weildrübendie dokumentation des eigenen unverständnisses - wiederum kombiniert mit etlichen unverschämtheiten - neue blüten getrieben hat, nun also - und das soll dann auch endgültig genügen, weil ich aus meiner perspektive... nein, nicht alles, aber das meiste geschrieben habe, was ich im kontext für relevant halte - noch einige anmerkungen.
*
es fällt mir auf, dass "momorulez" (mr) augenscheinlich entweder überhaupt nicht oder nur selektiv liest, was ich schreibe - oder aber es nicht begreift. keine der optionen finde ich besonders angenehm. das gemeinte wird bereits in den allerersten sätzen deutlich:
"Gehört sich ja, wenigstens auf das, was dort drüben intersubjektiv noch irgendwie nachvollziehbar bleibt, ein paar Worte zu verlieren; wenn ich die chronische Verwirrung da lese, tut mir das leid und Emphatie setzt ein."
mal von den impliziten zuschreibungen (die sich sogar als stigmatisierend lesen lassen - auch "chronische verwirrung" ist ein diagnostisches kriterium) abgesehen, mit denen er interessanterweise genau das betreibt, was er ja seiner ansicht nach so tapfer bekämpft - "der ist zwar eine verwirrte arme sau, aber ich bin mal höflich und mitleidsvoll" - die "empathie" kann er sich sonstwo hinstecken, weil es sich dabei um ein beispiel genau für das handelt, was ich neulich schon mal zitiert hatte:
"virtuelle kommunikation ist nämlich in sich grundsätzlich immer und unter allen umständen eine simulative kommunikation. warum? weil die entscheidende bedingung der körperlich-materiellen präsenz der kommunizierenden wegfällt, was alle beteiligten zwangsläufig in den bereich der konstruktivistischen wahrnehmungssurrogate des objektivistischen bewusstseins hineinzwingt. ich kann mir niemals sicher sein, wer im chat, hinter der mail oder dem forumsnick steckt und noch weniger darüber, wie der aktuelle psychophysische zustand des anderen tatsächlich aussieht - beste projektionsflächen also, um sowohl meine eigenen fiktionen unterzubringen als auch zum objekt fremder fiktionen zu werden."
wer die virtuelle präsenz eines anscheinend anderen - woher will er denn wissen, dass er sich nicht mit einem programm, einem autorenkollektiv oder sonstwem streitet - umstandlos mit körperlicher realität gleichsetzt und derart dann "empathie" behauptet, was unter diesen umständen wie gesagt nur ein konstruktivistisches wahrnehmungssurrogat sein kann, weil sich authentische empathie nur im realkontakt einstellen kann, da ihre entstehung funktionell an die ganzheitliche wahrnehmung anderer körperlichkeit gebunden ist - als offensichtlich gleichwertig der realen und authentischen existenz betrachtet, macht damit schon deutlich, warum er die "postmoderne" so vehement verteidigt.
weiter:
"Das liegt daran, dass ich inmitten dieser Psycho-Diskurse aufgewachsen bin, wie bereits häufiger betont; wenn ich sowas wie eine “postraumatische Belastungssyndrom” habe, dann deshalb, weil ich meine Kindheit und Jugend inmitten von Psychoanalytikern verschiedenster “Schulen” verbracht habe, von Sozialpädagogen und “Psychagogen”. Und manchmal fühlt man sich dann wieder wie das Kind einst, das sich einer Mauer von Manipulationen, Zuschreibungen und Verdrehungen gegenüber sah (...)
gehen ich mal davon aus, dass das realität beschreibt, dann ist das für mr zwar bedauerlich - ich habe durchaus meine eigenen erfahrungen und auch standpunkte mit und gegenüber orthodoxen psychoanalytikern, die eine echte plage sein können und auch aus meiner perspektive eine kritik, die jedoch aus einer ganz anderen richtung herankommt - , kann aber keinesfalls dieses völlig unterschiedlose durcheinanderschmeissen von verschiedensten kategorien rechtfertigen (wenn es auch die hartnäckige fixe idee erklärt, die ich neulich schon mal festgestellt hatte). nochmal: wer die themen und inhalte dieses blogs hier unter "psycho-diskurse" verbucht, hat schlicht entscheidende positionen hier nicht wahrgenommen (oder aber will sie nicht wahrnehmen - eine anfängliche unterstellung, die für mich aber bezgl. mr mehr und mehr gewicht bekommt). ganz zu beginn des blogs hatte ich damals mal in groben zügen die thematiken umrissen:
"autistische zustände und ihre gesellschaftliche produktion und wirkung; psychotraumatisierungen als massenphänomene; lücken und blinde flecken in den heute verbreiteten menschenbildern; die ökonomischen zwangsstrukturen von arbeit und geld; neurowissenschaften und ihre bisherigen ergebnisse; borderline, soziopathie und als-ob-persönlichkeiten; psychiatriekritik; sowie einiges mehr."
und ich beziehe mich explizit auf weitgehend ausgeblendete, ignorierte und verdrängte aspekte dessen, was sich tatsächlich als "psycho-diskurse" in der gesellschaft manifestiert. dazu arbeite ich von beginn an ausdrücklich mit einem mir wesentlich realistischer erscheinenden modell, in dem die "psyche" nicht wie irgendein "geistiges" gebilde in ungreifbaren sphären herumspukt, sondern sich als ein - wenn auch besonderer - aspekt unserer materiellen körperlichkeit entschlüsseln lässt. die hartnäckigkeit, mit der ein mr nicht begreifen will, dass er weitgehend seine eigenen negativen erfahrungen mit einer psychologischen schule tatsächlich in der gegend herumprojiziert, löst bei mir inzwischen mehr als ärger aus.
"Das Unangenehme ist, dass, wenn man sowas schreibt, man dem gegenüber die Gelegenheit gibt, auf die Patholisierungsschiene auszuweichen und dann alles, was man sagt, von irgendwas “Krankem” abzuleiten, was als Praxis selbst zutiefst pathologisch ist, Mo, mag als Beispiel hierfür dienen; und da hilft dann nur Emphatie, ich gebe mir gerade Mühe."
nun, ich würde kindliche negative prägungen nicht per se als "krank" begreifen, wenn sie auch - und dafür sehen wir oben gerade ein beispiel - zu ärgerlichen wahrnehmungsverzerrungen mit der folge abstruser standpunkte führen können. die geradezu unbekümmerte dummheit, mit der mr dann für sich mit einer ptbs - ich würde schon fast sagen, kokettiert - bestätigt dann höchst überflüssigerweise den eindruck, dass er sich tatsächlich mit dem aktuellen wissensstand in bereichen wie der psychotraumatologie und den neurowissenschaften weder auskennt noch dafür ernsthaft interessiert und es lieber vorzieht, sich in der als-ob-freiheit seiner konstruktionen zu bewegen.
sonst wäre es ihm nämlich selbst peinlich, sich mit real traumatisierten menschen auf eine stufe zu setzen. und gerade bei diesem punkt weiß ich sehr genau, wovon ich rede.
"Wie tief diese Pathologisierungsschemata auch weiterhin die Gesellschaft duchdringen, das wird gemeinhin unterschätzt in Zeiten flächendeckender “Externalisierungen”. Nannte man früher Projektion, Mo nennt es “abspalten”, das jedoch setzt mir zu individualpsychologisch an; es sind Zuschreibungen, die man im Bezug auf Gruppen tätigt, um die je eigene Gruppe “rein” zu halten. So fördert man einerseits regierungsamtlich die Familie, wo massenhaft Väter ihre Töchter befingern, um dann im Netz und bei Schwulen Pädophilie zu wittern, z.B.. Meiner Ansicht nach sind große Teile der Psycho-Szenen genau von diesem Prinzip durchdrungen."
mal abgesehen davon, dass es zwischen abspaltung und projektion tatsächlich einen qualitativen funktionellen unterschied gibt, der sich auch nicht unbedingt "individualpsychologisch" begründet - ich würde hier ja anstatt "zuschreibungen" das wort konstruktionen benutzen, denn genau darum handelt es ich meiner meinung nach - in gesellschaften mit einem hintergrund wie dem, den ich hier dauernd versuche näher zu beschreiben, also mit einer dominanz jener verhängnisvollen form von (letztlich psychopyhsisch produzierter) "objektivität" sind derartige konstruktionen sozusagen das tagesgeschäft nicht nur für individuen, sondern auch für gruppen. die einschlägigen ergebnisse lassen sich in jedem brauchbaren geschichtsbuch nachlesen. und nein, ich bestreite durchaus nicht die existenz von konstruktionen - habe ich nie bestritten - und selbst nicht ihre de-konstruierbarkeit, ich sehe jedoch ihre tatsächlichen quellen ganz woanders als all die selbsterklärten de-konstruktivisten -ein beispiel, anhand dessen es vielleicht deutlicher wird:
"konstruierte identitäten, die bis heute den kern der gesellschaftlichen geschlechterstereotypen bilden, sind beliebig austausch- und natürlich auch dekonstruierbar - aber das eigentliche problem versteckt sich eher dahinter: konstruierte identitäten bilden primär krücken für diejenigen, die aufgrund psychophysischer schäden die (körperlichen) grundlagen ihrer eigenen authentischen identität entweder nicht (mehr) wahrnehmen oder aber deren grundlagen erst gar nicht entwickeln konnten. aus dieser perspektive wird deutlich, dass bspw. sebastian b. eine sehr martialische, sehr reduzierte und sehr klassische "männliche" identität eher wie ein kleidungsstück genutzt hat, um die sichtbare tatsache der unfähigkeit zum eigenen authentischen sein quasi zu maskieren. und in diesem punkt unterscheidet er sich keinesfalls von millionen menschen, die sich mit derartigen konstruktionen ebenfalls durchs leben schlagen."
dieses von mir als "eigentliches problem" bezeichnete stellt tatsächlich aus meiner sicht einen, wenn nicht den wesentlichen knackpunkt in der diskussion dar: von der "postmoderne" wird dieser hintergrund nicht nur geleugnet, sondern zu gleich in gewisser hinsicht instrumentalisiert - aber dazu später.
"Ich greife jetzt selektiv aus dem verwirrten Konglomerat aus Ursprungsphilosophie, Ressentiments und einem Kurzschluss nach dem anderen zwischen zu trennenden Ebenen ein paar Punkte heraus, weil sie der Sache, die hinter den Diskussionen steht, vielleicht ein wenig Klärung verschaffen. Jene Passagen, die eher Dampf ablassen, lasse ich mal unkommentiert, das ist ja jedem zuzugestehen."
die frage ist, wer hier darüber bestimmt, welches die "zu trennenden ebenen" sind - auch mittels solcher praktiken werden wahrnehmungsverzerrungen produziert. und interessant ist auch zu sehen, welche passagen mr tatsächlich nicht kommentiert - ich bezweifle allerdings den für ihn angegebenen grund. das herablassende zugeständnis ist dann wieder mal was, wofür sich ein realer gesprächspartner zumindest von mir ordentlich was anhören dürfte. aber hier spricht ja primär eine in wahrsten doppelsinne des wortes virtuelle figur.
“der menschliche körper, seine möglichen zustände, grenzen und (funktions-)störungen sind das agens aller gesellschaftlichen bewegungen – sozial, politisch, ökonomisch, kulturell, technisch…”
Bei Foucault ist das umgekehrt: Das greifen die von Monoma genannten Dimensionen in Körperlichkeit ein, um zu disziplinieren und so nutzbar zu machen und Verhalten zu formen."
und? diese binsenweisheit - die jede/r mensch mit einem funken wahrnehmungsfähigkeit schon selbst in familie, schule etc. selbst erlebt haben dürfte - "sitz jetzt still!" - gehört zwangsläufig zum grundrepertoire jeder herrschaft, weil sie sich nur über die manipulation der körperlichkeit überhaupt durchsetzen kann. am sicht- bzw. nachvollziehbarsten ist das vielleicht am militärischen drill klassischer art, der von vorne bis hinten erklärtermaßen den umbau des rekrutenkörpers zum ziel hat.
aber: was nicht nur foucault meiner meinung nach ausblendet, ist das dialektische verhältnis, welches zwischen gesellschaft und körper besteht. und welches keinesfalls beliebig ist, sondern sozusagen determiniert: die gesellschaftlichen versuche der eingriffe in den körper sind determiniert und begrenzt durch die psychophysischen funktionsgesetze - begrenzt in der hinsicht, dass bei überschreiten der körperlichen möglichkeiten unweigerlich die zerstörung des menschen folgt; und determiniert in der art, dass sich alle manipulationsversuche nur an dafür empfänglichen und vorhandenen psychophysischen "bruchlinien" vollziehen können - ein "hartz-IV"-empfänger bspw. wird sich gegenüber gesellschaftlich induzierten versuchen der beschämung - zwecks produktion eigener minderwertigkeitsgefühle, "kleinhaltung" etc. - mit aller wahrscheinlichkeit umso resistenter zeigen, je mehr seine selbst- und fremdwahrnehmungsfähigkeiten, welche u.a. die basis für ein authentisches selbst-bewusstsein bilden, in seinem leben von den frühesten prägungszugänglichen pränatalen phasen an gefördert oder aber, um es mit theweleit zu sagen, "belebt" worden sind. und "prägungszugänglich" sind wir nicht deshalb, um uns beliebige manipulationen gefallen lassen zu müssen sondern deshalb, weil es unsere sinnvolle biologische ausstattung ist, die in einem mix aus genetischen und sozialen einflüssen dazu dient, in dieser welt nicht überleben, sondern uns bestenfalls voll entfalten zu können - ein experiment der natur, welches genialerweise trotz aller funktionsimmanten determinierungen sozusagen auch offene enden enthält (die leider auch extrem bösartig benutzt und ausgeschlachtet werden können).
die angesprochenen manipulationsversuche können also umso besser greifen, je mehr menschen bereits vorgeschädigt sind - "sollbruchstellen" - und andererseits müssen all diese versuche, wenn sie denn "erfolgreich" aus sicht der macht sein sollen, die möglichen kompensationsversuche des authentischen (primär körperlichen) subjekts berücksichtigen, ja in der logik bestenfalls ebenfalls für sich nutzen, die unweigerlich als determinierte reaktion dann auftreten, wenn ein subjekt an seinen implizit angelegten entfaltungsmöglichkeiten (die im übrigen durchaus begrenzt sind) im leben gehindert wird. alte ratgeber der kindererziehung, wie zb. derjenige derjohanna haarer, welcher für generationen in d-land verheerende folgen hatte, sind gefüllt mit ratschlägen und überlegungen genau zu diesen fragen.
bestenfalls - aus sicht der macht gelingt eine nutzung der kompensationsprozesse dann, wenn das subjekt seiner verdinglichung (denn das ist die determinierte wirkung von gewalt - die verwandlung vom subjekt ins objekt) nicht nur passiv zustimmt, sondern aktiv daran mitwirkt - und das kann nur dann gelingen, wenn eine transformation der bedürfnisse stattgefunden hat, naturgemäß und zwangsläufig ebenfalls ein psychophysischer vorgang. wenn bspw. eine aufgeschlossene neugier für unbekannte und fremde lebensarten sich verwandelt hat in eine angstbesetzte, defensive und abwehrende reaktion, die sich bspw. in spontanen ekelreaktionen beim anblick schwarzer haut äussert (oder meinetwegen auch beim anblick sich knutschender männer). solche reaktionen - und die existieren - verweisen deutlich darauf, dass die form der ideologie bei so ziemlich allen herrschaftsverhältnissen nicht das zentrale ist, der zentrale ort ebenfalls auch nicht "der kopf" (synonym für "bewusstsein"), sondern es sich um eine bestimmte nutzung bestimmter psychophysischer prozesse handelt - rassismus bspw. ist in dieser perspektive ausdruck einer bestimmten neuronalen konfiguration, untrennbar assoziiert mit basalen und primär körperlichen prozesssen.
ich will mit dieser zwangsläufig knappen skizzierung darauf hinaus: es ist meiner meinung nach unzulässig, den körper nur als passives objekt innerhalb von machtverhältnissen zu betrachten (wie es bspw. foucault für mich deutlich betreibt und damit ebenfalls in der westlichen logik verhaftet bleibt, den körper als "fremdes" zu betrachten - derart werden machtverhältnisse weiter reproduziert, ausserdem ist das, wie in früheren beiträgen skizziert, bereits als grundsätzlich ver-rückte, und auch pathologische selbstwahrnehmung zu betrachten), sondern tatsächliche emanzipation muss sich gleichfalls der erwähnten "bruchlinien" bewusst werden und praktiken entwickeln, die kompensationsangebote der macht für die geschädigten subjekte schlicht zu entwerten - und das kann nur mittels aktivierung der für mich implizit in den meisten menschen angelegten tendenz zur vollen authentischen subjektivität erreicht werden, letztlich ließe sich das auch mit dem begriff der gesundung bezeichnen. erst dann wären authentische individualität - und in der folge auch authentische kollektivität - als lebbare und verdammt attraktive lebensformen für die meisten überhaupt erst vorstellbar. aber auch für diese konstellationen brächte es eben die entsprechenden "neuronalen konfigurationen".
und da absehbar ist, was mr darauf wieder entgegnen wird, gleich als anmerkung: wer bei betrachtung der durchweg extrem gewalttätigen sozialen verhältnisse in den menschlichen gesellschaften historisch bis heute diese tatsächlich als "normalität" betrachtet - und das wäre der gegensatz zur "pathologisierung", die ich hier angeblich betreibe -, ist meiner wahrnehmung schwer wahrnehmungsgestört. niemand braucht mehr diese gesellschaft (und damit primär ihre mitglieder) zu pathologisieren, das macht sie tag für tag mittels ihrer praxis selbst deutlich. gewalt in solchen dimensionen führt genauso zwangsläufig zu pathologischen zuständen, wie sie gleichzeitig ausdruck derer ist. das könnte man spätestens dann begreifen, wenn man sich bspw. einmal mit den entsprechenden wissensbereichen wie der psychotraumatologie beschäftigt, oder noch besser, traumatisierten einfach zuhört. und es sich nicht voller vorurteile im elfenbeinturm konstruierter weltbeschreibungen (und nichts anderes ist die postmoderne, die in der zusammenfassung auf etwas hinarbeitet, was sich als totalitäres patchwork bezeichnen ließe) gemütlich macht, um von dort zu krähen "versteh ich nicht, will ich nicht, ist doof"
btw: was ich unter "authentizität" verstehe, ist durchaus in verschiedenen beiträgen - v.a. unter der rubrik basis - im blog nachzulesen.
weiter:
"Wer eine Tanzschule in den 50er Jahre besucht hat, wird dem expressiven Auseinandertanzen der 60er Jahre sehr dankbar gewesen sein. Da hat sich schon eine – letztlich kompensatorische – Revolution ereignet bei jenen, die mitzogen: Von der Dressur hin zu einem breiterem Körperspektrum. Das kann man dann wieder geißeln als Amüsement, das doch nur dazu dient, am nächsten Tag im Job zu funktionieren. Aber warum soll man noch abends in der Disco traurig sein und sich im eigenen Körper schlecht fühlen? Die Maximierung von Leid zu fordern, um die Revolution zu ermöglichen, meine Programmatik ist das nicht …"
soll das jetzt ein beispiel für das propagierte "sich selbst neu erfinden" sein? streiche ich das er vor "finden", so wird der satz wahrer - denn eher geht es hier um eine wiederfinden von potenziell vorhandenen optionen. es gibt tatsächlich auch leute, die mangels rhytmusgefühls o.ä. tatsächlich nicht tanzen können, die können dann auch nix finden. aber womöglich empfinden sie zb. einen gewissen sozialen anpassungsdruck, der sie kompensatorisch dazu zwingt, etwas ädaquates zu erfinden - sich einen scheinbaren ausweg zu konstruieren.
und klar sind das zwei seiten einer medaille - die macht "ist schlau" genug, kompensatorische nischen zu gewähren - einerseits aus zwang, weil in den eher moderneren herrschaftsverhältnissen die offene sklaverei bis zum zusammenbruch zumindest in den westlichen gesellschaften dann doch eher verpönt ist, und dementsprechend regenrations- und reproduktionsphasen eingeräumt werden müssen. zum anderen aber aus einsicht, dass kompensatorische belohnungen durchaus der engeren anbindung dienen können.
"Der Umgang mit Bedürfnissen ist natürlich zentral für Kultur und Gesellschaft. Wüßte jetzt auch nicht, wer das abgestritten hätte. Problem ist, wenn die Humanwissenschaften anfangen, den Leuten erzählen zu wollen, was denn ihr WAHREN Bedürfnisse seien. Das kann immer noch jeder selbst am besten beurteilen und aussprechen, sonst macht man das, was diese Forscher machten,die den Hartz IV-Satz auf 213 Euro runter rechneten."
na schön - "ich habe das dringende bedürfnis, heute abend schwule klatschen zu gehen"
mittels des verzichts auf die fundamentale unterscheidung von wahr und falsch manövriert sich mr hier in eine position hinein, in der er ganz am ende dazu gezwungen ist, zu formen einer objektivistischen moral - "das gehört sich aber nicht, weil böse und menschenverachtend" - zuflucht zu nehmen (die im übirgen noch nie jemand wirklich überzeugen konnte). ich räume durchaus ein, dass jemand, der den oben beschriebenen satz sagt, das durchaus selbst als "authentisch" empfinden könnte - bloß ist die - im ganzen, oder besser: bis in die letzte konsequenz betrachtete - dysfunktionalität der destruktiven aggressivität, welche am ende in irgendwelchen direkten oder indirekten formen, wenn auch über verschlungene und nicht ganz leicht zu verstehende umwege, den täter erreicht, ein starkes indiz dafür, dass es sich hier keinesfalls um authentizität handelt, sondern um den ausdruck einer bereits gestörten psychophysischen konfiguration, die entprechend verschobene bedürfnisse produziert. die beschriebene dysfunktionalität auch für die jeweils aktiven, die anscheinend und isoliert betrachtet zunächst tatsächlich von ihrem verhalten zu profitieren scheinen, wird dann deutlicher, wenn man sich bspw. die ökologischen folgen des konsums von allem möglichen scheißdreck betrachtet, die irgendwann, früher oder später, aber mit unabwendbarer sicherheit jeden konsumenten in seinem leben wie ein boomerang erreichen und schlimmstenfalls auch niederstrecken werden.
die "kritik der bedürfnisse" - da gab´s auch schon mal wesentlich weiterreichende erkenntnisse in der linken, die im zuge der "postmoderne" über bord gegangen sind - ist nicht nur legitm, sondern dringend nötig. ganz recht: "anything goes" ist genau die parole, die in die tonne gehört.
"2.) Wahrnehmung:
Hier fängt der Dissens an, aber auch das nicht so totalisiert, wie manche das gerne hätten. Ich denke, man muss die Postmoderne im Rahmen des “linguistic Turn” in seiner de Saussureschen Variante verstehen; und die Einsicht, dass Sprache sinnliche Wahrnehmungen beeinflusst, die ist unhintergehbar. Und Sprache ist Subjektivität vorgängig. Mich ALS Subjekt kann ich nur begreifen, wenn ich auf das Bedeutungsrepertoire der Alltagssprache zurück greife, sonst vegetiere ich nur.
Das ist gerade KEIN Sprachidealismus, weil die These nicht besagt, dass es nur Sprache gäbe oder die Welt sprachlich verfasst sei. Man kommt nur nicht umhin, sie mit zu analysieren, wenn man Weltbezüge untersucht."
"Man kommt nur nicht umhin, sie mit zu analysieren, wenn man Weltbezüge untersucht." arggh. ja, mit zu analysieren, meinetwegen. aber was um alles in der welt hat diese reduktion - übrigend eine, die typisch für die art der westlich-instrumentellen rationalität des objektivistischen typs ist - mit den angesprochenen wahrnehmungsoptionen des körpers zu tun? es gibt derart viel neben- und vorsprachliche kommunikation (so lässt sich bspw. mittels entsprechender bildaufzeichnungen zeigen, dass jeder sprachlichen kommunikation im realen leben unmittelbar - im spektrum von mikrosekunden - eine körperliche kommunikation mittels nicht bewusst wahrnehmbarer bewegungsmuster durch muskuläre reaktionen u.ä. zwischen den sprechenden vorausgeht - wenn Sie mit jemanden "face to face" reden, so kommunizieren Sie permanent auf mehreren ebenen, von denen uns nur die verbale sprache, mimik und wahrnehmbare körpersprache überhaupt direkt zugänglich sind; die letzteren dazu bereits im regelfall nur stark eingeschränkt in dem sinne, dass man schon die aufmerksamkeit darauf focussieren muss, um diese kommunikation "bewusst" mitzubekommen). die körper führen in gewissem sinne jeweils auch ein autonomes gespräch, dessen inhalte mitunter stark von der verbalen kommunikation abweichen können, was zu den den meisten von uns bekannten grundsätzlichen irritationen und verwirrungen in gesprächen entscheidend beitragen dürfte.
dazu: auch schweigen kann voll von botschaften sein, eine berührung voller information. ich bin mir wirklich nicht sicher, ob die focussierung auf die verbale sprache nicht eine typische folge der bevorzugung der optik bzw. chronischen überlastung der augen sowie der uns immanenten objektivistischen abstraktionsfähigkeiten darstellt.
genau aus diesem grund verweise ich auch nochmal auf den beginn dieses beitrags - da die "postmoderne" und der konstruktivismus in ihren konsequenzen auch daraus hinauslaufen, keinerlei unterschiede zwischen authentischer realität und virtuellen/simulierten "realitäten" mehr machen zu wollen / zu können, müssen sie zwangsläufig auch gesprochene und textsprache in den focus stellen, weil die anderen - primär körperlich basierten kommunikationskanäle - innerhalb dieser reduktionistischen "realitäten" nicht mehr existieren. die behauptung von "empathie" in diesem kontext ist wie schon dargelegt schlicht absurd bis lächerlich, weil alle bedingungen für authentische empathie - die der realen körperlichen präsenz bedarf - hier einfach nicht vorhanden sind. und nein, "sprachidealimus" ist das tatsächlich nicht - eher ein gewaltiger blinder fleck.
