrascht vom Ausmaß und der Eskalation der jetzigen Proteste gegen die Rentenreform?

Nein, keineswegs. Die Altersversicherung der Sécurité Sociale gilt als eine der großen Errungenschaften, die die Franzosen und Französinnen verteidigen wollen. Sie halten umso mehr daran fest, als sie als erkämpfte Errungenschaft gilt.

Es gibt dazu einen Slogan in den Demonstrationen, der besagt: "Wir haben gekämpft, um die Rente zu erobern, wir werden kämpfen, um sie zu verteidigen." Hinzu kommen auch noch die Provokationen der Staatsführung. Wenn der Staatspräsident Nicolas Sarkozy sagt, er bemerke die Streiks gar nicht, oder wenn ein Premierminister erklärt, es sei nicht die Straße, die regiere, fühlen sich die Bürger bei der herrschenden Spannung dadurch noch mehr herausgefordert. Wir leben in einem Land, in dem die sozialen Kämpfe maßgeblich das kollektive Bewusstsein geprägt haben."


der letzte satz ist ein volltreffer, aber so richtig erst dann, wenn man sich nochmals die v.a. von lloyd deMause herausgearbeiteten
eigenarten und unterschiede im historischen umgang mit kindern hierzulande und in frankreich deutlich macht. es geht nicht darum, das nachbarland diesbezgl. zu glorifizieren, dazu gibt es keinen anlaß. aber die psychohistorie liefert schon eindeutige hinweise auf eine fundamentale basis, aufgrund derer die erwähnten sozialen kämpfe überhaupt erst möglich wurden.

als bisher größere ausnahme im mainstream kann ansonsten auch der standard aus wien gelten, der seit tagen eine zumindest weitgehend informative
schwerpunktberichterstattung produziert. aus diesem schwerpunkt sei besonders auf einen beitrag verwiesen, der sich besonders mit rolle und motivationen der sich stark engagierenden schülerInnen beschäftigt: "Einfach stillsitzen können wir nicht".

*

edit am 24.10.: was sich selbst bei einem nur flüchtigen blick von außen bereits in den letzten wochen andeutete, wird mehr und mehr untermauert: die sog. rentenreform ist bzw. war nur ein anlaß für etwas grundsätzlicheres. auch nach dem nehmen einer weiteren "parlamentarischen hürde" für das gesetzespaket gehen die
streiks und proteste weiter. in dieser woche wird dabei sichtbar werden, wie die bisherige beteiligung von schülerInnen und jugendlichen generell einzuschätzen ist - bleibt diese im großen und ganzen konstant, wäre das ein unübersehbares signal.

aber auch von seiten der arbeiterInnen ebenso wie von den - bei weitem nicht so wirkungsmächtigen wie hierzulande immer gern und falsch suggeriert - gewerkschaften ist die weiterführung der proteste ein deutliches signal. letzten donnerstag kam es auf einem übergreifendem gewerkschaftstreffen zu folgenden
ergebnissen:

(...) "Entgegen einer verbreiteten Erwartung ist die Einheit der ,Intersyndicale', d.h. des Bündnisses von acht französischen Richtungs-Gewerkschaftszusammenschlüssen gegen die drohende „Reform“ des Rentensystems, am gestrigen Donnerstag nicht geplatzt.

Am Nachmittag trat die ,Intersyndicale' am Sitz der CFDT, im 19. Pariser Bezirk, zusammen. Zu ihren Mitgliedern zählen die fünf „klassischen“ Gewerkschafts-Dachverbände (CGT: „postkommunistisch“, CFDT: an der Spitze rechtssozialdemokratisch, FO: verbalradikal-populistisch-schillernd, CFTC: Christenheinis, CGC: höhere Angestellte), der „moderate“ lockere Zusammenschluss von Berufsgruppengewerkschaften UNSA, die linke Union syndicale Solidaires (zu ihr zählen u.a. die Basisgewerkschaften SUD) und die FSU (Zusammenschluss von Gewerkschaften v.a. im Bildungssektor).

In breiten Beobachterkreisen war angenommen worden, die Einheit dieses Kartells werde an diesem Donnerstag zerspringen. Denn es hatte sich im Vorfeld angedeutet, die „moderateren“ Organisationen könnten das Bündnis wahrscheinlich verlassen, nachdem der Senat (das „Oberhaus“ des französischen Parlaments) der Rentenreform ebenfalls zugestimmt haben würde - nach der Nationalversammlung oder dem „Unterhaus“, welches die Renten„reform“ bereits am 15. September verabschiedete. Aus den Reihen der CFDT oder der UNSA etwa verlautete, wenn erst einmal beide Parlamentskammern der „Reform“ zugestimmt hätten, dann gelte es, „die Demokratie zu respektieren“ - und auf einen Wechsel auf Regierungsebene im Wahljahr 2012 zu hoffen bzw. zu setzen. (...)

Und dann kam es, wider vielfaches Erwarten, doch noch anders. Selbst die CGC (in deren Reihen eher Wähler der bürgerlichen Rechten denn Sympathisanten der Linken anzutreffen sind) blieb auch nach dem gestrigen Treffen in der ,Intersyndicale'. Und die CFDT sowie die anderen Gewerkschaftsverbände und -zusammenschlüsse einigten sich auf zwei neue „Aktionstage“ gegen die Renten„reform“: Am Donnerstag, den 28. Juni und am Samstag, 06. November soll es erneut zu Arbeitsniederlegungen (jenseits der ohnehin im Streik stehenden Sektoren) und Demonstrationen kommen." (...)


das ist durchaus bemerkenswert und könnte vielleicht in die richtung interpretiert werden, dass es sich einerseits die gewerkschaftsführungen plus ihre bürokratie angesichts der weiter vorhandenen massenmobilisierung nicht noch mehr mit "ihrer" klientel verscherzen wollen, während andererseits die ganze struktur des konflikts eben spätestens jetzt deutlich darauf hinweist, dass es sich um eine grundsätzliche konfrontation mit der regierung handelt und die gewerkschaftsspitzen verstanden haben, dass eine niederlage zum jetzigen zeitpunkt möglicherweise parallelen zum schicksal ihrer kollegen im großbritannien der 1980er unter thatcher aufweisen könnte - sarkozy würde eine faktische zerschlagung der gewerkschaftlichen restbestände unter garantie liebend gerne verantworten.

