Samstag, 26. Januar 2008

kontext 37: "...nicht grundsätzlich gefühllos..."

beim überfliegen eines prozeßberichtes anlässlich des hungertodes der kleinen jacqueline bin ich über ein paar passagen gestolpert, die nicht nur wieder mal die ganze hilflosigkeit justizieller reaktionen auf ein solches geschehen deutlich machen, sondern auch sonst etliche fragen aufwerfen:

(...)“Ihre Mutter trug das ausgemergelte, vollkommen dehydrierte und unterernährte Kind zu einer Ärztin und tat verwundert, als diese nur noch den Tod des Mädchens feststellen konnte. Zu diesem Zeitpunkt wog Jacqueline nur noch sechs Kilogramm. Kinder in diesem Alter wiegen üblicherweise das Doppelte.

Bis zum Tag der Geburt hatte die 22-Jährige die Schwangerschaft mit Jacqueline verschwiegen - sogar dem Vater. "Wir müssen ins Krankenhaus, ich glaube, ich kriege ein Kind", soll sie ihrem verdutzten Ehemann am 14. Januar 2006 gesagt haben. Wenige Stunden später kam Jacqueline zur Welt. "Ich weiß es erst seit heute morgen", sagte der überraschte Vater gegenüber einer Hebamme im Kreißsaal. Jene Hebamme bestätigte auch, dass das Unvorstellbare möglich war: Selbst sie habe bei Judith H. äußerlich keine Schwangerschaft erkennen können. Durch psychische Einflüsse sei es in Ausnahmefällen möglich, dass bei verdrängten Schwangerschaften keine äußeren Anzeichen zu erkennen seien.“(...)


die im letzten satz genannte information ist für mich persönlich neu, aber durchaus vorstellbar. aber bei einem solchen geschehen stellen sich beim heutigen wissensstand sofort fragen nach der
pränatalen beziehung – oder in diesem fall besser: dem verhältnis – von dieser mutter zum kind. soll man bei einem szenario wie oben dargestellt wirklich von einer liebevollen und beziehungsfähigen mutter ausgehen, wenn das ausmaß der verdrängung - in diesem fall ebenfalls vielleicht angebrachter: ablehnung - gegenüber dem fötus die schwangerschaft bis in die (sichtbare) körperliche ebene derart massiv zu beeinflussen imstande ist? die argumente für die antwort „nein“ verstärken sich beim folgenden:

(...)“Von Jacquelines erbärmlichen Zustand will er nichts mitbekommen haben. Seine Frau hatte das vor Gericht bestätigt und ein schriftliches Geständnis abgelegt: "Ich selbst trage die Schuld, dass meine Tochter sterben musste." Sie habe keine Beziehung zu ihrem Kind aufbauen können. "Ich versuchte, sie zu versorgen, wusste aber sonst wenig mit ihr anzufangen. Ich konnte nicht mit ihr schmusen oder sie lange auf den Arm nehmen." Nach der Geburt sei sie voller Panik gewesen, dass sie nun für dieses Kind die Verantwortung tragen. "Ich wollte nur noch schlafen und versuchte, die Kleine mechanisch zu versorgen."(...)

besonders leserInnen von mertz´ borderline-buch werden vielleicht beim anblick dieser sätze ein ebenso unheimliches déjà vu verspüren wie ich – fast haargenau gleichen sich die aussagen in einem ausführlichen fallbeispiel, anhand dessen mertz die nicht-beziehung einer borderline-mutter (in seinem modell gleichbedeutend mit einer simulationsfähigen autistischen mutter) prä-, peri- und postnatal zu ihrem kind deutlich macht. und das wort „mechanisch“ ist in diesem zusammenhang durchaus treffend: die angeklagte mutter befand bzw. befindet sich mit sehr großer wahrscheinlichkeit in dem bewußtseinsmodus, den ich hier im blog mit dem attribut objektivistisch bezeichne – ein modus, der bei dominanz in einem menschen dazu tendiert, alles lebendige zu verdinglichen – mit regelmäßig katastrophalen folgen.

ebenso habe ich mich schon öfter darüber aufgeregt, dass sowohl orthodoxe psychiatrie als auch justiz von solchen verhältnissen nichts wissen wollen – und lieber auf simulationen hereinfallen:

(...)“Nach Ansicht der Kammer hat die 22-Jährige bewiesen, dass sie nicht grundsätzlich gefühllos war. Zeugen hatten bestätigt, dass die Hausfrau durchaus zärtlich zu ihrem Kind war.“(...)

ich frage mich allerdings, was das für zeugen gewesen sein könnten. etwa die, deren wahrnehmungs(un)fähigkeiten im anschluß zur sprache kommen?

(...)“Nie habe man die Eltern mit ihrem Kind gesehen, immer nur mit den Hunden. "Schlimm, dass wir das alle nicht gemerkt haben."
Das betonte auch Richter Gaßmann in der Urteilsbegründung und wandte sich an Familienangehörige und Freunde: Warum haben sie nicht nachgefragt, wo Jacqueline ist oder haben sich abwimmeln lassen? Warum hat niemand insistiert?“(...)


vielleicht deswegen, weil die mutter, die so erfolgreich ihre schwangerschaft verdrängt hat, trotzdem durchaus „zärtlich“-mechanisch mit ihrem kind umgegangen ist? die eltern scheinen bezgl. ihrer sozialen unfähigkeiten das passende soziale milieu gefunden zu haben. und der offensichtliche widerspruch in den zeugenaussagen hat keine weitere rolle gespielt.

ebenso unentschuldbar und eigentlich schon ein kunstfehler seitens des gutachters, dass die pränatale phase mit ihren auffälligkeiten offensichtlich weder im psychiatrischen gutachten noch – zwangsläufig als folge – in der juristischen bewertung eine rolle gespielt hat. ich wäre ja gerne bei diesem prozeß dabei gewesen, um unmittelbar sinnliche eindrücke von allen beteiligten zu bekommen – wenn ich mich aber auf die berichterstattung verlasse, wäre das allerdings wahrscheinlich das äquivalent zu einer fiesen geisterbahnfahrt geworden...

die ganze sache jedenfalls hat mich so beschäftigt, dass ich nach weiteren fragmenten recherchiert habe, die vielleicht eine genauere aufklärung erlauben – bei berichten aus den mainstreammedien eine immer wieder undankbare aufgabe, da solche berichte regelmäßig entweder unter „panorama“ oder „blick in die welt“ als quasi zerstreuende unterhaltungslektüre gepackt und ebenso regelmäßig von ihren sozialen, kulturellen und politischen hintergründen gelöst werden. mit dieser einschränkung im hinterkopf sind die folgenden fragmente zu lesen – hier das
erste :

(...)“Die Mutter sei lethargisch und von ihrer Ehe enttäuscht gewesen, weil ihr Mann sie nur als Sexobjekt gesehen habe.“(...)

den vater habe ich bisher außen vor gelassen, aber nicht nur die obige aussage – selbst wenn sie als eine art schutzbehauptung fungieren sollte – macht deutlich, dass sich der mann gleichfalls in einem überwiegend objektivistischen modus befunden haben muss. wäre übrigens bei solchen menschen hinsichtlich der partnerwahl nichts überraschendes – die selbst- und fremdverdinglichung ist etwas gewohntes, und so müssen beide nicht auf die idee kommen, etwa ihren zustand aufgrund der irritationen des jeweils anderen infrage stellen zu müssen.

eine weitere
quelle :

(...)“Die Eltern haben nach Erkenntnissen der Polizei Cannabis und Amphetamine genommen,...“(...)