"Zum Begriff der Krankheit:
Es ist klar, dass ein Aphasiker nicht sprechen und ein Spastiker nicht laufen kann. Aphasie war immer ein großes Thema für die postmodernen Denker. Aber macht es Snn, bei Blinden und Gelähmten nun die Krankheit in den Mittelpunkt zu stellen? Da entstehen oft gerade Fähigkeiten, die toppen können, was ich so kann. Wiederum übersehe man nicht das PRODUKTIVE, also den KREATIVEN UMGANG MIT, aber selbstverständlich auch nicht die Möglichkeit von Leid. Natürlich leide ich darunter, wenn ich keine Beine habe. Ich habe vor nix mehr Angst als vor Parkinson oder Multipler Sklerose, deshalb rauche ich so viel, ich hoffe darauf, dass mich der Herzinfarkt vorher erwischt."
aus dem ersten satz lässt sich ein schluß ziehen, der mr sicher nicht passen wird: nämlich den, dass es tatsächlich so etwas wie eine art "norm", eine messlatte für das geben könnte, was sich als gesundes menschliches leben bezeichnen lässt - unser u.a. genetisch determinierter "bauplan" sieht im normalfall eben die existenz von zwei beinen und der sprachfähigkeit vor, und das störungsbedingte (worunter auch unfälle etc. fallen können) nichtvorhandensein oder der wegfall solcher und anderer fähigkeiten stellen einen tiefgreifenden einschnitt in das leben dar. die im zuge einer falsch verstandenen "political correctness" sowie ebenfalls unter (de-)kontruktivistischen einflüssen stattgefundene umbenennung bspw. von körperlicher oder geistiger behinderung in der terminus "menschen mit handicap" ist in der hinsicht typisch: mittels quasi sprachmagischer rituale wird hier eben keinesfalls der realen gesellschaftlichen situation von behinderten menschen rechnung gezollt, die sich nur durch entprechende handfeste und finanzielle verbesserungen der versorgung, der pflege etc. auch tatsächlich real verbessern ließe, nein - es wird ein absurdes konstrukt bzw. eine simulation von nicht vorhandener quasinormalität aufgebaut, welches die reale behinderung, die realen unterschiede, die daraus folgen, sowie auch die realen prozesse der trauer bei den betroffenen - über verpasste und nicht (mehr) vorhandene möglichkeiten bspw. - in ein schemenhaftes "ihr seid eigentlich so wie wir" umkonstruiert. was gleich in mehrfacher hinsicht regelrecht verräterisch ist: einmal wird die tabuisierung von krankheit und tod in dieser gesellschaft fortgeführt; zweitens werden reale grenzen und die existenz irreversibler zustände geleugnet - nicht alles ist machbar, nicht alles hat ein happy end - eine einsicht, die für die westliche kultur immer noch eine art schwerer narzisstischer kränkung darstellt. drittens: doch, krankheiten können reale unterschiede konstituieren - gehen Sie hin und fordern Sie einen rollifahrer zu einem hundert-meter-lauf auf, spätestens dann sollte das klar sein.
wer über den letzten satz empört ist: Sie könnten auch mir ein paar handlungsvorschläge machen, die sich im weitesten sinne um bestimmte formen menschlicher beziehungen drehen - und ich müsste einräumen, hier trotz einiger hart erarbeiteter zusätzlicher optionen in den gemeinten bereichen trotzdem irreversible und nicht nachzuholende verluste und defizite erlitten zu haben, die mich teils jahrelang massiv negativ beeinflusst, wütend und später traurig gemacht haben. meiner biographie, der familiengeschichte und im weitesten sinne unserer miesen historie incl. wk2 gschuldet - aber das kann ich nur in letzter hinsicht akzeptieren, wenn ich die daraus folgenden - und mir gesetzten endgültigen grenzen - akzeptiere. auch hier wieder: "anything goes" ist ein satz aus rosaroten märchenländern, aber nicht aus der authentischen realität.
btw: ich vermute ja hinsichtlich meiner bemerkungen zur westlichen philosophie generell aus den letzten beiträgen, dass diese angesprochene narzisstische kränkung bei den diversen philosophenmännern für die art ihrer konstrukte im hintergrund ebenfalls eine nicht unwesentliche rolle spielt.
weiter: die möglichkeit des kreativen umgangs mit behinderungen/störungen jeglicher art übersehe ich keinesfalls; das sind nämlich bspw. genau die kompensationen, die beim wegfall authentischer wahrnehmungsfähigkeiten bei psychophysischen behinderungen und krankheiten in form der konstruktionen des objektivistischen modus zb. bei soziopathen für ihre chamäleongleiche fähigkeit der mimikry innerhalb alltäglicher gesellschaftlicher strukturen sorgen, hier sei auf die basisbeiträge autismus und als-ob-persönlichekietn verwiesen. oder auch die von oliver sacks geschilderte frau mit störung ihrer propriozeptiven wahrnehmung im basisbeitrag zu pränatalen traumata. das finde ich aus einer gewissen hinsicht alles durchaus geniale lösungswege zwecks überlebens unserer psychophysischen struktur, andererseits haben die eben auch durchaus gerade im "psychischen" bereich teils fatale wirkungen, und zwar im extremfall eben nicht für die betroffenen selbst, sondern für ihre umwelt.
ebenfalls interessant ist an dieser stelle der hinweis auf die seitens mr erste relevante weglassung eines zentralen teils meiner argumentationen aus dem vorherigen beitrag - nämlich diesen:
"zwar mögen viele durchaus den gedankengang verfolgen können, dass bspw. eine "klassische" - also durch exogene erreger verursachte - seuche ganze gesellschaften in ihrem entwicklungsweg entscheidend beeinflussen konnte (siehe zb. die mittelalterliche pest mit all ihren spätwirkungen im sozialen leben), aber bei den sog. "psychischen" (= psychophysischen) störungen / krankheiten sieht das dann eher so aus, wie ich es früher einmal so umrissen hatte:(...)
diesen gedankengang nämlich weiterzuführen, bedeutet in konsequenz, die ganz reale möglichkeit dafür zu untersuchen und ins auge zu fassen, dass auch die inzwischen durchaus als epidemisch zu bezeichnende verbreitung der sog. "psychischen" (psychophysischen) krankheiten und störungen genau wie die großen seuchen der vergangenheit auf ihre ganz spezifische art und weise massiv in gesellschaftliche entwicklungen (wie sie auch ihr produkt darstellen) eingreifen können - ich habe im blog schon en paar reale beispiele dafür dokumentiert; die vielleicht eindrücklichste, wenn auch leider längst nicht einzige geschichte dieser art stellt aktuell immer noch derisraelisch-palästinensische konflikt. von den gleichfalls zu besichtigenden langzeitfolgen (über generationen) in allen gesellschaften mit kriegs- und/oder diktaturerfahrungen war ebenfalls schon öfter die rede.
damit müsste sich mr aber wieder in die niederungen der verpönten "psycho-diskurse" begeben - so ein ärger.
4.) “gerade bei den psychophysischen störungen gibt es nicht erst seit foucault die tendenz, hier von einer umfassenden gesellschaftlichen konstruktion auszugehen, mittels derer viele störungen überhaupt erst geschaffen werden.”
Das ist so nicht richtig. Es sind ja REALITÄTEN, die da geschaffen werden, nicht Konstruktionen. Und man muss schon hinlesen, was er konkret untersucht, die große These geht bei dem gar nicht. In “Sexualität und Wahrheit” sind Angriffpunkte der Psychoterroristen die “hysterische Frau”, der “Homosexuelle”, das masturbierende Kind – zum Beispiel. Das wird behauptet als das Anormale, dass sich der Funktion entzieht, für Bevölkerungswachstum in Zeiten der frühen Industrialsierung zu sorgen. Und diese dysfunktionalen Lüste werden dann einer Therapie unterzogen. Was er analyisert, ist dann nicht die Praxis des Wichsens, sondern den Wissensdiskurs, die sich da herum ranken und Therapien ersinnen, ganze Theorien entwickeln, was denn das für ein Wesen sei, “der Homosexuelle” – und das ist GESELLSCHAFTLICHE REALITÄT, das wirkt. Die Kellogschen Folterapparate, um Kinder von der Masturbation abzuhalten, die gehören da mit rein, und die machen was aus den Kindern.Nicht nur im Sinne der Repression, sondern sie produzieren ein bestimmtes Verhalten."
nein. es sind einerseits zunächst tatsächlich konstruktionen (hier in form diagnostischer modelle), welche gerade reale gesellschaftliche realitäten verdecke (oder besser: mittels simulationen ersetzen) sollen - das beispiel derhysterieist dafür tatsächlich ganz gut geeignet, um das aufzuzeigen (genauso wie ich borderline auch heute mindestens teilweise als vertuschungsdiagnose eingesetzt sehe). konkret am beispiel: es wird eine konstruierte "realität" (der "hysterischen", als solche quasi geborenen frau) simuliert, um dann mittels definitorischer und auch institutioneller/administrativer macht diese simulation in der realität zu verankern. bloß, und hier komme ich wieder auf die oben erwähnten auslassung foucaults zurück: er übersieht, dass sich konstruktionen/simulationen immer auf reale aspekte oder auch fragmente der realität beziehen müssen; das hängt mit der art und weise ihrer struktur und noch mehr mit ihrem produktionsort in der menschlichen struktur zusammen. die symptome der hysterie waren real, hatten einen realen ursprung und verursachten reales leid - sie waren tatsächlich authentisch real, während die umdeutung mittels konstruktion das eben nicht war.
und eine versuchte de-konstruktion bei diesem beispiel landet nach den prämissen der "postmoderne" dann eben zwangsläufig bei der behauptung, es gäbe so etwas wie die hysterie tatsächlich im ganzen nicht - und das ist in der form nicht nur falsch, sondern geradezu eine realitätswidrige leugung.
dazu sehe ich die beispiel der homosexualität sowie der masturbation grundsätzlich als qualitativ anderes, weil es dabei nicht um tatsächlich pathologische zustände geht, sondern um die konstruktion solcher. bezgl. der kinder sehe ich das als teil der üblichen traumatischen "erziehungspraktiken", und mr denkt an der stelle wieder nicht zuende, wenn er zwar von realität spricht und von wirkung, aber es unterlässt, auf die ebenen dieser wirkung hinzuweisen, die eben wieder primär körperlich sind. und rückwirken auf die realität, in sehr handfester und materieller form, und genau die folgen erzeugen, die er partout nicht sehen will.
bezgl. der foucaulschen analyse der konstruktion des "pathologischen" homosexuellen habe ich hingegen keine einwände, das finde ich selbst plausibel - allerdings sehe ich auch nicht wirklich die verbindung zum thema, welches aus meiner sicht die "postmoderne" ist.
"Und so entsteht ein “Bild” von “Die Sexualität” – über die Analyse der Abweichung vom reproduktiven Genitalsex zwischen so genannten “Heterosexuellen”. Diese “Bilder” konstruieren, was dann einer “Eigentlichkeit” und “Gesundheit” entgegen stünde – das ist unsere geteilte Realität, keine Konstruktion."
heterosexualität als bloße tatsache mit "gesundheit" zu assoziieren, ist tatsächlich quatsch. soweit konsens. jetzt kommen wir aber zu einem punkt, der eine unüberbrückbare kluft darstellt: jeder schwule und jede lesbe ist das produkt von heterosexualität. diese einfache tatsache sollte endlich einfach registriert werden, und der ständige versuch, sie mittels absurder konstruktionen quasi um die ecke aus der welt zu schaffen, dürfte nicht unmaßgeblich dazu beitragen, dass viele leute - nicht nur sog. "normalos" - von bestimmten diskursen der schwul-lesbischen szene untergründig ständig genervt sind. bezgl. der reproduktion unserer spezies ist heterosexualität tatsächlich die norm. das ist so, darüber lässt sich nicht diskutieren. alles andere ist freigestellt, aber der versuch, diese norm als quasi repressive konstruktion darzustellen, ist schlicht und einfach albern.
"Was dann später über Wowereit und Westerwelle beschrieben wird, bewegt sich in diesem Paradigma – dass also ERST die “sexuelle” Praxis da ist, und von der leitet man dann generell Verhalten ab. Und nicht etwa davon, ob sie zum Frühstück lieber Rühreier oder Spiegelei essen. Da bewegt sich Monoma dann wieder klar in einem Stigamtsierungsparadigma; könnte ja sein, dass deren sonstiges Verhalten gar nix mit dem zu tun hat, wen sie poppen oder von wem sie gepoppt werden."
wieder unterstellungen: natürlich ist es mir egal, ob hetero- oder homo oder sonstwas (etwas anderes stellen mögliche praktiken dar; sm betrachte ich bspw. bei angehörigen der "eliten" als durchaus aufschlussreich und relevant). anscheinend hat mr nicht begriffen, dass ich hier das verhalten vieler schwuler beschreibe, die die erwähnte karrieremöglichkeiten mit den benannten vertretern offensichtlich als beleg dafür begreifen, endlich innerhalb des systems "anerkannt" zu sein (und die auch nix anderes möchten, weil sie sich primär eben als schwule - und nichts weiter - begreifen). das dürfte eher unter selbststigmatisierung fallen.
ich überspringe ein paar sätze, um dann zu etwas ganz zentralem zu kommen:
"All das ist aber kein Votum gegen einen Begriff von Wahrheit; wir haben zu dieser nur keinen direkten, außersprachlichen Zugang. Deswegen schmecke, sehe und höre ich natürlich trotzdem, aber DASS ich höre, das ist bereits ein Satz. Der jedoch ohne Sinnlichkeit auch nicht formulierbar wäre. Es gibt da keine Verleugnung des Körpers.
Aber auch nicht “das Authentische”. In der Tat räumt die Postmoderne mit allen Entfremdungsfiguren auf. Wenn man Körper und mein Körpergefühl in den Disziplinen geformt wurde, dann IST das mein Körpergefühl, dem ich jedoch ein ANDERES Köprergefühl entgegen setz kann – das meine ich ja mit “Mich neu erfinden”: Durch die Praxis des zu Michael Jackson Tanzens kann ich wieder Souverän meiner Körperlichkeit werden, die in Sportunterricht,wo ich nicht so dolle war, in ANDERER HINSICHT GEPRÄGT WURDE. Das war dann aber nix, was einen Ursprung irgendwie überwölbt hätte, das war MEINE Tapsigkeit, und ich WAR diese Tapsigkeit."
"wir haben zu dieser nur keinen direkten, außersprachlichen Zugang." falsch. warum, ergibt sich aus dem, was ich weiter oben bezgl. der sprache geschrieben habe. im übrigen steckt in der behauptung implizit die verleugnung des körpers.
"Wenn man Körper und mein Körpergefühl in den Disziplinen geformt wurde, dann IST das mein Körpergefühl, dem ich jedoch ein ANDERES Köprergefühl entgegen setz kann – das meine ich ja mit “Mich neu erfinden”: Durch die Praxis des zu Michael Jackson Tanzens kann ich wieder Souverän meiner Körperlichkeit werden, die in Sportunterricht,wo ich nicht so dolle war, in ANDERER HINSICHT GEPRÄGT WURDE. Das war dann aber nix, was einen Ursprung irgendwie überwölbt hätte, das war MEINE Tapsigkeit, und ich WAR diese Tapsigkeit."
und das ist geradezu paradigmatisch für den größenwahn, der implizit ebenfalls in der "postmoderne" steckt und der die realität unserer körperlichen grenzen und der psychophysischen gesetze, in derem rahmen wir uns bewegen, schlicht ignoriert und als nicht existent leugnet.
1. wenn mein körper/körpergefühl repressiv geformt wurde, dann ist das zwar einerseits mein aktuelles, jedoch gleichzeitig verzerrtes körpergefühl. das kann gar nicht anders sein, weil sich die repression - wie weiter oben geschrieben - an vorhandenen bruchlinien innerhalb der psychophysis orientieren und agieren muss. repressive manipulationen, schlimmstenfalls schwerer traumatischer art, äußern sich grundsätzlich in symptomen, d.h. ausdrücken von funktionsstörungen innerhalb des eigentlich vorgesehenen, letzten endes per biologie angelegten funktionierens des körpers. ständige einschüchterungen bspw. können sich in einer bestimmten körperlichen haltung materialisieren - hochgezogenen schultern und angespannten nacken - , die sich dann durch den verlust der muskulären flexibilität, bedingt durch die ständige fixierung in einer einzigen position, chronifiziert. folge sind dann zb. hübsche kopfschmerzen. alles das ist eine behinderung ursprünglichen körpergefühls. welche - um bei diesem beispiel zu bleiben - schlimmstenfalls seit der frühzeit der kindheit existiert, und dann natürlich die gesamte (selbst)wahrnehmung und auch das selbstgefühl prägt. und natürlich ist das dann ein entfremdetes körpergefühl, und zwar entfremdet per behinderung der möglichen ungehinderten funktion.
soll ich wirklich alle möglichen symptome derart auf ihre möglichen ursprünge zurückführen? gerade im bereich der psychophysischen störungen erzählen symptome ganze geschichten, und wer sich auch nur etwas mit körpertherapeutischen verfahren auskennt, wird die beeindruckenden momente kennen, wenn bspw. teils jahrzehntalte in chronischer muskulärer verspannung befindliche formationen sich lösen und dabei nicht selten auch flashbackartige innere bilder der ursprungssituation der verspannung freisetzen - unbeschreibliche gefühle der erleichterung und befreiung bei gleichzeitigem teils schockartigem wiedergewinn ureigener authentischer körperlichkeit. ich weiß schon, warum ich vor über einem jahrzehnt in vielen diskussionen begonnen habe (noch vor meinen eigenen körpertherapeutischen erfahrungen), reich gegenüber foucault vorzuziehen - der erstere war trotz aller irrungen und bizarren abwege schon auf der richtigen spur.
2. bei den derart körperlich verankerten verzerrungen gibt´s kein einfaches "neu erfinden", schon gar nicht ist das per kopf und alleine möglich. hier gibt es eher das wieder - oder schlimmstenfalls auch das erstmalige - finden der eigenen authentischen körperlichkeit, die gleichbedeutend ist mit der aufhebung der entfremdung, und das ist meiner erfahrung ein prozess, den kaum jemand alleine schafft. und da hilft auch kein noch so toller groove - der kann höchstens erste ahnungen von den unterdrückten optionen schaffen, die da begraben sind.
gerade die veränderungen und verhaltensweisen des körpers in phasen der krankheit machen sehr wohl deutlich, dass es etwas wie eine authentische körperlichkeit, die ich mit mit dem begriff der gesundheit im sinne eines ständigen dynamischen prozesses gleichsetzen würde, in der realität gibt.
wenn man die behauptungen des mr mal etwas umformuliert, wird ihre entsetzliche sinnleere deutlich:
"wenn `mein körper´ (übrigens ist das schon eine verräterische sprachfigur) krebs hat, dann ist das mein körpergefühl, dem ich jedoch ein anderes körpergefühl entgegensetzen kann" - abber sischer. eine der leichtesten übungen für den postmodernen.
und nein, es zählt auch nicht der einwand, die behauptungen würden ja nur für spezifische gesellschaftliche prozesse und situationen gelten - mr formuliert das als grundsätzliches, was dann auch für extreme psychophysische zustände gelten müsste. das aber wird durch die alltägliche praktische erfahrung ständig widerlegt.
übrigens scheint mr auch nicht damit vertraut zu sein, dass kinder im regelfalle einen ganz natürlichen bewegungsdrang haben, der kombiniert mit der kindlichen flexibilität des bewegungsapparates zu jener fließenden und spielerisch leichten anmut selbst der banalsten bewegungen bei kindern führt, die ich heute als mittvierziger mit etwas schmerzhaftem neid nur bewúndern kann. und natürlich wird dieser ursprung durch entsprechende repressive prägungen verdrängt und überdeckt - die anscheinend vorhandene zuschreibung der "tapsigkeit" - ein konstrukt - ist von mr bedauerlicherweise erfolgreich internalisiert worden. interessanterweise ergibt das beim vergleich mit entsprechenden internalisierungen zb. von erwerbslosen ein ähnliches muster: "ich bin faul - das hat mir niemand erzählt, sondern das ist meine faulheit, die auch nicht irgendeinen ursprung überdeckt" - nein, und ganz sicher auch nicht bspw. den, der darin liegen könnte, sich mittels bestenfalls selbstbestimmter arbeit irgendwie sowohl ernähren zu können als auch sinnstiftende befriedigung zu finden (halte ich ebenfalls für einen teil unserer natürlichen grundausstattung), daran aber per überflüssigkeit innerhalb der kapitalistischen ökonomie existenziell bedeutsam gehindert zu werden. aber "ich bin natürlich faul".
*
ich mache hier mal einen cut, weil ich tatsächlich keinerlei lust mehr dazu habe, mich mit dieser ungenießbaren mixtur aus zusammengesampelten philosophischen versatzstücken und beleidigenden unterstellungen - "...das ist dann Stalinismus." / "...und will so asoziale Elemente wie Schwule, Arbeitslose, Intellektuelle etc. rauswerfen, weil die angeblich zersetzen. Diesen Unterton spielt ja monoma die ganze Zeit auf seiner Diskurs-Klaviatur." / "Dummdreistigkeit und herrenmenschlichen Überheblichkeit" etc. - weiter zu beschäftigen. die frechheiten des mr - der keinerlei schimmer von mir und meiner politischen biographie hat - lassen sich eher unter der rubrik "getroffene hunde bellen" zusammenfassen, und mit dem fazit soll´s denn auch genug sein. don´t waste my time. alle interessierten haben zumindest aus meiner sicht die möglichkeit, sich hier selbst ein urteil zu bilden.
ach, eins zum schluß - als verweis auf den ursprung des ganzen - dann doch noch:
5. die "postmoderne" enthält unübersehbar den katastrophalen und folgenschweren grundfehler der allermeisten westlichen philosophischen ansätze, sie beruht nicht nur auf ihm, sondern setzt ihn konsequenterweise fort.
und zu diesem punkt kann ich mich zunächstwiederholen...
(...)"das der begriff der wahrheit tatsächlich zur rechtfertigung von und für destruktive fiktionen benutzt wird und wurde, macht ihn deswegen absolut nicht überflüssig. wie üblich in den bekannten westlichen philosophischen strömungen, wird schlicht ihre eigene - und wichtigste - voraussetzung vergessen: sie stammen alle aus einer kultur mit verbreiteten traumatischen sozialstrukturen, die sie unreflektiert wiederspiegeln. die real nicht begründbare dominanz, die sie allesamt dem "geistigen" (aka objektivistischen) teil des menschen zusprechen, ist bereits teil einer traumainduzierten strukturellen fragmentierung auch und gerade bei denjenigen, die solche konstrukte entwickeln. sie tun das aus ihrer eigenen - bereits geschädigten - wahrnehmung heraus und setzen die ergebnisse dann als generelles und absolutes.
damit verbunden ist regelmäßig und zwangsläufig die verleugnung des körpers (wobei diese nicht platt wie bspw. im christentum [fiktion religiösen typs], sondern subtiler stattfindet - körperliche vorgänge gerade in sozialen beziehungen werden hier grundsätzlich als manipulierbar verstanden, eine konstellation, die nur bei einer bereits vorhandenen opposition [virtuelles] "geistiges ich" vs. körper überhaupt möglich ist) und der in ihm basierten möglichkeiten der authentischen wahrnehmung, auf der jede authentische - d.h. vollständige und auch gesunde - menschliche identität beruht. die durch die traditionellen erziehungspraktiken verhinderte bzw. gestörte entwicklung dieses identitätsgefühls führt zwangsläufig zu kompensationsversuchen in form von fiktionen und konstruktionen - zu als-ob-realitäten bzw. virtuellen simulationen."(...)
...um dann mit einem längeren zitat von klaus theweleit zu einer auffälligen eigen- oder besser: unart - der westlichen philosophen den bogen weiter zu spannen. er greift dazu eine aussage von peter sloterdijk aus dem jahr 1993 auf, in der dieser das "älteste Aktionsmuster der Menschheit" beschreibt, welches für ihn "der historische Moment (ist), in dem ein flüchtendes (Affen-) Wesen in seinem Lauf einhält, sich umdreht, sich zum Gegenangreifer transformiert und einen Gegenstand, Ast oder Stein, auf seinen Verfolger wirft. Sloterdijk:`Man könnte geradezu von der Geburt des Menschen aus dem Geist des Gegenangriffs sprechen. Am Anfang war die Gegengewalt - das heißt die Gewaltflucht, die durch Würfe Grenzen in den Raum zieht.´"
theweleit weiter:
"Wirklich? Er hätte doch auch sagen können, der Kreis der Werfer schützt das Paar, das, in seiner Mitte, abgeschirmt, für den Nachwuchs sorgt... und daraus dann die Menschwerdung, die Hominisation, mit der sie es dauernd haben, die Philosophen: Wo entsprang `der Mensch´, eine ihrer Haupt- und Lieblingsfragen, mit der sie nie zu Ende kommen, weil sie die zutreffende Antwort partout nicht geben wollen: aus einer Mutter.(...)
Selbst ein feministisch nicht ungewitzter Mensch wie Sloterdijk liefert uns ein Modell von der `Geburt des Menschen´, ein Weltgeburtsmodell, das ganz ohne Frauen auskommt. Er begnügt sich damit, die Philosophen von Hegel bis Heidegger zu übermuttern,die `den Menschen´ als Sich-Selbst-Entwerfenden sehen (...)"
was hat das zu bedeuten?
"Es ist nicht ganz leicht zu sehen, was da vor sich geht: Ich habe lange gebraucht zu begreifen, daß dieser Ausschluß der Frauen aus der Weltgeburtsarbeit auch in der Philosophie tatsächlich eine ihrer entscheidenden Grundvoraussetzungen ist, ihr Basisopfer sozusagen... und noch länger gebraucht, daß Philosophen oder Menschen, die sich für solche halten, in der Regel nicht in der Lage sind, diesen Grundmangel überhaupt als Mangel zu erkennen... sie denken tatsächlich, sie denken (wo sie doch bloß die Frauen weglassen)... sie machen das nicht mit Absicht... es ist ein echter blinder Fleck. Spricht man einen der Denk- oder Wissenschaftsherren auf diesen Mangel an, stellt man fest: Sie verstehen einen meist überhaupt nicht, sie wissen gar nicht, was gemeint ist, und wenn sie es doch zu verstehen meinen, halten sie es für einen Witz... ja gut, die Frauen, die Mütter... richtig... aber keine philosophische Kategorie... keine Kategorie der Erkenntnis... die gehören doch nicht hierher.
Und bleibt man etwa dabei, daß sie doch hierher gehören und zwar gerade hierher, wird man in ihren Augen zu einem denkunfähigen Wesen... man kann geradezu sehen, wie man sich in ihrem Gesichtsausdruck, einer institutionellen Maske, zu einem Flachkopf verwandelt... zu einer Art Frau, die keine Ahnung hat von den Geheimnissen des männlich/philosophischen Diskurses... sie denken tatsächlich, da ist ein Geheimnis, hinter das sie kommen müssen mit ihren Gedanken. Die meisten philosophischen (wie auch religiösen) Gedanken dieser Art bestehen aber ganz schlicht aus der Tatsache, die Mutter gestrichen zu haben aus der Geburt."(...)
(klaus theweleit, "das land, das ausland heißt"; dtv, münchen 1995; isbn 3-423-30449-9; s. 45 - 46)
patriarchale philosophen also? jein, weil auch definiert werden müsste, was hier eigentlich gesellschaftlich so als "männlich" gilt - j. erik mertz dazu:
"Der patriarchalische Mann der spätmodernen Gesellschaft ist gar kein authentischer Mann, sondern ein Beziehungswesen männlichen Geschlechts, das sich als solches weitgehend negiert: Seine vermeintliche `Männlichkeit´ verdankt sich einem geschlechtsneutralen, anonymen und mechanistisch-toten Objektiv. (...)
Eine Emanzipation, die sich des (...) autistischen Objektivs bedient, ist keine Emanzipation, sondern Anti-Emanzipation. Das lässt sich an jenen Menschen demonstrieren, die sich schon emanzipiert haben. Der simulationsfähige Autist ist vollkommen emanzipiert. Diese vollkommene Emanzipation ist aber zugleich auch immer eine Emanzipation von der authentischen Welt, eine Befreiung von der menschlichen Substanz, die eine (authentisch) beziehungskulturelle ist. Niemand kann sich wirklich von dieser Beziehungskultur emanzipieren, ohne wahnsinnig zu werden, und alle, weibliche und männliche Beziehungswesen, gehen durch die (v.a. pränatale) Schule der Mütter. Darüber kann man nicht diskutieren, das ist so, ob es einem nun passt oder nicht.