*

die große frage ist natürlich, was nach der endgültigen formalen verabschiedung der "reform" passiert. bisher gab es kaum übersetzte meinungen und kommentare aus den gewerkschaftsfernen und autonom agierenden beteiligten gruppen zu hören; inzwischen ist ein
Communiqué aus den Straßen von Paris aufgetaucht, angeblich geschrieben von aktivistInnen selbst - auszüge:

"Seit mehreren Tagen erblühen überall die vielfältigsten Initiativen: Blockaden von Gymnasien, Bahnhöfen, Raffinierien, Autobahnen; Besetzungen von öffentlichen Gebäuden, Arbeitsplätzen, Einkaufszentren; gezieltes Kappen der Elektrizitätsversorgung, Plünderungen von Wahlkampfbüros und Rathäusern...

In allen Städten intensivieren diese Aktion das Kräfteverhältnis und zeigen, wie zahlreich diejenigen sind, die sich nicht mehr zufrieden geben mit den Aktionsformen und Parolen, die ihnen von der Führung der Gewerkschaften aufgezwungen werden. In der Pariser Region, inmitten der Blockaden der Schulen und Bahnhöfe, der Streiks in den Grundschulen, der Streikposten der ArbeiterInnen vor den Fabriken, finden branchenübergreifende Versammlungen statt, bilden sich Kollektive des Kampfes, um zu versuchen, die Isolation und die vom Staat forcierte Trennung in den öffentlichen und den privaten Sektor zu zerstören. Ihr Ausgangspunkt: Selbstorganisierung als Antwort auf die Notwendigkeit, uns unsere Kämpfe wieder anzueignen, ohne Vermittlung derer, die vorgeben, im Namen der ArbeiterInnen zu sprechen. Unter uns sind viele, die sich nicht in den traditionellen Formen des Streiks am Arbeitsplatz organisieren und die dennoch zur allgemeinen Bewegung beitragen wollen, die Wirtschaft zu blockieren. Denn diese Bewegung ist auch eine Gelegenheit, über die spezielle Rentenproblematik hinaus zu gehen, die Frage der Arbeit zu stellen, gemeinsam eine Kritik der Ausbeutung zu entwickeln und aufzubauen." (...)


das unterstreicht meinen oben erwähnten persönlichen eindruck von der dimension des protestes und erinnert nicht zufällig auch an die griechische sozialrevolte vom winter 2008. und genausowenig, wie griechenland seitdem wirklich "befriedet" ist - auch wenn es medial so vermittelt wird -. ist in frankreich absehbar, wohin das ganze noch führen wird und kann. nicht zuletzt dürfte das auch davon beeinflusst werden, was in anderen ländern passiert.

zum heutigen schluß ein hinweis auf eine wie üblich eindrucksvolle galerie zu den streiks und demonstrationen bei
boston.com.

Sonntag, 17. Oktober 2010

kontext 70: das interview mit temple grandin in der "sz"...

... lässt sich ganz gut als ergänzung zu den passagen zu ihr lesen, die hier stehen. die "süddeutsche" führt in das interview u.a. mit folgenden worten ein:

(...) "Grandin ist Autistin. Und sie ist ein sogenannter Savant, sie hat eine Inselbegabung, wie man sagt. Ihre Insel sind die Tiere, in die sie sich hineinfühlen kann wie niemand sonst. Grandin ist Professorin für Tierwissenschaften an der Colorado State University. Vor allem aber berät sie Viehzuchtbetriebe. Inzwischen laufen die Hälfte aller Rinder in den USA durch Zuchtanlagen und Schlachthöfe, die Grandin entworfen hat; manche nennen sie deshalb »Cow Killer«. Grandin hat nichts gegen das Schlachten, aber sie will, dass die Tiere keine Schmerzen leiden. (...) Das Time Magazine zählte Temple Grandin im April zu den 100 einflussreichsten Menschen weltweit" (...)

etliches, was im interview gesagt, ist so ähnlich oder ausführlicher auch schon im oben eingangs verlinkten blogbeitrag zu lesen. trotzdem zitiere ich im folgenden ein paar passagen, weil sie deutlicher machen können, was ich mit dem u.a. durch die url fundamental mit dem blog verbundenen begriff "autismuskritik" eigentlich verbinde.

*

(...) "Wissenschaftler streiten sich bis heute, was Autismus eigentlich ist.

Stellen Sie sich mein Gehirn wie einen riesigen Bürokomplex vor. Normalerweise sitzen da oben ein Vorstandsvorsitzender und sein Team, darunter Abteilungen für Finanzen, Buchhaltung, Personal, Recht und so weiter. All diese Abteilungen kommunizieren ständig miteinander über E-Mail, Telefon, Fax, Konferenzen. In meinem Kopf sind einige dieser Kabel nicht angeschlossen. Die autistische Hirnrinde ist oft stark überwachsen, das kann man mit einem Kabelsalat vergleichen, in dem es dann zu Kurzschlüssen kommt. Dass es so viele verschiedene Arten von Autismus gibt, liegt daran, dass immer andere Abteilungen angeschlossen sind."


die metapher eines bürokomplexes für das menschliche gehirn mag zwar auf den ersten blick einleuchtend erscheinen, ist aber bei näherer betrachtung der bisher bekannten vorgänge im hirn vor allem eines - unterkomplex. fehlende oder defekte neuronale verbindungen sind vielleicht in besonderen und spezifischen einzelfällen mit nicht angeschlossenen kabeln zu vergleichen, aber da das ganze gehirn eher als hochgradig und mehrdimensional vernetztes gebilde mit gewissen redundanzen und kompensatorischen fähigkeiten zu verstehen ist, gilt hier durchaus der satz: das ganze ist mehr als die summe seiner teile.

"Was bedeutet das bei Ihnen?

Einige Dinge kann ich einfach nicht besonders gut. Die Grafikabteilung in meinem Gehirn ist zum Beispiel überbeschäftigt, die Abteilung für Sozialverhalten aber unterentwickelt. Ich musste erst lernen, mit Menschen umzugehen.