das könnte irrtümlicherweise zu dem schluß verleiten, hier handele es sich um typische und partiell verwahrloste junkie-eltern, was als aussage auch regelmäßig impliziert, die drogen wären ursächlich verantwortlich. das aber ist selbst bspw. bei gewohnheitsmäßigen fixern regelmäßig unsinn – suchtstrukturen und drogenabusus sind in aller regel sekundäre phänomene, die auf einer bereits geschädigten psychophysischen verfassung „aufsitzen“, und da im bereich von traumata und/oder den persönlichkeitsstörungen wie borderline auch durchaus als versuche der selbstmedikation angesehen werden können, ebenso häufig aber die ursprünglichen beziehungsprobleme nur verstärken – was bei cannabis in einem solchen fall wie hier bedeutet, dass eine tödliche gleichgültigkeit offen herauskommt, während amphetamine durchaus in der lage sind, tendenzen sozialer / beziehungsunfähiger kälte stärker herauszuarbeiten. die drogen passen in diesem fall jedenfalls zum gesamtkontext.

weiter mit der letzten quelle:

(...)“Seit geraumer Zeit habe das Ehepaar niemanden mehr ins Haus gelassen, sagte ein Polizeisprecher. Polizisten fanden die Wohnung völlig verwahrlost vor. Nach Angaben der Ermittler herrschten "chaotische Zustände". Die beiden Hunde hätten keine Zeichen von Vernachlässigung gezeigt.“(...)

selbst bei berücksichtigung von vielleicht übertrieben bürgerlichen vorstellungen von häuslicher ordnung teile ich in diesem fall die polizeiliche wertung. gleichfalls wird eine nicht mehr überraschende soziale isolation sichtbar. die nächste information jedoch wirft wieder einige fragen auf:

(...)“Die Frau hat bereits ein vier Jahre altes Kind, das zur Adoption frei gegeben worden war.(...)

auch das spricht erstens nicht unbedingt für die beziehungsfähigkeiten der mutter; zweitens aber wäre es zu einer realistischen einschätzung des ganzen zustandes der mutter eigentlich nötig, auch die verfassung dieses kindes genau zu betrachten – wie hat dieses kind eine solche familienstruktur bisher überstanden, und mit welchen folgen? ich möchte bezweifeln, dass sich die oder der zuständige gutachter mit dieser frage beschäftigt hat – einfach aus der kenntnis der dissoziierenden theorie und praktisch der etablierten psychiatrie heraus. dabei wäre es eigentlich notwendig, dass sich gutachter in solchen fällen auch mit solchen
ansätzen wie im link vorgestellt auskennen, und dann dem adoptierten kind auch vielleicht bei aussagen wie den folgenden zuhören könnten:

(...)“ Anfangs beschäftigt sich die Autorin mit der Frage, was Borderline-Mütter, die sie „Als-ob-Mütter“ nennt, in ihren Kindern auslösen. Folgende Gedanken nennt sie als typisch für Kinder mit einer Borderline-Mutter: „Ich weiß nie, was mich erwartet.“ „Ich vertraue ihr nicht.“ „Sie sagt, es ist nichts geschehen.“ „Bei ihr fühle ich mich schrecklich.“ „Alle andern denken, sie sei ganz großartig.“ „Es geht immer um alles oder nichts.“ „Sie ist so negativ.“ „Sie flippt aus.“ „Manchmal kann ich sie nicht ausstehen.“ „Sie macht mich verrückt.“(...)

als-ob-mütter – das trifft es schon. aber bereits die anerkennung der existenz solcher mütter mit allen ernsten implikationen nicht nur für das herrschende mütter-, sondern auch für unser gesamtes menschenbild ist für diese gesellschaft offensichtlich immer noch too much. die vielfältigen konsequenzen aus dieser verweigerung tragen wir immerhin gerechterweise alle.

*

eine art zusammenfassung der – juristisch relevanten – informationen dann in der
letzten quelle , die ich zitieren möchte:

(...)“Das Mädchen war im März vergangenen Jahres verhungert und verdurstet, nachdem ihre Eltern die Pflege und Versorgung des Kindes weitgehend eingestellt hatten. Die Mutter habe gesehen, wie sich Jacqueline von einem blühenden Lebewesen zu einem Kind mit einem Greisengesicht entwickelt habe, sagte der Richter.
Das Mädchen war so wund, dass sich die Haut zwischen Knien und Nabel ablöste. "Dass dies eine Qual für das Kind war, sah die Angeklagte", sagte Gaßmann. Trotzdem habe sie aus einer "sehr großen Überforderung" heraus keine Hilfe geholt.(...)

(...)Der Mann habe auch um den Zustand des Hauses gewusst, das die Polizei später völlig vermüllt vorfand.
"Er hätte dem Kind helfen müssen", befand der Richter: "Das kann er nicht auf seine Frau abschieben." Diese hatte ihm immer wieder gesagt, dass Jacqueline schlafe, wenn er nach ihr fragte. Zu seinen Gunsten nahm das Gericht an, dass der Vater nicht wusste, wie es im Kinderzimmer aussah. Dort lagen zahllose verschmutzte Windeln.(...)

(...)Nach ihrer Überzeugung haben die Eltern des Mädchens die Versorgung des Kindes eingestellt, weil sie sich lieber um ihre eigenen Interessen kümmern wollten. Die Hunde und Fische der Familie seien wohl genährt gewesen.“(...)


stichwort herrschendes mütterbild: selbst wenn eine mutter ganz offensichtlich mehr oder weniger unberührt ihrem leidenden kind zuschaut, darf das laut den herrschenden vorstellungen keine grundsätzlichen fragen nach der allgemeinen beziehungs- und liebesfähigkeit einer solchen mutter aufwerfen – sie holt sich dann keine hilfe wg. „einer sehr großen überforderung“. hallo? selbst bei schweren ökonomischen problemen – die hier noch nicht mal eine rolle gespielt haben – sind beziehungsfähige mütter in aller regel daran existenziell interessiert, für sich und ihr kind die notwendige hilfe zu holen. scham? ja, gibt es – aber überlegen Sie mal selbst: was bedeutet es denn eigentlich, wenn eine vorhandene scham – in form von „was werden die leute sagen?“, „bin ich eine schlechte mutter?“ und dergleichen – dazu führen sollte, das selbst geborene kind lieber erbärmlich sterben zu lassen und zu verschweigen – und zwar nur, um das selbstkonstruierte image nach innen und außen zu wahren? ganz recht: es bedeutet, das der schein, das objektivistisch konstruierte bild, welches eine solche mutter von sich hat und nach außen abgeben möchte, wichtiger als die realität ist, in der ganz real ein kind verhungert.

seltsam zwiespältig: die mutter wird derart gleichzeitigt entschuldigt, bei der strafe aber verstärkt bedacht. das weist meiner meinung nach deutlich auf einen gesellschaftlichen entlastungsprozeß hin: die „böse mutter“, die „eigentlich“ nicht böse ist (sein soll), aber trotzdem härter bestraft wird als der in meinen augen gleichfalls im großen maße mitverantwortliche mann (was ist das für ein vater, der sich angeblich so vom betreten des kinderzimmers abhalten lässt? der für hunde und fische mehr interesse aufbringt als für ein kind? bei seinen geschilderten tränen im prozeß jedenfalls bleibt sehr offen, aus was für einer motivation sie eigentlich geflossen sind). derart jedenfalls wird sowohl der gesellschaftlichen als auch der justiziellen konvention genüge getan – ohne, dass etwas grundsätzlich falsches an diesen konventionen angetastet werden müsste.

in diesem konkreten fall jedenfalls dürfte es tatsächlich der staatsanwältin gelungen sein, sich der kalten und traurigen realität hinter dieser geschichte noch am deutlichsten zu nähern. natürlich ohne weitere konsequenzen – denn gesellschaftlich müsste ganz rational und auch emotional eigentlich ein starkes interesse daran bestehen, die bedingungen von derartigen „fällen“ erstens ganzheitlich zu verstehen, um dann zweitens im interesse aller beteiligten wirksame prävention zu entwickeln. da letzteres aber aller wahrscheinlichkeit nicht geht, ohne die derzeitigen pathologischen gesellschaftlichen verhältnisse auf breiter – ganz breiter – basis elementar zu verändern, und dazu noch der aspekt der bloßen rache bei der strafjustiz unausgesprochen eine hauptrolle spielt, bleibt hier wieder mal alles auf der ebene einer als-ob-bewältigung. die bedingungen im knast jedenfalls sind bestens dazu geeignet, aus den eltern ganz offene soziopathen zu machen. und alles zusammen lässt sich auch als weiteren ausdruck der neulich thematisierten
deutschen zustände ansehen, die in ihrer ganzen verwahrlosung und bedrohlichkeit noch kaum begriffen worden sind.