Die einzig reale Negation dieser stark weiblich betonten Beziehungskultur wird nicht von der männlichen Position repräsentiert (die ist ein leicht unterprivilegierter, dennoch integraler Bestandteil dieser Kultur, sondern von der ungeschlechtlichen (...), beziehungs-exzentrischen (autistischen) und mechanistisch-toten Position der Objektivität, die absolut nichts Männliches an sich hat."(...)
(j.e. mertz, "borderline..."; siehe literaturliste, s. 256/257)
ich versuche mal, diese zugegeben für viele vermutlich nicht leicht nachvollziehbaren weiten sprünge zusammenzufassen:
- die geschichte der menschlichen gesellschaften ist selbst global gesehen nicht nur von naturkatastrophen, krankheiten und allerlei anderen unbilden des lebens geprägt, sondern v.a. von sozialer gewalt, nicht nur, aber vor allemgegen kinder
- als eine bis heute weit verbreitete folge dieser gewalt entstehen u.a. zunächst individuelle, in folge dann auch kollektive, traumatische strukturen, die sich v.a. in formen von dissoziation und - als kompensationsversuch zwecks überlebens - in einer dominanz dessen ausdrücken, was ich in anlehnung an das modell von mertz alsobjektivistischen modusbezeichne
- die art der "objektivität", die durch diesen modus (für den nebenbei gesagt durch ein modell des neurowissenschaftlers antonio damasio erste hinweise auf entsprechende strukturen im gehirn vorliegen - damasio spricht in seinem buch "descartes´ irrtum" tatsächlich von als-ob-schleifen, mit denen er spezielle bewusstseinsinterne simulationen assoziiert) produziert wird, ist genau die gleiche, die landläufig tatsächlich als "männlich" codiert ist. es spricht aus meiner perspektive aber ebenfalls einiges für den standpunkt von mertz, der diese objektivität als produkt eines apersonalen faktors versteht. unterstützt werden könnte diese betrachtungsweise durch einige forschungen -autismus als extremvariante von männlichkeit? oder "männlichkeit" als autismusvariante?
- wer sich der bedeutung der mutter-kind-beziehung (und zwar auch schonpränatal) für das gesamte spätere individuelle und auch kollektive leben bewusst ist, wird die kritik theweleits durchaus nachvollziehen und sogar präzisieren können: der wunsch nach dem ausradieren der mutter (der wiederum auf dem destruktivenverhalten traumatisch geschädigter mütter beruhen dürfte), drückt sich bei den philosophen in der beschriebenen form aus - im alltag nimmt er normalerweise handfest-mörderische formen an, die sich auch im allgemeinen frauenhass bei bestimmten männern manifestieren
- und wenn man dazu die gesellschaftlichen codierungen von "weiblichkeit" betrachtet, sollte das gemeinte endgültig verständlich werden - natur, körperlichkeit, sinnlichkeit etc. gelten in der "männlichen" - besser: objektiven - perspektive weiterhin als assoziiert mit frau; bei rassistischen fiktionen auch umstandslos mit "schwarzen" aus dem "süden", für den antisemiten (mit leichten spezifikationen) als "jüdisch" usw.
kurz: die von mir eingangs geschilderte auffällige bevorzugung des "geistigen" nicht nur in der westlichen philosophie lässt sich vor dem skizzierten hintergrund deutlich als fluchtbewegung, und zwar vor der eigenen beschädigten körperlichkeit, entschlüsseln - und die teils als "brillant" verstandenen philosophischen konstruktionen lassen sich in funktionaler und struktureller hinsicht (in inhaltlicher hinsicht dagegen natürlich schon, das halte ich aber für nebensächlich) nicht von ihren pendants namens "nation", "gott" oder gar den offen rassistischen und sonstigen rechtsextremen konstrukten unterscheiden. das dürfte jetzt zwar für einige leserInnen hier ein nahezu unverdaulicher brocken sein, den ich Ihnen nichtsdestotrotz weder ersparen will noch kann.
wie es eingangs im ersten teil schon angeklungen ist: wenn Sie begreifen wollen, was in Ihnen und um Sie herum passiert, ist der einzige sinnvolle weg, von Ihrem körper - der Sie sind - und demzufolge Ihren daraus resultierenden (un-)möglichkeiten auszugehen. die scheinbar grenzenlosen kopfwelten der philosophie und anderer disziplinen sind nicht mehr als (manchmal) amüsante, teils auch anregende fiktionen - letzteres aber nur dann, wenn sie wenigstens einen teil der authentischen realität enthalten und widerspiegeln, wobei das meist in arg verzerrten formen passiert. all das gilt verschärft für die "postmoderne".
zu den bemerkungen von mertz hinsichtlich emanzipation mehr im nächsten punkt
6. der vielgerühmte "pluralismus" der "postmoderne" hat in letzter konsequenz weder mit freiheit noch emanzipation zu tun, sondern fördert direkt antisoziale gesellschaftliche tendenzen bis hin zur soziopathischen anomie
wenn Sie sich aus zeit- oder sonstigen gründen nicht durch die originalwerke der postmodernen philosophen durcharbeiten wollen, ist für einen - wenn auch arg verkürzten - überblick der entsprechendeartikelbei wikipedia ganz brauchbar; vor allem die folgende komprimierung:
"Elemente postmodernen Denkens und Urteilens sind:
* Absage an das seit der Aufklärung betonte Primat der Vernunft (ratio) und an die Zweckrationalität (die bereits in der Moderne erschüttert
wurden)
* Verlust des autonomen Subjekts als rational agierende Einheit
* Neue Hinwendung zu Aspekten der menschlichen Affektivität und Emotionalität
* Ablehnung oder kritische Betrachtung eines universalen Wahrheitsanspruchs im Bereich philosophischer und religiöser Auffassungen und
Systeme (sog. Metaerzählungen oder Mythen wie Moral (wodurch Postmoderne zum Amoralismus wird), Geschichte, Gott, Ideologie, Utopie oder
Religion, aber auch, insofern sie einen Wahrheits- oder Universalitätsanspruch trägt, Wissenschaft)
* Verlust traditioneller Bindungen, von Solidarität und eines allgemeinen Gemeinschaftsgefühls
* Sektoralisierung des gesellschaftlichen Lebens in eine Vielzahl von Gruppen und Individuen mit einander widersprechenden Denk- und
Verhaltensweisen
* Toleranz, Freiheit und radikale Pluralität in Gesellschaft, Kunst und Kultur
* Dekonstruktion, Sampling, Mixing von Codes als (neue) Kulturtechniken
* Zunehmende Zeichenhaftigkeit der Welt (siehe auch Semiotisches Dreieck und Baudrillard)
* Feminismus und Multikulturalismus
In der postmodernen Kultur- und Geisteswissenschaft sind die vorherrschenden Methoden die Diskursanalyse, der Poststrukturalismus und der Dekonstruktivismus."
gehen wir die punkte mal kurz durch, so wird eine grundsätzliche tendenz, oder besser ein grundsätzlicher denkfehler deutlich: es werden allesamt konstruktionen älterer machart (wie nationen, götter, geschlechtsstereotype und auch die sog. vernunft; kurz die ganzen starr betonierten und teils extrem hierarchischen rollen der gesellschaftlichen historie) tatsächlich de-konstruiert - jedoch ohne ihre ursprünge, die in psychophysischen prozessen liegen, zu begreifen. was die "postmodernen" eben auch deshalb nicht begreifen können, weil sie sich ganz in der u.a. oben skizzierten form der philosophischen kopfgeburten bewegen. und es ist das gleiche phänomen wie die in dem oben eingangs verlinkten beitrag geschilderte vorgehensweise von paul watzlawick, der sich darin mit einem pionier des konstruktivistischen ideologie, heinz von foerster, die hand reicht:
"die von von foerster angeführten beispiele wie die kreuzzüge stellen letztlich materielle umsetzungen von als-ob-realitäten wie "göttern" (und auch "nationen") dar - und die werden nicht grundsätzlich mittels anderer simulationen aus der welt geschafft (was der konstruktivismus vorschlägt, und besonders watzlawick mit seiner "als-ob-therapie", die zb. bei traumatisierten, deren authentische gewalterfahrungen ganz real in neuronalen sub-netzwerken des gehirns und auch im körpergedächtnis gespeichert sind, dazu führt, dass die betroffenen diese erfahrungen verleugnen, als fiktion betrachten sollen)"
diesen entwurf der "als-ob-therapie" finde ich nach wie vor haarsträubend und unmenschlich, aber er passt in die zeit - gleichfalls wie das sog."neurolinguistische programmieren"als adäquate "therapie" für den letztlich sich selbst leugnenden postmodernen zeitgenossen erscheint (und die tatsache, dass sich das nlp wie im link geschildert einiger beliebtheit bei den gesellschaftlichen "eliten" erfreut, passt in dem zusammenhang wie die faust aufs auge - eine tatsache übrigens, deren bedeutung meiner meinung nach ziemlich unterschätzt wird.)
die erwähnte "hinwendung zu aspekten der menschlichen affektivität" führt ebenfalls in die irre, zumal es hier um aspekte derjenigen art geht, wie sie tag für tag in den nachmittagstalkshows der privatsender zu besichtigen sind - zur allgemeinen ausbeutung (und auch die belustigung fällt darunter) freigebene emotionalität, bei der sich dazu die frage stellt, wieweit das dargestellte nicht schon pseudo, mithin also blanke inszenierung ist.
die "radikale pluralität" gipfelt nicht selten in autoaufklebern alá "eure armut kotzt mich an", was kein wunder ist, wenn man in einer grundsätzlich in ihren sozialen bezügen geschädigten gesellschaft mit dekonstruktivistischen instrumenten herumfuhrwerkt, und sich dann hinterher darüber wundert, was dabei herauskommt - "individualität" wird dann gleichgesetzt mit der freiheit zum hemmungslosen und egozentrischen konsum, welcher ebenfalls als eine mögliche kompensationsstrategie vorhandener psychophysischer schäden fungiert (vielleicht beschäftigen Sie sich mal mit messies, oder auch mit zwanghaftem klauen - sind interessante und aufschlussreiche, wenn auch durchweg traurige geschichten, die dahinterstehen).
ich hab´s schon in ersten beitrag zu den als-ob-persönlichkeiten geschrieben, dass ich auch trotz grundsätzlicher einwände gegen das ganze konzept von "moral" bei der postmodernen zerstörungsorgie nicht nur diesbezgl. etliche bedenken habe:
(...)"für simulative persönlichkeiten ist eine formale moral womöglich eine möglichkeit, offene antisozialität zu vermeiden. aber auch das deutet darauf hin, dass sich moral eher als indiz für grundsätzlich vorhandene pathologische sozialstrukturen ansehen lässt."
cui bono? wem nützt all das letztlich tatsächlich? über diese frage will ich jetzt endlich zum aspekt der scheinbaren "freiheit" oder auch "emanzipation" kommen:
(...)"der jeweilige zeitgeist spielt zwangsläufig eine große rolle für die identitätskonstruktionen von simulativen persönlichkeiten. und das hat beim weiterdenken ernste konsequenzen bei der betrachtung der heutigen gesellschaftlichen angebote auf dem identitätsmarkt. da die eher starreren masken und rollen der letzten beiden jahrhunderte hier im westen seit ein paar jahrzehnten breit ins rutschen gekommen sind, ist es in gewisser hinsicht für simulative persönlichkeiten sowohl leichter als auch gleichzeitig schwieriger geworden, sich akzeptierte soziale identitäten zu konstruieren. leichter in der hinsicht, das die auswahl größer geworden ist und auch identitäten mit offen pathologischen aspekten toleriert werden - solange sie gemäß den gesellschaftlichen konventionen "erfolgreich" sind und gewisse formale regeln beachten. dazu spielt eine allgemein größerer verbreitung simulativer bzw. virtueller realitäten eine rolle, die das "unterschlüpfen" für entsprechend strukturierte persönlichkeiten leichter macht. schwieriger ist es aber gleichzeitig womöglich deswegen, weil die jeweils angesagten identitätsmodelle immer schneller unter modediktaten zu wechseln scheinen und bisher nur sehr "trainierte" simulative persönlichkeiten in der lage scheinen, derart schnelle wechsel ohne ernsthaftere komplikationen (die sich womöglich als symptome manifestieren) hinzubekommen."(...)
für "momorulez" spielt ja - wenn ich das richtig verstanden habe, hauptsächlich hinsichtlich seines schwulseins - die erwähnte größere auswahl von (als-ob)identitäten bei seinem loblied auf die "postmoderne" die hauptrolle. das ist ein stück weit nachvollziehbar, denn wenn sich der gerühmte pluralismus aufgrund der eigenarten psychophysischer schädigungen hier bei den weitaus meisten menschen in der form eines "ist mir doch egal" zeigt, erzeugt das für gesellschaftlich bisher stigmatisierte minderheiten durchaus als solche empfundene freiheitsräume. aber was ist das für eine freiheit?
es ist nichts weiter als die "freiheit", innerhalb der vorhandenen systemstrukturen einen bisher verschwiegenen oder zwangsweise unterdrückten teil der eigenen (sexuellen) identität jetzt "ausleben" zu können - incl. hofierens als neuer konsumentengruppe mit speziellen vorlieben sowie der möglichkeit, like wowereit und westerwelle endlich im system karriere machen zu können - in der hinsicht unterscheidet sich das nicht vom schicksal der "gleichgestellten" afroamericans in den usa (ja, jetzt kann sogar einer wie obama präsident werden, schau mal an!) und ebenfalls nicht von den "emanzipierten" frauen, die aber so gründlich vom system assimiliert wurden, dass sie jetzt sowohl als polizistin prügel verteilen als auch als kanzlerin einen realen kriegseinsatz leiten können - welch ein fortschritt!
diese totale sackgasse und bankrotterklärung einer "emanzipativen politik", die sich primär an objektivistischen kriterien orientiert hat und die sich mit etlicher wahrscheinlichkeit weder die feministinnen der 1970er, die black panthers oder auch die aktivistInnen von der christopher street so hätten vorstellen können und wollen, ist das zwangsläufige ergebnis, wenn man sich mit den methoden des "autistischen objektivs" (also der tradition westlicher philosophie wie oben dargelegt) innerhalb der grundsätzlich beziehungsfeindlichen - und das ist im weitesten sinne gemeint - strukturen unserer sozial nur noch als hochgradig verrottet zu bezeichnenden gesellschaft bewegen und vor allem anerkannt werden will - unter verdrängung der erkenntnis, dass die basis der gesellschaft insgesamt auf den prüfstand gehört, weil sie auf gewalt gebaut ist, mittels gewalt durchgesetzt wird und gewalt produziert und deshalb absehbar - und das war hier ebenfalls thema vieler beiträge - frontal gegen die wand rasen wird.
wer´s deutlicher haben will, bitte: es gibt hier nichts mehr zu "reformieren" oder zu "verbessern" - schon gar nicht mit "spielerischer ironie" und albernen verkleidungsspielchen, wie es die von "postmoderner" idiotie infizierten strömungen der verbliebenen linken so gerne hätten. genau in dem sinne waren übrigens meine abschließenden worte im allerersten beitrag zu "momorulez" gemeint. ich habe für leute tatsächlich wenig mitleid übrig, die es eigentlich - meiner meinung nach - besser wissen könnten.
sollen wir es denn wirklich nur als bloßen zufall betrachten, dass genau jene menschen, die sich tatsächlich konsequent nach der maxime des "sich selbst neu erfindens" richten, innerhalb der diagnostischen kataloge als soziopathen auftauchen, und zwar sehr berechtigt? betrachten Sie sich die (fiktionale) figur des tom ripley im beitrag zu als-ob-persönlichkeiten, oder die sehr realefigur des herrn wolf, der neulich für einige zeit schlagzeilen machte - praktizierende radikale konstruktivisten, für die "wahrheit tasächlich die erfindung eines lügners ist" - weil sie sie nicht (mehr) wahrnehmen können aufgrund psychophysischer schädigungen, induziert durch soziale gewalt. george orwell hat dieses szenario davon prophetisch heraufziehen sehen (das zitat stammt aus dem oben verlinkten beitrag zum nlp):
"Sie sind hier, weil es Ihnen an Demut, an Selbstdisziplin mangelt. Sie wollten den Akt der Unterwerfung nicht vollziehen, der der Preis für geistige Gesundheit ist. Sie zogen es vor, ein Wahnsinniger, eine Einpersonenminderheit zu sein. Nur der disziplinierte Geist erkennt die Realität, Winston. Sie halten die Realität für etwas Objektives, Äußeres, das seinen eigenen Bestand hat. Sie glauben auch, das Wesen der Realität sei an sich selbstverständlich. Wenn Sie sich der Illusion hingeben, etwas zu sehen, nehmen Sie an, daß alle anderen das gleiche sehen wie Sie. Aber ich sage Ihnen, Winston, daß Realität nichts Äußeres ist. Die Realität existiert im menschlichen Geist und sonst nirgends. Nicht im Geist des Einzelnen, der irren kann und ohnehin bald untergeht; nur im Geist der Partei, die kollektiv und unsterblich ist. Was immer die Partei für Wahrheit erachtet, i s t Wahrheit. Die Realität lässt sich auschließlich durch die Augen der Partei erkennnen. Diese Tatsache müssen Sie wieder neu lernen, Winston. Es erfordert einen Akt der Selbstvernichtung (sic! mo), eine Willensanstrengung. Sie müssen sich erst demütigen, ehe Sie geistig gesund werden können." (...)
"Aber wie könnt ihr denn die Materie kontrollieren" stieß er hervor. "Ihr kontrolliert ja nicht einmal das Wetter oder die Schwerkraft. Und es gibt Krankheit, Schmerz und Tod --"
O´Brien brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. "Wir kontrollieren die Materie, weil wir den Geist kontrollieren. Realität findet im Schädel statt. Sie werden es schrittweise lernen. Es gibt nichts, was wir nicht könnten. Unsichtbarkeit, Levitation - alles. Wenn ich wollte, könnte ich wie eine Seifenblase über dem Boden schweben. Ich will es nicht, weil die Partei es nicht will. (...) Die Naturgesetze machen wir."
(aus den lektionen während der folterung von winston smith, zitiert nach: george orwell, "1984"; ausgabe der "ozeanischen bibliothek 84"; ullstein; frankfurt/main 1984)
auch das ist radikaler konstruktivismus, heute läuft das teils unter "positivem denken" - ganz postmodern.
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es wimmelt in unserem leben inzwischen derart von fakes, simulationen, doppelt- und dreifachplots, lügen und "ironischer gebrochenheit", dass eine unabwendbare folge davon in zunehmendem misstrauen - die vorstufe zum reich derparanoia- besteht, daraus aber ebenfalls eine bereits sichtbare folge - in form des revivals fundamentalistischer religionen und diverser faschistischer strömungen - als logische konsequenz zu erwarten ist. wer bereits in ihrer authentischen subjektivität geschädigte durch die mühlen der dekonstruktion drehen will, mit der offenen androhung, das ganze subjekt als falsch zu zerstören, wirkt nicht etwa emanzipativ, sondern wird nur umso mehr die reste authentischer subjektivität ersticken (die die einzige basis fpr emanzipation darstellen), den objektivistischen modus im überlebenskampf aktivieren und derart den "großen alten" und äusserst destruktiven fiktionen von "nation" , "gott" und "volk" neue opfer und täter zutreiben. die postmodernen/konstruktivistischen philosophen haben entweder ein völlig realitätwidriges menschenbild vor augen gehabt, als sie ihre unheilvollen visionen formulierten - oder aber sie haben es im vollen bewusstsein der katastrophalen folgen getan, die heute an jeder ecke sichtbar werden. und damit sind sie, möglicherweise entgegen ihrer intentionen - eine freundliche unterstellung zum ende - unwiderruflich zum teil diesesangriffsgeworden:
(...)"der angriff auf unsere ganz spezifisch menschlichen beziehungsfähigkeiten ist dabei inzwischen unübersehbar, und der "erfolg" dieses angriffs ist u.a. in den steigenden zahlen der sog. psychischen krankheiten abzulesen. und dieser angriff zielt ebenfalls ganz unübersehbar auf den eigentlichen kern dessen, was uns überhaupt erst zu menschen macht: die fähigkeiten zur solidarität, empathie/mitgefühl, altruismus - die menschliche liebesfähigkeit in all ihren ausprägungen.
und wenn dieser angriff durchkommt, wird er der tödlichste überhaupt aller denkbaren angriffe sein. er zielt auf die absolute basis aller sozialität."(...)
"Ich fühle mich in dieser Gesellschaft in wirtschaftlicher und staatlicher Sicht zunehmend von einem menschlichen Wesen zu einem Objekt denunziert. Das ist falsch, das ist unmenschlich, pervers und schafft Zukunftsängste, zumindest gehts mir so."
und wer gleichzeitig loblieder auf die "postmoderne" anstimmt und sich daneben über das "hartz-IV"-regime oder polizeieinsätze aufregt, zeigt zumindest ein ganz eigenes talent zur abspaltung - weiteres verkneife ich mir an dieser stelle.
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soweit fragmentarisch und notwendigerweise unvollständig mein zumindest letzter beitrag zur fraglichen diskussion. nicht, dass die "postmoderne", der konstruktivismus und all ihre konsequenzen nicht immer wieder thema sein werden - aber nicht anläßlich einer debatte, die urspünglich anhand des todes von michael jackson meinerseits nur auf allzu offensichtliche verbindungen hinweisen wollte.
wie gestern angekündigt, nun doch noch ein paar grundsätzliche anmerkungen zu einer inzwischen leicht unübersichtlichen diskussion, deren beginn in diesembeitrag zum tod des michael jacksonzu finden ist, sowie den folgenden bisherigen reaktionen:eins, zwei, drei, vier, fünfundsechs.
ich schreibe dabei nicht primär für "momorulez", dessen auftreten ich nach wie vor, bzw. inzwischen ob seiner selbststilisierung als "verfolgtem, unverstandenem opfer"...
"Fühle mich gerade wie auf dem Schulhof einst, wo ich mich fragte, ob ich mich jetzt lieber auch auf dem Clo verstecken sollte …"
...inzwischen noch verschärft für unverschämt halte - erst großzügig faschismusvorwürfe verteilen (die mit dem attribut "mental" nicht relativiert werden), dann sowohl mich als auch die kommentierenden leserInnen hier beschimpfen, um mit der unterstellung, sein(e) kommentar(e) hier würden nicht zum lesen freigegeben, den erbärmlichen gipfel mittels der konstruktion eines zusammenhangs zur aktuellen staatlichen überwachungspolitik zu erreichen - nochmal: hier wird weder moderiert noch gelöscht, letzteres wie schon neulich geschrieben nur in seltenen ausnahmenfällen, und von "momorulez" habe ich hier keinen kommentar gesehen, was dann entweder nur einer technischen störung (für es allerdings in den letzten tagen hier keine hinweise gibt) geschuldet sein kann, oder aber schlicht daran liegt, dass dieser kommentar nie existierte - , um dann so zu tun, als ob er ja nur ein paar "kritische anmerkungen" loswerden wollte und dafür unberechtigt "von allen seiten" plötzlich prügel kassiert. das alles dann noch garniert von einer aus meiner perspektive deutlich sichtbaren unfähigkeit oder auch unwilligkeit(?), sich mit den grundlagen meiner argumentationen, und zwar nicht nur hinsichtlich michael jacksons, zu beschäftigen. alles zusammen reicht locker aus, die grenzen meiner persönlichen toleranz zu überschreiten und den "ignore"-modus zu aktivieren.
nein, ich schreibe das folgende vor allem für all jene, die sich rund um die strittigen themen gerne selbst ihre meinung bilden wollen - und deshalb im folgenden die für mich zentralen essentials, welche nicht nur in dieser diskussion eine rolle spielen. ich vermute dabei, dass es für den einen oder die andere leserIn durchaus überraschende einsichten geben könnte - und ich wähle dabei ganz bewusst die form der von der "postmoderne" so verabscheuten "großen erzählung", d.h. ich gehe von wahrheiten aus, sogar von evidenten wahrheiten, die sich beim heutigen wissensstand über unser leben geradezu aufdrängen.
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1. der menschliche körper, seine möglichen zustände, grenzen und (funktions-)störungen sind das agens aller gesellschaftlichen bewegungen - sozial, politisch, ökonomisch, kulturell, technisch...
das mag zwar auf den ersten blick irgendwie platt / banal erscheinen, ist aber meiner erfahrung durchaus innerhalb dieser "zivilsation" hier kein konsens, bzw. teil jener hartnäckig ignorierten realitäten, die ich zb. unter dem titelvon "vernünftigen" motivationen in einer ver-rückten kulturin der vergangenheit näher skizziert hatte. allgemeiner: es exsitiert buchstäblich kein einziger aspekt unseres lebens, der sich nicht unmittelbar oder auch mittelbar auf entsprechende bedürfnisse unserer körperlichkeit zurückführen lässt - und da sind auch ausdrücklich all jene als "psychisch" bezeichneten ebenen eingeschlossen, die aus meiner sicht eben psychophysisch sind, also untrennbarer teil des körpers in form von gehirn und nervensystem(-en) und damit gleichfalls den uns bestimmenden funktionsgesetzen - biologisch, physikalisch, chemisch... - unterworfen.
Sie können sich Ihren heutigen oder auch jeden beliebigen anderen tagesablauf und Ihre aktivitäten betrachten - ich garantiere Ihnen, dass Sie nicht eine einzige minute finden werden, in der Sie nicht dem "diktat" Ihres körpers im obigen sinne unterliegen - die beschaffung von nahrung ([lohn-]arbeit, "geldverdienen") sowie das wohnen (eine sichere behausung haben) stellen dabei nur die absoluten (offen) materiellen notwendigkeiten dar, wobei die allermeisten von uns in mehr oder weniger großem maße zwecks erledigung des ersteren auf allerlei heute existierende technische entwicklungen zurückgreifen, die allesamt erweiterungen unserer grundausstattung an körperlichen fähigkeiten und / oder erleichterungen hinsichtlich aller möglichen bedürfnisbefriedigungen darstellen. letztere spielen beim erreichten materiellen entwicklungsstand v.a. in den westlichen gesellschaften inzwischen in der (selbst-)wahrnehmung vieler menschen eine größere rolles bei all jenen bedürfnissen, die nur vordergründig nicht den unmittelbaren leiblichen notwendigkeiten entspringen - bedürfnisse nach kontakt & zugehörigkeit (incl. sexualität), nach austausch und allgemein zwischenmenschlicher kommunikation stellen für die weitaus meisten menschen (es gibt einige ausnahmen) eine ebenso elementare lebensbedingung dar wie nahrung und wohnung und sind auch für die psychophysische gesundheit von gleicher bedeutung wie die erfüllung der materiellen grundbedürfnisse.
dazu entfaltet sich dann ein ganzes spektrum anscheinend unendlicher - wenn auch real begrenzter - sub-, neben-, pseudo- und sonstiger bedürfnisse, mit denen sich eine vielzahl heutiger menschen die zeit vertreibt: seien es die sphären von ruhm, macht, bewunderung; all die produzierten konsumwünsche, deren bewerbung aufs engste mit meist als "authentisch" empfundenen diversen sehnsüchten als scheinbaren ausdrücken diverser bedürfnisse gekoppelt ist und nur dadurch überhaupt funktioniert; seien es auch zustände wie neid, rachegelüste und schlimmeres, seien es - stellen Sie sich vor, was Sie wollen. auch die sphären der künste, von ästhetik und schönheit, gehören dazu.
alle bisher und zukünftig existierenden menschlichen gesellschaften spiegeln zwangsläufig bis in ihre bizarrsten oder aber auch tödlichsten erscheinungsformen die gesamte mögliche - aber real begrenzte - vielfalt der körperlich basierten und dort ihre einzige quelle besitzenden bedürfnisse.