Wie haben Sie das geschafft?

Indem ich beobachte, wie andere Menschen miteinander umgehen, sie wie mit einem Videorekorder im Gehirn aufzeichne und dann bei Bedarf das richtige Verhalten abspiele. Worte sind wie eine Fremdsprache für mich. Ich übersetze alles, was ich höre und lese, in Bilder und in Farbfilme mit Ton. Mit Menschen umzugehen ist für mich wie eine Rolle in einem Drehbuch. Je mehr Filme ich in meiner Gehirnbibliothek gespeichert habe, desto normaler verhalte ich mich."


wie auch in späteren abschnitten des interviews immer wieder deutlich wird, stützt sich grandin nicht nur in bezug auf ihre konstruktion bzw. simulation dessen, was sie als soziales leben wahrnimmt, auf denjenigen modus des menschlichen bewusstseins, den ich in anlehnung an das modell von j. erik mertz als
objektivistisch bezeichne - in jedem menschen vorhanden und nicht per se krankhaft / pathologisch, kann er unter bestimmten umständen jedoch entgleiten und sich in einer monopolposition "aufblähen". dies vor allem dann, wenn elementare wahrnehmungsfähigkeiten geschädigt oder komplett ausgefallen sind. eine andere variante des gemeinten ist in der hier vorhandenen fallgeschichte einer frau nachzulesen, die aufgrund eines schadens ihrer propriozeptiven wahrnehmung ebenfalls dazu gezwungen ist, die ausgefallenen funktionen quasi konstruktivistisch zu ersetzen und verlorene fundamentale bewegungsabläufe per bewusster simulation zu kompensieren. das macht die frau in diesem falle nicht zu einer autistin (weil es sich hier speziell um eine eingegrenzte wahrnehmungsfunktion handelt) , zeigt jedoch ganz gut das prinzip auf, welches bei den meisten varianten des autismus eine rolle spielen dürfte. und ebenfalls zeigt die geschichte auch den blinden fleck im selbstverständnis bei grandin: sie focussiert sich regelmässig aufs gehirn, obwohl letzteres nur einen teil des gesamten körpers darstellt, und auch das autistische geschehen lässt sich nur ganzkörperlich verstehen.

"Sie sagen, Autismus sei eine Art Zwischenstation auf dem Weg vom Tier zum Menschen. Wie meinen Sie das?

Autistische Inselbegabte können sich zum Beispiel optische Details perfekt einprägen, etwa wenn sie mit einem Hubschrauber über ein Gebiet fliegen – wie Zugvögel. Andere haben ein unfehlbares Gedächtnis – wie ein Hund. Manche Savants haben einen IQ wie geistig Behinderte, aber sie können Dinge tun, die normale Menschen nicht können – wie sehr sie es auch versuchen. Ich kann zum Beispiel ganze Zuchtanlagen in meinem Kopf probelaufen lassen, in dreidimensionalen Bildern. Andere brauchen dafür teure Animationen und kriegen es dann doch nicht so gut hin."(...)


gerade die savants (= inselbegabte) zeigen eindrucksvoll das kompensatorische prinzip auf: bestimmte objektivistische fähigkeiten (umfassende datensammlungen, perfekte konstruktionsentwürfe etc.) versuchen verlorengegangene ganzheitlich-körperliche wahrnehmungsprozesse zu ersetzen. wobei ich dieses prinzip eher für einen fluch denn einen segen halte, obwohl man das als bewundernswert kreativen versuch unserer körperpsyche ansehen könnte, auch unter widrigen bedingungen das eigene überleben funktional zu organisieren. aber der preis dafür ist ein hoher.

*

(...) "Sie können denken und fühlen wie ein Tier. Und trotzdem verbringen Sie Ihr Leben damit, Schlachthäuser zu entwerfen oder die Hühnerfabriken von McDonalds zu kontrollieren.

Manchmal weine ich den ganzen Weg vom Schlachthof bis zum Flughafen. Als ich das erste Mal eine Hühnerfarm besucht habe, war es Aaaaaaaahhhh! Viele Hühner hatten gebrochene Flügel, die Arbeiter haben sie einfach an einem Flügel gepackt und herumgeworfen. Die alten Legehennen, die schon kaum mehr Eier legen konnten, waren ganz kahl, manche wurden einfach in den Müll geworfen. "Was glauben Sie, was Ihre Kunden sagen würden, wenn sie das hier sähen?" habe ich den Direktor gefragt. Heute haben weniger als fünf Prozent der Hühner gebrochene Flügel.

Sind Sie Vegetarierin?

Nein.

Haben Sie einmal daran gedacht, Tierärztin zu werden statt Schlachthof-Designerin?

Sie können ein System ablehnen, damit gewinnen Sie aber nichts. Oder sie arbeiten an dem System und machen es besser. Wir müssen diesen Tieren ein anständiges Leben bieten. Viele Leute vergessen, dass die Wildnis auch ziemlich hart ist. Ein Hirsch, dem ein Löwe die Eingeweide herausreißt, stirbt sehr brutal. Ein moderner Schlachthof bedeutet in vieler Hinsicht einen einfacheren Tod. Meine Schlachthäuser sind so konstruiert, dass die Tiere nicht wissen, was mit ihnen passiert. Da gibt es keine Angst, keine Panik." (...)


bei ihren aussagen zu ihrem eigentümlichen beruf fühle ich mich regelmässig eigenartig berührt, und zwar eher unangenehm berührt - das eine wäre das gesamte thema des menschlichen fleischkonsums, der - und das dürfte inzwischen schwer zu bestreiten sein - insgesamt eher negative folgen für die menschliche spezies nach sich zieht. grandin focussiert sich jedoch ausschließlich auf die art des todes innerhalb der industriellen fleischproduktion - ihre absicht dabei kann man zwar aus einer beschränkten perspektive als löbliches unterfangen sehen, andererseits schimmert in ihrer zitierten frage an den direktor oben auch durch, dass sie sich über die geschäftsschädigenden aspekte des umgangs mit den tieren durchaus im klaren ist und das als hebel verwendet.