* * *

in eigener sache: den angekündigten beitrag zur jugendgewalt möchte ich erst mit abstand nach den morgigen
demokratiesimulationen veröffentlichen – ich halte das thema für wichtig genug, um auch jenseits des derzeitigen medialen hypes dran zu bleiben. und als eine art vorbereitung sowie auch als ein antwortversuch zu den vor einiger zeit gestellten fragen nach möglichen zusammenhängen zwischen asperger-autismus, alexithymie und soziopathie wird davor noch ein weiterer basis-beitrag zur letzteren folgen.

Montag, 14. Januar 2008

notiz: wie koch den rüttgers macht - oder von der vergesslichkeit öffentlicher wahrnehmung (update)

(...)"NRW-Ministerpräsident Rüttgers will härter gegen kriminelle Kinder vorgehen. Wenn nichts mehr hilft, sollen auch unter 14-Jährige in geschlossenen Heimen landen.

"Gegen die zunehmende Gewalt unter Jugendlichen müssen wir härter durchgreifen - nach der Maßgabe: null Toleranz", schrieb der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und stellvertretende CDU-Vize Jürgen Rüttgers in einem Gastbeitrag für die "Bild am Sonntag". Dies gelte auch für Wiederholungstäter, die noch nicht strafmündig seien.

"Wenn Weisungen und alle Erziehungshilfen nicht mehr wirken, ist als letztes Mittel eine Unterbringung in geschlossenen Einrichtungen erforderlich", schrieb Rüttgers. Nach seinen Vorstellungen soll das auch bei Kindern unter 14 Jahren in ganz Deutschland möglich sein.(...)
.

diese meldung stammt aus dem april 2007. ich hoffe übrigens sehr, diese woche noch zeit und raum zu finden für einen beitrag über diese ganze gespensterdebatte, macht sie doch eindrucksvoll deutlich, wie mittels und durch traumata bzw. traumatische sozialstrukturen sog. "politik" gemacht wird - das betrifft sowohl die geschichten gewalttätiger jugendlicher als auch speziell die angstgefühle von vielen älteren leuten.


*

edit am 18.01.: endlich mal ein
artikel , der die ganze diskussion vom kopf auf die füße stellt - und dazu tatsachen anführt, die regelmäßigen leserInnen hier wohlbekannt sein dürften:

(...)"Ja, hier im Land herrscht eine skandalöse Toleranz gegenüber Gewalttätern. Da hat Hessens Ministerpräsident Roland Koch im Prinzip ganz recht. Doch hat Koch die Falschen im Visier. Hunderttausende brechen bei uns tagtäglich das Gesetz. Sie schlagen zu mit Gürteln, Stöcken und Ruten, mit hölzernen Teigrollstäben, mit den Sohlen von Schuhen, mit Kleiderbügeln, mit bloßen Handflächen oder mit der Faust. Manche prügeln spontan, erratisch, eruptiv, andere systematisch, rituell und gewohnheitsmäßig. Ihre Taten finden im Verborgenen statt, im privaten Raum. Weder Überwachungskamera noch Behörden bekommen das akute Geschehen zu Gesicht. Wachleute in U-Bahnen richten nichts gegen sie aus.

Die Geschlagenen sind jung. Es sind Minderjährige: Kleinkinder, Kindergartenkinder, Schulkinder. „Du Opfer!“ ist nicht zufällig das derzeit bevorzugte Schimpfwort auf den Schulhöfen urbaner Ballungsgebiete. Die Täter sind Väter und Mütter, mitunter auch Onkel oder Großeltern."(...)


ausführlicher werde ich den in nächsten tagen beim eigenen beitrag zum thema noch mal aufgreifen.

notiz: ganz recht, mr. jackson...

...wenn Sie sagen:

(...)" Der Bürgermeister hat in einem Präzedenzverfahren die 21 größten Banken der Wall Street, die in das Spekulationsgeschäft mit Billig-Hypotheken ("subprime") verwickelt sind, auf Hunderte Millionen Dollar Schadenersatz verklagt. Der Vorwurf: Die Milliardenkonzerne - darunter auch die Deutsche Bank - hätten aus reiner Profitgier ahnungslose Bürger abgezockt und die Kommune an den Rand des Ruins getrieben. Die Unternehmen seien nicht viel besser als die Mafia, wettert Jackson.

"Für mich ist das nichts anderes als organisierte Kriminalität oder Drogenhandel", sagt der Bürgermeister über das "Subprime"-Geschäft. "Es hat auf die Stadtviertel die gleichen Auswirkungen wie Drogenaktivität. Es ist eine Art organisiertes Verbrechen."(...)


ganz recht. aber das ist nicht nur bei Ihnen die realität.

*

edit: im zusammenhang mit der "bankenkrise" möchte ich Sie auch auf die folgende
meldung hinweisen:

"Arbeitsmediziner und Psychiater im Londoner Finanzbezirk „City of London“ berichten seit einigen Monaten zusehends von überfüllten Wartezimmern und einem Anstieg der Überweisungen von Patienten mit stressbedingten Erkrankungen um zwischen 30 und 40 Prozent. Fachärzte sehen einen kausalen Zusammenhang zwischen den Turbulenzen im internationalen Bankwesen und den steigenden Erkrankungszahlen.

„Unsere Patientenzahlen sind binnen zwölf Monaten um zwischen 30 und 40 Prozent gestiegen“, so Mark Beadle, Hauptgeschäftsführer von „Capio Nightingale Hospitals“, einem privaten Anbieter psychiatrischer Versorgungsangebote in der Londoner City. „Unsicherheiten im internationalen Bankgeschäft und speziell der credit crunch in Amerika und dessen weltweite Auswirkungen haben dazu geführt, dass immer mehr Mitarbeiter im Bank- und Kreditwesen nervös geworden sind. Die berufliche Zukunft scheint unsicher und das führt unweigerlich zu stressbedingten Beschwerden.“

Andere Londoner Facharztpraxen berichten ähnliches. So kommen immer mehr hoch bezahlte City-Angestellte in die Sprechstunden, weil sie unter Schlafstörungen, Angstzuständen, Depressionen oder Suchterkrankungen leiden."(...)


da bleibt nur noch zu fragen, wer eigentlich außer einer vermutlich in relation sehr kleinen minderheit von funktional oder strukturell hoch antisozialen bzw. soziopathischen persönlichkeiten tatsächlich von derartigen verhältnissen profitiert? das fußvolk der herrschenden antisozialität kommt jedenfalls in verschiedenen arten und weisen gleichfalls mehr und mehr unter die räder der "besten aller welten"....

Freitag, 11. Januar 2008

notiz: wie afghanische kinder und äpfel im "kampf gegen den terror" benutzt werden (update)

was nicht wirklich überraschend ist:

(...)"aspekte: Sie gehören zu denen, die immer wieder rausgegangen sind, zeitweise auch mit einer niederländischen Spezialeinheit. In Ihrem Buch schildern Sie ein besonders schockierendes Erlebnis. Sie wurden Augenzeuge, wie eine ISAF-Truppe geklärt hat, wo sich vermintes Gelände befindet. Die ISAF-Soldaten haben dabei Kinder benutzt. Die Soldaten haben ihnen Äpfel gezeigt - und diese dann auf ungeklärtes Gelände geworfen. Dies, um zu sehen, was passiert. Ob die hungrigen Kinder den Äpfeln hinterherlaufen, oder nicht. Sie schreiben in Ihrem Buch, wenn es keinen Knall gab, konnte das Areal als 'minenfrei' in die Karte eingezeichnet werden. Auch wenn an diesem Tag, an dem Sie dabei waren, nichts passiert ist: Man fragt sich doch, wie zynisch diese Truppen vorgehen, die den Menschen in Afghanistan Freiheit und Menschenrechte bringen sollen?