2. die körperlich basierten wahrnehmungsfähigkeiten stellen unsere einzige reale verbindung bzw. möglichkeit der erfahrung zur welt dar - und damit sind nicht nur augen, ohrn und nase gemeint...
...sondern ebenfalls alle anderen sinne, zu deren zentralen auch solche weithin unbekannten wie zb. diepropriozeptiongehört. all die vorhandenen wahrnehmungsfähigkeiten gehören durch ihre einzigartige position in sachen welterfahrung natürlich auch zur unverzichtbaren grundausstattung hinsichtlich unserer bedürfnisse, da sie sowohl ihre wahrnehmung (wozu ich auch die weitere verarbeitung des sensorischen inputs im gehirn zähle) als auch die diversen aktivitäten zu ihrer befriedigung erst möglich machen.
3. es existieren ganz reale und wirkungsmächtige ein- und beschränkungen, im weitesten sinne funktionsstörungen, die sich in der materiellen körperlichkeit manifestieren können und im allgemeinen als krankheit wahrgenommen werden
klingt ebenfalls zunächst banal - wer war nicht schon einmal krank, hatte nicht schonmal schmerzen etc. - , allerdings ist trotz täglicher thematisierung die gesellschaftliche relevanz des überaus interessanten phänomens krankheit meiner meinung nach immer noch chronisch unterbelichtet. zwar mögen viele durchaus den gedankengang verfolgen können, dass bspw. eine "klassische" - also durch exogene erreger verursachte - seuche ganze gesellschaften in ihrem entwicklungsweg entscheidend beeinflussen konnte (siehe zb. die mittelalterliche pest mit all ihren spätwirkungen im sozialen leben), aber bei den sog. "psychischen" (= psychophysischen) störungen / krankheiten sieht das dann eher so aus, wie ich esfrühereinmal so umrissen hatte:
(...)"ebenfalls haben die meisten menschen nach entsprechender aufklärung keine großen schwierigkeiten damit, im allgemeinmedizinischen bereich krankheitskonzepte zu verstehen, die bspw. davon ausgehen, dass ein durch eine bestimmte organische funktionsstörung nicht mehr (ausreichend) produziertes enzym für weitreichende probleme im stoffwechselgeschehen sorgen kann. die genese einer solchen störung - Sie können auch eine bakterielle oder virale infektion nehmen - erscheint irgendwie logisch, ebenso wie die dadurch ausgelösten symptome und/oder behinderungen.
viele menschen haben aber sehr deutlich mühe mit der vorstellung, dass die in den obigen beispielen zutage tretenden prinzipien zwar nicht eins zu eins übersetzbar (das wäre imo sachlich nicht gerechtfertigt), aber doch prinzipiell eben auch im bereich von beziehungskrankheiten bzw. schweren störungen der sozialen fähigkeiten gültig sein könnten. wer fragt (sich) schon danach, wenn er oder sie z.b. verliebt ist, was eigentlich genau im psychophysischen geschehen notwendigerweise passieren muss, um in einen solchen zustand zu geraten (und was bei denen anders ist, die sich nicht verlieben können)? wer fragt danach, was für psychophysische voraussetzungen nötig sind, um bspw. ein tiefes, emotional befriedigendes gespräch mit einem anderen führen zu können (wozu die körperliche präsenz unabdingbar ist, und ebenso die fähigkeit, das ganze und zu einem großen teil unbewußt ablaufende körperlich basierte kommunikationsgeschehen wahrnehmen zu können)? richtig: es wird genausowenig gefragt wie nach einem guten essen zu den an der verdauung beteiligten und notwendigen prozessen. solange diese funktionieren, ist das ja auch keine unbedingte notwendigkeit."(...)
"solange diese funktionieren" - die beobachtung, dass davon hinsichtlich der zustände im menschlichen sozialen leben größtenteils keine rede sein kann, stellt einen der hauptgründe für die existenz dieses blogs dar.
was aber besonders hervorgehoben gehört: natürlich können auch unsere wahrnehmungsfähigkeiten von krankhaften prozessen betroffen werden - das liegt einfach in der natur der (körperlichen) sache. wenn Sie sich dazu verdeutlichen, dass wir eben über diese wahrnehmung eigentlich erst so richtig "zur welt kommen", sollte deutlich sein, dass funktionsstörungen oder -einschränkungen in disem bereich besonders fatale konsequenzen - und zwar nicht nur für die betroffenen - haben.
4. es existiert eine dialektische beziehung zwischen eigener körpererfahrung/wahrnehmung (incl. "ich"-bewusstsein) und gesellschaftlicher / sozialer umwelt. gleiches gilt für die definitionen dessen, was in einer gesellschaft als krankheit gesehen wird.
noch eine scheinbare banalität, die allerdings im "postmodernen" zeitalter gerade bei denjenigen, die sich als kritisch gegenüber heutigen entwicklungen betrachten, schon dazu tendiert, totalitäre züge anzunehmen. gerade bei den psychophysischen störungen gibt es nicht erst seit foucault die tendenz, hier von einer umfassenden gesellschaftlichen konstruktion auszugehen, mittels derer viele störungen überhaupt erst geschaffen werden. da ist auch aus meiner perspektive durchaus etwas dran, allerdings in leicht anderer hinsicht, als von foucault und anderen formuliert.
grundsätzliches zur orthodoxen westlichenpsychiatrie:
(...)"wer sich die geschichte der westlichen institutionalisierten psychiatrie genauer anschaut, besonders ihre traurigen und negativen "höhepunkte" bspw. in gestalt der militärpsychiatrie , der nationalsozialistischen "euthanasie"-aktion "T4" sowie der willigen (selbst-)instrumentalisierung zur durchsetzung genormter begriffe von gesundheit und krankheit und der stigmatisierung alles davon abweichenden (von therapeutischen methoden wie schockbehandlungen und psychopharmaka gar nicht erst zu reden), wird nicht umhin kommen, gegenüber diesem ganzen bereich eine gesunde skepsis zu entwickeln. ließe sich nun klipp und klar sagen, dass die diagnostischen konstruktionen und modelle dieser institution gänzlich an den haaren herbeigezogen wären, so würde das etliches sicherlich einfacher machen. jedoch: trotz der kenntnis all der zweifelhaften bis völlig abzulehnenden seiten der orthodoxen psychiatrie ist es imo nachweislich so, dass es viele der in den diagnostischen katalogen erfassten phänomene tatsächlich gibt. und bis auf weiteres sehe ich kein anderes instrumentarium - auch keine andere sprache - zur verfügung stehen als eben das, welches der psychiatrie entstammt.
skepsis ist also sozusagen als grundhaltung angebracht. diagnostische konzepte zb. sind imo grundsätzlich als komplexitätsreduzierende modelle anzusehen, von denen es üblicherweise keinerlei modellgetreue 1:1-umsetzungen in der realität gibt. ebenso ist stets ein bestimmter gehalt an - meist gesellschaftstragender - ideologie miteinzubeziehen, genauso wie die regelmässig unterschlagenen subjektiven motivationen und einschätzungen, die in derlei modelle einfließen.
aber wie schon gesagt: ich halte trotz allem immer weniger davon, das, was als "wahnsinn" in dieser kultur bezeichnet wird, zu verharmlosen oder zu glorifizieren. eine besonders aus den linkeren teilen des politischen spektrums stammende sichtweise, die sich teils auch in der sog. antipsychiatrie manifestiert hat (und theoretisch stark von leuten wie michel foucault beeinflusst wurde), hat sicher in bestimmten bereichen der psychiatriekritik notwendiges geleistet. aber mit der konstruktion eines bildes vom wahnsinnigen menschen als quasi heroischem outdrop, der mit seiner verrückten art ein mörderisches system ins leere laufen lässt, an die stelle berechtigt demontierter mythen letztlich nur neue gesetzt. und das könnte ein gewaltiges eigentor in der hinsicht gewesen sein, dass sich eine progressiv gemeinte linke psychiatriekritik damit unfreiwillig an der vernebelung äußerst bedrohlicher gesellschaftlicher entwicklungen beteiligt."(...)
und diese position ist u.a. ein resultat meiner ganz eigenen erfahrungen mit psychiatrie und auch verschiedenen psychologisch-psychotherapeutischen "schulen" (u.a. gestalttherapie, gesprächstherapie nach rogers, auf wilhelm reich bezogene körpertherapie), welche für ein paar jahre meiner biographie unter dem "offiziell" verliehenen label/der diagnoseborderlinekulminierten (ich empfehle übrigens, diesen link wie alle anderen auch zu lesen, weil sich damit eher nachvollziehen lässt, warum ich hier wie argumentiere).
nun ist gerade das diagnostische modell der borderline-persönlichkeitsstörung (als symbol für das ganze spektrum der persönlichkeitsstörungen überhaupt) selbst in den reihen von psychiatrie und psychologie bis heute umstritten, und tatsächlich lässt sich an ihr die ganze zwiespältigkeit der heutigen psychiatrie, will sagen ihre systemstützende funktion bei gleichzeitiger - zwangsweiser und durchaus unfreiwilliger - thematisierung von fragmenten echter und auch vernichtender systemkritik sehr gut nachvollziehen (der letztere aspekt wird noch deutlicher formuliert beim modell derkomplexen posttraumatischen belastungsstörungsichtbar). betrachten Sie sich nur einmal die gültigen kriterien nach dem dsm-IV -hier zu sehenim vergleich mit dem vorläufermodell -, und Sie erhalten sofort einen eindruck von dem, was die klassische psychiatriekritik zb. unter dem begriff der durchsetzung gesellschaftlicher normen versteht.
andererseits sind im modell durchaus reale phänomene enthalten, und zwar phänomene von inzwischen so einer gesellschaftlichen verbreitung, dass in den letzten jahren nicht wenige aufmerksame beobachterInnen begriffe wie den von der borderline-gesellschaft - hier die zwar etwas populistisch anmutenden, aber schon teils sehr treffenden aussagen eines als borderline diagnostizierten dazu:
- oder auch den von derborderline-politikformulierten (in der mitte des beitrags):
(...)"Wer eine Gesellschaft umbauen will, muss die Menschen neu formatieren. Das klingt nach Science-fiction oder Totalitarismustheorie - und doch ist genau das der Punkt, der mich beunruhigt: dass ein politischer Wille, der ja nichts anderes ist, als der Wille einer bestimmten und überschaubaren Klasse, eine Gesellschaft so effizient durchdringen kann wie Karies meine Zähne. Der süße Geschmack tötet das Bewusstsein dafür ab, dass sich etwas ablagert und bis zur Wurzel durchfrisst. Am Schluss wird der zerstörte Zahn gezogen, an seiner Stelle wird ein neuer, künstlicher, kariesresistenter implantiert. Mit schönen Prothesen dürfen wir dann die Welt außerhalb unser selbst verachten. Erfolg ist, strahlend dort angelangt zu sein, wo wir nie hinwollten.(...)
Wer keine oder zu wenig Beachtung findet, weil die Welt zu groß ist und die Interessen zu vielfältig sind, der beachtet sich eben selbst. Aber nicht im Sinne von Selbsterkenntnis, sondern von Selbststimulation. Das ist neu: Ich brauche nicht mehr die Außenwelt, die Anderen, die Teile meines Selbst spiegeln, Teile, die ich dann zu dem zusammensetze, was man Ich nennt. Ich brauche nur mehr mich selbst und die Außenwelt als Publikum, dem ich eine Vorstellung von mir gebe. Ich definiere also mich selbst, schreibe mir selbst eine Rolle zu und bringe die Außenwelt dazu, mir zu glauben. Das nennt sich dann Erfolg und um nichts sonst geht es als um Erfolg.
Was dabei aufgelöst wird, ist das, was die Psychoanalyse als das kritische Selbst bezeichnet. Üblicherweise werden die Grenzen des Selbst vom Ich realistisch erfasst. Dazu braucht es Selbsterkenntnis - und die tut immer weh, weil damit die Erfahrung der eigenen Begrenztheit einhergeht. Wer diese Erfahrung in den Wind schlägt und sich stattdessen selber auf die Schulter klopft, manövriert sich in eine narzisstische Störung. Wenn diese Störung aber die Grundlage der gesellschaftlichen Entwicklung sein soll, wenn der neu formatierte Mensch sich dadurch auszeichnet, sich seine eigene Wirklichkeit zurechtzulegen und dadurch zur Borderline-Existenz zu verkommen, dann ist das das Ergebnis einer Besorgnis erregenden Borderline-Politik."(...)
und in diesen absätzen ist schon verdammt viel von dem enthalten, was sich die "postmoderne" aus meiner sicht an antisozialen wirkungen zurechnen lassen muss. und das soll auch die überleitungzum zweiten teildarstellen.
...möchte ich dann zu diesemtösenden gezeterdoch loswerden - wäre es nur die demonstrierte ignoranz, die offensichtliche unfähigkeit in sachen recherche und textverständnis sowie selbst die attitüde chronischen beleidigtseins, so würde das trotzdem bestenfalls zu einem "so what?" geführt haben. und könnte einmal mehr als beleg fürdas folgendegelten:
"virtuelle kommunikation ist nämlich in sich grundsätzlich immer und unter allen umständen eine simulative kommunikation. warum? weil die entscheidende bedingung der körperlich-materiellen präsenz der kommunizierenden wegfällt, was alle beteiligten zwangsläufig in den bereich der konstruktivistischen wahrnehmungssurrogate des objektivistischen bewusstseins hineinzwingt. ich kann mir niemals sicher sein, wer im chat, hinter der mail oder dem forumsnick steckt und noch weniger darüber, wie der aktuelle psychophysische zustand des anderen tatsächlich aussieht - beste projektionsflächen also, um sowohl meine eigenen fiktionen unterzubringen als auch zum objekt fremder fiktionen zu werden."
wenn dazu aber bei einem blogger im projizierenden delirium offensichtliche unterstellungen bis schlimmstenfalls glatte lügen kommen, werde ich bei so einem verhalten mehr als ärgerlich. der reihe nach: "momorulez" fühlte sich erkennbar durchdiesen beitragbezgl. michael jackson so auf den schlips getreten, das er dazu u.a. die folgenden sätze produzierte:
(...)"Und da ich mich über diesen therapeutokratischen Quark da drüben immer noch ärgere, wo man dort in der eh schon anmaßenden Pathologisierung und Stigmatisierung von allem und jedem außerhalb eigenen, höheren Bewußtseinstufe sich selbst feiert, auch ‘ne Form von mentalem Faschismus, nicht umsonst hat Marcuse eine Erziehungsdikatatur gefordert, na, dass man da, ganz als Zensursula im Geiste, sich auch noch erfrecht, kritische Kommentare nicht freizuschalten, um stattdessen eine Horde hochnotpeinlicher Groupies um sich zu scharen, das macht mich dann doch kiebig."(...)
und so weiter und so fort quillt es da freigiebig mit derart konstruierten rundumschlägen, dass es beinahe mitleiderregend sein würde - aber eben nur beinahe.
da ich weder zeit noch lust habe, auf so einen müll satz für satz zu antworten, hier nur ein paar punkte ganz speziell an den autor:
1. kommentare werden hier generell nicht moderiert/freigeschaltet, sondern allerhöchstens von mir gelöscht - und das ist in all den jahren bisher viermal passiert - einmal wg. spam, einmal wg. erkennbarem scientology-hintergrund, und zweimal wg. inhaltlicher unverständlichkeit. alles andere ist sofort lesbar (und ich nehme auch nicht an, dass zwei weitere menschen mit administrationsrechten hier ohne information an mich irgendwas löschen würden). für einen technischen fehler gibt es bisher keinerlei anzeichen, und so bleibt also nur ein bedienungsfehler Ihrerseits oder aber eine form von böswilliger unterstellung (die in der art & weise eine glatte lüge wäre) übrig. aus dort nachlesbaren gründen moderiert werden einzig die beiträge imgästebuch.
2. "mentaler faschismus": von jemandem, der sich mittels der eigenbezeichnung "demokrat und verfassungspatriot" sowie dem tapferen streiten für die "freiheit, sich selbst neu zu erfinden" selbst bis zur kenntlichkeit entstellt, ausgerechnet einen solchen vorwurf zu erhalten, lässt spontan das bild eines boomerangs in mir entstehen.
3. die kommentatorInnen hier sind mir bis auf ausnahmen durchaus unbekannt, und ich gehe bis zum beweis eines eventuellen gegenteils durchaus von ihrer selbstverantwortlichkeit aus. gleichfalls nehme ich mir die freiheit, nicht auf jeden kommentar zu antworten, selbst wenn ich inhaltliche differenzen feststelle.
4. auch bei einzelnen kommentaren Ihrerseits an verschiedenen orten in der vergangenheit war festzustellen, dass Sie offensichtlich nicht von der fixen idee abzubringen sind, ich würde in irgendeiner form für die klassische freudsche psychoanalyse eintreten. ist der grund dafür wirklich nur Ihre augenscheinliche unfähigkeit zurrecherche?
5. musik: ich bedaure, Ihre vorurteile doch arg enttäuschen zu müssen - von jazz- und 70erfunk über frühe electronic bis hin zu detroittechno, deep house, lounge, abstract hip hop und drum`n´bass reicht mein bevorzugtes spektrum - ohne das ich mir daraus allerdings eine - womöglich noch als irgendwie "widerständig" aufgepimpte - identität konstruieren müsste. diesen von Ihnen gehegten mythos der "popkultur" haben schon die sex pistols lächerlich aussehen lassen (btw: sid vicous würde ich übrigens durchaus in die reihe gestörter öffentlicher personen aufnehmen); spätestens aber die pogrome anfang der 1990er - "the kids are not alright". dämmert da was?
6. textverständnis: lesen Sie sich den entsprechenden abschnitt einfach noch mal durch, und Sie werden entdecken, das nicht nur Ihre bemerkungen bzgl. videoclips ein klassischer rohrkrepierer sind.
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aus meiner perspektive würde ich den betreffenden autor durchaus in der rubrik der sog. "postmoderne" sehen, mit all den (de-)konstruktivistischen fatalen irrwegen, die sich heute aktuell u.a. in einer weitgehenden unfähigkeit gerade der verbliebenen "linken" zeigen, in den zeiten einer tiefgreifenden globalen systemkrise tatsächlich qualitative alternativen zu entwickeln und zu vermitteln. fragmente der bisherigen auseinandersetzung finden sich - für interessierte - in diesem blog bspw.hier; einen schwerpunkt auf diesbezgl. erfreuliche entwicklungen in den kulturwissenschaften setzt zb.dieser beitrag. beide enthalten dazu viele weiterführende bloginterne links.
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vielleicht wird eine der wenigen positiven wirkungen der krise auch sein, dass sie die sich in diversen rosaroten als-ob-welten befindlichen, von inszenierungen und events aller art - wie bspw. auch us-amerikanischen präsidentschaftswahlen - faszinierten demokraten (die das nur durch beständige ausbeutung anderer in all ihren finsteren variationen sein können) allesamt wieder in die zwar niemals (und glücklicherweise) perfekte, aber dafür authentische und einzig lebbare realität regelrecht zurückschleudern wird. was spätestens dann der fall sein wird, wenn das geld zur unterhaltung all der simulationen und pseudoidentitäten (durch mode etc.) nicht mehr vorhanden ist, oder aber schlicht die nötigen infrastrukturen kollabieren. ich prophezeie für diesen moment höchst erstaunte, fassungslose und letztlich auch verzweifelte gesichter - aber mein mitleid wird sich in diesem fall ausdrücklich in grenzen halten. denn dafür hat diese ganze "postmoderne" viel zu viele schäden angerichtet.
im februar schrieb ich in einer folge der krisennews mit bezug auf italien u.a.dieses:
(...)""Der Regierungschef fällt mit einer neuerlichen Provokation auf: Als Reaktion auf mehrere Vergewaltigungen will er per Dekret Bürgerwehren gestatten und 30.000 Soldaten einsetzen. Italiens schöne Frauen könne er dennoch nicht alle beschützen."(...)
berlusconi hat sich ja schon mehrfach als hochgradig narzißtisch, zynisch und antisozial geoutet, aber damit hat er sich wieder einmal selbst übertroffen. der reihe nach:(...)
und ich betrachte gerade die "legalisierung" von sog. bürgerwehren als alarmzeichen allerersten ranges, denn es dürfte nur zu klar sein, was für leute sich da sammeln werden. faschistische schlägertrupps unter regierungsfuchtel, angeblich im interesse vergewaltigter frauen unterwegs. berlusconi ist noch viel widerwärtiger, als es bisher den anschein hatte.(...)
und vor diesem hintergrund ist leider ein ganzes stück realität an dem fazit, welches die autorInnen bei indy ziehen:
"Italien ist nun ein faschistisches Land mit einer faschistischen Regierung."
und anscheinend hat´s kaum jemand bemerkt - oder es stört niemanden."(...)
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"geschichte wiederholt sich nicht", sagen die einen, während andere zuerst eine tragödie, dann die komödie sehen möchten. mir hingegen ist inzwischen ganz anders, aber der reihe nach - zuerst einen tiefereneinblickv.a. in die dortige aktuelle ökonomische situation:
(...)"Mitten in einer schweren ökonomischen Krise – offiziell Italiens vierte Rezession in einem Jahrzehnt – hat Berlusconis Regierung eine Serie von Angriff en auf ArbeiterInnen, MigrantInnen und StudentInnen gestartet, dem Vatikan erlaubt, die Politik zu diktieren1 und die parlamentarische Demokratie mit der Durchsetzung einer Reihe von „Notverordnungen“ umgangen.
Italiens Rezession verschärft sich, obwohl die Antwort der Regierung bis jetzt darin bestand, „sich im allgemeinen so zu verhalten, als würde sie nicht existieren“. Finanzminister Guilio Tremonti sagte im Januar diesen Jahres: „Sie werden sehen, dass wir unsere Position in dieser Krise verbessern werden, auch wenn das nur deshalb geschieht, weil andere Nationen schneller zurückfallen.“2 – ganz entgegen der Tatsache, dass Italiens Wirtschaft im letzten Quartal des Jahres 2008 mit einem Rückgang von 1,8 Prozent rascher geschrumpft ist, als in jedem anderen Jahr seit 1980. Erst im März gab er widerwillig zu, dass dem Land „ein schwieriges Jahr“ bevorstehe.
Dies ist wahrscheinlich eine beträchtliche Untertreibung: ÖkonomInnen gehen davon aus, dass Italiens Krise in „verkehrter Reihenfolge“ zuschlagen wird, sodass sich der Einbruch in der Produktion in einem Zusammenbruch der Banken auswirken wird.3 Die Arbeitslosigkeit steigt und ArbeiterInnen bekommen die Auswirkungen der Krise deutlich zu spüren.(...)
Berlusconis Regierung hat sich währenddessen auf die Ärmsten der italienischen Gesellschaft eingeschossen. Seine grausame Anti-MigrantInnen Politik schließt ein „Sicherheitspaket“ ein, das per Notverordnung eingeführt wurde und in dem medizinisches Personal und HausbesitzerInnen angewiesen werden, mutmaßlich illegale MigrantInnen zu melden. Berlusconi und seine Partner aus der Lega Nord und der „postfaschistischen“ Nationalen Allianz haben in Folge mehrerer Vergewaltigungen, die vorgeblich von Nicht-Italienern begangen wurden und denen große mediale Aufmerksamkeit zuteil wurde, ganz bewusst Migration mit Verbrechen in Verbindung gebracht. Reagiert hat die Regierung mit lebenslänglichen Freiheitsstrafen für die Vergewaltigung Minderjähriger und Überfälle, in denen das Opfer getötet wird. Mit dem Vorschlag, allen Nicht-ItalienerInnen Fingerabdrücke abzunehmen strebt sie die Kriminalisierung aller MigrantInnen an. Am bedenklichsten ist, dass sie den Einsatz von Straßenpatrouillen vorgesehen hat, die von unbewaffneten und unbezahlten Freiwilligentruppen („ronde“) durchgeführt werden – darunter auch pensionierte PolizistInnen und SoldatInnen."(...)
der ganze beitrag gibt einen brauchbaren überblick zur lage in italien, und die art der "krisenbewältigung", die seitens des dortigen regimes aus purer leugnung einerseits und aktivierung der übelsten gesellschaftlichen spaltungslinien (rassismus etc.) andererseits besteht, ist ein vorgehen, welches in unterschiedlich krassen ausprägungen auch in anderen europäischen staaten zu beobachten ist. berlusconi und seine offen faschistischen verbündeten haben das ganze aber jetzt auf eine vorläufige spitze getrieben; das ganze sog. "sicherheitspaket" hatheute die letzte formale hürde genommen, was u.a. bedeutet:
(...)"Das neue Gesetz legalisiert Bürgerwehren. Die Gruppen unbewaffneter Bürger sollen in ihren Wohnorten patrouillieren und der Polizei Unregelmäßigkeiten melden. Sie sollen vor allem aus Polizisten in Pension bestehen."(...)
und so sieht zumindest ein teil der "gruppen unbewaffneter bürger" aus:
erinnert Sie das an irgendwas? und kommt Ihnen vielleicht auch das symbol auf der armbinde bekannt vor, die "schwarze sonne"?
"Die Schwarze Sonne ist ein Symbol aus zwölf in Ringform gefassten gespiegelten Siegrunen. Vorlage für das Symbol ist ein ähnliches Bodenornament in Gestalt eines Sonnenrades, welches in der Zeit des Nationalsozialismus von der SS im Nordturm der Wewelsburg eingelassen wurde."
es dürfte durchaus leute geben, die einen derartigen zombiemaskenball als so lächerlich empfinden, wie er tatsächlich auch ist - einerseits. andererseits dürfte das für alle potenziellen opfer in den straßen italienischer städte keinesfalls lächerlich sein, sondern eine ahnung geben von dem, was sich da schon wieder breitmacht, und zwar in vollem bewusstsein der eigenen historischen bezüge unheilvollen angedenkens. ich betrachte das jedenfalls in keiner weise als spaß, ebensowenig wie der folgende bemerkenswerteartikeleines ansonsten durchaus oft genug reaktionären mediums:
(...)"Die GNI ist die neueste Erfindung aus der rechtspopulistischen bis neofaschistischen Schmuddelecke Italiens. Es steht für "Guardia Nazionale Italiana", "Italienische Nationalgarde". Sie will Ordnung bringen in die italienischen Innenstädte, die sie in einem ständigen Niedergang sieht, vor allem verursacht durch Einwanderer.
Um ihr Ansinnen auch nach außen wirkmächtig darzustellen, greift die "Nationalgarde" in die Altkleidersammlung der Geschichte. Wer mitmachen will, soll eine Uniform tragen, die jenen aus der Zeit des Faschismus ähnelt: Springerstiefel, Khakihemden, schwarze Krawatten. So will "GNI" in Italien Streife gehen, sobald ein Gesetz der Regierung Berlusconi in Kraft tritt, das Bürgerwehren zur Unterstützung der Polizei erlaubt.(...)