ich will ihr nicht ihre geschilderte reaktion auf den schmerz der tiere absprechen, halte ich es jedoch - ebenso wie im falle ihrer in einem nicht zitierten teil angesprochenen wut - für sehr wahrscheinlich, dass die geschilderten emotionen nicht eins zu eins in einen nichtautistischen kontext übersetzt werden dürfen. und zwar deshalb nicht, weil eine umfassende autistische existenz, wie sie temple grandin verkörpert, mit einer funktionell qualitativ anderen "psycho-logik" einhergeht als bei den "NTs" ("neurologisch typischen"; autistischer begriff für nichtautistische menschen). unter anderem an diesem punkt liegt auch die quelle für eine verständnisschwierigkeit, die in der vergangenheit hier schon zu auseinandersetzungen mit sich selbst als autistisch definierenden kommentatoren geführt hat: und zwar benutze ich den begriff autismus hier im blog in einem erweiterten sinne, um bestimmte funktionsgleichheiten deutlich zu machen, die sich sowohl bei den klassisch autistischen zuständen wie auch beim spektrum der persönlichkeitsstörungen bis hin zur strukturellen soziopathie finden lassen. und letztere ist es vor allem, auf die die autismuskritik zielt. bei der soziopathie - es fehlt immer noch ein umfassender überblick, obwohl sich etliche beiträge bereits mit verschiedenen aspekten dieser fatalsten aller psychophysischen störungen beschäftigt haben, suchen Sie im index unter sozio- / psychopathie bzw. als-ob-persönlichkeiten - finden sich ebenfalls die thematisierten konstrukte und simulationen objektivistischer herkunft sowie eine weitgehende bis totale unfähigkeit zu authentischen beziehungen. trotzdem gibt es einige qualitative unterschiede zum klassisch autistischen spektrum wie auch zu den restlichen persönlichkeitsstörungen, aber aufgrund des bereiches der störungen eben auch gemeinsame merkmale bis hin zu fliessenden grenzen in einigen punkten.

jedenfalls muten für mich persönlich ihre motivationen bei ihrem beruf sehr zwiespältig an - eine seltsame art des mitempfindens, welches im tod keinerlei problem sieht. und ihren vergleich mit den durchaus aus menschlicher sicht brutal anmutenden vorgängen in der freien natur halte ich für unzulässig, weil es innerhalb der menschlichen sphäre eben auch - zumindest theoretisch - wahlmöglichkeiten gibt, die sowohl raubtiere als auch ihre opfer nicht haben.

zum punkt "umarmungsmaschine":

(...) "Wie sieht die aus?

Die erste habe ich aus Sperrholzplatten zusammengeschraubt, meine jetzige ist ein Luxusmodell mit Schaumkissen. Ich krieche auf allen vieren in die Maschine, mit den Zehen kann ich den Druck steuern. Da bleibe ich eine halbe Stunde drin, danach bin ich den ganzen Tag entspannter. Meine Lehrer und meine Mutter wollten sie mir wegnehmen, weil sie dachten, ich spinne. Aber ich war so süchtig nach diesem Gefühl – ich wollte sie um nichts in der Welt wieder hergeben.

Heute gehört eine solche Stimulierung bei autistischen Kindern zur Therapie, auch bei hyper-nervösen Tieren wie Pferden.

Als ich jünger war, wollte ich ganz starken Druck, fast so sehr, dass es wehtat. Dann ging es immer sanfter und sanfter. Die Maschine macht mich zu einem netteren Menschen – ohne sie wäre ich ein harter, kalter Fels.

Sie meinen, sie hilft Ihnen, menschlich wärmer zu sein?

Ich brauchte diese körperliche Erfahrung, um Zuneigung empfinden zu können." (...)


dazu jetzt eine anmerkung von mertz:

(...) "Eine Maschine kann als mechanistisch totes und anonymes Objekt die (inter-)personale Erfahrung von Umarmung, Gehaltenwerden, Liebe, behaglichem Kontakt, Geborgenheit und körperlicher Zuwendung in keiner Weise und unter gar keinen Umständen erzeugen. Diese Gefühle, die durch eine Maschine erzeugt wurden, lassen sich zwar ohne weiteres auf Menschen `übertragen´ (T. Grandin), haben aber mit den (... ) Erfahrungen, die mit (...) lebendig (!) körperlicher Zuwendung assoziiert sind, absolut nichts zu tun. Der Autorin unterläuft hier ein typisch autistischer Fehler:

Die Fundamentalkategorien des Lebendigen und des absolut Nichtlebendigen bzw. mechanistisch Toten, des Subjektiven und des Objektiven, des Personalen und des Anonymen werden in einen Topf geworfen. Die Erfahrung mit mechanistisch toten und anonymen Objekten kann keine personale Erfahrung generieren." (...)

(j. e. mertz, "borderline...", siehe literaturliste, s. 208/209)


so ist es. wer das nicht glaubt, möge es selbst ausprobieren. was grandin hier beschreibt, ist die objektivistisch konstruierte (in doppelter hinsicht, einmal als maschine und einmal innerhalb ihrer wahrnehmung) simulation von zuneigung - das die maschine auf dieser ebene auch prinzipiell austauschbar ist (wenn sie kaputt geht, lässt sich eine andere bauen), macht den unterschied zur authentischen menschlichen nähe nochmals deutlich. und der interviewerin scheint auch nicht der widerspruch zwischen grandins diesbezgl. aussagen und ihren später folgenden aufgefallen zu sein, wo es um reale zwischenmenschliche, auch körperliche kontakte, geht - die sind für grandin eher unerträglich und lösen fluchtreflexe und u.u. auch wut aus.

(...) "Sie leben allein auf einer Ranch in Colorado. Haben Sie sich nie verliebt?

Nein. Ich kann mir das nicht vorstellen.

Warum nicht?

Bis heute verstehe ich nicht wirklich, was persönliche Beziehungen bedeuten. Ich bin Single geblieben, weil es mir hilft, diese vielen komplizierten sozialen Situationen zu vermeiden, mit denen ich überfordert bin. Mir fehlt einfach der Zugang. Ein Sonnenuntergang berührt mich nicht in der Weise, wie er andere berührt, ich kann nur intellektuell erschließen, dass er schön ist." (...)