Wohlgethan: Ich muss betonen, dass dies keine Angehörigen der Bundeswehr waren, sondern Soldaten anderer ISAF-Nationen. Und natürlich hört sich das mit Sicherheit brutal an. Ich glaube, dass die Leute, die auf solche Gedanken überhaupt kommen, schon in der Vergangenheit Kameraden gesehen haben, die zu Schaden gekommen sind durch Minen. Für die ist ganz klar: Das möchte man nicht noch einmal haben. Sie denken zuerst an ihren Buddy, ihr Team, die Kameraden - die wollen am Ende in einem Stück nach Hause."




letztere sätze sind - vielleicht mit viel gutem willen - in anbetracht der grundsätzlich dehumanisierenden wirkungen von kriegen nachvollziehbar (ebenso nach betrachten der obigen bilder aus afghanistan), jedoch zieht der (ex?-)soldat hier nicht die naheliegende konsequenz, kriege als überwiegend als "normal" angesehene form von "konfliktlösungen" grundsätzlich als ausdruck von längst ins pathologische abgeglittenen antisozialen verhältnissen zu ächten (was selbst für "gerechte" und in einem gewissen sinne auch notwendige kriege wie den gegen nazi-deutschland gilt), sondern er verschanzt sich innerhalb der üblichen logik und muss dann zwangsläufig bei einer position enden, die sich in einem satz vielleicht so formulieren ließe:

"stirb du heute - ich aber erst morgen."

und in der gleichen logik muss er dann auch zu folgenden schlüssen kommen:

"aspekte: Aber wenn die Soldaten der ISAF so ticken, also in diesem Fall das Risiko in Kauf nehmen, dass ein Kind getötet werden könnte - was sollen die Afghanen dann von dieser Truppe halten?

Wohlgethan: Natürlich, wenn man das in Deutschland hört, dann sagt man 'Das kann doch nicht wahr sein!' Das ist richtig. Aber genauso muss man auch sagen: 'Dann gebt den Leuten, dann gebt den Soldatinnen und Soldaten mehr Material, mehr Ausrüstung, mehr ausgebildetes Personal, um die Lage dort zu klären!' Es ist ja immer wieder das Gleiche: Ich kann die Leute nicht einfach irgendwo hin schicken, ohne die entsprechende Ausrüstung und ohne entsprechende Ausbildung. Das kann ich nicht machen."(...)


die frage, was "die leute" da überhaupt zu suchen haben, stellt sich ihm offensichtlich (noch?) nicht - armeen jedenfalls, die im auftrag der korrupten und demokratiesimulierenden regimes des "freien westens" unterwegs sind, werden grundsätzlich kein interesse daran haben dürfen, die unbestitten desolaten verhältnisse in afghanistan (und in anderen regionen) tatsächlich im interesse der dort jeweils lebenden menschen zum positiven hin zu verändern. daran ändern auch irgendwelche pr-inszenierungen von krankenhaus- und schulneubauten wenig bis gar nix.

wie immer man wohlgetans berichte im einzelnen wertet - unter
endstation-kabul ist u.a. ein blog erreichbar - die obige geschichte hat jedenfalls bereits eine typische reaktion der militärischen bürokratie hervorgebracht :

(...)"Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärte, die Aspekte würden geprüft."

"die aspekte würden geprüft" - hungrige kinder, die mittels geworfenen äpfeln in potenzielle lebensgefahr gebracht werden, gehören also zu aspekten. auch an dieser stelle sind die verlautbarungen aus der hierarchie der macht wie so oft bezeichnend. was sonst noch zu diesen aspekten gehört, lässt sich zusammenfassend
hier nachlesen:

(...)"Über weite Strecken ist das Buch im Landserstil geschrieben – es geht um Männer, die weinen müssen, wenn sie beim Zapfenstreich Lilly Marleen hören. Dazwischen finden sich aber Informationen von erheblicher Brisanz: So haben Wohlgethan und andere deutschen Elitesoldaten im Jahr 2002 mit Wissen ihrer Vorgesetzten außerhalb des vorgeschriebenen Mandatsgebietes operiert und damit gegen Vorgaben des Bundestages verstoßen. Dies sei »mindestens ein Dutzend Mal« vorgefallen. Weitere Vorstöße außerhalb des Mandatsgebiets habe er an der Seite der niederländischen »Korps Commandotroepen« (KCT) durchgeführt. Im August 2002 nahm Wohlgethan südlich von Kabul an einem Einsatz teil, bei dem zwölf Afghanen unter ungeklärten Umständen erschossen wurden. Zudem berichtet der Ex-Stabsunteroffizier, wie er in Afghanistan für den Militärischen Abschirmdienst (MAD) der Bundeswehr aktiv wurde. Dabei seien er sowie deutsche Fernspähsoldaten gegen angebliche Waffenhändler und -labors vorgegangen. MAD-Operationen im Ausland sind aber erst seit 2004 gesetzlich erlaubt."(...)

aber auch das ist nun keinesfalls mehr überraschend - dass sich selbsterklärte "eliten" und ihr fußvolk keinesfalls an irgendwelche gesetze gebunden fühlen, lässt sich inzwischen so ziemlich jeden tag wahrnehmen. ebenfalls, dass diese haltung bisher ohne große konsequenzen existieren kann.

*

edit am 14.01.: inzwischen gibt es auch von anderer seite
belege für die erwähnten mandatsverstöße:

"Die Bundeswehr hat offenbar gegen den Bundestagsbeschluss für den Afghanistan-Einsatz verstoßen. Dem niederländischen Radio liegen Beweise vor, dass Soldaten 2002 außerhalb des Isaf-Mandatsgebietes operierten. Gestern hatte ein ehemaliger Bundeswehr-Soldat gleichlautende Anschuldigungen erhoben."(...)

Dienstag, 1. Januar 2008

notiz: ein himmel voller geigen... (update 3 am 17.01.08)

...ist das hier beschriebene definitiv nicht - und es gehört kein großer mut zur prophezeiung "demnächst auch über Ihrer stadt":

(...)" In Straßburg, das in früheren Jahren in der Silvesternacht regelmäßig Schauplatz von Krawallen war, wurden die sozialen Brennpunkte am Rande der Stadt aus der Luft von einem unbemannten Aufklärungsflugzeug überwacht. Am Neujahrsmorgen meldete die Präfektur 13 abgebrannte Autos, 30 weniger als im Jahr zuvor."

mittels des heiligen fetischs "auto" wird so nebenbei also die einführung luftbasierter überwachung gerechtfertigt - das verheisst für die zukunft noch
viel spaß im luftraum über unseren köpfen - wenn denn erst mal genügend leute auf die idee gekommen sind, dass eine liveübertragung aus nachbars garten u.u. viel spannender ist als das aktuelle fernsehprogramm. wie so etwas dann aussehen könnte? bitte sehr - der chaos computer club mit einer bastler-demonstration:



mehr zum thema in dieser älteren
meldung.