Das sehr wahrscheinliche Ja lässt ein Phänomen aufleben, das in der italienischen Geschichte und Gegenwart nicht unbekannt ist: Eine Gruppe von Privatpersonen präsentiert sich als Garant der Sicherheit, mit der Begründung, der Staat könne diese nicht gewährleisten. In Bologna gibt es seit 180 Jahren den Corpo, die lokale Bürgerwehr; faschistische Squadristen meinten sich in den 20er-Jahren gegen Kommunisten schützen zu müssen, und Mafia und Camorra erpressen Zehntausende Ladenbesitzer zur Zahlung von "Schutzgeldern".
Kritiker glauben, das organisierte Verbrechen unterwandere die Bürgerwehren, um so - staatlich legitimiert - noch besser das eigene Viertel zu kontrollieren. Innenminister Roberto Maroni hält das für Schwarzmalerei: "Die Bürgerwehren tragen keine Waffen, sie dürfen keine Personen kontrollieren, sie dürfen nur die Polizei rufen, wenn ihnen etwas Verdächtiges auffällt." Und gegen die schwarz gekleideten Leute von der "Nationalgarde" ermittle ohnehin schon die Staatsanwaltschaft wegen Verherrlichung des Faschismus: "Wir werden klare Regeln aufstellen", meint Maroni, "und diesen Leuten kann ich nur sagen: Macht eure Spielchen in den eigenen vier Wänden."
Das werden sie aber nicht. Giganti und seine Leute sagen, sie hätten schon vorsichtshalber in manchen Städten, in denen sie ihre Bürgerwehren aufstellen wollen, bei den Behörden vorgefühlt, was diese von den Uniformen hielten. "Kein Problem", habe es geheißen, nicht einmal die Armbinde mit der schwarzen Sonne sei bei den Behörden auf Skepsis gestoßen. Jenes von der SS gebrauchte Symbol, das nicht strafbar ist, gilt als Erkennungszeichen der rechten Szene. Selbst wenn die GNI darauf verzichtet - allein die Debatte über das Bürgerwehrengesetz hat der "Nationalgarde" und anderen rechten Gruppen und Parteien ermöglicht, sich öffentlich als Hüter der Sicherheit aufzuspielen. Altfaschisten wie Francesco Saya glauben deshalb zu spüren, dass Italien "aufwacht" und sich vom "Unrat befreit, den vor allem Nicht-Italiener gebracht haben". (...)
und auch in italien selbst wird das alles keinesfalls mehr als irgendeine marotte anachronistischer gestalten betrachtet:
(...)"Die Uniformen der "Nationalgarde", die italienweit etwa 2000 Mitglieder haben soll, lösten erwartungsgemäß heftige Reaktionen aus. Junge Kommunisten diskutieren bereits in Internetforen, eine "Kommunistische Miliz Italiens" zu gründen, und die Nachrichtenagentur Ansa meldet, römische Juden hätten angekündigt, eine "Gegenbürgerwehr" zu gründen, eine "Brigate ebraica", eine "Jüdische Brigade".(...)
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nun könnte man hinter dieser bedrohlichen verkleidungsklamotte auch eine nicht eben gerade neue strategie derjenigen vermuten, die für diese massiven spaltungsversuche - zu ihrem schutz in zeiten der krise - verantwortlich sind: lenke die öffentliche aufmerksamkeit und empörung auf einen spektakulären und symbolisch hoch besetzten teilbereich, gehe dann mit großer geste und pseudoentschiedenheit dagegen vor, um im schatten dieses geschehens dann deine eigentlichen pläne ohne größere probleme umzusetzen. das könnte hier ebenfalls der fall sein, aber würde es einen qualitativen unterschied machen, ob die faschisten nun vorläufig ohne uniform als teil der staatsgewalt auftreten, oder aber mit? nicht wirklich, wie ich finde, wobei diese offene provokation und vor allem der öffentliche umgang damit - nicht nur in italien, sondern v.a. seitens der eu und der europäischen staaten insgesamt - einiges auch über unsere nächste zukunft aussagen wird: wenn merkel, sarkozy und co. keine probleme damit haben sollten, einen quasi mafiösen und protofaschistischen typ wie berlusconi weiter als "freund und partner" zu sehen, auch wenn der offen faschistische schlägertrupps - womöglich noch mit ss-symbolen - als reguläre hilfstruppen der staatsmacht durch "seine" städte patroullieren lässt, dann...
ich überlasse es Ihrer phantasie, den satz fortzuführen. mir kommt beim betrachten des bilds oben ständig ein weiterer in den sinn, der sich vor allem auf traumatische geschichte bezieht und das gesetz der re-inszenierung kurz und knapp auf den punkt bringt:
"wer die vergangenheit nicht begreift, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen"
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edit am 03.07.: weil es sich tatsächlich um eine brandgefährliche entwicklung dort handelt, werden die internationalen reaktionen nicht nur wichtig, sondern wie oben umrissen auch sehr aufschlußreich sein. immerhin aus österreich kommt eineerste deutliche reaktionauf den unverblümten faschisierungsversuch, wenn sich auch nicht nur dort die sozialdemokratie an die eigene nase fassen darf:
Die Bürgerwehren, die laut offizieller Angaben lediglich der Polizei Meldung erstatten sollen, würden schon jetzt von der "Guardia Nazionale Italiana" vereinnahmt. "Ihre khakifarbenen Uniformen spielen nicht zufällig mit rechtsextremer Symbolik, die schwarze Sonne als Logo ist ohnehin unzweideutig ein nazistisches Symbol", kommentierte Grossmann. "Wir brauchen vieles, aber keine Renaissance des Faschismus, weder in Italien, noch in Ungarn, noch bei uns."(...)
Die Verschärfung der Strafen für Sexualstraftäter und die Einführung der sogenannten Obdachlosen-Kartei sind für Grossmann "reine populistische Maßnahmen, die von der katastrophalen Wirtschaftslage Italiens ablenken sollen. Anstatt sich um das Schicksal der Obdachlosen zu kümmern, werden diese noch zusätzlich verfolgt."(...)
deutliche worte, aber für die sozialdemokratie allgemein gilt gleichfalls die selbsterkenntnis: die geister, die ich rief... - DAS sind sie!
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edit 2 am 04.07.: es wird und wird nicht besser, je länger ich versuche, weitere informationen zu bekommen - ganz im gegenteil. eher ist auffällig, wie sporadisch bisher die medienreaktionen sind - die welt ist in dem fall tatsächlich eine löbliche ausnahme, die süddeutsche hat bereits mitte juni in kürzeberichtet:
(...)"Die Nationalgardisten versichern, sie seien nicht faschistisch, sondern unpolitisch. Doch wie es der Zufall will, wurde die Truppe am Wochenende bei einem Kongress der neofaschistischen Partei MSI in Mailand vorgestellt. Zufällig gewählt sind demnach auch die Symbole; die Gardisten behaupten, sie dienten bloß dazu, sie als Streife kenntlich zu machen. Und purer Zufall müsste es sein, dass die Nationalgarde von dem Neofaschisten Gaetano Saya initiiert wurde. Doch an so viel Zufall glaubt keiner."(...)
durch die leserreaktionen zum artikel bin ich auf das folgende video aufmerksam geworden - "ooups, da ist mir doch der arm ausser kontrolle geraten..."
die junge frau mit der exzentrischen vergangenheit und mit dem verräterischen arm ist tatsächlich die derzeitige italienische tourismusministerin brambilla, und das ist eine szene von anfang juni. wenn sich in berlusconis kabinett derart illustre gestalten tümmeln, dürfen wir uns ohne weiteres auf weitere sehr unangenehme überraschungen gefasst machen.
und das nd hat die vorstellung der "guardia nazional" mitte juni ebenfalls zum anlass einesartikelsgenommen, der weitere interessante informationen liefert:
(...)"Eine beigefarbene Uniform, schwarze Springerstiefel, und als Symbole der imperiale Adler aus faschistischer Zeit und die schwarze Sonne, mit der sich schon die SS schmückte. So zeigte sich am Wochenende in Mailand auf einer Pressekonferenz die sogenannte »Italienische Nationalgarde«, eine Gruppe von Männern, die demnächst nicht nur in der norditalienischen Industriestadt rund um die Uhr durch die Straßen patrouillieren will. Laut Selbstdarstellung ist man unpolitisch, ein Drittel der Angehörigen kommt aus Polizei und Militär, man verfügt über verschiedene Autos, ein paar Boote und sogar über ein eigenes Flugzeug sowie »Filialen« in Turin, Sizilien, Apulien und Kalabrien.
Chef der Bande ist ein gewisser Gaetano Saya, der schon mehrmals mit der Justiz in Konflikt gekommen ist, weil er faschistisches und rassistisches Gedankengut verbreitet hat. Jetzt allerdings gibt er sich als »Freund von Berlusconi«, der die Bürger schützen will. Die Nähe zum Ministerpräsidenten geht sogar so weit, dass die »Nationalgarde« im gleichen Palazzo der Öffentlichkeit präsentiert wurde, in dem Silvio Berlusconi einst seine Partei »Forza Italia« gründete."(...)
"...ein Drittel der Angehörigen kommt aus Polizei und Militär" - da ist die entsprechende ansage aus dem italienischen innenministerium ja noch nicht mal eine lüge. ich frage mich allerdings dann verschärft nach der inneren verfassung dieser institutionen...
immerhin gibt es auch in italiens offizieller politik menschen, die schlicht entsetzt sind:
(...)"Trotzdem ließen die Reaktionen auf die kleine faschistische Privatarmee mit Namen »Italienische Nationalgarde« nicht lange auf sich warten. Der demokratische Abgeordnete Emanuele Fiano, früher Vorsitzender der jüdischen Gemeinde von Mailand, war entsetzt: »Italien wird zum traurigen und gefährlichen Schauplatz derjenigen, die der Vergangenheit nachtrauern.« Der Fraktionsvorsitzende der Zentrumspartei UDC im Senat, Giampiero D’Alia, forderte die Regierung auf, sofort etwas gegen die »schwarze Bürgerwehr von Neofaschisten« zu unternehmen, »die einfach nur Selbstjustiz üben wollen, wie es unter Mussolini der Fall war«. Der christdemokratische Abgeordnete sagte weiter: »Wir hatten schon davor gewarnt, dass die Einrichtung von Bürgerwehren demagogisch und gefährlich ist. Jetzt haben wir das erste Beispiel für eine Selbstjustiz, die dem Land nur schaden und die Sicherheit in keiner Weise vergrößern wird.« Man werde die Regierung auffordern, diese Gruppen zu verbieten: »Ob schwarz, rot oder grün – die Bürgerwehren sind eine Bankrotterklärungen des Staates und ein echtes Risiko für die Bürger.«(...)
falls dieses projekt weiter so wie offensichtlich geplant - und unter unterstützung des regimes und großer teile des staatsapparats - umgesetzt wird, ist es zeit für internationale aktionen, und zwar von unten. sich hier auf die europäischen demokratiesimulanten wie merkel und co. zu verlassen, heisst nur, dem übel immer mehr platz einzuräumen. die gesamten neuen "sicherheitsgesetze" in italien sind ausdruck einer schon mehr als faschistoiden entwicklung und müssen als sofortmaßnahme verschwinden, ebenso ist berlusconi endlich ohne jede verklärung als der zu sehen, der er ist - wie ich ihn ganz oben zum beginn des beitrags schon gezeichnet habe.
ich versuche zusammen mit anderen, in den nächsten tagen möglichst direkte informationen aus italien - und v.a. aus der linken opposition dort - zu bekommen. weiterführendes wird dann hier zu lesen sein.
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edit am 10.08.: zum letzten satz ist zu sagen, dass mir zwar zwischenzeitlich ein bericht aus italien vorliegt, der sich aber mit der situation im frühjahr beschäftigt und von daher bei den aktuellen entwicklungen schlicht veraltet ist. sobald etwas neues kommt, wird´s hier zu lesen sein. und das könnte schon sehr bald der fall sein, sind dochseit diesem wochenende die "bürgerwehren" "erlaubt". und wie es schon zu erwarten war, sind ihre äußeren (und so wie oben beabsichtigten) erscheinungsformen zwar staatlich reglementiert worden, was aber am personal - auch ohne gewünschte uniformen - nichts ändert:
(...) ""Es gibt klare und strenge Regeln, die respektiert werden müssen. Erstens wird es nur dann Bürgerstreifen geben, wenn das Stadtoberhaupt einer Gemeinde sie für notwendig hält. Der Bürgermeister wird letztendlich bestimmen, ob und wann die Bürgerstreifen eingesetzt werden", erklärte Maroni. Der Polizeichef muss die Liste der Beteiligten an den Bürgerwehren überprüfen. Bürgerstreifen mit politischer Färbung sind strengstens verboten.
Die Bürgermeister, heißt es im Dekret, sollen "bevorzugt" auf pensionierte Polizisten oder Soldaten zurückgreifen. Die Teilnehmer, die mindestens 25 Jahre alt sein müssen, sollen der Polizei Vorkommnisse anzeigen. Bei einem Delikt "in flagranti" dürfen sie jedoch im Einklang mit dem italienischen Strafgesetzbuch den Täter festhalten, bis die Polizei eingreift.
Die weder vorbestraften noch drogenabhängigen Personen dürfen sich nur mit Taschenlampen und Mobiltelefonen ausgerüstet auf Streife begeben. Sie müssen unbewaffnet sein und dürfen keine Fesseln, Handschellen, oder Sprays zur Selbstverteidigung benutzen. Sie werden nur an einer gelben Leuchtjacke erkennbar sein und dürfen weder paramilitärische Uniformen tragen, noch in Fahrzeugen patrouillieren." (...)
klingt doch harmlos, meinen Sie? nun, man darf getrost davon ausgehen, dass selbst ein typ wie berlusconi weiß, wann der bogen in der öffentlichkeit überspannt ist - und zumindest im ausland wäre das auftreten von offen erkennbaren faschisten im faktischen staatsdienst etwas gewesen, was mit einiger wahrscheinlichkeit nicht kalkulierbare folgen mit sich gebracht hätte. von daher sind die formalen regeln eher als eine art beruhigungspille zu betrachten, und die wahrscheinlichkeit ist groß, dass sich zukünftigsolche nachrichtenwie von ende juli häufen werden:
"Die Bürgerwehren in Italien sind ein Lieblingsprojekt der Rechten. Sie sollen, so ist es gedacht, für mehr Sicherheit sorgen. Tatsächlich machen sie der Polizei nur noch mehr Arbeit. So nahmen am Wochenende Hunderte Touristen Reißaus, als in der toskanischen Küstenstadt Massa die rechte Bürgerwehr "Soccorso sociale e sicurezza" (Sozialer Beistand und Sicherheit, SSS) und die linke "Contro-ronde proletarie" (Proletarische Gegenwehr) aneinander gerieten. Als die einen mit faschistischen Gesängen und römischem Gruß die anderen provozierten, entbrannte eine Straßenschlacht.
Rechtsaußen-Stadtrat und SSS-Gründer Stefano Benedetti warnt: "In diesem Klima könnte es auch zu Toten kommen." Schuld, findet er, habe die "Toleranz" der Kommune gegenüber linken Gruppen." (...)
es bleibt dabei: die ganzen neuen italienischen "sicherheitsgesetze" stellen ein menetekel für europa dar, welches noch drastischer erscheint, wenn man sich die weitgehend ausbleibenden reaktionen betrachtet. und solche geschichten wie der oben geschilderte konflikt zwischen faschisten und linken tragen bekanntlich dazu bei, den ruf nach ruhe und ordnung verstärkt aufkommen zu lassen - wem das nützt, ist zur genüge historisch belegt. eine leicht abgewandelte "strategie der spannung" scheint sich hier breitzumachen, zumal die öffentliche präsenz von faschisten im staatsdienst für die gruppen ihrer erklärten feinde die bereitschaft zur gegenwehr schlicht notwendig macht.
für den heutigen sonntagsblues sage ich mal ein must read! an, und den impuls fühle ich selten genug - aber es gibt geradezu sensationelle (mir fällt gerade kein passenderer begriff ein) neue informationen, die den zusammenhang zwischenpeak oilund der sich immer deutlicher manifestierendensystemkrisenicht nur unterstreichen und meiner meinung nach sehr nachvollziehbar machen, sondern diese verbindung sozusagen mit einemgrellen leuchtenden rothervorhebt:
"Eine neue Studie stellt alle derzeitigen Nachrichten in den Schatten. David Murphy hat unter dem Titel The Net Hubbert Curve: What Does It Mean? den Einfluss steigenden Energieaufwands bei gleichzeitig abnehmender Erdölförderung untersucht. Das Ergebnis lässt selbst hartgesottene Zweifler der derzeitigen Industriezivilisation erzittern.
Der Hintergrund ist, dass es Erdöl braucht um nach Erdöl zu bohren. Zieht man die Menge des zur Förderung aufgebotenen Erdöls von der Menge des geförderten Öls ab, bekommt man die Netto-Energie, die der Gesellschaft anschließend für andere Zwecke zur Verfügung steht (den Quozienten aus Ertrag und Aufwand nennt man Erntefaktor, dieser gilt sinngemäß für alle Energiequellen). Im Jahre 1930 bekam man etwa 100 Fass Erdöl für jedes Fass, das man investierte, 1970 waren es nur noch dreißig und im Jahr 2000 gar nur noch 11 Fass. Dieser Trend wird sich so fortsetzen, gerade beim Ausbeuten von Tiefsee- und Polaröl, das gigantische Aufwendungen benötigt. Murphy extrapolierte also den beobachteten Trend aus totaler Erdölförderung und Netto-Energie und kam zu folgender Prognose:"(...)
ich möchte hier nur die vielleicht gravierendste konsequenz aus dieser studie erwähnen: unserer spezies bleiben danach gerade noch 20 jahre, um vor allem die ökonomische infrastruktur - incl. produktion, transport, landwirtschaft etc. - global auf das post-öl-zeitalter umzustellen. aber nicht nur das nötige problembewusstsein sowie der nötige wille zu den nötigen umwälzenden prozessen ist weit und breit nicht zu sehen, auch und gerade die materiellen voraussetzungen, die benötigt werden, um bspw. angepasste techniken zu entwickeln - was den übergang zumindest nicht ganz so ruppig machen würde, aber beim heutigen stand der technik vorläufig weiterhin in vielen bereichen die nutzung von erdöl impliziert -, werden mit jedem kommendem jahr in diesem leider sehr plausiblen countdown schwieriger, teurer und vor allem in ihrer verfügbarkeit geringer werden.
sicher, man kann solche studien anzweifeln und in frage stellen - genauso, wie man die haltung der drei affen einnehmen kann. für alle anderen jedoch wird es dringend zeit, sich tatsächlich mit den möglichen worst-case-szenarien auseinanderzusetzen, die beim zerfall der globalisierten industrialisierten welt nach westlichem muster potenziell denkbar sind. wer den sonntag dazu nutzen will, könnte sich zum anfang mit zwei online lesebaren romanen beschäftigen:jenseits des ölgipfelssowiepeak oil reloadedder autorin eva marbach geben erste hinweise gerade auf die alltagsprobleme, die sich mit den zunehmenden auswirkungen des peaks ergeben werden.
wobei: die verhältnisse, die sich aus dem zusammentreffen von peak oil nicht nur mit der sich immer noch verschärfenden weltwirtschaftskrise, sondern auch anderen ressourcenkrisen (wasser!), den folgen des klimawandels (die sich zunächst ebenfalls in möglichen verteilungskriegen v.a. um land, massiven flüchtlingsbewegungen und zunehmenden politisch-sozialen instabilitäten manifestieren werden), sowie - und das betrachte ich als eigentliche katastrophe - dem ebenfalls global wahrnehmbaren phänomen des zerfalls der sozialen basis vieler gesellschaften bzw. dem zugrundeliegenden teilweisen oder auch kompletten der individuellen sozialen fähigkeiten vieler menschen (wie ich ihn fragmentarisch im blog zu dokumentieren versuche) ergeben, sind vermutlich etwas, was auch die phantasie des düstersten apokalyptikers überfordern dürfte. es wird höchste zeit, sich darüber klar zu werden, das die nicht mehr abreissenden botschaften des kommenden eine schwere, andauernde und fatale überlastung der inneren schutzmechanismen bei vermutlich fast allen von uns mit sich bringen werden, was ein im besten sinne ganzheitlich vernünftiges umgehen mit dieser historischen konstellation, die einen absoluten und vermutlich entscheidenden wendepunkt in der menschlichen geschichte anzeigt, fast unmöglich erscheinen lassen - wir werden uns auf alle möglichen bekannten und noch unbekannten arten der inneren flucht (in diverse virtuelle räume, zu denen auch die verschiedenen arten von wahnsinn zu rechnen sind) als massenphänomen einstellen müssen. und das ist nur ein punkt unter vielen, die am horizont sichtbar werden.
ganz ernsthaft: aus meiner sicht und mit berücksichtigung der mir realistisch erscheinenden szenarien sowie der wahrnehmbaren entwicklungen steuern wir rasend schnell auf einen punkt zu, an dem sich nur noch eine einzige alternative für die überwiegende mehrheit aller menschen stellen wird. und die lautet:
(die art unseres lebens radikal) ändern oder sterben.
während sich der beitrag, in dem dieses zitat zu finden ist, primär mit dem letzteren befasst, beginne ich die heutige notiz mit dem bezug auf´s kunstwerk, was deshalb kein zufall ist, weil sich vermutlich niemand den schlagzeilen des heutigen tages so wirklich entziehen kann, und sei´s auch nur deshalb, um sich einmal mehr über einen gigantischen medienhype zu ärgern. und sich dazu fragen zu stellen nach dem missverhältnis zwischen der aufmerksamkeit für den tod eines sängers und derjenigen, die für die täglichen systembedingten toten nicht vorhanden ist. diese und andere fragen sind notwendig, führen aber möglicherweise von der erkenntnis weg, dass auch ein michael jackson nur innerhalb dieses systems funktionieren und seinen status erwerben konnte. den finalen preis dafür hat er irgendwann in den vergangenen stunden entrichtet.
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"Jede Gesellschaft bekommt die Freaks, die sie verdient."- so ein ebenfalls treffender satz aus einem alten tp-artikel, in dem es u.a. um die damaligen - und niemals ganz aufgeklärten - anschuldigungen gegen jackson bezgl. sexueller gewalt gegen kinder ging. dieser sich über jahre hinziehende öffentliche skandal zusammen mit vielfältigsten gesundheitlichen störungen erzeugten bei vielen eher das bild einer gleichzeitig bemitleidenswerten sowie abstoßenden und insgesamt so zerrissenen figur, das nicht nur ich zu folgender persönlicheneinschätzunggelangte:
"und hinsichtlich michael jackson (...), die ich persönlich ebenfalls beide für borderlinebetroffen halte, wäre noch das element der öffentlichen identitätskonstruktionen und -wechsel zu nennen, welches bei genauerer beobachtung bei vielen sog. stars zu bemerken ist. essstörungen und selbstverletzendes verhalten als symptome verstärken ebenso wie vielfältiger drogenabusus dann nur noch die indizienreihe."
speziell bei jackson erst recht die vorliegenden informationen zurkindheit:
(...)"Als Erziehungsmaßnahme griff Joe Jackson zum Gürtel, erzählte er in einem Interview mit dem britischen TV-Sender BBC, das die Anstalt am Sonntagabend ausstrahlen will. Popstar Michael Jackson beschuldigt seinen Vater seit langem, ihn als Kind geschlagen zu haben. Joe Jackson sagte dazu laut BBC: "Ich habe ihn gepeitscht....Ich habe ihn nie geschlagen. Man schlägt jemanden mit einem Stock."(...)
Joe Jackson bestätigte demnach, dass sein Sohn bis heute große Angst vor ihm habe. Zu Michaels früherer Äußerung, er müsse sich vor Nervosität erbrechen, wenn er seinen Vater besuche, sagte Joe Jackson: "Er muss brechen, das stimmt."(...)
zusammen mit den am ende des artikels ausgeführten homophoben äusserungen des vaters erhalten jacksons vorliebe für kleine jungen (und zwar unabhängig von den übergriffsvorwürfen), seine gesundheitlichen probleme und seine öffentlich vorgeführten identitätskonflikte einen nur allzu gut bekannten traumatischen hintergrund, der ihn damit millionen anderen menschen quasi gleichstellt - und der ihn gleichfalls durch seine spezifischen und zumindest äusserlich und materiell erfolgreichen kompensationsversuche von ihnen auf drastische weise trennt, aber vielleicht gerade dadurch die möglichkeit für die (westlichen) gesellschaften eröffnete, bei ihm wie auf einer riesigen projektionsfläche kollektiv verbreitete erfahrungen zu "bearbeiten" - natürlich in einer verzerrten und letztlich unwirksamen form, weil diese "bearbeitung" immer nur symbolisch sein kann. und während musikalisch nach den 1980er jahren nicht mehr wirklich viel gelaufen ist, wurden medial öfter solchemeldungenals berichtenswert erachtet:
(...)"Der "King of Pop" nahm seinen Auftritt vor dem Diskussionsforum "Oxford Union" zum Anlass, die Wohlfahrtsorganisation "Heilt die Kinder" (Heal the Kids) ins Leben zu rufen. Weil er selbst "Produkt eines Mangels an Kindheit" gewesen sei, wolle er dazu beitragen, das Verständnis zwischen Eltern und Kindern zu fördern, sagte Jackson."(...)
die selbstbeschreibung halte ich für sehr treffend im sinne einer realitätsgerechten wahrnehmung seiner authentischen existenz. und diese wie auch noch so fragmentarische adäquate wahrnehmung seitens seiner fans dürfte im zusammenspiel mit der inszenierung der anscheinend "erfolgreichen bewältigung" - und dazu noch nicht nur im gesellschaftlich akzeptablen, sondern sogar als "vorbildhaft" vermittelten rahmen - seiner traumatischen biographie einen gewaltigen teil seiner massenwirksamkeit erzeugt haben. einer aus dem millionenheer derjenigendies- und jenseits der borderlinehat seinen gleichfalls kindheitsgeschädigten leidensgenossInnen mit seinem "erfolg" einen scheinbaren ausweg aus ihren biographischen fallen gezeigt - einen nicht grundlos populären als-ob-ausweg (andere können unsere gesellschaften schlicht aufgrund ihrer struktur auch nicht dulden, zumindest keine massenwirksamen).
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vor diesem hintergrund halte ich auch den folgenden satz aus demnachrufeines jackson- und foucault-fans (diese kombination ist immerhin konsequent) schlicht für falsch:
"Einer, der das Motto “Sich neu erfinden” wohl am radikalsten mißverstanden hat."
ganz im gegenteil glaube ich, dass die zeitliche parallelität zwischen dem beginn von jacksons weltkarriere anfang der 1980er sowie der besonders durch ronald reagan in den usa und margaret thatcher in großbritannien begonnenen rücksichtslosen umsetzung derjenigen kapitalistischen strömung, unter deren bezeichnung "neoliberalismus" wir u.a. heute in eine zweite große ökonomische depression schlittern, keinesfalls zufällig ist, sondern michael jackson durch seine künstlerischen ausdrucksformen mit dem schwerpunkt der inszenierung und verwandlungen von realität in fiktionale geschichten die erwähnte umsetzung erst mit möglich gemacht hat. und in diesem sinne als mitkonstrukteur der heute verschärft erbärmlichen zustände gelten muss. perfekte bühneninszenierungen, umwälzende videoclips (mit der gewöhnung an eine erheblich beschleunigte bildersprache als sinnbild der allgemeinen - allseits propagierten -beschleunigungüberhaupt) und der jedem starkult implizite mythos des "du-kannst-es-schaffen-wenn-du-nur-willst-und-dich-anstrengst" dürften seitens jackson bezgl. massenwirksamkeit jede reagan- und thatcher-rede weit in den schatten gestellt haben - nicht nur deshalb, weil die produktionen von jackson für viele besser ausgesehen und geklungen haben als das, was die beiden letztgenannten auf ihren feldern so veranstaltet haben.