"intellektuell erschließen" = objektivistisch (re-)konstruieren. und die fehlende berührung ist die zwangsläufige folge weitgehend lahmgelegter fundamentaler subjektiver wahrnehmungsfähigkeiten. gerade solche prozesse laufen auch bei soziopathen nach allem, was wir heute wissen können, in sehr ähnlicher, wenn nicht funktional gleicher weise ab.

(...) "Sind Sie traurig, weil das in Ihrem Leben fehlt?

Ich habe andere Dinge, die sonst niemand hat. Zum Beispiel kann ich Probleme lösen. Die Menschheit braucht auch Menschen, die Probleme lösen." (...)


interessante aussage am schluß - lässt sich auch auf diesbezgl. gedanken hinsichtlich der möglichen evolutionären rolle von soziopathen übetragen, stichworte "krieger" und grenzverletzer, in freundlicherer art: grenzenverschieber. ansonsten fallen mir dazu noch die folgenden gedanken zum thema
autismus und evolution ein. die frage bleibt aber, ob bestimmte probleme nicht erst durch grundsätzlich autistische modi erzeugt werden, gerade im sozialen bereich. meine antworttendenz dazu dürfte klar sein.

*

abschließend noch das folgende: temple grandin dürfte durchaus - von ihren simulativen fähigkeiten bzw. dem grad ihrer inneren organisierung her - nicht repräsentativ für die gesamtheit aller autistischen menschen sein, bei denen es - wie sie selbst sagt - sehr viele variationen, allerdings sozusagen immer des gleichen themas, gibt. als paradigmatisch können aber durchaus die sichtbaren funktionalen grundlagen und -züge ihrer kompensatorischen selbst- und fremdwahrnehmung gelten, auch wenn sich diese nur selten derart hoch funktionell organisiert bei anderen autistInnen finden lassen. und in diesem sinne ist sie dann doch als repräsentativ anzusehen.

Donnerstag, 14. Oktober 2010

notiz: krisennews spezial - herbst in europa [2] [update]

(zum ersten teil)

*

etliches ist in den tagen seit dem ersten beitrag passiert bzw. passiert weiterhin, weshalb ich den unvollständigen rundblick auch erweitere. zunächst aber noch einmal kurz zu den ereignissen in stuttgart - in einem ansonsten eher "zeit"gemäßen (das ist nicht positiv gemeint) artikel fand sich vor einigen tagen ein interessantes merkel-zitat, welches die denkweise(n) seitens landes- und bundesregierung durchaus in einem
größeren rahmen nachvollziehbar macht. da heisst es nämlich:

(...) "Vor dem Bundesverband der Deutschen Industrie sagte sie vorvergangene Woche: »Wenn dieses Projekt nicht realisiert würde, würde das dazu führen, dass wir als nicht mehr verlässlich gelten. Wenn ich als Bundeskanzlerin dann auf europäischer Ebene sage: ›Weil bei uns so viel protestiert wurde, können wir leider das, was wir versprochen haben, nicht mehr einhalten‹, dann kommt morgen mein griechischer Kollege und sagt: ›Weil bei uns so viel protestiert wurde, kann ich die Stabilitätskultur nicht mehr einhalten.‹« (...)

das spricht für sich selbst, aber es spricht auch von einigen tieferen "elitären" ängsten - so abfällig es aus dieser ecke auch immer wieder vom "druck der straße" tönt, dem "man" keinesfalls nachgeben dürfe und wolle, so deutlich wird doch auch gleichzeitig die besorgnis, irgendwann vor einer situation zu stehen, die die verteufelten und gleichzeitigen "freunde im ungeiste", die untergegangenen "eliten" in den als-ob-sozialistischen staaten, schon hinter sich haben. könnte sein, dass letztere irgendwann im historischen vergleich sogar noch als "humaner" dastehen werden... bis auf die chinesische variante sind die panzer und alles andere damals bekanntlich nicht groß zum einsatz gekommen. auf derlei rücksichtnahme würde ich bei den kapitalistischen regimes nicht unbedingt setzen.

zu stuttgart direkt sei ansonsten aktuell auf die vielen inzwischen existierenden seiten / blogs direkt "aus der bewegung" verwiesen - stellvertretend empfehle ich
bei abriss aufstand.

*

und ebenfalls möchte ich zu einem im ersten teil angesprochenen thema eine empfehlung loswerden - da hatte ich im kontext der frühen 1980er-jahre auch die startbahn west in frankfurt erwähnt, und tatsächlich scheinen mir sowohl von der breite des widerstands als auch hinsichtlich des späteren zusammenbruches desselben einige parallelen zu existieren (ohne, dass ich hier rumunken möchte - es gibt ebenfalls ein paar deutliche unterschiede, nicht zuletzt die inzwischen doch um einiges andere gesamtpolitische situation). jedenfalls dürfte es für alle interessierten durchaus nützlich sein, sich die vergangenheit in dieser hinsicht nochmals - oder für jüngere: erstmals - vor augen zu führen. und ich kenne bis heute keine fundiertere zusammenfassung und bewertung "von unten" als diejenige, die die "revolutionären zellen (rz)" mitte der 80er verfasst haben - nachzulesen dankenswerterweise auch online im (vergriffenen) buch
die früchte des zorns. das ist generell eine sehr interessante lektüre, weil sich daraus einiges sowohl über geschichte und konflikte innerhalb der "alten brd" lernen lässt, aber eben auch gleiches über die verschiedenen facetten der damaligen linken bis linksradikalen strömungen bis hin zu ihren bewaffneten fraktionen der so called stadtguerilla ("huh! terroristen").

jedenfalls haben die rz tatsächlich eine darstellung der anti-startbahn-bewegung verfasst, die das nachdenken lohnt. vor allem, wie seitens staat und parteien unter unterstützung einiger "führender" köpfe der bürgerinitiativen einerseits versucht wurde, "friedlich" und "militant" zu spalten, um andererseits die ersteren wieder ins traute systemische heim zurückzuführen und die letzteren wie gewohnt repressiv zu behandeln. ähnlich wie schon vorher in gorleben und später in wackersdorf gab es bei diesem vorhaben allerdings etliche probleme, die ähnlich wie aktuell in stuttgart daher kamen, dass eine größere zahl "unbescholtener bürgerInnen" in den "genuß" staatlich repressiver aufmerksamkeiten in form von knüppeln, gas und wasserwerfern kamen, was deren bild von den "chaoten" dann doch mindestens zeitweise ins wanken brachte. und auch die aktivitäten vor ort / in der region waren zahlenmässig durchaus mit den heutigen aktionen vergleichbar; ein paar auzüge aus der von den rz zusammengestellten
chronik:

(...) "5.10. 81: Nach Auslösung der Alarmkette wird das bereits im November 80 gerodete und für die Untertunnelung der Okrifteler Straße (über die die Startbahn hinwegführt) benötigte 7- Hektar- Gelände von mehreren tausend Leuten besetzt. (...)