*

edit am 14.01.: jetzt geht´s los! - dieser ruf aus der fussballwelt ist hier durchaus passend:

(...)"So soll eine sogenannte Drohne angeschafft werden. Eine ziemlich spektakuläre Maßnahme, wenn es um Fußball geht: Drohnen, mit Videokamera versehene unbemannte Aufklärungsflugzeuge, werden normalerweise vom Militär genutzt, beispielsweise zur Feindbeobachtung. Bei der Bundeswehr kamen diese Drohnen im Kosovo-Krieg zum Einsatz."(...)

damit folgt die innere aufrüstung einem altbekannten muster: zunächst werden eigentlich fast immer die neuen technologien der repression an und gegen gruppen eingesetzt, von denen sich die bevölkerungsmehrheit mehr oder weniger leicht abgrenzen kann bzw. vielleicht sogar bedroht fühlt - und hooligans sind nun mal im allgemeinen keine besonders sympathischen menschen. was aber nichts daran ändern wird, dass diese zielgruppe nur das einfallstor ist - und zwar nicht nur für eine schleichende gewöhnung an die luftüberwachung.

eine ähnliche strategie lässt sich gerade auch in großbritannien beobachten: hier geht es um
implantierte rfid-chips , bei denen zunächst knastinsassen als versuchsobjekte herhalten sollen.

*

edit am 15.01.: ohne weiteren kommentar:


(...)"Für Microdrones ist die zunehmende Konkurrenz unterdessen noch nicht zur Belastung geworden. "Wir haben Anfragen aus allen Bereichen der Gesellschaft", sagt Rohde, "Behörden, Privatdetekteien oder auch Firmen, die den MD4-200 zum Personschutz einsetzen."(...)

*

edit am 17.01.: ist irgendjemand
überrascht?

(,,,)"Doch warum sollte eine Landespolizei, wenn sie erst einmal entsprechende Technik zur Verfügung hat, sich auf die Überwachung von einigen Fußballspielen im Jahr beschränken? Thomas Große, der Pressesprecher des sächsischen Innenministeriums, bestätigt gegenüber ZEIT online, dass die Drohne „bei jeglichen Ausschreitungen im Freistaat Sachsen“ eingesetzt werden soll. Sein Stellvertreter Lothar Hofner ergänzt: „Sie dient der Strafverfolgung allgemein.“

Was diese Worte für die Zukunft bedeuten können, ist in Paragraf 38 des sächsischen Polizeigesetzes nachzulesen. Sinngemäß steht dort, dass die Behörden bei öffentlichen Veranstaltungen und Demonstrationen Foto- und Videomaterial sammeln dürfen, wenn „Tatsachen die Annahme rechtfertigen“, dass dort Straftaten begangen werden oder „sonstige erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit“ drohen.(...)

Wer nur ein paar Minuten mit den Satellitenbildern von Google Earth oder Microsoft Virtual Earth gespielt hat, kann sich ausmalen, welch mächtiges Werkzeug die Einsatzkräfte mit der Drohne in die Hand bekämen: Man multipliziere die Detailschärfe solcher Bilder um ein Vielfaches – nämlich so, dass sich die Gesichter einzelner Personen mühelos erkennen lassen – und stelle sich vor, dass hier nicht statische Fotos betrachtet werden, sondern ein Video des aktuellen Geschehens. Mit einem Wippen des kleinen Fingers kann der Beobachter weiterfliegen, einzelne Gruppen anvisieren oder die Ereignisse in der Totalen betrachten, ohne sich selbst zu bewegen. Die so Beobachteten bemerken von all dem nichts."(...)


ich sagte es ja glaube ich schon früher bei verschiedenen gelegenheiten: lesen Sie mehr science fiction, besonders die klassiker dick, ballard, brunner und lem. mittlerweile lassen sich ganze listen von treffern erstellen, die die genannten (und einige mehr) hinsichtlich der verwirklichung ihrer teils jahrzehntealten dystopischen visionen erzielt haben.

Montag, 31. Dezember 2007

vor zwei jahren...

...hatte ich am heutigen datum das hier geschrieben - und bis auf weiteres bleibt dem aus meiner sicht auch nix hinzuzufügen. außer natürlich der aktualisierung aller guten wünsche. kommen Sie gut rein.

Freitag, 14. Dezember 2007

assoziation: "deutsche zustände" (update 3 am 28.12.)

zunächst eine kleine erinnerung:

"Nichts wird in Zeiten allgemeiner Egomanie so verhöhnt wie der Altruismus. Menschen, die sich nicht auf der Siegerstraße befinden, sollen aus unserem Blickfeld verschwinden. Da jeder sich selbst gehört, ist auch jeder für sich selbst verantwortlich. Ich bin meiner mir mich. Nicht Solidarität oder zumindest Betroffenheit ist angesagt, sondern in erster Linie Gleichgültigkeit oder im schlimmsten Fall sogar offene Aggression: "Eure Armut kotzt uns an!" Solidarität war zumindest in Ansätzen etwas, das auf ein Jenseits der zwänglerischen Identität (Ich bin ich) verwies. Sie besagte, dass ich für die anderen da bin, und sie für mich da sind."(...)

(eine kleine kritik an bestimmten begriffen des textes von schandl - wie bspw. "egomanie" - hatte ich damals angefügt, aber darum soll´s hier gerade nicht gehen).

nun ist gestern der sechste band einer laufenden studie (mit dem titel der überschrift) des bielefelder soziologen wilhelm heitmeyer veröffentlicht worden, von dem sich einige kernaussagen
so zusammenfassen lassen:

"Die sozialen Beziehungen geraten nach der Studie immer mehr unter Druck. Fast die Hälfte der Befragten stimmt der Aussage zu, dass die meisten Langzeitarbeitslosen nicht wirklich daran interessiert seien, eine Arbeit zu finden. Etwa die gleiche Anzahl gab an, es gebe "Dinge, die wichtiger sind als Beziehungen zu anderen". Etwa ein Drittel stimmt der Aussage zu, die Gesellschaft könne sich wenig nützliche Menschen und menschliche Fehler nicht mehr leisten. Rund 40 Prozent sind der Ansicht, es werde zuviel Rücksicht auf Versager genommen. 25 Prozent finden, dass "moralisches Verhalten ein Luxus ist, den wir uns nicht mehr leisten können."

in einem
radiointerview ist speziell zu den obigen ergebnissen näheres zu lesen:

(...)"Kassel: Kann man aus den Antworten, die Sie in diesem Zusammenhang und in ähnlichen bekommen haben, tatsächlich schließen, dass wir immer zunehmend in einer konkurrenzbasierten Gesellschaft leben, also dass dieses Leistungsprinzip, das ja, obwohl es einen Linksruck gibt und das viele Leute im Kopf vielleicht ablehnen, dass dieses Leistungsprinzip im Alltag immer wichtiger wird?

Heitmeyer: Das kann man durchaus feststellen, denn wir ermitteln, dass auf der einen Seite ja die Angst bei Arbeitslosigkeit und damit parallel auch zum Teil die konkurrenzbasierte Fremdenfeindlichkeit abnimmt, und das ist kein Zufall, sondern das ist ein kausaler Zusammenhang. Auf der anderen Seite steigt aber das, was wir Flexibilitätszwang nennen, also auch die nahen sozialen Beziehungen zum Teil unter Nutzenkalkülen sehr viel stärker zu beachten, das heißt, ob es mir nützlich ist eigentlich, überhaupt noch soziale Beziehungen zu pflegen, das heißt, dass wirtschaftliche Kalküle, die im Rahmen der Wirtschaft durchaus angemessen sind, dann aber einsickern auch in soziale Lebenszusammenhänge. Und das, glaube ich, ist schon beunruhigend, denn wir können gleichzeitig dann auch Zusammenhänge feststellen mit den Menschen, die man dann nach Nutzenkalkülen beurteilen kann, also zugewanderte Fremde mit zum Teil niedrigen Qualifikationen oder Langzeitarbeitslose oder Obdachlose oder Behinderte. Und das signalisiert uns doch ein erhebliches Problemfeld."(...)


wo es in diesem land einen "linksruck" gibt, bleibt das geheimnis des interviewers - und wenn heitmeyer beklagt, dass die "im rahmen der wirtschaft durchaus angemessenen" objektivistischen kalküle nun auch in soziale lebenszusammenhänge einsickern, dann outet er sich damit zumindest indirekt als einer derjenigen, die die grundsätzlich totalitäre und übergriffige tendenz des extremistischen kapitalismus nicht verstehen. aber immerhin - oder besser: leider - wird damit in den grundzügen etwas verifiziert, was
früher hier so zu lesen war:

(...) "...stets stehen diese entwicklungen im kontext der verdinglichung und durchkapitalisierung, die von elitärer seite aus als einziges modell für den gesamten planeten versucht wird durchzusetzen. der angriff auf unsere ganz spezifisch menschlichen beziehungsfähigkeiten ist dabei inzwischen unübersehbar, und der "erfolg" dieses angriffs ist u.a. in den steigenden zahlen der sog. psychischen krankheiten abzulesen. und dieser angriff zielt ebenfalls ganz unübersehbar auf den eigentlichen kern dessen, was uns überhaupt erst zu menschen macht: die fähigkeiten zur solidarität, empathie/mitgefühl, altruismus - die menschliche liebesfähigkeit in all ihren ausprägungen.

und wenn dieser angriff durchkommt, wird er der tödlichste überhaupt aller denkbaren angriffe sein. er zielt auf die absolute basis aller sozialität."(...)


ergänzend würde ich heute anfügen, dass die fatalen entwicklungen zwar von den "eliten" forciert und institutionell umgesetzt werden - sie benötigen aber bei der mehrheit aller menschen einen entsprechenden resonanzraum, meistens in form (versteckter) psychophysischer bedürfnisse - und das ist in meinen augen das entscheidende.

und ebenfalls sind die beschriebenen entwicklungen keinesfalls auf d-land alleine beschränkt. wie jedoch ein blick in die geschichte zeigt, neigen ausgrenzung und paranoide verfolgung hierzulande dazu, besonders
monströse dimensionen anzunehmen.

*

was ich persönlich sehr interessant finden würde zu wissen: wieviele der befragten weisen wohl symptome der verschiedenen beziehungskrankheiten auf? aber womöglich würde das auch keine größeren konsequenzen mit sich bringen, wenn selbst eine offizielle psychiatrisch-psychotherapeutische institution z.b. hinsichtlich der
alexithymie folgendes veröffentlicht:

"In vielen Berufen sind Alexithymie-Eigenschaften in unserer Industriegesellschaft eine durchaus erwünschte Eigenschaft. Daraus wird ersichtlich, dass es sich bei der Alexithymie nicht um eine Krankheit handelt."

*

edit am 15.12.: wednesday machte im kommentar auf einen
artikel aufmerksam, der inhaltlich perfekt passt:

(...)"Doch Levy prophezeit rasanten Fortschritt. Anteilnahme, Humor, Verständnis und Liebe - für ihn ist das einzig eine Frage der Technik. Mitgefühl beispielsweise sei "letztlich eine Lernaufgabe" und daher "in Robotern relativ leicht zu implementieren". Die Maschine müsse den Partner schlicht beobachten, dann intelligente Annahmen über dessen Gedanken machen und entsprechend reagieren."(...)

alpträume eines fachidioten. was er da als "lernaufgabe" beschreibt, ist tatsächlich nichts anderes als eine beschreibung der funktion des objektivistischen modus im menschen: (primär kognitive) beobachtung -> logische schlüsse mittels instrumenteller intelligenz -> simulation von emotionen. der arbeitsmodus eines soziopathen, einer als-ob-persönlichkeit. das wort "beziehung" in diesem kontext zu benutzen, ist entweder reine propaganda oder tatsächliche unkenntnis vom wesen authentischer menschlicher beziehungen.

für die weiter oben zitierten leute allerdings, die meinen, es "gäbe wichtigere dinge als beziehungen", könnten solche maschinen tatsächlich eine gewisse anziehungskraft besitzen. eine echte marktlücke, die einmal mehr beweist, dass der kapitalismus aus buchstäblicher scheiße noch gold machen kann. um das als positives merkmal zu betrachten, muss man allerdings selbst bereits schwer psychophysisch geschädigt sein.

*

edit am 27.12.: eine
untersuchung, die sich wie eine ergänzung zur studie von heitmeyer und co. lesen lässt:

(...)"Wer in deutschen Unternehmen Karriere machen will, muss sich offenbar einer systematischen Erziehung zur Unmoral und Rücksichtslosigkeit unterziehen. Viele Führungskräfte sind der Ansicht, dass man daran nichts ändern kann. Manche scheinen sich gar in der Opferrolle zu sehen wie die Antwort eines Befragten zeigt: "Das Schlimmste ist der Zwang, an Maßnahmen mitwirken zu müssen, die eindeutig unmoralisch sind und allein dem Vorteil und Karrierestreben der Vorgesetzten dienen."(...)

wobei sich fast schon automatisch die frage stellt, ob sich für die befragten nicht der erwähnte vorteil zugunsten des konkurrenten als ärgerlichste sache darstellt...

*

edit am 28.12.: das fest der liebe 2007 - eine unvollständige
bilanz :

"In Bayern tötet eine Mutter ihre beiden Söhne, in Hessen versucht ein Vater, seine Tochter anzuzünden. Das diesjährige Weihnachtsfest wurde von Gewalttaten und Familientragödien getrübt."(...)


weiteres:

"Im sächsischen Kirchberg ist ein Zweijähriger vermutlich verhungert und verdurstet. Die 23 Jahre alte Mutter wurde Polizeiangaben zufolge festgenommen. In Bayern versuchte ebenfalls am zweiten Weihnachtstag ein 24-Jähriger, ein Kleinkind totzutreten."(...)

tote kinder, psychisch kranke, eifersuchtsdramen (die immer auch etwas mit besitzdenken zu tun haben), ein ermordeter obdachloser und auch der von zwei jugendlichen fast totgeprügelte alte mann in münchen (incl. des bei dieser geschichte in der pseudoverarbeitung auftretenden öffentlichen rassismus)...so drücken sich die deutschen zustände ganz real und absolut unlustig aus. und so sieht es aus, wenn "wichtigere dinge als beziehungen" zum allgemeinen leit(d)bild erhoben werden.

Montag, 10. Dezember 2007

notiz: verbieten, bestrafen, kriminalisieren: das ist "deutschland". (update)

es gibt in diesem abgründigen land inzwischen jeden tag mehr und mehr krankes zeug, verbraten von angeblichen "eliten", welches die laune von stinksauer über angewidert zu inzwischen fast völliger verachtung derjenigen subjekte wachsen lässt, die hier meinen, ihre pathologien ungeniert ausleben zu dürfen. es ist mittlerweile schlicht und einfach unerträglich geworden. punkt.

(...)"Am Donnerstag wird der Bundestag über Sex sprechen – genauer gesagt über die Sexualität von jungen Menschen. Um was geht es genau?

Es geht darum, dass vernünftige und ausgewogene Regeln im Sexualstrafrecht zu Lasten von Jugendlichen verschoben werden sollen.

Wie?

Das will ich an zwei Beispielen klar machen. Nach der jetzigen Rechtslage ist es so: Wenn es unter Ausnutzung einer Zwangslage oder gegen Entgelt zu einem Sexualkontakt kommt, dann ist nach jetzigem Recht eine Strafbarkeit gegeben, wenn der Täter erwachsen ist, also über 18, und das Opfer unter 16. Der Sinn ist, dass es zwischen Täter und Opfer ein Machtgefälle gibt, einen Altersunterschied, einen sozialen Druck – ein Erwachsener bedrängt einen unter 16-Jährigen.

Klingt nach einer sinnvollen Regelung.