"sich neu erfinden" ist dabei eine parole, die letztlich sowohl für die heutige ideologie des allseits"flexiblen"menschen steht als auch die älteren (alp-)träume des übermenschen, der heute u.a. in der form descyborgsgeträumt wird - und bei der es nichts misszuverstehen gibt:
"warum aber sollte jemand, der/die sich in sich und seiner/ihrer körperlichkeit sicher und wohl fühlt, den wunsch entwickeln, sich eben von dieser körperlichkeit und den damit untrennbar verbundenen vielfältigen beschränkungen und grenzen "befreien" zu wollen, sich eine neue identität verschaffen zu wollen? es macht, egal aus welcher perspektive betrachtet, keinen sinn - es macht aber dann einen sinn, wenn die ureigene menschliche körperlichkeit eben nicht mehr oder nur noch fragmentarisch als eigenes selbst empfunden wird bzw. werden kann - die bewegung hin zu fiktiven sphären, in denen die heimat ebenso fiktiver selbstentwürfe oder der konstruktion von mächtigen wesen zu suchen ist, stellt sich aus dieser perspektive als eine determinierte, also unfreie und defensive reaktion auf tatsächlich unerträgliche realitäten dar."
und jacksons biographie ist dabei aus meiner perspektive nur ein, wenn auch sehr berühmtes, beispiel für die strukturellen hintergründe, aus denen heraus die phrase des "sich neu erfindens" - ein in der realität unmöglicher vorgang - als eines der begleitenden elemente neoliberaler ideologie überhaupt erst auf so viele offene ohren stoßen konnte. verkleide dich, gib dir einen neuen namen, wechsel sogar das geschlecht - deiner biographie, die sich in der gesamten körperlichkeit manifestiert, wirst du selbst dann nicht entkommen, wenn du ein echter soziopath bist (bei denen bekanntlich konstruierte als-ob-identitäten die einzig mögliche existenzform darstellen). und gerade in den oben genannten versuchen manifestieren sich nachdrücklich biographische erfahrungen. vor deren negativen, und d.h. meistens schmerzvollen, varianten gibt es kein ausweichen, sondern nur die bestenfalls glückende verarbeitung mit anschließender integration. ich glaube, dass michael jackson beim letzteren weg vielleicht nicht so "erfolgreich", aber vermutlich gesünder und glücklicher hätte leben können.
aber solange diese gesellschaft so aussieht, wie jetzt, wird es schon einen haufen potenzielle nachfolgerInnen geben, die einen ähnlichen weg gehen werden. und solange gilt auch meine schon früher formuliertekritikgar nicht so sehr an den kunstfiguren selbst... "... als vielmehr an einer öffentlichkeit, deren stars vielfach züge von identitätsstörungen und objektivistischem wahn aufweisen. und diesen zustand als "normalität" mißzuverstehen, müssen wir uns dringend abgewöhnen."
bis auf weiteres habe ich dem nichts hinzuzufügen.
* * *
auf einem anderen teil der bühne, von der uns ständig die vorführung von "gesellschaftlichen erfolg" - in objektivistischer logik messbar natürlich alleine am bankkonto und am grad der eigenen macht - als angeblich einzigem lohnenswerten lebensziel in gefühle eigener minderwertigkeit und anschließender scham stürzen soll, tummeln sich nach wie vor (wenn auch unter zunehmenden buh-rufen eines teils des publikums) die stars der globalisierten ökonomie in form von bankstern und managern, über die ein neuropsychologe das folgende urteil fällt:
im kern durchaustreffend, wird diese erkenntnis gleich wieder relativiert:
"Generell sei der Mensch kein moralisches Wesen, sondern stets auf seinen eigenen Vorteil bedacht."
auch wenn es hierbei ganz zentral auf die jeweilige definition des wortes "vorteil" ankommt, so verbreitet der zitierte hier doch wieder ein fragment jener ideologie, nach der wir alle am ende uns lediglich quantitativ von soziopathen unterscheiden würden. und das wiederum ist eine bedingung für genau jene auftritte, die in der überschrift dieses beitrags angesprochen werden. und beide sätze zusammen bringen kernelemente des ganzensystemsauf den pathologischen punkt.
...welches am20. juni in bremenstattgefunden hat. und es war durchaus eine interessante veranstaltung, die einiges an stoff zum weiterdenken geboten hat.
*
ich bin etwas zu spät gekommen und mitten in die erste hälfte des vortrags zur militärpsychiatrie im ersten weltkrieg, "maschinengewehre hinter der front" geraten. mit diesem thema hatte ich mich u.a. auch beruflich in der vergangenheit schon etwas ausführlicher beschäftigt und dachte daher im vorfeld, dass sich dabei zumindest für mich keine grundsätzlich neuen aspekte ergeben würden. das aber war, vor allem im zusammenhang mit den nachfolgenden beiträgen, letztlich eine fehleinschätzung.
die mir bis dahin unbekannte referentin, maria hermes, die gerade an einer dissertation zum thema schreibt, arbeitete vor dem hintergrund des allgemeinen vorgehens der (deutschen) militärpsychiater einige punkte heraus, die mir besonders hervorhebenswert erscheinen: erstens spielten die "minderwertigkeitskomplexe" der psychiatrie damals auch bei der behandlung der"kriegszitterer"eine ähnlich unheilvolle rolle wie in der zivilen psychiatrie, und zwar in dem sinne, dass das streben der psychiater nach "wissenschaftlicher anerkennung" seitens der anderen und "anerkannteren" medizinischen disziplinen auch hier zu einem abstrusen biologismus hinsichtlich des krankheitsverständnisses, der diagnosenstellung und bei den behandlungsmethoden führte. besonders die zeitgenössische neurologie grenzte sich in einer heute nicht mehr vorstellbaren form von der psychiatrie ab, was hermes anhand von zitaten einiger prominenter damaliger neurologen gut deutlich machte, in denen die herablassende geringschätzung von "nur psychischen" störungen (= ohne im damaligen sinne nachweisbare organische grundlage) und der entsprechende umgang mit den patientInnen deutlich wurde.
das oben erwähnte führte dann bei den militärpsychiatern dazu, solche theoriemodelle zu entwickeln wie jenes, welches die symptome der traumatisierten als folge einer art "gehirnerschütterung" sowie der körpervermittelten erschütterung des nervensystems durch die wucht des artilleriefeuers in den grabenkämpfen bzw. die dadurch bewirkten erschütterungen des erdbodens deutete. aus damaliger sicht sehr passend, standen soldaten mit traumasymptomen doch schon grundsätzlich unter dem verdacht der (erbbedingten) "konstitutionellen schwäche", also einer grundsätzlichen minderwertigkeit, die konsequent zu ende gedacht alleine dafür verantwortlich gemacht wurde, dass soldaten auf das kriegsgrauen nicht mit unbeeindruckter ignoranz, gelassenheit und "tapferkeit" reagierten, sondern letztlich zutiefst menschlich.
diese unterstellte "minderwertigkeit" führte dann schnell auch zum grundsätzlichen verdacht der simulierten symptome (aus "feigheit"), was sich dann in den behandlungsmethoden entsprechend wiederspiegelte: zwangsbehandlungen mit elektrischen strömen (damit ist übrigens nicht die "elektrokrampftherapie" gemeint, die erst 1938 entwickelt wurde) in form von wiederholten serien von ungefilterten elektroschocks; die damals in den psychiatrischen anstalten üblichen dauerbäder (und zwar nicht nur mit körperwarmen, sondern auch eiswasser); verschiedene arten derdeprivationsowie die bildung von speziellen "bettnässerkompanien", in denen die betroffenen durch "frontnahe behandlung" sowie entsprechenden einsätzen "geheilt" werden sollten. andere behandlungsmethoden wie hypnotische und suggestive sowie die bettbehandlung und obligatorische arbeitstherapie muten vor diesem hintergrund dann schon regelrecht mild und human an.
bezeichnend auch die ebenfalls von der militärpsychiatrie geprägte bezeichnung"kriegshysteriker"in der nicht nur implizit das urteil "weibischer schwäche" untergebracht wurde (und interessanterweise mit dem wort "hysterie" das zweite mal in der psychiatriegeschichte traumatisierte stigmatisiert wurden; siehe dazu den blogbeitrag zurgeschichte der hysterie).
hermes untermauerte ihren beitrag durch etliche zitate aus dem bestand entsprechender krankenakten des altarchivs des klinikums bremen-ost, welches in seiner inzwischen über hundertjährigen geschichte während des wk1 auch als armeelazarett fungierte. und die mir ebenfalls teils gut bekannten akten belegen durch ihre inhalte durchaus selbst die in einer (für damalige verhältnisse) "reformorientierten" heil- und pflegeanstalt dieses neben der späteren nazi-"euthanasie"-aktion"T4"brutalste kapitel der (deutschen) psychiatriegeschichte. abschließend wurde ebenfalls nochmals deutlich gemacht, dass sich hier die damalige psychiatrische ideologie passend mit den interessen der späteren führungsschichten in der weimarer republik traf: liessen sich doch auf basis der vorher stattgefundenen psychiatrischen einordnung der traumatisierten deren mögliche entschädigungsansprüche an den deutschen staat mittels des diagnostischen konstrukts der"rentenneurose"abschmettern, die andernfalls, so jedenfalls ein diskussionsbeitrag aus dem publikum, die damalige deutsche rentenversicherung in den bankrott getrieben hätten (und dazu bei anerkennung der ansprüche und der implizit darin enthaltenen wertung des krieges auch das öffentlich verbreitete bild vom krieg als "vaterländischer notwendigkeit und ehrenvoller aufgabe" beschädigt hätten.)
*
die bereits im ersten vortrag anklingenden "besonderheiten" des ersten weltkriegs vor allem in den militärischen formen desgraben- und stellungskrieges - im folgenden ein bild von der westfront, an der britische sanitäter einen verletzten bergen; beachten Sie vor allem den bodenlosen matsch -
bildeten auch einen schwerpunkt beim referat des sozialpsychologengerhard vinnai, der sich mit der genese von hitlers antisemitismus aufgrund dessen traumatischer erfahrungen in diesem krieg (so die these) beschäftigten. hier mache ich´s mir einfach, zumal eine variante des vortrags online als pdf einsehbar ist, und zwarhier. es war im übrigen auch tatsächlich das gleiche thema, welches ich in der ankündigung zum symposium bereits als mir bekannt erwähnt hatte, und so konnte ich nun bei grundsätzlicher "vertrautheit" mit den thesen nochmal anders zuhören als beim ersten mal vor ein paar jahren. und in der nachfolgenden diskussion einige inhaltliche fragen loswerden. die erste davon bezog sich auf vinnais aussage, dass der kriegsbeginn für hitler einen echten biographischen bruch mit seinem bisherigen leben, vor allem dessen "wiener jahren", geprägt von obdach- und perspektivlosigkeit, bedeutet hätten, und ihn vor allem aus der rolle des sonderlichen außenseiters befreit hätte. dazu gibt es allerdings nun durchaus widersprüchliche informationen in der rechts in der literaturliste enthaltenen und primär mögliche relevante psychopathologische züge thematisierenden hitlerbiographie von matussek & marbach (mehr zu den thesen dieses buches hier), die hitler auch in seiner kriegszeit unter den "kameraden" eine außenseiterposition attestieren, welche sich vor allem aus der hochnäsigen verachtung hitlers gegenüber eigenheiten des frontlebens wie bspw. die rolle des alkohols sowie den endlos ausgesponnenen "weibergeschichten" unter den soldaten ergeben hätte. ich finde diese herleitung durchaus nachvollziehbar, leider gab es darauf keine wirkliche antwort vinnais oder auch aus dem publikum.
meine zweite frage bezog sich bereits auf die "männerphantasien" von klaus theweleit (siehe dazu ebenfalls die literaturliste), dem ja ebenfalls die auffällige verwendung von matsch-, sumpf-, schlamm und ähnlichen metaphern in vielen texten/romanen von soldatischen männern (und gerade denjenigen, die sich direkt nach dem krieg in den konterrevolutionären freikorps zusammenfanden und später die kerntruppen der nazibewegung bildeten) aufgefallen ist. theweleit hat mittels seines spezifisch psychoanalytischen zugangs allerdings ausdrücklich die entwicklung der psychophysischen struktur bei diesen männern, als deren markanten ausdruck er die beschriebene metaphernwelt ansieht, nicht im krieg verortet, sondern in den "normalen" erziehungsbedingungen der deutschen militärdiktatur (und so lässt sich die monarchie durchaus bezeichnen) in kindheit & jugend dieser männer vor dem krieg in kombination mit dem späteren berüchtigten deutschen militärischen (vorkriegs-)drill während ihrer rekrutenausbildung.
meine frage bezog sich nun darauf, wie vinnai den einfluss dieser - bekannt brutalen - erziehungsmethoden nicht nur bei hitler, sondern auch den soldaten bzw. späteren nazis bewertet. die antwort darauf entsprach im kern meiner eigenen heutigen position, sinngemäß: die traumatischen wirkungen des krieges dürften nicht gegen die wahrscheinlich vorhandenen traumatischen schäden aus der kindheit "ausgespielt" werden; und ebenfalls habe theweleit die kriegsfolgen (ebenfalls sinngemäß) in ihrer bedeutung eher unterschätzt. es folgte eine kurze diskussion darüber, ob nicht ein weiterer zugang auch über den "mutterkult" der nazis erfolgen könne, und zwar derart, dass für die soldaten im krieg unter feuer der erdboden, in den sie sich oft genug regelrecht vergraben mussten, nicht auch so etwas wie die "schützende mutter" (erde) dargestellt hätte, und diese verbindung ebenfalls eine rolle spielen würde. das lässt sich aus einer (klassisch) psychoanalytischen perspektive vermutlich noch vertiefen; ich möchte mich jedoch eines kommentars dazu enthalten.
(an dieser stelle möchte ich übrigens auch um verständnis dafür bitten, dass ich mich bei der darstellung von diskussionsbeiträgen hauptsächlich auf meine eigenen beschränke; es kamen schlicht zu viele aspekte zur sprache, die ich trotz erstellung von notizen während der veranstaltung dabei nicht berücksichtigen konnte.)
nach diesem zweiten beitrag jedenfalls tauchte bei mir im kopf das erstemal eine these auf, die ich wie folgt umreissen könnte: wo liegen eigentlich die unterschiede zwischen denjenigen, die in und nach dem krieg primär mit den (heute bekannten) posttraumatischen symptomen reagierten und auch daran litten, und denen, die aus dem krieg offensichtlich brutalisiert - v.a. die späteren nazis - herauskamen? liegt eine mögliche antwort etwa darin, ob jemand bereits mit deutlich traumatischen schäden und/oder gar antisozialen bis soziopathischen zügen in den krieg gezogen ist, wo sich letzterer dann wie eine art trigger auswirkte, und zwar einer mit verstärkungseffekt? das kommt mir jedenfalls wie eine sehr untersuchungswerte frage vor, zu der mir bislang nichts bekannt ist.
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nach einer längeren pause kam dann der beitrag, auf den ich im vorfeld besonders gespannt gewesen bin: der - ja, militärpsychiaterkarl-heinz biesold, leitender arzt auch derpsychotraumatologischen abteilungdes bundeswehrkrankenhauses hamburg, referierte zu posttraumatischen störungen nach auslandseinsätzen der bundeswehr bzw. ihrer armeeinternen behandlung.
biesold betrat dabei das podium bereits mit einem (ironischen) ausdruck seiner erwartung, bei dieser veranstaltung "zerfleischt" zu werden - vermutlich hinsichtlich seiner profession als militärpsychiater -, und machte damit bei einem teil des publikums gleich auch mal pluspunkte. desweiteren stellte er sich als rhetorisch gewandter redner heraus, was ich allerdings bei seiner position (u.a. als öffentlicher repräsentant der bw) auch nicht besonders überraschend fand. nichtsdestotrotz: der vortrag war durchaus interessant, und eher als eine art in einem abgegrenzten rahmen herumspringende erzählung gehalten, unterlegt von diversen statistiken zum anschauen an der wand.
er begann zunächst mit einer zusammenfassenden darstellung aller auslandseinsätze der bw seit den 1990er jahren, incl. der sog. "humanitären" wie in kambodscha u.a., und machte in dem zusammenhang auch deutlich, dass selbst bei diesen einsätzen - wie auch bei solchen primär nach naturkatastrophen - bereits ptbs-fälle zu verzeichnen waren. die psychotraumatologische abteilung existiert im krankenhaus seit 1994, ist also durchaus als "produkt" der seitdem ständig zunehmenden auslandseinsätze zu betrachten. was mir auffällig erschien, war der eindruck, dass in dieser abteilung mit einem sehr streng an die jeweils aktuellen definitionen der diagnostischen kataloge icd-10 und dsm-IV angelehnten modell der ptbs gearbeitet wird, also weitergehende und meiner meinung nach realitätsgerechtere diagnostische modelle wie bspw. das derkomplexen ptbsnach judith herman auch nicht bei praktischen schwierigkeiten berücksichtigt zu werden scheint. ebenfalls interessant fand ich die betonung der zusammenarbeit zwischen bundeswehr und zivilen kliniken mit traumaschwerpunkt einerseits sowie die entsprechende zusammenarbeit mit der psychotraumatologischen forschung insgesamt andererseits - mir scheint, dass biesold das sehr bewusst als abgrenzendes moment zur historischen deutschen militärpsychiatrie ansieht (die sich damals strikt gegen alle einmischungen aus der zivilpsychiatrie offensichtlich verwahrt hat, was auch aus ihrem selbstverständnis als teil des (elitären) militärs heraus erklärbar sein dürfte).
gleichfalls fand ich die aussage bemerkenswert, dass als hauptsächliche methode der traumabehandlungEMDReingesetzt wird, mit folgenden ergebnissen: ca. ein drittel aller behandelten ist danach wieder voll "funktions- und dienstfähig", ein weiteres drittel mit einschränkungen, und das letzte drittel verlässt entweder die armee generell (und damit auch die behandlung) oder aber reagiert nicht auf die therapeutischen interventionen (die letzteren aussagen muss ich allerdings aufgrund fehlender sicherheit bei der rekonstruktion der informationen mit einem fragezeichen versehen). aber in bezug auf emdr betrachte ich das als weiteren beleg dafür, dass es sich bei dieser technik - dieser aspekt wurde sowohl von biesold als auch weiteren diskutanten später nochmal betont; emdr lässt sich nur innerhalb verschiedener therapeutischer kontexte einsetzen und nicht "für sich" - tatsächlich um eine hoffnungsvolle möglichkeit handelt, mit posttraumatischen störungen umzugehen.
desweiteren stellte biesold ein modell verschiedener stressoren - zur einschätzung potenziell traumatischer belastungen - vor, mit dem dort gearbeitet wird. er unterscheidet dabei zwischen "operationellen" und "besonderen" stressoren; zu den ersteren zählen bspw. solche umstände wie kontakt mit einer neuen und unbekannten kultur, die trennung von gewohnten sozialen umfeld und ähnliche umstände. die "besonderen" stressoren ergeben sich bspw. aus ständiger kasernierung sowie offen kriegerischen, also gewaltvollen handlungen, situationen und erlebnissen. bemerkenswert war dabei in diesem zusammenhang das, was biesold als "neues dilemma" bezeichnete: im gegensatz zu den letzten großen kriegen unter deutscher beteiligung, die jeweils offiziell und öffentlich als absolut "notwendig", "gerecht" u.ä, gekennzeichnet und mehrheitlich auch so empfunden wurden, stellt sich gerade beim größten laufenden bw-einsatz, nämlich dem in afghanistan, offensichtlich bei vielen beteiligten die sinnfrage, d.h. die frage "wofür bin ich / sind wir eigentlich hier?" das ist vermutlich nicht nur aus meiner sicht eine absolut berechtigte frage, deren existenz aber lt. biesolds ausführungen die wahrscheinlichkeit für das auftreten einer ptbs deutlich erhöhen kann, was ich wiederum beim nachdenken nicht so erstaunlich finde. gleichfalls finde ich das absolut keinen grund, auf diese frage zu verzichten.
in diesem zusammenhang kam die sprache auch auf die immer wieder durch diverse umfragen belegte ablehnung des deutschen isaf-einsatzes von rund zwei drittel der hiesigen bevölkerung, die zu einem nicht geringen teil zu der erwähnten sinnfrage bei den beteiligten beizutragen scheint. biesold hat dabei selbst erfahrungen mit einsätzen nicht nur in afghanistan, sondern auch im kosovo und hat vor diesem hintergrund deutlich die "humanitären" aspekte und die hilfe für die jeweilige bevölkerung vor ort hervorgehoben, konnte jedoch seine skepsis bezgl. der weiteren entwicklung des afghanistan-einsatzes nicht ganz verbergen. was auch daran liegen könnte, dass zum einen die zahl der ptbs-betroffenen gerade in afghanistan ständig steigt, sich zum anderen aber auch der ganze charakter des ursprünglich als "humanitär" bezeichneten einsatzes mehr und mehr in richtung eines deutlichen kriegseinsatzes bewegt - lt. biesold werden die deutschen truppen inzwischen wöchentlich in gefechte verwickelt und müssen bei jeder bewegung ausserhalb ihrer camps mit der möglichkeit von anschlägen rechnen - "spezielle stressoren".
das folgende ist wieder mit dem hinweis auf eine gewisse unsicherheit bei meiner persönlichen rekonstruktion zu lesen: laut entsprechender statistiken sowohl aus dem irak- als auch dem afghanistan-krieg auf seiten der beteiligten westlichen truppen scheint hervorzugehen, dass sich überhaupt nur jeweils 23 bis 40% der betroffenen soldaten mit ptbs-symptomen freiwillig in behandlung begeben. dabei steht als hauptgrund bei denen, die auf eine behandlung verzichten, für ca. 65% das folgende im focus:
"ich will nicht als weichei gelten"
das spricht bände sowohl über die einstellung zu "psychischen" störungen insgesamt, und nochmals speziell beim militär. ebenfalls aber sagt es auch etwas über die - trotz zunehmender zahl von frauen in diversen armeen - immer noch vorhandenen mythen über "männlichkeit" aus, was bei dieser tendenziell und besonders strukturell immer noch erzpatriarchalen institution aber auch kein wunder ist. biesold bemühte sich dazu sehr, aus seiner sicht falsche vorstellungen über die mögliche aggressivität von traumatisierten soldaten abzuwehren, führte diese auf die traumaspezifische ständige anspannung des nervensystems zurück, verschwieg dabei aber nicht die möglichen negativen konsequenzen für familien und soziale umfelder der betroffenen. trotzdem fand ich diese aussagen selbst bei berücksichtigung eines möglichen motives, stigmatisierungen entgegenzuwirken, zu beschönigend, zumal nicht erst seit dem vietnamkrieg durchaus bekannt ist, wie gerade traumatisierte soldaten ihre traumata in grausamen taten quasire-inszenierenkönnen - mehr zu dieser täter-opfer-dialektik auchhier.
die behandlungsbedürftigkeit - und das ergänzt in gewisser hinsicht die vorherigen aussagen - steigt nach biesolds angaben im gegensatz zu früheren kriegen bei den aktuellen besonders nach den einsätzen drastisch an. die gründe dafür sind mir zumindest weiter unklar. ja, und eine mir ganz neue information zur geschichte der kriegstraumata - oder auch der zugehörigen "vertuschungsdiagnosen" - gab´s nebenbei bei einer auflistung der zugehörigen spezifischen symptome vieler kriege, hinter denen sich nach heutigem wissenstand jeweils (post-)traumastörungen verbergen, auch noch: das"da-costa-syndrom, hinter dem sich undefinierte herzbeschwerden befinden, erfüllt nicht nur in der beschreibung wesentliche kennzeichen einer pseudo-diagnose analog der"vegetativen dystonie", sondern war historisch offensichtlich die erste breiter verzeichnete (post-)traumatische erscheinung während eines krieges, und zwar während desamerikanischen bürgerkrieges. finde ich eine interessante information, die möglicherweise auch eine neue bewertung der entwicklung der us-gesellschaft nach dem bürgerkrieg nahelegt.
ich wollte dann bei der anschließenden diskussion die gelegenheit auch nutzen, wenigstens eine meiner ganz zentralen fragen loszuwerden, die ich einem militärpsychiater immer schon stellen wollte: nämlich die, ob er keinen widerspruch zwischen seiner rolle sehen würde, als mediziner traumabehandlung innerhalb einer institution zu betreiben, zu deren impliziten aufgaben es letztlich auch immer gehört, traumatische zustände bei gegnerischen soldaten und häufiger noch bei zivilbevölkerungen zu erzeugen. ich bezeichnete diese frage ausdrücklich als "persönlich", und bekam die folgende antwort (sinngemäß): nein, er sehe diesen widerspruch nicht, sondern betrachte es als normale aufgabe einer institution, die ihre angehörigen in "hochrisikosituationen" schicken würde, auch für diese zu sorgen. mit einem (etwas gezwungenem lächeln) kam immerhin noch die anmerkung, dass es sich bei dieser position vielleicht aber auch um den ausdruck eines "gelungenen verdrängungsprozesses" handeln könnte...
eine weitere frage hatte ich vorher schon gestellt: und zwar vor dem hintergrund der beobachtung, dass bspw. sowohl im vietnamkrieg als auch während des kriegs in afghanistan zwischen sowjetischer roter armee und islamistischen fundamentalisten jeweils die nutzung von diversen drogen - in vietnam heroin (erst danach kam heroin in den usa überhaupt erst so richtig "auf den markt") und cannabis; bei der roten armee wurde im "opiumanbauland nr.1" ebenfalls heroin zu einem schweren problem - auch (analog der nutzung bei vielen junkies mit traumatischer biographie) als ausdruck der versuchten selbstmedikation traumatischer symptome betrachtet werden kann, zielte meine frage auf entsprechende beobachtungen beim aktuellen afghanistaneinsatz der bundeswehr, zumal der opiumanbau dort weiterhin boomt. biesold verneinte das überraschend deutlich, wobei mir beim nachdenken in den sinn kam, dass das tatsächlich der realität entsprechen könnte - das benannte problem dürfte militärstrategen in aller welt spätestens seit den erwähnten kriegen durchaus bewusst sein, und ich kann mir gut vorstellen, dass heutige armeen bei einer erhöhten präsenz von drogen sehr schnell in ihrem sinne durchgreifen.
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soweit meine ganz persönlichen schwerpunkte einer veranstaltung, die ich als sehr informativ bezeichnen würde. vieles aus den diskussionen fällt hier leider, wie schon erwähnt, unter den tisch - trotzdem hoffe ich, dass Sie jetzt einen brauchbaren eindruck bekommen haben.
noch eine anmerkung: während der beitrag beim schreiben immer länger wurde, habe ich mich spontan entschlossen, ihn entgegen meiner ursprünglichen absicht zu einem basis-beitrag zu machen. das liegt einfach daran, dass er jetzt rund um das thema kriegstrauma so viele hinweise und hintergründe enthält, dass ein weiterer entsprechender beitrag aus meiner sicht unnötig viele wiederholungen aufweisen würde. den anspruch nach völliger inhaltlicher abdeckung eines themas habe ich einerseits eh nicht, andererseits könnte ich ihn in diesem rahmen hier auch unmöglich erfüllen. informationen, die bestenfalls zu eigener weiterbildung ermuntern, sollten jedenfalls genügend vorhanden sein. ebenfalls ein eindruck von der vorhandenen vielschichtigkeit des themas, was auch die relevanz für (nicht nur) unsere historische und aktuelle gesellschaftliche entwicklung betrifft.
und noch ein ps: das thema der kriegstraumata innerhalb von "zivilbevölkerungen" (ein wort, welches ich immer etwas seltsam finde) bleibt natürlich auf der agenda kommender beiträge. speziell für deutschland habe ich diesen bereich allerdings schon früher bearbeitet, siehe den link oben im text zur "vegetativen dystonie".
ziemlich voll ist die linksammlung seit den letzten news geworden, und doch ist das nur ein kleine auswahl der zugänglichen informationen, welche diese krise tag für tag so generiert. und etliches ist bereits anderswo thematisiert worden, was ich aus dokumentarischen gründen trotzdem aufführen möchte. zumal ich es inzwischen auch selbst tatsächlich aufschlußreich finde, in alten folgen dieser reihe - erreichbar über denindex- zu stöbern und zu schauen, wie sich bestimmte prozesse über die monate so weiterentwickeln. und auch vor diesem hintergrund bleibe ich bei meinen bisherigen eindrücken, die da wären - erstens, diese ökonomische krise hat weltweit monströse formen angenommen; zweitens ist sie nichtsdestotrotz "lediglich" teil einer krisenkaskade, die drittens eine finale und erreichte grenze für den industrialisierten kapitalismus westlicher prägung anzeigt und darüber hinaus auf enorme und unmittelbar anstehende, ja bereits teils stattfindende umwälzende veränderungen bis in alle lebensbereiche hinein verweist. in diesem sinne - hier sind die aktuellen news:
globale krisenkaskade I: point of no return beim klimawandel rückt näher
globale krisenkaskade II: bemerkungen zum ölpreis
globale krisenkaskade III: ernährungskrise breitet sich aus
globale krisenkaskade IV: was auch zu erwarten war - menschenrechte kommen zusehends unter die räder
elitäre krisenbewältigung deutschland: zum geplanten projekt "desertec"
deutschland II: gigantisches haushaltsloch in sicht / robert kurz zu den anstehenden elitären finanziellen krisenbewältigungsversuchen
deutschland III: ökonomische rezession = steigende zahlen von medizinischer depression
deutschland IV: vom bildungsstreik zum banküberfall
frankreich: hintergründe zum "bossnapping" / video zur situation lohnarbeitender obdachloser in paris
ägypten: eindrücke vom generalstreik
global: das neue GEAB und die "drei monsterwellen"
in aller kürze: usa - wie sich die krise auf familien auswirkt / usa - kalifornien: weitere beispiele der streichungs- und kürzungsorgie / lettland: zur abwendung des staatsbankrotts wird auch hier wird gestrichen, was das zeug hält / griechenland: polizist erschossen / italien: berlusconi im rosa-wolken-land - "was für eine krise?"
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die folgendemeldung wurde meines wissen nur recht sporadisch und wenn, dann auch eher am rande im mainstream (ein paar ausnahmen gab´s) wiedergegeben - dabei hätte sie inhaltlich das zeug für dicke aufmacher und sondersendungen:
" Es ist die letzte Warnung der Wissenschaft an die Adresse von Politik und Wirtschaft, beim UN-Klimagipfel im Dezember schnell und drastisch zu handeln. Denn sonst steht unsere Zivilisation auf dem Spiel. Wissenschaftlich formuliert heißt das, es "bewegen sich viele Klima-Indikatoren über die Grenzen, in denen sich die gegenwärtige Gesellschafts- und Wirtschaftsform erfolgreich entwickelt hat".
Das ist eine der zentralen Aussagen im "Synthese-Report" der "internationalen Allianz der Forschungs-Universitäten", der am Donnerstag in Brüssel vorgestellt wurde. Wenn nicht "schnell, langfristig, effektiv und global koordiniert" gehandelt werde, sei die Erwärmung der Atmosphäre nicht mehr auf zwei Grad zu begrenzen: Dann würde der Klimawandel unkontrollierbar, weil etwa große Eismengen schmelzen und die Permafrostböden auftauen. Der Klimawandel würde sich selbst verstärken."(...)
ich frage mich ja immer wieder, wie irgendjemand bei klaren sinnen der gegenwärtigen gesellschafts- und wirtschaftsform das prädikat "erfolgreich" geben kann - das kann selbst dann, wenn man auf der sog. gewinnerseite des systems stehen sollte, nur bei einer ordentlichen portion verdrängung und abspaltung der fall sein. all die materiellen fortschritte primär hier im westen waren und sind eher als nebeneffekte der profiakkumulation einer kleinen elitären oberschicht zu werten, die das eher aus eigenem interesse heraus geduldet hat, aber aufgrund ihrer grundsätzlich antisozialen ausrichtung niemals als ziel an sich angesehen haben dürfte. dazu kommt noch der entschieden zu hohe preis, der für unser wohlstandsniveau auf allen möglichen ebenen nicht erst seit gestern sichtbar ist. bemerkenswert für den irrsinn der herrschenden "ordnung" finde ich vor dem obigen hintergrund zb. diese passage:
(...)"Es gibt aber darin auch zwei halbwegs gute Neuigkeiten. Erstens: Schon bisher kühlen die Aerosole, winzige Schwebeteilchen in der Luft, das Klima. Ohne sie liegt der Anteil der Treibhausgase bereits mit 463 ppm deutlich über der Gefahrenschwelle. Dreckige Luft hilft also dem Klima - nicht schön für die Luftreinhaltung, aber eine Atempause für die Erderwärmung."(...)
feinstaub, ruß und sonstiger dreck in der luft (schauen Sie sich mal die statistiken der atemwegserkrankungen bei stadtbewohnerInnen international an) gelten also in diesem speziellen kontext als "gute nachricht" - nicht nur solche meldungen sind es, die einen am selbstverliehenen status "intelligenzwesen" bezgl. unserer spezies immer wieder zweifeln lassen. ansonsten ist die botschaft klar, ebenso wie die wahrscheinlichkeit dafür, dass daraus wie üblich keine ernsthaften konsequenzen gezogen werden, schon gar nicht im wirbel von wirtschaftskrise und persönlichen interessen der elitären politiker (und großen teilen der sie gegen alle vernunft weiterhin wählenden bevölkerungen). nach uns weiterhin die sintflut:
(...)"Das alles bedeutet keine Entwarnung. Ganz im Gegenteil. Der Bericht schließt die Lücken des IPCC-Berichts mit drastischen neuen Fakten: So sehen die Forscher nun einen Anstieg des Meeresspiegels bis auf einen Meter bis zum Jahr 2100 als erwiesen an - hunderte Millionen von Menschen sind damit bedroht."(...)
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in anbetracht der klimatischen entwicklungen wärepeak oileigentlich als segen zu betrachten, aber das würde nur gelten, wenn wir mehrheitlich psychophysisch nicht so geschädigt wären, wie dieses blog versucht, zu dokumentieren. und mit der form von höchst begrenzter instumenteller vernunft, die wir uns v.a. im westen als "normalen" bewusstseinszustand zu betrachten angewöhnt haben, wird peak oil eher zum weiteren würgegriff, der nicht nur metaphorisch direkt an der blutzufuhr des kapitalismus ansetzt. und auch hier wird geleugnet, ignoriert und verdrängt, was das zeug hält - im zweifelsfall sind´s dann wieder diespekulanten, die die populäre rolle des bösen übernehmen:
(...)"Obwohl die Nachfrage nach dem Rohstoff schwach bleibt, ziehen die Ölnotierungen bereits wieder kräftig an. Innerhalb der vergangenen sechs Monate haben sie sich mehr als verdoppelt. Ein Fass Nordseeöl kostete am Mittwoch zeitweise knapp 71 Dollar. Angesichts dieser Entwicklung liegt der Verdacht nahe, dass Spekulanten wie etwa Hedgefonds am Werk sein könnten, die den Markt zu ihren Gunsten manipulieren."(...)
im weiteren verlauf des artikels werden einige entwicklungen genannt, aus denen aber mitnichten die richtigen schlüsse gezogen werden:
(...)"Diese Einschätzung wird auch durch den World-Energy-Bericht bestätigt, den BP vor wenigen Tagen vorlegte. Demzufolge verbrauchen die Entwicklungsländer erstmals in der Geschichte mehr Öl als die reichen Industriestaaten. "Der Schwerpunkt der globalen Energiemärkte hat sich deutlich und unwiderruflich in Richtung Schwellenländer, insbesondere China, verschoben", so BP-Chef Tony Hayward.
Schenkt man der Prognose der Internationalen Energieagentur (IEA) Glauben, dann wird sich die Ölnachfrage im zweiten Halbjahr zumindest nicht weiter abschwächen, sondern auf niedrigem Niveau stabilisieren. Die IEA warnte zugleich aber vor zu großem Optimismus: Eine Erholung der Weltwirtschaft sei daraus noch nicht abzuleiten.
2009 wird die Ölnachfrage den Prognosen zufolge so stark zurückgehen wie seit 1981 nicht mehr, auf einen Tagesbedarf von 83 Millionen Fass Öl pro Tag. In den Aktienkursen der Ölkonzerne spiegelt sich der steigende Rohstoffpreis noch nicht wider. Branchenbeobachter rechnen für dieses Jahr mit erheblichen Gewinneinbrüchen in der Branche, verursacht durch den Absturz der Ölpreise.
Viele neue Förderprojekte wurden deshalb zurückgestellt."(...)
ich habe hier in der vergangenheit schon in einigen schwerpunktbeiträgen zum thema peak oil versucht, die situation aus meiner sicht zu beschreiben; deshalb hier nur soviel: erstens, die umkehr im verbrauch zwischen industrialisierten und sog. schwellenländern ist lange vorhergesagt worden und zeigt den verhängnisvollen versuch dieser länder an, den westlichen "way of live" zu kopieren, mit allen zwangsweisen konsequenzen, die allerdings nicht nur in ländern wie china und indien, sondern global spürbar sein werden. zweitens, die zurückgehende nachfrage ist bereits als ein ausdruck des peaks zu betrachten und ergibt sich sowohl aus abnehmenden fördermengen als auch aus diversen maßnahmen zur reduktion des ölverbrauches in verschiedenen ländern. drittens ist sicher ein teil der preise spekulationsbedingt, wobei - wie in den letzten news schon erwähnt - diese spekulation nur funktionieren kann vor dem hintergrund eines realen mangels, den offensichtlich viele involvierte auf den sog. märkten im gegensatz zu den meisten widersprechenden bekundungen aus der wirtschaft bereits in rechnung stellen. viertens wird die rückstellung neuer förderprojekte mit dazu beitragen, dass sofort bei einer möglichen längeren ökonomischen zwischen"erholung" (und nichts anderes werden all die rettungsschirme und konjunkturpakete bestensfalls - aus elitärer sicht - bewirken können), der preis extrem anziehen wird mit folgen, die hier an anderer stelle schon öfter beschrieben wurden. das zeitalter des billigen (und genau das meint peak oil) öls ist definitiv zu ende, was größtenteils weiterhin hartnäckig geleugnet wird. und auch diese leugnung wird fatale konsequenzen haben.
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das zusammenspiel von klimawandel, peak oil und wirtschaftskrise erzeugt ua. phänomene, die sich teils als eigene krise manifestieren, wie dieernährungskrise:
"Die Finanzkrise macht sich auf dramatische Weise bemerkbar: Laut der Welternährungsorganisation FAO steigt die Zahl der Hungernden erstmals auf über eine Milliarde. Das sind elf Prozent mehr als noch im vergangenen Jahr - damit ist jeder sechste Mensch nicht ausreichend versorgt.(...)
Danach wird die Zahl der Hungernden in diesem Jahr um elf Prozent steigen. Betroffen sind hauptsächlich Entwicklungsländer. Nach FAO-Angaben leiden in Asien rund 640 Millionen Menschen an Hunger, in Afrika sind es 265 Millionen, in Lateinamerika 53 Millionen und im Nahen Osten und Nordafrika 42 Millionen Menschen. Aber auch in den industrialisierten Ländern haben 15 Millionen Menschen zu wenig zu essen.
Die wegen der Wirtschaftskrise nachlassenden Exporte und ausländischen Direktinvestitionen treffen vor allem die städtische Bevölkerung in Entwicklungsländern. Die Ernährungsexperten erwarten deshalb, dass Millionen von Stadtbewohnern wieder zurück in die Provinzen ziehen und damit die dortige Situation verschlimmern werden.
Gleichzeitig haben die Entwicklungsländer damit zu kämpfen, dass die Transferzahlungen von Verwandten im Ausland in diesem Jahr drastisch zurückgegangen sind. "Das führt zu einem Verlust von Devisen und Haushaltseinkommen", heißt es in dem Bericht der FAO. Anders als bei vorherigen Krisen seien die Länder nicht in der Lage, diesen Ausfall auszugleichen, weil der Abschwung quasi die ganze Welt gleichzeitig treffe."(...)
das alles ist bei der beschreibung nicht ganz falsch, aber unvollständig: so gehört der mangel in einer situation des (insgesamt gesehenen) globalen überflusses an nahrungsmitteln immanent zur kapitalistischen ökonomie auch schon unter "normalen" umständen; zweitens aber werden die zunehmenden klimatischen veränderungen in vielen regionen die nahrunsmittelproduktion drastisch verändern, d.a. meist erschweren; und drittens wird sich peak oil auch hier durch preissteigerungen bei produktion und transport bemerkbar machen. dazu dann noch die spekulation mit ernährungsrohstoffen, und fertig ist das desaster. die sozialen und politischen wirkungen folgen auf dem fuße.
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zu den letzteren gehört unmittelbar diesituation der betroffenen menschen, wie sie sich bspw. in den menschenrechtsreporten von amnesty international erahnen lässt:
(...)"So manches Mitgliedsland des UN-Menschenrechtsrates dürfte sich in seiner Kritik an den Industrieländern bestärkt sehen: Bei der globalen Rezession sei es wie beim Klimawandel, die Reichen verursachten den Großteil des Schadens, aber die Armen litten am stärksten unter den Folgen der entfesselten Globalisierung und dem Wachstumstaumel, so die Amnesty Generalsekretärin Irene Khan.
Genau diese Folgen werden im Jahresbericht eindrucksvoll konkretisiert: Jeder dritte Stadtbewohner weltweit lebt in einem Slum, unter unzureichenden Wohnverhältnissen, ohne ausreichenden Zugang zu öffentlichen Versorgungseinrichtungen und ist ständig von Zwangsräumung, Unsicherheit und Gewalt bedroht. Hinzu kommt die damit verbundene gesellschaftliche und politische Ausgrenzung, die wachsende Ungleichheit, und die rücksichtslose Unterdrückung aller Andersdenkenden. Wer keine wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechte genießt, verliert auch schnell seine politischen und bürgerlichen Rechte.
Erschreckend viele Regierungen, Großunternehmen und Finanzinstitutionen müssen sich vorhalten lassen, dazu beigetragen oder dies sogar verursacht zu haben, zumindest aber es nicht verhindert zu haben."(...)
und man braucht sich nur das treiben der hiesigen "eliten" zu betrachten, ihr täglichen lügen, ihre intrigen und ihr völlig verkommenes sein, um sich keinerlei illusionen über die situation in ländern zu machen, in denen staatliche oder auch institutionalisierte private (zb. seitens diverser transnationaler konzerne) gewaltausübung zwecks machterhalt mehr als hier als "normalität" gilt. dazu müssen auch immer die potenziell traumatischen folgen dieser gewalt bedacht werden, die ganze gesellschaften und generationen auf dauer schwer schädigen können und derart die entwicklung tatsächlich sozialer verhältnisse extrem erschweren - auch und gerade zu diesem thema gibt´s im blog genug lesestoff, ich empfehle einmal mehr den index.
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nach dieser geballten ladung düsternis dürfte der eine oder die andere der leserInnen hier wieder innerlich "schwarzmalerei" murmeln, worauf ich antworten möchte, dass wir allesamt im kapitalismus zu deformierten objektivistischen wachstumsjunkies degeneriert sind, bei denen wie bei einem den eigenen zustand hartnäckig verleugnenden alkoholiker nur noch die ständige konfrontation mit der realität hinter den eigenen konstruierten scheinwelten den ersten schritt darstellt, um eine zumindest theoretisch mögliche besserung überhaupt erstmal in reichweite zu bekommen. spaß macht das überhaupt nicht, und für mich selbst, der ich schon seit langer zeit mit verschiedenen zerfallsentwicklungen gerechnet habe, ist das ausmaß der zerstörung, aber noch mehr die implizit damit verbundene individuelle und kollektive dummheit etwas, was mich öfter schier an die decke gehen lässt. jegliche "privaten" absichten und pläne werden vor dem skizzierten hintergrund zur makulatur (wenn man sich denn nicht sowieso als beziehungslose monade begreift, was aber zuviele zeitgenossInnen schon zu praktizieren scheinen), und das ist etwas, was ich (nicht nur) den primär verantwortlichen "eliten" ganz persönlich übel nehme.
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das man diesen "eliten" immerhin eine, wenn auch stark reduzierte, art der intelligenz primär der instrumentellen art nicht absprechen sollte (vor allem dann, wenn´s um den erhalt der eigenen machtpositionen geht), habe ich früher schon als these aufgestellt. beimopablogbin ich nun neulich auf ein projekt aufmerksam geworden, welches sich durchaus als ausdruck der erwähnten intelligenz betrachten lässt:
"Die Süddeutsche meldet, daß deutsche Konzerne (und zwar die Creme) beabsichtigen, 400 Mrd Euro zur ökologischen Stromgewinnung in Wüsten Nordafrikas zu investieren.
Für mich ist das das erste ernstzunehmende Signal dafür, daß die amtierende Wirtschaftsmafia einen erfolgreichen kapitalistisch-imperialistischen Weg aus der Krise finden könnte.
Denn:
- Damit würden gleichsam unbegrenzte Finanzmittel in die Realwirtschaft fließen.
- Man würde einen substantiellen Beitrag gegen die ökologische Krise leisten.
- Die Massen sind für Ziele dieser Art zu gewinnen und können für ihre Verwirklichung zu materiellem und demokratischem Verzicht bereit gemacht werden.
- Geostrategische Probleme des atlantischen Kapitals können bewältigt werden.
- Summa Summarum: Die gegeben Machtverhältnisse bleiben nicht nur unangetastet, werden stattdessen sogar gefestigt."(...)
vor den eingangs skizzierten realitäten von klimawandel und peak oil könntedesertectatsächlich der erste adäquate versuch der herrschenden "eliten" sein, unter dem schlagwort des "grünen kapitalismus" doch noch den kopf aus der schlinge zu bekommen. ich enthalte mich an dieser stelle eines kommentars, weil ich mich selbst erstmal näher damit beschäftigen möchte - auch wenn mir spontan einige einwände hinsichtlich der umsetzbarkeit einfallen. für interessierte sei aber schon mal auf eine entsprechendediskussionbeim peakoilforum verwiesen.
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als eine art fanal lässt sich durchaus auch ein anderes geplantes projekt betrachten, welches gerade in den usa konkreter wird -innerstädtische schrumpfkurenlassen sich zunächst oberflächlich als ausdruck des endes der bisherigen autoindustrie betrachten, weisen jedoch als symbol weit darüber hinaus:
(...)"Mr Kildee said he will concentrate on 50 cities, identified in a recent study by the Brookings Institution, an influential Washington think-tank, as potentially needing to shrink substantially to cope with their declining fortunes.
Most are former industrial cities in the "rust belt" of America's Mid-West and North East. They include Detroit, Philadelphia, Pittsburgh, Baltimore and Memphis."(...)
kurz: in städten mit nicht mehr vorhandener schwer- und autoindustrie ist wg. rückgang der einwohnerInnenzahl geplant, ganze stadtteile systematisch von der restlichen bevölkerung zu leeren, sie dann abzureissen und der natur zu überlassen. was ich einerseits eine schöne vorstellung finde, andererseits bei betrachtung der zahl der obdachlosen in den usa auch zynisch. grundsätzlich jedoch glaube ich, dass auch das zeitalter der großstädte langsam, aber sicher dem ende zugeht - selbst bei berücksichtigung der entwicklungen in den sog. schwellenländern.
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kommen wir langsam von globalen zum lokalen, wobei ich glaube, dass die folgend thematisiertenzuständegrundsätzlich ebenfalls ein globales problem darstellt:
(...)"Ungefähr drei bis vier Millionen Privathaushalte sind derzeit in Deutschland überschuldet – das heißt, die Kosten für Essen, Miete und Kreditraten sind höher als die monatlichen Einnahmen. »Arbeitslosigkeit ist mit 29 Prozent die häufigste Ursache für eine Überschuldung«, sagte Heidi Merk, die Vorsitzende des Paritätischen Gesamtverbandes am Freitag in der Bundespressekonferenz. Dort stellte sie gemeinsam mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen, Arbeiterwohlfahrt, Rotem Kreuz, Diakonie und Caritas den »Schuldenreport 2009« vor. Nach der Studie besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Armut und Überschuldung. Zweithäufigster Grund ist die Veränderung der Lebensumstände. Dazu zählen unter anderem Trennung, Scheidung oder Tod des Partners. Kaum überraschend ist es daher, daß neben Erwerbslosen vor allem alleinerziehende Mütter in der Schuldenfalle sitzen, die bei etwa 60 Prozent der insgesamt Betroffenen aus rückständigen Krediten resultiert.
Scharfe Kritik übten die Wohlfahrtsverbände in diesem Zusammenhang an den Banken. Denen warf Gerd Billen, Vorsitzender des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (VZBV)vor, trotz milliardenschwerer Unterstützung mit Steuerngeldern ihre Kunden in wirtschaftlicher Not rücksichtslos zur Kasse zu bitten."(...)
lobet und preiset den freien markt. amen. und wer da von der möglichkeit der privatinsolvenz murmelt, sollte sich klar machen, dass damit keineswegs die grundsätzlichen probleme aus der welt geschafft wären - das prinzip "schulden" (ich beginne gerade erst, über die zweideutigkeit des wortes nachzudenken) gehört insgesamt auf den prüfstand.
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wobei selbst die schulden der millionen haushalte zusammengenommen vermutlich nicht ganz das maß erreichen werden, was sich als perspektive für den haushalt des deutschen staates abzeichnet -nicht kleckern, klotzen!:
(...)"Es ist eine Summe, die es so noch nicht gegeben hat: Bis 2013 wird der Bund 310 Milliarden Euro neue Schulden machen.(...)
Insgesamt plant Steinbrück im kommenden Jahr Ausgaben von rund 328 Milliarden Euro - ebenfalls eine Rekordsumme. Damit liegt das Volumen des Bundeshaushalts deutlich über den Ansätzen des alten Finanzplans. Ursache dafür sind zusätzliche Ausgaben, die durch die Wirtschaftskrise erzwungen werden.
So sieht der Entwurf ein Darlehen an die Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 20 Milliarden Euro und höhere Ausgaben für das Arbeitslosengeld II in Höhe von zehn Milliarden Euro vor. Beide Posten treiben den Haushalt von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) in die Höhe. Mit einem Volumen von 153 Milliarden Euro ist er auch im nächsten Jahr wieder größter Einzeletat.
Vom übernächsten Jahr an soll der Bundeshaushalt in absoluten Zahlen sinken. So will Steinbrück die Ausgaben 2011 auf 322 Milliarden Euro drücken. Ein Jahr später sollen noch 319 Milliarden Euro bewilligt werden, 2013 dann 314 Milliarden Euro.
Trotz der düsteren Entwicklung beruhen Steinbrücks Planungen auf Hoffnungswerten. So unterstellt er in jedem Jahr Privatisierungserlöse von 28 Milliarden Euro."(...)
zwei dinge finde ich bei den obigen aussagen besonders interessant: einmal den deutlichen hinweis auf den "größten einzeletat", nämlich die erwerbslosensicherung. zum anderen die deutlich beschriebene absicht, mit den privatisierungen von öffentlichem gut unbeeindruckt fortzufahren. in den letzten news hatte ich hinsichtlich der ersteren bereits von entsprechenden streichungsdiskussionen für die zeit nach der wahl geschrieben, und zwar bevor ich den artikel von robert kurz,Die Stunde der Wahrheit, gelesen hatte - auszüge, wobei ich dringend den ganzen artikel empfehlen möchte:
(...)"Der Optimismus steht in der Tat auf töneren Füßen; er stützt sich allein auf die Hoffnung, dass die staatlichen Konjunkturprogramme ein neues selbsttragendes Wachstum in Sichtweite anschieben. Sehr viel wahrscheinlicher ist aber, dass die globale Kettenreaktion der Krise erst begonnen hat. Insbesondere das Ende des pazifischen Defizitkreislaufs zwischen den USA und Asien hat noch gar nicht voll auf die Weltwirtschaft durchgeschlagen. Wenn die staatlichen Programme nichts anschieben, sondern auf unabsehbare Zeit immer größere Löcher stopfen müssen, wird die Stunde der Wahrheit umso bitterer. Ist der Kapitalismus überhaupt noch finanzierbar? Das paradoxe Scheitern dieser Gesellschaft an ihren eigenen Kriterien ist möglich geworden.
Selbst im günstigsten Fall eines Übergangs vom Absturz in die Stagnation binnen Jahresfrist müssen die sozialen Folgen abgearbeitet und bezahlt werden. Dass die Arbeitslosenstatistik frisiert ist, weiß jeder. Gegenwärtig fällt aus der Statistik der BRD, wer als Arbeitsloser in Schulungsmaßnahmen parkt, von kommerziellen Vermittlungsagenturen betreut wird oder schlicht krank geschrieben ist. Die statistisch gezählten 3,4 Millionen Arbeitslosen summieren sich real auf 5 bis 6 Millionen. Auch wenn die Konjunktur nicht noch weiter abstürzt, sind bis Mitte 2010 nach der jetzigen Zählmethode mindestens 5 Millionen Arbeitslose zu erwarten, also real mehr als 7 Millionen. Noch mehr frisieren geht nicht, denn auf einer Glatze kann man keine Locken drehen. Ein derart rapider Anstieg der Arbeitslosigkeit rüttelt an den Grundlagen der bereits zurückgefahrenen sozialen Sicherungssysteme. Die Einnahmeausfälle der Arbeitsagentur, der Rentenversicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung in den kommenden Monaten drohen alle Defizitgrenzen zu sprengen. Auch das ist „historisch“.
Schlagen schon die diversen Rettungspakete und Rettungsaktionen ebenso zu Buche wie die vermutlich nicht ausreichenden Konjunkturprogramme, so werden die Ausfälle bei den Sozialkassen zu einer Defizitlawine, deren Dimension die noch gar nicht abbezahlten Kosten der deutschen Vereinigung übersteigt. Im Unterschied zu den Zeiten der Finanzblasen-Konjunktur brechen jetzt aber gleichzeitig die Steuereinnahmen in demselben Tempo weg, wie die Kosten der Krise explodieren; auch dieser Ausfall steht großenteils noch bevor. Die demnächst vom Bundesrat zu verabschiedende Verankerung einer „Schuldenbremse“ im Grundgesetz ist ein finanzpolitisches Phantasma, das die gelungene Krisenbewältigung bereits blauäugig voraussetzt. Aber es ist auch ein Signal für die weitere Verlaufsform des Desasters. In der politischen Klasse besteht wohl momentan darin Einigkeit, dass die Notenpresse nur in dem Maße angeworfen werden darf, wie sich die Inflation als unvermeidliche Folge einer Verstaatlichung der Krise ohne Systembruch einigermaßen beherrschen lässt. Deshalb ist eine dramatisch verschärfte soziale Notstandsverwaltung programmiert, die den Kollaps der Staatsfinanzen hinausschieben soll. Diese Stunde der Wahrheit kann aber erst nach der Wahl im Herbst eingeläutet werden; und bis dahin ist es ein Wettlauf der Demoskopie mit der Zeit.
Am kommenden Notstandsprogramm wird in den Ministerialbürokratien sicherlich bereits unter dem Siegel „streng geheim“ mit heißer Nadel gestrickt. Die Konturen sind leicht zu erahnen. Man muss nur die bisherigen Maßnahmen auf die neue Krisendimension hochrechnen. Das erste Szenario könnte in einer drastischen Erhöhung der Mehrwertsteuer ohne Ausnahmeregelungen bestehen; vielleicht sogar mittels einer europaweit konzertierten Aktion der Regierungen. Das ist die am wenigsten geräuschvolle Methode eines Drucks auf die unteren Einkommen, auch wenn damit allein die Staatsfinanzen nicht zu sanieren sind und die Binnenkonjunktur weiter abgewürgt wird. Aber es geht ohnehin nur um hinhaltende Verzögerungstaktiken, die sich in Widersprüchen bewegen müssen. Das zweite Szenario könnte in einem ebenso drastischen Zusammenstreichen sämtlicher Transfereinkommen bestehen, um die Sozialkassen zu entlasten und die staatlichen Zuschüsse in einem irgendwie bewältigbaren Rahmen zu halten. Also Kürzung der Renten, des Arbeitslosengeldes, der Hartz-IV-Bezüge und (noch weit härter als bisher) der gesetzlichen medizinischen Versorgung. Durch beide Szenarios, die einander ergänzen, wird das Existenzminimum neu definiert, und zwar in einem bisher nicht vorstellbaren Ausmaß nach unten."(...)
wenn ich das noch mit der unterstellten elitären absicht von weiteren privatisierungen kombiniere, kommt dabei etwas heraus, was als umverteilung von unten nach oben noch untertrieben bezeichnet wäre - das wäre eher als ein systematischer raubüberfall mit mindestens in kauf genommener todesfolge gegen die mehrheit der bevölkerung zu betrachten.
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ist es bei all dem nicht schon fast logisch,depressivzu werden?
"Merken Sie bei Ihrer täglichen Arbeit, daß die Wirtschaftskrise bei den Kranken angekommen ist?
Ich registriere einen zunehmenden psychischen Druck bei vielen Menschen – und eine wachsende Hemmungen, sich arbeitsunfähig schreiben zu lassen. Viele fürchten Repressalien, wenn sie krank werden, oder sinkende Chancen auf dem Arbeitsmarkt – vor allem wenn sie älter als Mitte 40 sind. Statistisch gibt es zwar 2008 wieder mehr Krankmeldungen, nachdem 2007 der Krankenstand das Rekordtief von 3,2 Prozent der Sollarbeitszeit erreicht hatte. Das verwundert nicht: Krankheiten lassen sich nicht verschleppen oder verdrängen; das »Rollback« kommt heftig. Die momentane Krise ist noch nicht statistisch erfaßt –in späteren Statistiken wird vermutlich eine Zunahme psychosomatischer Krankheiten erkennbar werden. Aus subjektiver Sicht kann ich nur konstatieren: Depressionen als Folge des ökonomischen Drucks nehmen zu.
Wie macht sich das bemerkbar?
Eine Amerikanisierung der ökonomischen Verhältnisse macht sich breit: Viele können sich nur noch mit zwei Jobs über Wasser halten, teilweise mit einer 60-Stundenwoche. Das führt zur Überlastung: Burnout oder Depression als Antwort auf Mangel an Zeit zur Regeneration, für die Familie und private Interessen. Neu ist, daß die gesellschaftliche Mittelschicht vom Druck erfaßt ist. Durch die Bankenkrise haben kleine Unternehmer und Handwerker einen Großteil ihres Vermögens verloren."(...)
nicht eben was ganz neues, zumal sich diese entwicklung bereitsvor der aktuellen krisedeutlich abzeichnete, und jetzt nochmals an rasanz gewonnen hat - aber auch das gehört zur nötigen realitätswahrnehmung dazu, und von daher kann es eher nicht genug berichte und meldungen über diese speziellen krisenfolgen geben.
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das gefühl spontaner freude beim anblick von nachrichten ist selten genug, und so möchte ich das auch gerne teilen - imtickervom bildungsstreik.net gab es gestern u.a. die folgenden antidepressiv wirkenden meldungen zu lesen:
Berlin: Banküberfall HRE
Donnerstag - 18.06.2009 14:19
Schon über 500 Leute vor der Hypo Real Estate. Es kam zu einer grundlosen Festnahme, jetzt Sitzblockade vor der Polizei. Stimmung ist gut und laut.
Marburg: Banküberfall und Besetzung
Donnerstag - 18.06.2009 14:31
Die Aktionen in Marburg laufen.... Erste Bankfiliale der Dresdner Bank wird besetzt. Die StudentInnen fordern Konjunkturpakete für die Bildung, nicht für Banken. Über die Stadt verteilt finden Aktionen statt. Die Besetzung des FB Politikwissenschaft läuft weiter... die StudentInnen haben sich vorerst für eine längere Blockade (über diesen Tag hinaus) ausgesprochen. Für Essen, Trinken, Musik und gute Stimmung ist gesorgt...andere Fachbereiche solidarisieren sich. Bis jetzt noch kein Verhandlungsangebot der Institutsleitung.
Berlin: Commerzbank überfallen
Donnerstag - 18.06.2009 15:17
Die Commerzbank am Europaplatz wurde soeben von mehreren hundert Leuten \"überfallen\".
Freiburg im Breisgau: Angst
Donnerstag - 18.06.2009 15:23
die Polizei hat alle Banken in der Innenstadt unter ihren Schutz gestellt. Da scheint jemensch Angst zu haben... Vielleicht sollte mensch in die Außenbezirke ausschwärmen...
Freiburg: Banken bewacht
Donnerstag - 18.06.2009 15:36
In Freiburg haben 3 Banken geschlossen und der Rest ist bewacht. Dabei hat die Aktion Banküberfall noch gar nicht begonnen...
Berlin: 1000 vor der Deutschen Bank
Donnerstag - 18.06.2009 15:39
1000 Leute blockieren jetzt die Deutsche Bank. Einige sind drin eingeschlossen, die Beute wird von der Polizei bewacht.
Hamburg: 9 Banken überfallen
Donnerstag - 18.06.2009 15:47
In der Hamburger Innenstadt wurden heute 9 Banken \"überfallen\". 15-17 Leute wurden von der Polizei aus der Deutschen Bank am Rathausmarkt rausgeholt, eingekesselt und die Personalien aufgenommen. Außerdem ging es noch u.a. in die HSH Nordbank und die Commerzbank. Gerade wurde eine Spontandemo angemeldet, eine Kudngebung gehalten. 200 Menschen bewegen sich jetzt wieder in Richtung Uni.
Frankfurt: Banküberfall
Donnerstag - 18.06.2009 15:52
Heute ab 11:30 versammelten sich ca. 50 Studierende der Hochschulgruppen Attac-Campus und Die Linke.SDS gemeinsam mit den Schülern aus Hanau vor der Deutschen Bank-Fliale in der Innenstadt und blockierten den Eingang der Bank. Die Polizei verwehrte ihnen zwar den Zutritt in die Bank. Schüler und Studierende machten daraufhin einen Sitzstreik vor dem Eingang forderten mehr Geld für Bildungswesen. Die Fliale machte daraufhin ihren Kundenbereich ganz dicht... Auf der Vollversammlung der Goetheuniversität berichtete eine Schulsprecherin aus Hanau von der Aktion und bekam einen starken Applaus.
Berlin: Sitzblockade beginnt
Donnerstag - 18.06.2009 15:55
Nach dem die \"Bankräuber\" immer noch in der Deutschen Bank eingezingelt sind, fängt die Polizei langsam an, die 1000 Demonstrierenden einzukesseln...
Potsdam: Innenstadt voller Polizei
Donnerstag - 18.06.2009 15:59
Alle Banken werden bewacht, die Innenstadt ist voller Polizei. Viele Banken haben geschlossen. Vielleicht helfen ein paar Ablenkungsmanöver?!
Freiburg im Breisgau: Banküberfall doch noch durchgeführt!
Donnerstag - 18.06.2009 16:44
Nachdem viele Banken in der Stadt geschlossen waren oder von der Polizei bewacht waren, hat die 40 köpfige Gruppe doch noch eine Finanzquelle gefunden: sie drangen bunt in eine Filiale der HypoVereinsbank ein, das Personal war nicht sehr aufgeschlossen. der Weg führte weiter in eine Filiale der Deutschen Bank, wo der Filialleiter durch vorgehaltenen Wasserpistolen gezwungen werden konnte, Kugelschreiber für das marode Bildungssystem herauszurücken. BEUTE!!! ... aber bitte das Logo abkratzen... Die Polizeibegleitung war groß.
Berlin: Banküberfall wird massiv geräumt!
Donnerstag - 18.06.2009 16:57
Die Polizei räumt gerade massiv in Berlin die Kundgebung vor der Deutschen Bank. Personalien werden aufgenommen, 70 Leute sind noch in der Bank. HINGEHEN, SOLIDARITÄT ZEIGEN!!! Solidarische Grüße treffen bereits aus Köln!
Köln: Bank überfallen!
Donnerstag - 18.06.2009 17:20
viel geruhsamer als in Berlin wurde heute in Köln eine Commerzbank am Friesenplatz überfallen. Ca. 100 Teilnehmer_innen. Das Betreuungsverhältnis zw. Polizei und Aktionist_innen war besser als das an den Bildungseinrichtungen zwischen Dozierenden und Lernenden.
eine schöne und sehr zeitgemäße aktionsform, die sich auch für erwerbslose, frisch entlassene etc. anbietet. die meldungen aus potsdam und freiburg fand ich dabei besonders aufschlußreich, zeigt sich doch im beschriebenen polizeilichen verhalten durchaus eine gewisse nervosität - die in berlin dann bei der erwähnten aktion vor der "deutschen bank" in das übliche rabiate vorgehen umschlug, wie das folgende video deutlich macht:
nur die sprechchöre halte ich gegenüber der staatsgewalt für deplaziert - sorry, aber gewaltausübung ist ihre aufgabe, und die werden sie zum schutz all der systemrelevanten institutionen, als die sich primär die banken nun mal selbst darstellen, auch anwenden. wie nicht erst seit diesem video deutlich sein sollte. was wir von diesem system in seinem todeskampf zu erwarten haben, ebenfalls. andererseits: was werden die behelmten truppen tun, wenn nicht ein paar hunderte oder auch auch tausend, sondern zehn- bis hundertausende vor den banken, firmenzentralen und ministerien auftauchen? auf jeden fall haben die schülerInnen und studentInnen gestern ein gutes zeichen gesetzt, welches erahnen lässt, was potenziell möglich ist. vielen dank dafür!
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die neue ausgabe derwildcatist erschienen, und im editorial machen bereits die ersten sätze deutlich, dass sich dafür ein gang zum örtlichen buchladen lohnt:
"Deutschland, Anfang Juni 2009. Daimlermanager sind gehalten, nicht zu häufig in die Werke zu gehen, um »eine ungute Stimmung zu vermeiden«. Die Polizei beobachtet den Verlauf der Wirtschaftskrise. Noch gibt es keinen Anstieg der Gewalt, sie bereitet sich aber vor. Noch gibt es keine Massenentlassungen. Die Behörden bereiten sich aber vor. Es ist eine seltsame Zeit, eine Zwischenzeit, in der alles auf dem Spiel steht."
und desweiteren lesen sich auch andere ankündigungen sehr spannend:
"Danach kommen ein paar Gedanken zur Frage, warum die radikale Linke in dieser historischen Krise des Kapitalismus so leer dasteht wie ein geräumtes Bankgebäude. Könnte es sein, dass ein Großteil linker Theorieproduktion der letzten drei Jahrzehnte die Seifenblasen der Kreditökonomie für Realität gehalten hat? Und was passiert nun nach dem Platzen der Kredit- und Theorieblasen? Postmoderne Bodenbildung."
mir scheint, dass sich die angriffe gegen diesimulierten (theorie-)weltenauch und gerade innerhalb der linken häufen, was ich als positive entwicklung betrachte - aber darum soll´s jetzt gerade nicht gehen, sondern um das (noch) "urfranzösische" phänomen desbossnapping, bzw. eine kritische und durchaus ernüchternde betrachtung desselben:
(...)"Auch der Kampf bei Caterpillar in Grenoble, wo 763 Jobs bedroht sind, fand großes Medienecho. Hier richtete sich das Hauptaugenmerk auf das Bossnapping und die Art der Freilassung: Gewerkschaftsmitglieder schützten die Bosse vor wütenden ArbeiterInnen. Im Fernsehen konnte man sehen, dass außerhalb der Fabrik 150 CRS-Bullen warteten, während drinnen eine Atmosphäre des Hasses gegen die Bosse herrschte. Diesmal hatten ihnen die Streikenden die Handys weggenommen. Als die Bosse nach zwei Tagen wieder freigelassen wurden, geschah das wirklich unter dem Schutz der CGT. Streikende brachten ihre Wut und Ablehnung zum Ausdruck, Journalisten nahmen das auf. Na und?
Beim Festsetzen übernahm und behielt die CGT die Führung. Selbst diese »wütenden« ArbeiterInnen waren nicht in der Lage, darüber hinauszugehen. Ein Teil der ArbeiterInnen ist zufrieden mit dieser Sackgasse, sie begreifen nicht, dass der Angriff auf einen oder mehrere Bosse kein Angriff auf die Firma Caterpillar ist. Und auch hier wurde keine Initiative ergriffen, um etwa durch einfaches Besuchen anderer Fabriken den Horizont des Streiks zu erweitern.
Leute im Ausland könnten – verstärkt durch die mediale Darstellungn – solche Demonstrationen für einen großen Schritt in Richtung »Revolution« halten: Konfrontation mit der Polizei, Angriffe auf staatliche Gebäude (Präfektur, Arbeitsämter usw.), Straßen- oder Schienenblockaden, die Zerstörung von Industrieprodukten auf den Straßen (Reifen, Stahlrollen usw.). Der Rauch brennender Reifen unterstreicht die Qualität des Spektakels. Aber in Frankreich haben wir das in den letzten 30 Jahren oft gesehen, vom großen Stahlarbeiterstreik im Februar/März 1979 über die Bergarbeiterdemo in Metz im November 1995 bis zu Continental heute. Das soll nicht heißen, diese ganzen Aktionen seien an sich nutzlos. Sie werden es aber, wenn sie Ersatz für kollektiv organisierte Kämpfe sind, die die Bosse wirksam treffen. Es ist klar, dass die Gewerkschaften diese »gimmicks« gut finden, denn sie benutzen sie, um einerseits die Kampfkraft der ArbeiterInnen zu erschöpfen – und andererseits selbst wieder radikal zu erscheinen."
das zeigt durchaus die grenzen der personalisierung bei sozialen kämpfen des derzeitigen kalibers auf, wobei ich nicht finde, dass die aktionsform generell unangemessen ist - im kontext weiterer und anderer aktionen kann das schon eine adäquate möglichkeit darstellen, den "bossen" auch ganz spürbar ihre persönlichen grenzen aufzuzeigen - eine erfahrung, die die "eliten" bisher viel zu selten machen können, was nicht unwesentlich zu ihrer verzerrten realitätswahrnehmung beitragen dürfte.
denn es sind immerhin die gleichen leute, die nicht nur in frankreich hinter zuständen wie den in diesemvideodokumentierten stecken.
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eher zufällig bin ich heute auf eine meldung ausägyptengestolpert, die einmal mehr deutlich macht, wie sich die wirtschaftskrise zusammen mit der ernährungskrise in repressiven autoritären systemen zu einer brisanten mischung auftürmen kann:
"Ein Generalstreik sollte das öffentliche Leben in Ägypten zum Erliegen bringen. Doch viele waren nach massivem Druck der Regierung offenbar eingeschüchtert, es gab nur wenig Resonanz auf den Streikaufruf. Der Anlass für die Wut der Menschen bleibt: Die Preise für Lebensmittel, die sich viele nicht mehr leisten können.(...)
"Wir essen meistens Kartoffeln, Auberginen, Zucchini. Kräftige Sachen gibt es alle Jubeljahre. Das Größte für uns sind die Knochenteile, die vom Hühnchen so übrigbleiben", erzählt Tarek. Seine Frau Mayada ergänzt: "Die Preise klettern jeden Tag! Gestern wollte ich die Tomaten zum Preis von vorgestern kaufen. Der Händler hat mir die Tüte aus der Hand gerissen."
Wenn Tareks Frau Mayada auf den Markt geht, dann dauert das Stunden. In Kairos Armenviertel Boulaq schimpfen, drohen und fluchen die Mütter an den Marktständen. Seit Beginn des Jahres sind die Ausgaben eines Haushalts in Ägypten um durchschnittlich fünfzig Prozent gestiegen. Beim Feilschen liegen die Nerven der Frauen blank. "Möge Gott dein Haus zerstören!", ruft Mayada dem Händler zu. So teure Preise, das sei Sünde, wo bleibe sein Gewissen.(...)
Eigentlich wollten die Ärzte heute zum ersten Mal streiken, aber die Regierung hat den Ärztestreik verboten. Mona klingt frustriert: "Die Ärzte zählen eben nicht mehr zur oberen Mittelklasse. Das war mal. 80 Euro decken nicht die Lebenshaltungskosten. Und die Preise steigen astronomisch."
Doch die Ärzte sind nicht die ersten, die protestieren. Textilarbeiter im Nildelta legten als erste die Maschinen still. Fünf Euro mehr Gehalt fordern sie. Und lösten damit eine Lawine aus. Die Steuerbeamten gingen als nächstes auf die Straße. Der Streik vermischt sich mit politischen Parolen gegen das Regime. Mona und ihre Kollegen versammeln sich zum Sit-in: "Die Linsen sind zu teuer", rufen sie. "Die Ärzte sind hungrig, der Streik ist legal!"
"Ärzte ohne Rechte" ist auch auf einem Forum von Oppositionellen und Globalisierungsgegnern Vertretern. Dort begegnen sich all jene, die wissen wollen, warum Ägyptens Wirtschaftswachstum von zuletzt sieben Prozent bei so vielen Bürgern nicht ankommt."(...)
letzteres dürften sich wohl inzwischen menschen in vielen ländern mit angeblichen "aufschwüngen" stellen. eine kombination von umständen wie den eben dargestellten jedoch hat tatsächlich das potenzial. für breite soziale revolten zu sorgen, v.a. dann, wenn ein regime noch auf die "klassisch" autoritäre art reagiert. insgesamt ein durchaus aufschlußreicher artikel.
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weil´s gerade ganz frisch draußen ist, sei der hinweis auf das neuegeabgestattet. über einfallslosigkeit bei den metaphern kann man sich jedenfalls nicht beschweren, und wie sieht die neueste prognose nun aus?
(...)"Deshalb gehen wir, ganz im Gegensatz zu dem gegenwärtig herrschenden Diskurs in den Medien und der Politik, keines Falls davon aus, dass sich nach dem Sommer die Weltwirtschaft erholen könnte; und übrigens auch nicht in den folgenden zwölf Monaten. Da die eigentlichen Ursachen der Krise überhaupt nicht bekämpft werden, gehen wir vielmehr davon aus, dass im Sommer 2009 als Folge der Verschlimmerung der Krise drei „Monsterwellen“ zeitgleich oder zeitnah über die Weltwirtschaft hereinbrechen werden; sie werden ab September/Oktober 2009 Umbrüche verursachen, über die unsere Kinder in den Geschichtsbüchern lesen werden. Wie schon seit Beginn dieser Krise wird natürlich jede Weltregion in anderer Weise betroffen sein. Aber wir gehen davon aus, dass alle, ohne Ausnahme, sehr stark in Mitleidenschaft gezogen werden und ihre Lage sich bis zum Ende des Sommers 2009 deutlich verschlechtern wird."(...)
bei den hauptaussagen bin ich - was für eine überraschung - d´accord, und was sind nun die drei wellen?
(...)"...vielmehr konzentrieren wir uns auf die drei Monsterwellen, die im Sommer 2009 in schneller Folge und mit zerstörerischer Kraft über die globale Wirtschaft und die nationalen Sozialsysteme hereinbrechen werden. Sie sind Ausdruck der weiteren Verschlimmerung der Krise und werden schon ab dem Ende des Sommers 2009 zu weitreichenden Umbrüchen führen, wie insbs., dass die beiden Pfeiler des gegenwärtigen globalen Systems USA und Großbritannien Staatsbankrott erleiden werden.
Die drei Monsterwellen sind:
1. Massenarbeitslosigkeit ; die Welle wird die Länder Amerikas, Europas, Asiens, des Mittleren Orients und Afrikas zu verschiedenen Zeitpunkten erreichen
2. Insolvenzen mit Dominoeffekten; Unternehmen, Banken, Privathaushalte, Staaten, Regionen, Kreise, Städte und Gemeinden
3. Die Agonie des Dollars, der US-Schatzbriefe, des britischen Pfunds und die Wiederkehr der Inflation
Diese drei Wellen kommen jedoch nicht parallel und gestaffelt hintereinander, wie beim maritimen Phänomen der « drei Schwester-Monsterwellen ». Sie sind noch zerstörerischer, weil sie gleichzeitig oder zumindest zeitnah aus verschiedenen Richtungen und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten über die Weltwirtschaft hereinbrechen. Deshalb können ihre Auswirkungen das globale System und die öffentliche Ordnung in den einzelnen Ländern zerstören. Das einzige, was angesichts dieser vielfältigen Gefahr sicher ist, ist die Tatsache, dass noch nie das internationale System so schwach und so wenig auf eine solche Situation vorbereitet war."(...)
tja. falls Sie das zu sehr aufregen sollte, empfehle ich wahlweise eine beruhigende merkel- oder köhlerrede vor dem schlafengehen. wie, das regt Sie noch mehr auf? dann bleibt wohl langsam nur noch die möglichkeit, in selbst gewählten und angemessenen formen aktiv zu werden.
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in aller kürze - das krisentelegramm + es ist ja nachvollziehbar, dass für die meisten menschen die auswirkungen der krise erst so richtig anhand von einzelschicksalen nachvollziehbar werden, darum hier einbericht über familien in den usa in den fängen der krise + nachtrag zu den letzten news: mehr einzelheiten aus demkalifornischen streichkonzert: "Schulen, Altenheimen, Gefängnissen und Krankenhäusern werden Zuschüsse gestrichen. Knapp eine Million Kinder aus sozial schwachen Familien würden nach Schwarzeneggers Plänen ihre Krankenversicherung verlieren. Stipendien für College-Studenten, Rehabilitationsprogramme für Häftlinge und medizinische Unterstützung für Aids-Patienten entfallen. «Das sind furchterregende Aussichten», sagte der 48-Jahre alte HIV-kranke Arturo Jackson bei einer Protestaktion in Sacramento dem «San Francisco Chronicle». Die Kürzungen, die vor allem Arme, Alte und Kranke treffen werden, sind «grausam, herzlos und sie werden Menschen buchstäblich umbringen», warnt Gary Passmore, Vorsitzender eines Seniorenverbandes." dem ist nichts hinzuzufügen + ein weiterer nachtrag zur situation inlettland, das dem staatsbankrott noch mit einem notfallkredit von eu und iwf von der schippe springen möchte, mit allen bekannten nebenwirkungen: "Die Staatsausgaben, bereits zuvor um ein Viertel reduziert, sollen dank Ausgabenkürzungen von umgerechnet 720 Millionen Euro um weitere zehn Prozent fallen. Die Gehälter im öffentlichen Dienst sinken nach bisherigen Kürzungen um bis zu 35 Prozent nochmals um 20 Prozent. Der Mindestlohn wird auf umgerechnet 200 Euro reduziert, das Elterngeld halbiert, die Kinderbeihilfe gekürzt. Entgegen bisherigen Versprechen, die Rentner im Krisenprogramm zu schonen, wird nun auch bei ihnen der Rotstift angesetzt: Die ohnedies minimalen Staatsrenten sinken um zehn Prozent, all jenen Rentnern, die sich mit Nebenjobs über Wasser halten, wird 70 Prozent ihrer Rente genommen. Gleichzeitig streicht die Regierung die Ausgaben in allen Ministerien massiv zusammen und kündigte die Schließung von Krankenhäusern und Schulen an. Hingegen verzichtet sie weiterhin auf die Einführung eines progressiven Steuersystems statt der Einheitssteuer von 23 Prozent für alle Einkommen. Höhere Steuern würden mehr schaden als nützen, behauptet Finanzminister Einars Repse." hübsch, oder? glauben Sie bloß nicht, das wäre alles ganz weit weg. und verfolgen Sie auch hier die weiteren nachrichten: "Die Lehrer, die mit Lohnkürzungen von 50 Prozent zu den härtest betroffenen Gruppen zählen, drohen mit dem Boykott der Abschlussexamen an den Schulen. Die Gewerkschaften haben für den Donnerstag zu Protestkundgebungen in Riga aufgerufen." + ein wahrhaft globales desaster, wie übrigens auch ganz nüchtern und nicht nur für d-land die entprechendenchartsdeutlich machen + die nachrichten der nächsten tage sollten auch hinsichtlich der situation ingriechenlandim auge behalten werden, wo sich vorgestern das folgende ereignete: "In Athen ist am Mittwochmorgen ein Polizist erschossen worden. Der 41-Jährige war laut Polizei zum Schutz einer Zeugin abgestellt gewesen, die gegen die Terrororganisation "Revolutionärer Volkskampf" ELA aussagen sollte. Die Behörden gehen von einem terroristischen Hintergrund der Tat aus." + das allerletzte diesmal ausitalien:"Für Regierungschef Silvio Berlusconi ist die weltweite Wirtschaftskrise an Italien ziemlich spurlos vorübergegangen. "Unser Banksystem ist solide, die Unternehmen sind flexibel und strukturieren sich um." Berlusconi, der keinerlei Scheu hat, karge Staatsgelder auch für seine frivolen Feste zu nutzen, liegt auch mit Zentralbankchef Mario Draghi im Clinch. Er beschuldigt die Banca d'Italia, falsche Daten über den Arbeitsmarkt präsentiert zu haben. Nun erhielt Draghi unerwartete Hilfe von der OECD, die mit zehn Prozent Arbeitslosenrate in Italien rechnet." einmafiöser staatschefauf dem weg insrosawolkige nirvana. ganz offensichtlich ist die hiesige bevölkerung nicht die einzige, die einen hang zu schwer gestörten führungspersönlichkeiten hat +