11.10.81: Der "blutige Sonntag": Nach einer Demonstration von über 10.000 zum Mitte der Woche geräumten Gelände mit anschließendem Gottesdienst und Anbuddeln der inzwischen aufgestellten Mauer, bekommen die BGS- Einheiten Knüppel frei. Unterschiedslos wird auf alles geschlagen, was sich bewegt, ob jung oder alt, Mann , Frau oder Kind. (...)

2.-5.11.81: An diesem und in den folgenden Tagen erlebt die Region eine noch nie dagewesene Mobilisierung, deren Zentren der Wald und die Frankfurter City sind. Hinzu kommen Solidaritätsdemos und - aktionen in der ganzen BRD, ja selbst in Rom.

* in Darmstadt demonstrieren bspw. täglich bis zu 5.000 pro Demo, in Frankfurt bis zu 10.000
* in den Wald strömen - über den ganzen Tag verteilt - bis zu 18.000 Menschen
* Schulstreiks und Bahnhofsblockaden in Frankfurt, Rüsselsheim, Groß- Gerau und Darmstadt (...)

4.11.81: Ruhe gab es auch am Mittwoch (erst recht) nicht. Schon mittags zogen fast 3.000 Leute von der Uni vor den Frankfurter Römer. Aus Sachsenhausen kamen ein paar hundert streikender Schüler dazu. Die Ereignisse der letzten Nacht wurden besprochen, eine kurze Kaffeepause eingelegt, um am Nachmittag dann durch die Innenstadt zum Hessischen Rundfunk zu ziehen. Über 10.000 Demonstranten wollten dort eine Live- Diskussion zwischen Startbahngegnern und der Politikerriege Börner, Gries, Dregger erreichen. Ein paar hundert von ihnen ignorierten die locker verschlossenen Glastüren und hielten das Hauptgebäude des HR für eine halbe Stunde besetzt (...)

6.11.81: Um 4 Uhr früh beginnen die Bullen das - am 3.11.begonnene - 2. Hüttendorf zu räumen. Noch während die Räumung im Gange ist, detoniert - wegen der Rodung des Waldes durch österreichische Holzfäller - vor dem österreichischen Generalkonsulat in Frankfurt eine Bombe (RZ); im Westend brennt die Filiale der Stadtsparkasse aus. Vormittags demonstrieren "einige tausend Schüler" (FR) sowohl in Rüsselsheim als auch in Frankfurt. Nachmittags und abends in Frankfurt 15.000 (mit anschließendem ersten Open- Air- Konzert auf der Hauptwache), 3.000 in Offenbach, mehrere Hundert in Heusenstamm, Neu- Isenburg, Langen und Bad Nauheim. In Friedberg wird das Büro des SPD- Unterbezirks Wetterau besetzt, in Kassel besetzen 300 Leute das Redaktionsgebäude der "Hessisch- Niedersächsischen Allgemeinen". Die Gewerkschaft der Polizei verteilt ein Flugblatt unter dem Titel "Wir haben die Schnauze voll" und kündigt eine eigene Demonstration für den Dezember an. Der südhessische SPD- Vorsitzende und stellvertretende Landesvorsitzende Görlach schlägt eine "Dialogpause" spätestens für den Zeitpunkt vor, zu dem der Antrag für das Volksbegehren vor dem hessischen Staatsgerichtshof verhandelt werde. (...)

14.11.81: In Wiesbaden findet die - seit Monaten terminierte - Abgabe der Unterschriftenlisten für das Volksbegehren im Rahmen einer Massendemonstration statt, an der zwischen 120.000 und 150.000 Menschen teilnehmen. Diese Demonstration spiegelt das gesamte Protestpotential der Startbahn- Bewegung wieder (Kirche, Gewerkschaften, Naturschutzverbände, Parteijugend etc.)" (...)


lesen Sie nicht nur die ganze chronik, sondern auch alle anderen abschnitte des kapitels - so eine geschichtsstunde ist und war in den schulen dieses landes nie vorgesehen. sichtbar wird einerseits die im vergleich zu heute viel selbstverständliche einbettung auch militanter aktionen diversester art , die allerdings auch niemals konfliktfrei war. andererseits muten einige der unter dem datum des sechsten november aufgezählten ereignisse sehr aktuell an - die "gewerkschaft der polizei" beschwerte sich damals schon über "überlastung", und ebenfalls hat der so called "dialog" zwischen staat und gegnern bereits damals alle züge eines als-ob-spektakels aufgewiesen. und ebenfalls könnte das von den rz im text intensiv dargestellte verhalten von einigen "bewegungsfunktionären" heute ein noch größeres problem werden, zumal die aktuelle massive präsenz "der grünen (partei)" damals so nicht gegeben war, aber für systemfreundliche befriedungsversuche einen guten nährboden bietet. vor dem hintergrund gilt nicht nur im traumakontext, sondern auch für oppositionelle bewegungen der folgende satz weiterhin:

wer die vergangenheit nicht begreift, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.

mal sehen, wie lernfähig wir heutigen sind.

*

zum letzteren gehört auch durchaus, sich nicht nur wahrnehmungsmässig auf das zu konzentrieren, was unmittelbar vor der eigenen haustür passiert. europaweit sind in diesem herbst viele zeichen dessen zu sehen, was sich spätestens seit dem herbst 2008 ankündigt: es gibt jeden tag deutlicher werdende und teils extrem widersprüchliche risse im system zu betrachten, von land zu land und region zu region unterschiedlich geprägt und geformt. lässt sich hierzulande berechtigt festhalten, dass die in ihrer massivität durchaus weitgehend unerwarteten proteste in stuttgart auch eine gewisse fundamentale, aber bisher meist sprachlose verärgerung zumindest bei teilen der aktivistInnen wiederspiegeln, so haben in anderen ländern die fühl- und sichtbaren folgen v.a. der ökonomischen krise schon ein ganz anderes level erreicht - in den krisennews der jahre seit 2008 habe ich einiges davon schon aufgegriffen, und mir scheint, als kämen sozusagen prozesse der gärung immer stärker ins rollen. ebenfalls werden aber auch durchgängig staatliche strategien sichtbar, die in ganz europa ähnlich anmuten - zuletzt sind immer die behelmten masken der staatsgewalt zu sehen, die zusehends den ganzen apparat aus kollabierender ökonomie und martialisch drohender staatlicher herrschaft repräsentieren, und zwar zusehends auch für immer mehr "normalbürgerInnen".

vielleicht ist der generalstreik in spanien vom 29. september medial hierzulande auch durch die tags darauf folgende polizeiliche eskalation in stuttgart ziemlich durchgerutscht, vielleicht gilt aber inzwischen auch für viele europäische mainstreammedien die parole "den ball flach halten"? in spanien sind an diesem tag jedenfalls gleich mehrfach ziemlich interessante dinge geschehen; angefangen von der doch erstaunlich breiten beteiligung von bis zu 10 millionen menschen, über riesige massendemonstrationen bis hin zu staatlichen reaktionen wie solchen im folgenden beschrieben, an denen möglicherweise deutlicher wird, wie sich die "eliten" den zukünftigen
umgang mit widerstand aus der bevölkerung vorstellen:

(...) "Gegen Streikende setzte die Polizei zum Teil scharfe Munition ein. So zeigten die Gewerkschaften sieben leere Patronenhülsen auf einer Pressekonferenz vor. Nach Angaben der Polizei hätten die Polizisten die Schüsse vor der EADS-Fabrik in "einer Situation maximaler Anspannung" abgefeuert, berichtet die Cadena Ser, die der Regierung nahe steht. (...)

In Barcelona wurde zum Beispiel ein friedlicher Sitzstreik auseinandergeprügelt. (...) Der Sitzstreik fand vor dem Gebäude einer ehemaligen Bank statt. Es war besetzt worden, um außerhalb der großen Gewerkschaften für den Vaga General zu mobilisieren, wie Generalstreik auf Katalanisch heißt. Noch am Sonntag hatte ein Richter die Räumung abgelehnt. Ausgerechnet am Streiktag fand sich aber ein anderer Richter, der die Schnellräumung zuließ. Das endete in stundenlangen Straßenschlachten in der Innenstadt. Doch auch das verhinderte nicht, dass Hunderttausende gegen die Sparpolitik in Barcelona demonstrierten." (...)


um genauer zu sein: es waren geschätzt 400.000 alleine in barcelona. die glücklicherweise offensichtlich folgenlosen schießereien seitens der polizei - meines wissens wurde an mindestens zwei orten polizeischüsse nachgewiesen, neben barcelona auch noch in getafe, einem teil von madrid - haben generell erstaunlich wenig resonanz nach sich gezogen; mein eindruck war eher der, dass das medial deutlich unter den teppich gekehrt wurde. selbst wenn es "nur" sog. warnschüsse gewesen sein sollten: anders als bspw. bei den tödlichen schüssen von athen 2008, die bekanntlich einen längeren ausnahmezustand in griechenland nach sich zogen, ging es hier nicht primär gegen vom staat definierte "chaoten",sondern hier stand die polizei hunderttausenden streikenden gegenüber. und da lässt sich der einsatz von schußwaffen eigentlich nur als sehr deutliches signal verstehen.

impressionen von diesem tag aus barcelona, u.a. dürften einige bilder anfangs auch die oben erwähnte bankbesetzung zeigen:



es wird aber ebenfalls ganz gut deutlich, wie angespannt sich die situation in spanien bereits darstellt.

*

das folgende thema erinnert zunächst oberflächlich noch am meisten an die erwähnten frühen 80er, aber eben auch nur oberflächlich. ein kleines informatives video als einführung:



hausbesetzungen waren nicht nur hierzulande lange in der öffentlichen wahrnehmung immer auch von wahlweise dem ruch oder dem touch einer "gegen"- oder subkultur behaftet; die durchaus ständig mitschwingende brisanz von themen wie wohnungsnot, obdachlosigkeit und vor allem des mit dieser aktionform schärfer als in anderen bereichen angegriffenen fetischs "eigentum" lief unberechtigterweise immer etwas nebenher. die niederlande haben, wie im film dargestellt, hinsichtlich des umgangs mit besetzungen lange zeit eine europäische sonderrolle gespielt, ähnlich wie bei der praxis mit drogen sehr zum missfallen der meisten anderen europäischen administrationen.

wie der film aber gleichfalls deutlich macht, hat sich hinsichtlich der (immer noch vorhandenen) subkulturellen dimension des kraakens inzwischen durch die rauhen winde des 21. jahrhunderts ebenfalls etwas verschoben: inzwischen werden nicht nur in der heimlichen welthaupstadt der squatter, amsterdam, immer mehr häuser / wohnungen aus materiellen notlagen heraus besetzt. und vor dem hintergrund der restlichen sozioökonomischen entwicklungen musste die angesprochene "illegalisierung" des kraakens wie öl auf feuer wirken. der film ist vom märz, bekanntlich waren ein paar monate später die wahlen, die ebenfalls bekannt u.a. den rechten "populisten" wilders mit an die regierung brachten. von daher war die verabschiedung des benannten gesetzes zu erwarten und wurde auch durchgezogen. seit dem 1. oktober ist es in kraft, und das wochenende mit diesem datum markierte für die niederlande womöglich den beginn einer längeren phase sozialer unruhen. nicht nur in amsterdam, sondern auch in vielen kleineren städten kam es zu teils schweren auseinandersetzungen zwischen polizei und besetzerbewegung. ich habe mal eine dokumentation aus der stadt nijmegen (knapp 160.000 einwohnerInnen) ausgewählt:



ich würde die veränderte politik - unter maßgeblichen einfluß eindeutig rechter strömungen - in den niederlanden gegenüber besetzungen u.a. ebenfalls als indiz dafür ansehen, wie sich die heutigen europäischen "eliten" die zukunft vorstellen. stückchen für stückchen wird klarer, wie der kommende versuch eines autoriär bis zur grenze der diktatur formierten kapitalismus in seiner endphase aussehen wird. eigentlich überraschen kann das allerdings einmal mehr nur jene, die immer noch mittels ihren fiktionen von "demokratie" und "rechtsstaat" mithelfen, die entsprechenden simulationen aufrechtzuerhalten.

*

aber auch an vielen anderen orten sind die zeichen der unruhe wieder einmal deutlich auszumachen - ein kommentar zum ersten teil wies auf die ereignisse vom
4. oktober in island hin; die diversen französischen streikbewegungen beginnen, sich in teilen zu radikalisieren; in die reihe der länder mit generalstreiks gegen die sog. "sparprogramme" wird sich im november auch portugal einreihen; es ist nur eine frage der zeit, bis sich in irland und großbritannien ebenfalls ähnliches tun wird - und allgemein wird die situation durch ein mainstreammedium aus österreich so zusammengefasst:

"Ein fast normaler Tag im heißen europäischen Herbst 2010: In Paris wird aus Protest gegen die Pensionsreform der öffentliche Verkehr lahmgelegt, Raffinerien stehen still. In Athen verhindern unterdessen hunderte zornige Beamte, dass Touristen die Akropolis besichtigten. Ihr Job ist Einsparungen zum Opfer gefallen. Wenige Stunden zuvor hatten in Bratislava tausende Menschen gegen die Anhebung der Mehrwertsteuer protestiert. Und fast zeitgleich drohten in Prag öffentliche Angestellte mit „Dauerstreiks“: Die Regierung will ihre Löhne um zehn Prozent kürzen.

Seit Wochen protestieren zehntausende Europäer gegen die Sparmaßnahmen, die ihre zum Teil hoffnungslos verschuldeten Regierungen zur Budgetsanierung angekündigt haben. Dass die Bevölkerung immer weniger Verständnis für die Maßnahmen hat, ist augenscheinlich." (...)


*

prognosen? schwierig - nein, vermutlich nicht, obwohl nötig, "die revolution", von der im übrigen bislang auch noch zu vieles zu unklar ist und für die ihre wichtigste voraussetzung - selbstbewusste menschen - noch zu wenig vorhanden ist.. aber absehbar ist seit 2008 durchaus schon das folgende, wie ich finde: ebenso, wie die krise sich dauerhaft eingerichtet hat, aber nur noch in ihren in wellen anrollenden peaks wahrgenommen wird, so ist auch beim widerstand in vielen regionen eine ähnliche wellennatur festzustellen. und jede welle wird in vielerlei hinsicht heftiger, radikaler und auch zerstörerischer anbranden als die jeweils letzte. ich fürchte, wir werden auch hier (analog den sonstigen wegbrechenden systemfundamenten wie öl etc.) ein sich immer weiter und schneller schließendes zeitfenster erleben, bei dem es am ende dann nur noch darum gehen könnte, unter ziemlich erbärmlichen umständen irgendwie zu überleben.

*

edit am 15.10.: weil ich die heutigen
nachrichten aus frankreich sehr interessant finde und im kommentarteil doch so manches untergeht, dieses update:

(...) "Wegen der Streiks in französischen Raffinerien ist am Freitag offenbar die Benzinversorgung von Paris per Pipeline unterbrochen worden. Das verlautete aus Kreisen der Betreibergesellschaft Trapil. Das Netz der Firma verbindet Paris unter anderem mit der Hafenstadt Le Havre und mehreren Raffinerien. Nach Gewerkschaftsangaben werden aus Protest gegen die geplante Rentenreform inzwischen alle zwölf französischen Raffinerien bestreikt. Mehrere hundert Tankstellen mussten mangels Nachschub schließen." (...)

das wäre das eine, und das ist durchaus als massiver eingriff in eine tragende ökonomische infrastruktur zu sehen - ich denke, dass solche signale in den zentralen der macht durchaus verstanden werden. die große frage: wie werden staat und betroffene konzerne reagieren?

zum anderen gibt es entwicklungen, die zumindest in einem punkt den vergleich mit "stuttgart" nahelegen:

(...) "Der Schüler, der am Donnerstag bei einem Polizeieinsatz gegen eine Schulblockade bei Paris schwer verletzt wurde, sollte am Freitag operiert werden. Die Polizeidirektion von Paris verbot nach dem Unglück den Einsatz von Gummigeschoßen ("Flashballs") durch die Polizei. Nach Angaben der Bürgermeisterin des Vorortes Montreuil, Dominique Voynet (Grüne), könnte der 16-Jährige durch die Verletzung infolge der Gummikugel womöglich ein Auge verlieren. Im nordfranzösischen Caen hatte ein Student nach Angaben seines Vaters schwere Schädelverletzungen bei einer Demonstration erlitten und lag am Freitag noch im Krankenhaus. Die Familie wollte Anzeige wegen des Polizeieinsatzes erstatten."

ein bemerkenswertes verbot - wäre aufschlußreich, näheres zu dem fraglichen einsatz / der konkreten situation zu wissen (und auch näheres dazu, aus welchem milieu der schüler stammt - das montreuil, welches hier wahrscheinlich gemeint ist, lässt sich meines wissens durchaus begrenzt zu den banlieus rechnen, und ich kann mich noch nicht mal an so etwas wie bedenken hinsichtlich gummigeschossen erinnern, als in den letzten jahren immer wieder migrantische jugendliche in den vorstädten für unruhe sorgten). bezeichnend jedenfalls, dass hierzulande keine öffentlichen stimmen für eine grundsätzliche be- und einschränkung von wasserwerfereinsätzen zu hören sind - trotz ihrer möglichen sichtbar fatalen folgen.

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