Ja, das ist ja die Gesetzeslage jetzt – aber die neue Lage wird so sein: Die Bundesregierung senkt das Täteralter von 18 auf 14 und das Opferalter wird von 16 auf 18 erhöht. Was heißt das? Wenn jetzt eine 15-Jährige zu einem 17-Jährigen sagt: "Ich lade dich ins Kino ein, wenn du nachher mit mir Petting machst", dann ist das schon eine Straftat. Dazu kommt: Bisher war bei dieser Regelung der Versuch nicht strafbar. Die Bundesregierung wird aber jetzt an diesem Donnerstag den Versuch zu einer Straftat erklären. Das heißt bei unserem Beispiel: Die 15-Jährige lädt den 17-Jährigen unter der Vorraussetzung ins Kino ein, dass er danach mit ihr auf ihr Zimmer geht. Selbst wenn der junge Mann sagt: "Ich hab´ keine Lust", dann ist die 15-Jährige trotzdem strafbar.

Das hört sich sehr theoretisch an – als junger Mensch werde ich doch nicht gleich zur Polizei rennen.

Moment, das ist doch nicht unsere Debatte. Stellen Sie sich mal vor, irgendwelche Eltern oder Erzieher erfahren davon – und erstatten Strafanzeige, aus irgendwelchen Gründen!
Uns geht es darum: Welches Signal sendet der Bundestag gegenüber jungen Menschen und ihrer Sexualität aus?

Welches denn?

Puritanismus und Prüderie der 50er Jahre. Das ist der Rückfall in eine Zeit, die ich nur aus meiner Jugendzeit kenne.(...)

Die Große Koalition…

… die Große Koalition will in sexuellen Dingen in bestimmten Bereichen dirigierend eingreifen. Das Bundesjustizministerium sagt, es sei nur redlich bemüht, Kinder vor Prostitution zu schützen – aber das ist doch überhaupt keine Frage! Kinder sind jetzt schon vor Prostitution geschützt. Es gibt nur ein Problem: Was sind Kinder? Nach deutschem Recht sind Kinder alle bis 14 Jahre. Danach sind es Jugendliche. Ab 18 sind es Heranwachsende. Nach internationalem Recht sind Kinder, also der Begriff „Kind“, alle unter 18 Jahre. Die Bundesregierung zerstört dieses sinnvoll aufgebaute Verhältnis im deutschen Sexualstrafrecht: Unter 14 – alles tabu. Zwischen 14 und 16 – sehr hoher Schutz. Zwischen 16 und 18 – ein etwas niedrigerer Schutz. Ab 18 – Freiheit. Diese feine Austarierung, die aus dem liberalen Sexualstrafrecht der 70er Jahre stammt, wird jetzt in einem Roll-Back zunichte gemacht.

Nochmal konkret: Wenn ich 17 bin und einen guten gleichaltrigen Freund habe, der mit seiner Freundin auf der Wiese einfach nur knutscht, dann darf ich die nicht fotografieren?

Genau. Sie dürfen dann kein Foto herstellen, weil das Minderjährige bei sexuellen Handlungen sind. Und wenn sich das Pärchen selber fotografiert, dürfen sie die Bilder gerade noch behalten – aber zum Beispiel nicht an jemand anderen schicken. Das hat mit dem Schutz der Kinder vor Prostitution überhaupt nichts mehr zu tun.

Das klingt verrückt.

Das klingt nach mehr Staat – nach der Einmischung des Staates in private Dinge von Menschen. Insbesondere in die aufkeimende Sexualität junger Menschen. Das ist ein moralisches Roll-Back in Zeiten, die man längst hinter sich glaubte.(...)

Und das wird am Donnerstag beschlossen?

Das werden die durchziehen, ja."(...)


so, wie sie es seit eh und je gewohnt sind, jeden noch so menschen- und lebensfeindlichen dreck durchzuziehen. wohlgemerkt: es geht hier keinesfalls um den realen und notwendigen schutz von kindern vor sexualisierter gewalt in all ihren formen, sondern um etwas, das sich auf gleicher ebene mit den totalitären verbotstendenzen im gesamten sog. "freien westen" (eine bezeichnung, die inzwischen nur noch die intelligenz beleidigt) befindet, die sich schon seit längerer zeit an allen ecken und enden beobachten lassen. aber wie heißt es so treffend: der krug geht so lange zum brunnen, bis er bricht.

*

edit am 14.12.: die abstimmung über die gesetzesverschärfung wurde zwischenzeitlich
verschoben - wobei über die gründe dafür durchaus spekuliert werden darf. an den gerade beginnenden öffentlichen diskussionen über dieses projekt wird das jedenfalls eher nicht gelegen haben. und auch nicht am umstand, dass hier faktisch eine umsetzung von eu-recht stattfinden soll.

Montag, 3. Dezember 2007

notiz: lesenswertes zur gewalt gegen kinder (update)

den tod des kleinen mädchens neulich möchte ich nicht weiter kommentieren; zu solchen schreckensnachrichten ist im blog in der vergangenheit einiges zu lesen, was für mich auch beim neuen "fall" weiterhin gültigkeit hat. im folgenden aber zum thema an sich einige texte der letzten wochen, die mir aufgefallen sind.

*

zum beispiel celestine:

(...)"Celestine erträgt Handwerkermärkte nur schwer. Als die zwölfjährige Berlinerin vor ein paar Monaten in einem Bauhaus war, sah sie in den langen Regalen ein silberfarbenes Klebeband liegen - und musste das Gebäude sofort verlassen. Das Klebeband erinnerte sie an ihr Martyrium, das sie einst mit knapper Not überlebt hat. Weil sie so laut war, hatten ihre Eltern ihr wochenlang, vielleicht länger, mit einem solchen Tape den Mund zugeklebt. Es blieb nur ein kleines Loch, damit sie noch atmen konnte. Soll man sagen: immerhin?"(...)

ich verweise auf diesen artikel, weil darin - wieder einmal - eine fatale dynamik deutlich wird:

(...)"Silke R. erzählt, ihr Vater, ein Justizvollzugsbeamter, habe sie in ihrer Kindheit immer geschlagen, wenn sie schlechte Noten nach Hause gebracht habe: "Am liebsten hat er es dann immer mit der Hundepeitsche getan."

Auch Michael R. sagt, sein Vater habe ihn als Kind dauernd geprügelt. Als er 13 Jahre alt war, sei sein Papa gestorben. "Ich habe das als Wohltat empfunden, dass er gestorben ist."(...)


die trostlose wiederkehr des immer gleichen - es wird re-inszeniert, bis die knochen krachen und sich die seele seufzend in den dunkelsten winkel verzieht. was könnte das hier für eine welt sein, ohne diesen kreislauf des terrors!

*

sehr kurz jetzt einige blogperlen, thematisch um ähnliches kreisend: auf alarmschrei viele gute gedanken zum
erbarmen für die niedlichen, wildwuchs steuert kluges zum thema des posens (aka tun-als-ob) bei, und beim pantoffelpunk gibt es einen beklemmenden eigenen erfahrungsbericht. lesen Sie´s.

*

edit am 04.12.: auf die schnelle noch ein paar linknachträge, die teils indirekt viel mit dem grundthema dieser notiz zu tun haben. in der gestrigen taz fanden sich im
interview mit dem autor einen neuen biographie zu stalin u.a. folgende passagen:

taz: Herr Montefiore, Sie schildern zu Beginn Ihres Buches die immerwährenden Prügel, die Stalins Eltern ihrem Sohn verabreichten. Welche Bedeutung für die Persönlichkeit Stalins messen Sie dem bei?

Simon Sebag Montefiore: Häusliche Gewalt als erklärenden psychologischen Faktor einzuführen scheint etwas billig. Wie viele Menschen wurden als Kind geprügelt oder hatten einen Vater als Alkoholiker, ohne später zu Tyrannen und Mördern zu werden? Solche Erklärungen sind ähnlich gestrickt wie die These, wir hätten es bei Stalin (oder bei Hitler) schlicht mit Verrückten zu tun. Beide waren sehr effektive Politiker, die das Leben von Millionen Menschen zerstört haben. Sie sind verantwortlich. Man kann sie nicht durch den Hinweis auf Wahnsinn entlasten."


nun, ich würde montefiore korrigieren wollen: häusliche - innerfamiliäre - gewalt als erklärende struktur für das antisoziale handeln von leuten vom schlage eines stalin heranzuführen, ist nicht nur nicht "billig", sondern zum verständnis schlicht unverzichtbar. ebenso handelt es sich nicht um etwas - quasi immaterielles implizierendes - "psychologisches", sondern um die ganz materiellen - u.a. in bestimmten hirnregionen - veränderungen, die solche gewalt produziert.

zweitens: nicht alle opfer werden täter, aber so ziemlich alle täter waren auch opfer. alternativ können diverse selbstdestruktive lebensmuster beobachtet werden, oder im günstigsten fall und ganz primär durch die kraft von authentischen beziehungen ein echter heilungsprozeß. wer nicht das glück hat bzw. hatte, aus einer destruktiven und malignen sozialen matrix durch wenigstens eine derartige beziehung ganz andere erfahrungen machen zu können, kann sich bei entsprechenden milieus und in der entsprechenden historischen situation durchaus als tyrann in den geschichtsbüchern verewigen. auch wenn dieser weg glücklicherweise nur von wenigen beschritten wird, zumindest im massenwirksamen maßstab: jeder ist einer zuviel.

drittens schließen sich verrückt-heit und effektivität - die auch etwas mit objektivistischer intelligenz zu tun hat - keinesfalls aus. und gerade bei einer derartigen konstellation greift der hinweis auf die persönliche verantwortung überhaupt nicht, da dieses konstrukt die psychophysischen besonderheiten von antisozialen menschen eines solchen kalibers schlicht nicht kennt. etwas mehr zu diesem thema in den beiträgen zu
saddam hussein und adolf hitler.

im übrigen finde ich, dass sich montefiore durchaus mit seinem ersten satz der nächsten antwort selbst widerspricht:

"Welche Bedeutung haben die Gewalterfahrungen, die der junge Stalin als Bandit in Georgien machte?

Die "Kultur der Gewalt" ist ein wichtiger Erklärungsfaktor. Die Gegend, in der Stalin aufwuchs, war durchtränkt von körperlicher Gewalttätigkeit, von der Allgegenwart unterschiedlicher Formen von Terror. Ich würde allerdings nicht speziell von einer georgischen, sondern von einer kaukasischen Kultur der Gewalttätigkeit sprechen. Nicht nur deklassierte Gangster bedienten sich gewaltsamer Mittel wie der Erpressung, des Raubes, der Banküberfälle und der Entführung, sondern ebenso Angehörige der Oberschicht: der Typus des Aristokraten als Outlaw. Man übertreibt in diesem Zusammenhang oft die Rolle von Juden in den Reihen der Bolschewiki. Die Zahl und Bedeutung kaukasischer Revolutionäre war hingegen sehr groß - das wäre ein wirklich interessanter Untersuchungsgegenstand."(...)


und die benannte "kultur der gewalt" in der betreffenden region ist - ebenso wie anderswo - nicht zu verstehen ohne die existenz einer ebenso gleichen unkultur der gewalt im umgang mit kindern. nichtsdestotrotz finde ich diesen aspekt von stalins geschichte durchaus interessant und aufschlußreich.

*

in der zeit gibt´s seit ein paar wochen eine kleine reihe zum
ich und du besonders aus der sicht der hirnforschung. populärwissenschaftlich zwar, aber trotzdem lesenswert u.a. wegen solcher sätze, deren bedeutung immer noch zuwenig begriffen wird:

(...)Sicher ist: Ohne Liebe gibt es kein Überleben. Kleinkinder verkümmern oder sterben gar, wenn sie Nahrung, aber keine Liebe bekommen. Selbst von ihren Müttern getrennte Affenbabys hungern lieber, statt auf Geborgenheit zu verzichten, und ziehen eine künstliche Amme mit Kuschelfell einer Drahtfigur mit Muttermilch vor. Das Sehnen nach dem Du bleibt nach der Kindheit bestehen, ein Leben lang. Vor allem aber die ersten Lebensjahre haben Einfluss darauf, wie sehr später das Bedürfnis nach Nähe ausgeprägt ist. Je nachdem wie liebevoll, hilfreich und prompt Eltern auf ihr Kind reagieren, lernt es, sich an einen anderen Menschen zu binden, Angst vor Zurückweisung zu haben oder zu viel Nähe zu fürchten."(...)


*

noch grundlegender wird es in einem interview im
freitag zum thema: Was hat der Fellverlust des Menschen mit Schizophrenie zu tun? ein interessantes gespräch über psychiatrie, anthropologie und die sozialität des menschen.

*

und zum ende schließt sich der kreis: momentan sind wieder lange passagen aus deMauses "das emotionale leben der nationen"
online zu lesen. tipp! und da vor allem das kapitel Die Ursprünge des Zweiten Weltkrieges und des Holocaust in deutscher Kindeserziehung. speziell dieses kapitel ist für eine längere kommentierung schon vorgemerkt. wenn Sie z.b. wissen möchten, woher die landesspezifische unfähigkeit zu revolutionen und die deutsche autoritätshörigkeit letztlich ihre wahrscheinliche basis haben - hier finden Sie plausible erklärungsansätze.

weitere verschiebung

so, da ich einerseits auch diese woche wg. zuviel verschiedener arbeit nicht dazu kommen werde, die im letzten beitrag erwähnten texte zu schreiben, und andererseits zur bereits vorliegenden frage einer leserin im gästebuch hinsichtlich meiner meinung zu gemeinsamkeiten/unterschieden zwischen asperger-autismus und soziopathie nun noch eine ähnliche frage bezgl. asperger und alexithymie dazugekommen ist, möchte ich zur überbrückung einige alte beiträge empfehlen, aus denen meine eigene position zumindest teilweise schon herauszulesen ist - ein sicheres wissen zu diesen fragen lässt sich meiner kenntnis beim aktuellen forschungsstand eh nicht behaupten. allerdings lassen sich durchaus einige pfade im nebel ausmachen. hier also die links zu den beiträgen mit den inhalten alexithymie; (asperger-)autismus; soziopathie

User Status

Du bist nicht angemeldet.

US-Depeschen lesen

WikiLeaks

...und hier geht´s zum

Aktuelle Beiträge

Es geht ihm gut? Das...
Es geht ihm gut? Das ist die Hauptsache. Der Rest...
Grummel (Gast) - 23. Jan, 21:22
Im Sommer 2016 hat er...
Im Sommer 2016 hat er einen Vortrag gehalten, in Bremen...
W-Day (Gast) - 23. Jan, 14:49
Danke, dir /euch auch!
Danke, dir /euch auch!
Grummel - 9. Jan, 20:16
Wird er nicht. Warum...
Wird er nicht. Warum auch immer. Dir und wer sonst...
Wednesday - 2. Jan, 09:37
Ich bin da, ein Ping...
Ich bin da, ein Ping reicht ;) Monoma wird sich...
Grummel - 15. Sep, 16:50
Danke, Grummel. Das Netzwerk...
Danke, Grummel. Das Netzwerk bekommt immer grössere...
Wednesday - 13. Sep, 10:02
Leider nicht, hab ewig...
Leider nicht, hab ewig nix mehr gehört.
Grummel - 12. Sep, 20:17
Was ist mit monoma?
Weiss jemand was? Gruß Wednesday
monoma - 12. Sep, 14:48
Der Spiegel-Artikel im...
Den Spiegel-Artikel gibt's übrigens hier im Netz: http://www.spiegel.de/spie gel/spiegelspecial/d-45964 806.html
iromeister - 12. Jun, 12:45
Texte E.Mertz
Schönen guten Tag allerseits, ich bin seit geraumer...
Danfu - 2. Sep, 21:15

Suche

 

Status

Online seit 7325 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

Besuch

Counter 2


assoziation
aufgewärmt
basis
definitionsfragen
gastbeiträge
in eigener sache
index
kontakt
kontext
lesen-sehen-hören
notizen
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren