Dienstag, 10. August 2010

notiz: krisennews spezial - wenn die menetekel am himmel erscheinen

"Das Jahr 2010 ist voller Merkwürdigkeiten und es ist noch lange nicht beendet."

so drückt es ein fachlich durchaus versierter user in einem
meteorologischen forum am ende seines beitrages in einem thread zur aktuellen hitzewelle in russland aus, und bezieht sich damit primär auf atmosphärische strömungsmuster der ganzen letzten monate bis in den letzten winter hinein, die nicht nur in deutschsprachigen foren verbreitet als seltsam, wenn nicht gleich als anomalien bezeichnet werden.

nun hatten wir hier im blog ja schon in der vergangenheit längere
auseinandersetzungen hinsichtlich eines möglichen anthropogenen klimawandels, aber ich finde, dass die derzeitigen globalen wetterextreme....

(...) "Kältewelle in Südamerika, Dürre und Hitzwelle in Russland, die verheerende Brände auslösen, Starkniederschläge in Pakistan, Afghanistan, Indien und China, die gewaltige Überschwemmungen und Zerstörungen verursachen, auch in Deutschland, Polen und Tschechien heftige Regenfälle und Überschwemmungen. Dazu schnell voranschreitende Schmelze des arktischen Eises, das erste Halbjahr 2010 war das wärmste seit Beginn der Messungen 1880, jedes der drei letzten Jahrzehnte war wärmer als das zuvorkommende gewesen …" (...)

...zumindest in ihrer objektivierbaren
häufung innerhalb der letzten jahre jenseits aller streitereien um den menschlich verursachten anteil durchaus unterstreichen, dass etwas mit dem planetaren klima ( = ich verstehe das wort u.a. im sinne von statistischem wetter, wobei die statistik anhand von realen ereignissen über einen zeitraum von mindestens 30 jahren als klima gelten kann) passiert. da das globale klima lange nicht bis ins letzte verstanden ist und auch einflüsse wie die sonnenaktivität eine rolle spielen, erscheint es leicht, den möglichen (und für mich wahrscheinlichen) menschlichen einfluss als übertreibung, panikmache etc. abzutun. wir werden gerade diesen speziellen punkt hier im blog bestimmt nicht abschließend klären können; aber ich denke mir, dass selbst bei @sansculotte, der damals sehr klar und mit durchaus nachvollziehbarer argumentation (ansonsten eine seltenheit bei den "skeptikern") gegen einen relevanten einfluss gerade von co2 stellung bezogen hatte, ein minimalkonsens vorhanden sein könnte in der weise, dass wir uns darauf einigen können, dass wir aktuell die wirkungen von klimatischen anomalien besichtigen können - die ursachen sind ein anderes kapitel.

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das diese wirkungen nun v.a. in russland und pakistan so katastrophal wie selten zuvor ausfallen, hat natürlich sehr direkt auch mit menschlichem tun bzw. unterlassen zu tun. wenn die these des (anthropogenen) klimawandels aber zutrifft, dann haben wir heute die gelegenheit, so etwas wie eine mögliche blaupause dafür zu betrachten, was uns in zukunft noch alles blühen könnte, vor allem hinsichtlich der reaktion von regierungsoffizieller seite. und bezgl. dieser scheint es fast egal, in welchem land sich die wetterdramen abspielen - das russische desaster ähnelt für mich strukturell sehr der
nichtreaktion der damaligen us-administration nach dem hurricane katrina 2005. sicher, formal unterschiedliche systeme und unterschiedliche ursachen - und doch erscheint die mentalität der jeweils handelnden "politischen eliten" nicht nur in diesen fällen gleich, und zwar gleich ausgeprägt antisozial.

bevor ich letzteres gleich speziell am beispiel russland näher deutlich machen will, nochmal direkt zum thema klima und den derzeitigen
anomalien:

(...) "Die extremen Wetterereignisse stehen laut Atmosphärenforschern in einem direkten Zusammenhang.

Das stationäre Hoch über Russland sorgte für sehr hohe Temperaturen, die wiederum zu den Waldbränden geführt haben. Östlich des Hochs liegt ein Trog, und der verstärke den Jetstream über dem Himalaya, sagt Olivia Romppainen-Martius, Atmosphären-Forscherin an der ETH Zürich. Der starke Jetstream seinerseits begünstigte die starken Niederschläge. «In Kombination mit einem aussergewöhlich starken Monsun kam es zu heftigen Niederschlägen über Pakistan und Nordindien», so die Wissenschaftlerin. «Dieses Jahr ist der Jetstream über dem Himalaya anomal stark. Aussergewöhnlich ist auch, dass er genau über Pakistan beginnt. Normalerweise ist er im Sommer weiter nördlich gelegen.» Worauf die Anomalien zurückzuführen sind, kann Romppainen-Martius nicht mit Bestimmtheit sagen, es wäre Spekulation." (...)


und um die dimensionen auch in historischer hinsicht nochmal ganz deutlich zu machen:

(...) «Seit der Gründung unseres Landes, also in den vergangenen tausend Jahren, ist eine vergleichbare Hitzewelle weder von uns noch von unseren Vorfahren beobachtet worden», sagte der Chef des staatlichen Wetterdienstes Rosgidromet, Alexander Frolow. (...) «Das ist ein einzigartiges Phänomen, so etwas gibt es in den Archiven nicht», so Frolow.

Auch die Folgen der Flutkatastrophe in Pakistan werden immer dramatischer beschrieben. Bisher seien 13,8 Millionen Menschen betroffen, dies übertreffe vorangegangene Naturkatastrophen, sagte Maurizio Giuliano, ein Sprecher des UN-Büros für die Koordination Humanitärer Angelegenheiten. «Dieses Desaster ist schlimmer als der Tsunami, das Erdbeben in Pakistan von 2005 und das Erdbeben in Haiti.»


hat aber weit weniger öffentliche aufmerksamkeit.

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nun ist es durchaus so, dass ein sommerliches hochdruckgebiet bzw. strömungsverhältnisse, die über wochen subtropische heisse luftmassen ununterbrochen richtung nordosten befördern - selbst teile von finnland hatten bisher schon viele tage mit temperaturen von weit über 30° C; eine stadt wie archangelsk am weißen meer hoch im nördlichen russland verzeichnete tropennächte, d.h. dass die temperatur nachts nicht unter 20 ° C fällt - , nicht unbedingt derartig verheerende auswirkungen auf die menschliche gesellschaft haben muss wie zurzeit. sicher, eine derartige hitze in regionen, die eigentlich eher mit schnee und eis assoziiert werden, trifft unvermeidlich auf eine solches ungewohnte bevölkerung und es sollte spätestens seit dem hitzesommer 2003 in mitteleuropa bekannt sein, dass ein derartiges wetter besonders in verstädterten gebieten nicht nur aufgrund der temperatur mehr herz-kreislauf-tode verursacht, sondern auch für eine starke luftverschlechterung sorgt. und das wochenlange hitze die waldbrandgefahr steigen lässt, ist ebenso eine binse.

das jetzige geschehen in russland jedoch hat eine vorgeschichte, aus der sich eigentlich direkt auch verantwortlichkeiten ableiten lassen. die zentralen punkte sind meines wissens nach die folgenden:
  • die nicht stattgefundene rekultivierung entwässerter moorgebiete besonders rund um moskau. die wurden teils schon in den 1920er jahren trockengelegt; einerseits zur brennstoffgewinung, andererseits aber auch, weil sie lediglich als brutstätten für moskitos und damit assoziierte krankheiten begriffen worden sind. innerhalb der frühen sowjetischen industrialiserung / modernisierung war allerdings eine andere als eine sehr technokratische, d.h. verdinglichende wahrnehmung von natur auch schier undenkbar
  • alles andere aber ist der post-sowjetischen phase zuzuordnen - da wäre die aushöhlung bzw.regelrechte zerschlagung jeglicher feuerprävention und - bekämpfung
  • ebenso wie die zerschlagung des staatlichen forstwesens (nicht nur wichtig zur hege des waldes, sondern auch zur früherkennung von bränden)
  • vor ein paar jahren wurde das umweltministerium faktisch aufgelöst und - ausgerechnet und bezeichnenderweise - dem rohstoffministerium eingegliedert
  • was sicher die neuen "besitzer" vieler wälder gefreut hat, oligarchen und großindustrielle, die in der einschlägigen holzverarbeitung tätig sind, und denen besonders unter putin die "privatisierung" ehemals öffentlichen gutes sehr leicht gemacht wurde - das lässt sich nicht ohne bezug zu den in russland zu beobachtenden quasi-mafiösen strukturen in politik & wirtschaft begreifen
  • zu schlechter letzt müssen aber auch große teile der russischen bevölkerung genannt werden, in denen so etwas wie umweltbewusstsein na sagen wir mal nicht allzusehr ausgeprägt ist. und die durch ihre weitgehende apathie auch das gesamte und auch in anderen bereichen destruktive treiben der alt-neuen russischen "eliten" faktisch duldet (was sie allerdings nicht groß von vielen anderen regionen der welt unterscheidet)
all das zusammengenommen führt dann zu jenen apokalyptischen bildern von feuerwalzen, vernebelten millionenstädten und hustenden menschen in masken, wie sie gerade täglich über die fernsehschirme flackern - bis hin zu vögeln, die
tot vom himmel fallen:

(...) "Vor allem Exoten wie Papageien und Kakadus würden derzeit in großer Zahl sterben, schrieb die Zeitung "Moskowski Komsomolez" unter Berufung auf Tierärzte. Der Leiter der Moskauer Vogel-Klinik, Wladimir Romanow, sagte, dass Tierbesitzer zu Dutzenden ohnmächtiges Federvieh einlieferten. Bei einigen Tiere seien Blutgefäße geplatzt und schwere Kohlenmonoxidvergiftungen festzustellen.

Nur wenige Papageien hätten noch in speziellen Sauerstoffkammern gerettet werden können. In freier Wildbahn seien besonders Bussarde und Milane betroffen. Auch sonst fielen in der Stadt, in der seit Wochen eine Hitze um die 35 Grad herrscht, viele Vögel einfach tot vom Himmel, schrieb das Blatt. Gründe seien der Sauerstoffmangel in der Luft und der hohe Gehalt an giftigen Schadstoffen." (...)


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die "frankfurter rundschau" hat kürzlich aus einem russischem blog zitiert, in dem in einer sehr direkten sprache etliches von den obigen punkten
aufgegriffen wurde:

(...) „Unter den perversen Dreckskommunisten, über die jetzt alle schimpfen, gab es drei Löschwasserbrunnen und eine Alarmglocke, die geschlagen wurde, wenn es brannte, und oh Wunder: ein Feuerwehrauto, zugegeben nur eines für drei Dörfer, aber es gab eines. Und dann kamen die demokratischen Herrschaften und die ganze Scheiße begann. Als erstes wurden die Löschwasserbrunnen zugeschüttet und das Land verkauft, das Feuerwehrauto ist auch irgendwohin verschwunden, wahrscheinlich von Außerirdischen geklaut, und die Alarmglocke wurde durch ein Telefon ersetzt (Drecksmodernisierung!) bei dem die Scheißkerle irgendwie vergaßen es anzuschließen.“

Diesen Beitrag übersendete am Mittwoch Alexei Wenediktow, der Chefredakteur des unabhängigen Radiosenders Echo Moskwa, mit einem Begleitschreiben an Putin. Ob dieser denn wisse, wie unzufrieden die Bevölkerung mit der Arbeit seiner Regierung sei? Dass sich die meisten nicht trauten, ihm ins Gesicht zu sagen, was sie denken, das Internet aber überquelle vor wütenden Beiträgen.

„Wohin fließen unsere Steuern?“ fragt der Blogger weiter, „befreit mich von meinen Steuern und Rentenbeiträgen, denn ich werde so eh nicht mehr lange leben, und ich kaufe dafür ein Feuerwehrauto. Wenn wir euch verehrten Abgeordneten und Beamten scheißegal sind, dann sind wir uns selbst nicht scheißegal. Nehmt eure Gesetze und lasst uns leben wie wir wollen. Und leben wollen wir glücklich und zufrieden. (…) Gebt mir meine Scheißalarmglocke zurück, ihr Schweine, und nehmt euer Dreckstelefon wieder mit.“


angeblich hat putin höchstpersönlich dem blogger geantwortet (im verlinkten artikel zu lesen) und sich dabei implizit an der benutzten sprache ergötzt:

(...) "Sie sind ein bewundernswert geradliniger und aufrichtiger Mensch. Einfach ein Prachtkerl. Und Sie sind zweifelsfrei ein begnadeter Autor. Der von seinem Schreiben ganz sicher ebenso gut wie Lenins Lieblingsschriftsteller Gorki leben könnte.“ (...)

das nun finde ich einen sehr interessanten punkt, weist er doch direkt auf eine tieferliegende spezifische struktur hin, die für das verständnis der heutigen russischen verhältnisse sehr hilfreich ist. im artikel wird das bezgl. der sprache nicht nur von putin so angerissen:

(...) "Er benutzt gerne die Schimpfwortsprache, die im Russischen oft als „nicht normative Sprache“ bezeichnet wird. Er möchte den georgischen Präsidenten an seinen primären Sexualorganen aufhängen, Terroristen auf der Toilette ertränken und widerspenstigen Wirtschaftsmagnaten mal einen Doktor vorbeischicken.

Die bildhafte Ausdrucksweise, derer sich Putin dabei bedient, ist der Ganoven- und Kriminellen-Jargon, der über die sowjetischen Lager in alle Teile der Gesellschaft vorgedrungen ist und von Alkoholikern und schimpfenden Waschweibern über Intellektuelle und Dissidenten bis zu Polizisten und Geheimdienstlern gesprochen wird." (...)


das könnte nun vor allem bei leserInnen von solschenizyns "archipel gulag" ein aha-erlebnis produzieren; zumindest mir ging es dabei so. solschenizyn hat sehr detailliert die entstehung einer privilegierten parallelgesellschaft im sowjetischen lagersystem beschrieben, bestehend aus all jenen, die als "normale kriminelle" (im gegensatz zu "politschen") verurteilt wurden. die strafen für diese kriminellen waren aus gründen, die rückblickend nur als völlig missverstandener pseudomarxismus bezeichnet werden können, i.d.r. weitaus geringer als für die "politischen" - "sozial nahestehende elemente", wie sie die kriminellen für die ideologen des stalinismus darstellten, wiesen mit einiger wahrscheinlichkeit genau jene persönlichkeitsstrukturen auf, die sich ausserhalb der lager auch bevorzugt in der sowjetischen "elite", aber auch im bürokratischen sowie polizeilich-militärischen apparat sammelten. mit stalin an der spitze eine gang von teils rücksichtslosen funktionärsgestalten, antisoziale vollstrecker eines pseudorevolutionären programmes ohne rücksicht auf verluste und widerstände. die sprache war dabei auf beiden seiten durchaus die gleiche; man verstand sich. putin stammt als ehemaliger kgb-funktionär selbst aus den späten formen dieser strukturen, und so kann seine begeisterung für diese sprache nicht erstaunen. es kann aber auch nicht erstaunen, dass ihm und seinen regime bei näherer betrachtung die not seiner untertanen schlicht am arsch vorbeigeht und like den finstersten stalinistischen zeiten alles dafür getan wird, um den schein von (be-)sorgnis und aktivität aufrechtzuerhalten. das drückt sich dann einerseits in solchen aktionen aus, wie ein paar offiziere hinauszuwerfen, die angeblich bei der brandbekämpfung an militärstützpunkten versagt hätten; andererseits ist bisher niemand von diesen herrschaften auf die idee gekommen, wenigstens in großstädten wie moskau während der schlimmsten smogtage ein fahrverbot für autos auszusprechen. stattdessen werden
maulkörbe verteilt:

(...) " Moskauer Ärzte gaben gegenüber Reuters Africa an, dass sie es kaum wagten, bei Patienten Krankheiten zu diagnostizieren, die mit der Hitze und dem Rauch zusammen hängen, aus Angst, ihre Stelle zu verlieren.

Als Ärzte in Internet-Blogs klagten, dass sich die Leichenhallen mit Menschen füllten, die an den Folgen der Brände gestorben waren, und dass die Situation in allen Moskauer Spitälern ähnlich sei, stritt die Regierung dies erst einmal reflexartig ab." (...)


kurz: wir sehen auf so ziemlich allen ebenen, von der sprache bis hin zum verhalten, von den gesellschaftlichen "eliten" (ignorante antisoziale frechheit) bis hin zu großen teilen der bevölkerung (apathie, fatalismus, egozentrismus) das unheilvolle zusammenwirken von vergangenen kollektiven traumatisierungen (durch diktatur & kriege) und heutigen (die offen mafiöse struktur des russischen kapitalismus). ersteres hat letzteres in vielfacher hinsicht begünstigt und es ist ganz und gar kein zufall, dass diejenigen persönlichkeitsstrukturen, die auch in den stalinistischen phasen der sowjetunion in einer art negativen auslese bevorzugt in elitäre positionen gelangten, das gleiche nun auch heute unter formal entgegengesetzten ideologischen und realen prämissen schaffen. diese spezifisch russische traumatische matrix ist es, die im hintergrund einiges zur aktuellen situation beiträgt.

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wer nun vor dem hintergrund des oben stehenden auf die idee kommen sollte, mir "antirussische" ressentiments o.ä. vorwerfen zu müssen, sollte vorher seinen/ihren kopf geraderücken - russland lässt sich noch nicht mal als als-ob-demokratie des durchschnittlich mitteleuropäischen typs bezeichnen; es ist ein autoritäres system, und der kapitalismus dort zeigt deutlicher als anderswo (vielleicht ähnlich wie bestimmte zonen in mittel- und südamerika) seine direkte innere verwandschaft bzw. wesensgleichheit mit dem, was sich als organisierte kriminalität begreifen lässt. für die gesellschaft "als ganzes" wie auch das, was normalerweise als "politische kultur" bezeichnet wird, hat das die zu erwartenden folgen - exemplarisch zu sehen an einem sehr langen, aber empfehlenswerten
beitrag auf indymedia, in dem anhand des widerstands gegen die abholzung von wäldern für eine autobahn in der nähe von moskau schlaglichtartig etliches der russischen verhältnisse besser erkennbar wird. lesetipp!

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ein ebenfalls sehr spezifischer aspekt der russischen katastrophe liegt in der gefahr möglicher radioaktiver kontaminationen durch neuen fall out, wenn nämlich die brände verstrahlte gebiete erreichen sollten, die es nicht nur rund um tschernobyl (in der ukraine) gibt, sondern auch rund um die russische wiederaufarbeitungsanlage und atomare lagerstätte in
majak, bei der nach einem schweren (und mir bisher unbekannten) störfall in den 1950er jahren zu einer bis heute andauernden verstrahlung eines ca. hundert quadratkilometer großen gebietes kam. es gibt tatsächlich eine gewissen wahrscheinlichkeit dafür, dass ein feuer in verstrahlten zonen radioaktive partikel in den obersten bodenschichten und auch innnerhalb von pflanzen wieder freisetzen, aufwirbeln und transportieren kann - die eigentliche gefahr jedoch könnte eine andere sein, wie es in diesem interview mit dem leiter des instituts für risikoforschung an der uni wien deutlich wird - da ich nicht weiß, wie lange das video beim orf noch online sein wird, in stichworten das wichtigste: er berichtet davon, dass durch brände auch viel stromtrassen zerstört worden sind, was bei zwei akw durch rückkoppelungseffekte zum brand und zur zerstörung der jeweiligen transformatorenstationen geführt habe. das aber bedeutet, dass die akw von jeglicher externen stromversorgung abgeschnitten seien, was zu schweren und sehr gefährlichen problemen führen kann, wenn die akw wg. der feuer im prozess des herunterfahrens seien - da muss nämlich für die brennstäbe eine dauernde kühlung gesichert sein. falls diese nicht mehr aufrechterhalten werden könne, dann...

tja. erstens: ein unglück kommt selten alleine. zweitens: alles, was schief gehen kann, wird auch schiefgehen. drittens: eine kernschmelze ist genau das, was diesem desolaten jahr als "krönung" noch fehlen würde. das wäre dann wirklich ein vernünftiger grund, sich mal hemmungslos zu betrinken... (bevor dann kollektiv zur abrechnung mit den "eliten" geschritten wird).

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wer sich fragt, warum ich das wort menetekel in der überschrift habe, sollte sich die beiträge der letzten wochen und monate zum ölGAU im golf noch mal betrachten. zur situation in pakistan fehlt es mir z.zt. noch an material, auch wenn beim oberflächlichen betrachten ähnliche strukturelle eigenschaften der dortigen administration zu erkennen sind wie in russland. ansonsten kann es sein, dass ich die nächste zeit wilde thematische sprünge mache: es ist zuviel material aufgelaufen, wie neulich schon mal angemerkt. und ich muss das für mich erst mal alles sortieren. auch für mich ganz persönlich - es werden insgesamt szenarien sichtbar und zur realität, die ich zwar befürchtet habe, aber deren ausmaß und eintreffen dann doch erst mal emotional verkraftet werden muss.

Freitag, 6. August 2010

fünf jahre...

...alt ist dieses blog vorgestern geworden - das finde ich einerseits bedauerlich, weil ich mir zustände wünschen würde, bei denen ich nie auf die idee für dieses projekt gekommen wäre. andererseits bin ich selbst überrascht über diese zeitspanne, und auch darüber, was sich währenddessen alles so angesammelt hat. mir hat das immer wieder zu einigen stückchen mehr klarheit verholfen; und ich hoffe, dass das auch das mindeste ist, was es für die leser und leserinnen hier leistet.

an letztere geht auch heute explizit mein dank für viele und meistens inspirierende kommentare - auch wenn ich nicht auf jeden reagiere, so lese ich doch alles und habe oft genug weitere anregungen bekommen, die dann wieder ins blog geflossen sind.

wer will, kann
hier und hier einen kleinen zeitsprung ins jahr 2005 veranstalten - das waren die ersten beiden postings, und sie besitzen leider bis heute weiterhin gültigkeit.

Donnerstag, 29. Juli 2010

assoziation: nochmal "duisburg" - gedanken und links [update]

(der erste beitrag zur katastrophe findet sich hier.)

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da immer neue materialien dem geschehen weitere aspekte hinzufügen, kommt nun doch ein weiterer beitrag.

bis heute unbekannt war mir
julias loveparade blog, obwohl das anscheinend schon breit verlinkt ist. das, was da steht, ist heftig. ich finde es schwierig, nach dem lesen des kernbeitrags über ihre erlebnisse am samstag noch anmerkungen zu machen, ohne irgendwie herzlos zu erscheinen - aber dann doch ein paar kurze: nein, ich glaube nicht, dass das ein fake ist. und julia beschreibt in ihren ganzen postings eigentlich so ziemlich alle symptome einer massiven und akuten traumatisierung, was ja nun kein wunder ist - von der "schuld der überlebenden" über alpträume, offensichtlich dissoziativen und de-realisierenden phasen bis hin zu einem totalen emotionalen chaos. es tut regelrecht weh, das zu lesen, und ich hoffe bloß, dass sie die nötige hilfestellung bekommt - wenn sie vorher ein relativ unbelastetes leben geführt haben sollte, ist die chance gar nicht mal schlecht, dass sie selbst ein trauma eines solchen kalibers verarbeiten kann. die therapeutischen möglichkeiten gibt es heute dafür. die frage stellt sich aber auch: wieviele julias laufen jetzt eigentlich nach diesem desaster herum? neben den toten und massiv körperlich verwundeten haben die verantwortlichen auch diese menschen auf dem gewissen - und ja, im strengen sinne sind das letztlich auch körperliche wunden im gehirn und nervensystem.

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vielleicht hat sich der eine oder die andere ja schon gefragt, warum ich dem thema trauma nach der katastrophe bisher keinen platz gegeben habe, zumal in einem blog wie diesem. ich habe mir selbst einige statements und interviews von traumatherapeutInnen seit samstag angehört und fand dabei keines so bemerkenswert und/oder wichtig, dass ich das gefühl hatte, mich dazu äussern zu wollen. meistens ist die eingeräumte zeit bzw. spaltenzahl für die leute zu kurz, um wirklich tiefgehender zu erklären. regelrecht falsches habe ich noch nicht vernommen, und als einen schritt in die richtige richtung betrachte ich die erklärung einer therapeutin, dass das erbärmliche schauspiel der verschiedenen funktionäre gerade für viele traumatisierte weiteren schaden anrichten kann. insgesamt wäre das jetzt aber zum wiederholten male eine notwendigkeit, sich seitens der psychotraumatologie massiv in die öffentliche debatte einzumischen - dieses überwiegende (es gibt ein paar ausnahmen) schweigen zu letztlich gesellschaftlich (d.h. durch die herrschenden verhältnisse) produzierten traumata betrachte ich nach wie vor als manko.

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in vielen foren, kommentaren und erlebnisberichten taucht öfter mal das wort vieh auf - meistens als assoziation zur situation in und vor den tunnels. wie vieh seien dort die menschen hineingetrieben und zusammengepfercht worden. daran musste ich auch denken bei einem weiteren
augenzeugenbericht, einem sehr speziellen, weil er von einem 60jährigen erziehungswissenschaftler stammt:

"Es war ein befremdliches Bild, das Duisburg am Samstagvormittag bot: ein riesiges Polizeiaufgebot; dutzende Beamte vor Spielplätzen oder Grünanlagen, denen man, wie mir eine Polizistin bestätigte, aufgetragen hatte, die Besucher abzuwehren. Schon der Anblick der Jugendlichen, die auf der Straße saßen, weil man ihnen keine Parkbank gönnte, erweckte bei mir den Eindruck: Hier geht es nicht darum, die Jugendlichen zu schützen, es geht darum, Duisburg vor den Jugendlichen zu schützen.

Diese schlechte Behandlung der Besucher setzte sich auf dem Gelände fort: der Schotter, den man ausgelegt hatte und der alles in eine schwarze Staubwolke hüllte; die Zäune, mit denen das Gelände doppelt und dreifach abgesperrt war - eine gigantische Geringschätzung mit diesem beängstigenden Tunnel als traurigem Höhepunkt.

Spätestens als ich mittags dort durchging, war mir klar: Die Belange und Bedürfnisse der Besucher zählen hier kaum, man will lediglich im Rahmen der "Kulturhauptstadt Ruhrgebiet" ein Event inszenieren und bestimmte Bilder produzieren." (...)


ein eindeutig stellung beziehender bericht, und die schilderung finde ich interessant - tatsächlich kann ich mich manchmal des eindrucks nicht erwehren, als wäre das alles, was da am samstag in duisburg passiert ist, auch als eine art unbewusste inszenierung zu begreifen, und zwar inszenierung als ausdruck eines enormen hasses auf all diejenigen, die da erwartet wurden: es liegen viele berichte vor, die vom ankunftspunkt vieler teilnehmerInnen - dem hauptbahnhof - von mangelhafter ausschilderung sprechen, d.h. dass viele erst mal ein paar stunden herumirrten, bevor sie überhaupt das gelände fanden. dann: die geplanten hauptrouten scheinen allesamt mittels zäunen und polizei abgegrenzt gewesen zu sein. und wurden wie auf einen trichter zu immer enger (durch die konzentration immer mehr menschen), je näher es dem gelände zuging. dann die falle des tunnels, über die man nichts mehr sagen muss. das gelände selbst ein schottergelände, mit etlichen baufälligen und gesperrten gebäuden, eingezwängt zwischen autobahn und bahnlinie. "eine gigantische geringschätzung" - ja, das dürfte noch positiv formuliert sein. selbst die loveparade in ihren letzten berliner jahren, dort schon bereits zu einem mega-konsum-event mutiert, mutet gegen dieses szenario noch regelrecht unbeschwert an. von dem, wofür "techno" vor langer langer zeit zumindest mal teilweise stand (speziell in detroit), ist das alles weltenweit entfernt.

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(...) "Das bringt uns zu dem zweiten Eindruck, der sich beim Betrachten der Duisburger Bilder aufdrängt: Durch die Anwesenheit zu vieler Menschen hat nun gerade jene Musik zur größten Massenkatastrophe der jüngeren Pop-Geschichte geführt, die einst durch die katastrophale Abwesenheit von Menschenmassen entstand - eine Musik, die sich in entleerten und verfallenden Städten entwickelte, in verlassenen Häusern, Fabriken, Theatern. Fast auf den Tag genau ein Vierteljahrhundert ist es jetzt her, dass der Produzent Juan Atkins mit "No UFOs" jene Single aufnahm, die rückblickend als erstes Techno-Stück angesehen werden kann. Er lebte in Detroit, einer jener "schrumpfenden Städte" des US-amerikanischen Nordens, aus denen die wohlhabende Bevölkerung in die Speckgürtel geflohen war und in deren Zentren nun lediglich noch die Ärmeren, Unterprivilegierten hausten. Und die Künstler und DJs, die ihre Partys in leerstehenden, von keinem Besitzer mehr beanspruchten Fabriken und Warenhäusern feierten.

Ohne diese aufgelassenen Räume, ohne die große Leere in den Zentren der de-industrialisierten Städte hätte es Techno niemals gegeben. Darum fiel die Musik nach dem Mauerfall in Berlin auf so fruchtbaren Boden: weil es in der Mitte der wiedervereinigten Stadt so viel Leere gab und - vergleichsweise - so wenig Menschen, so viel Räume, die man erobern konnte, in einer steten Bewegung von einem Ort zum anderen, von einer zum Party-Ort umgewidmeten Ruine zur nächsten." (...)


("Die Musik, die Stadt und der Tod")

ja. eigentlich wäre das desolate duisburg, mit seinen mafia- und rockergeschichten, seiner schier aussichtslosen ökonomischen lage, seinen sozialen widersprüchen und der riesigen leere rund um den verfallenen güterbahnhof bestens geeignet für jene teils traurig-düstere melancholie, für die der detroit-techno so berühmt ist (und die ich persönlich so liebe). aber das wäre dann definitiv ein ganz anderer beat als derjenige, der leuten wie den handelnden protagonisten in diesem fall vorgeschwebt hat...

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denn die letzteren (incl. des herrn schaller) haben sich einen dreck nicht nur dafür interessiert, welche interessanten aspekte techno (als oberbegriff) tatsächlich hat, sondern sie haben durch ihre planung des debakels auch gezeigt, dass ihnen ihr publikum - ausser in der rolle von möglichst nicht störenden, geldausgebenden konsumenten - letztlich nicht von bedeutung gewesen ist. aber das scheint insgesamt zur hybris des größenwahnsinnigen "metropolenregion ruhr"-projektes zu gehören, und ich danke quirinus für den hinweis auf einen sehr interessanten text zum thema, den ich gleichfalls empfehlen möchte:
Die Erfindung der "Metropole Ruhr" und ihre tödlichen Folgen. da wird durchaus einiges von dem größeren kontext sichtbar, in dem die loveparade eingebettet gewesen ist, incl. der sozio-ökonomischen verwerfungen der vergangenen jahrzehnte. sichtbar wird aber der noch größere hintergrund einer ebenso wie alles andere inzwischen gnaden- und rücksichtslos geführten standortkonkurrenz um die krümel vom kapitalistischen kuchen.

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ein weiterer
augenzeugenbericht, anders, aber ähnlich bedrückend wie von julia. mit einem schwerpunkt auf die drogen, besonders speed - "pep" - , also amphetamine. das thema drogen kommt hier im blog ja schmählich zu kurz, ihre gesellschaftlichen funktionen und wirkungen halte ich für immens, aber in diesem zusammenhang nur das folgende: es gibt durchaus plausible untersuchungen darüber, wie sich innerhalb der raver-szene ende der 90iger jahre immer mehr speed statt mdma ("exstasy"; sicher geht es in beiden fällen um amphetamine, aber von sehr unterschiedlicher wirkung) verbreitete und das durchaus auch direkte wirkungen auf den umgang innerhalb der szene hatte. speed passt eigentlich wie kokain (nicht umsonst neben alkohol die beliebteste börsendroge) perfekt zum neoliberalismus - eine leistungsdroge, scharfe highs, tiefe depressionen als folge auf die mittelfrist bezogen, fördert narzisstische tendenzen und die eigene selbstüberschätzung. während mdma aus folgenden gründen immer wieder auch in psychotherapeutischen settings erprobt wurde:

(...) "Der Konsum von MDMA führt zu Euphorie, steigert meist die Fähigkeit zur ungezwungenen Kontaktaufnahme mit anderen Menschen (empathogene Wirkung) und die Fähigkeiten zum Verständnis der eigenen inneren Gefühle (entaktogene Wirkung). Es wird Empathie und Liebe stärker empfunden und die Harmonie mit stereotypen Rhythmen (Technomusik oder Sex (...)"

körperlich schädliche wirkungen sind wie bei allen, und nicht nur synthetischen, psychoaktiven stoffen durchaus eine gefahr, gerade bei häufigem und mischkonsum (speed und alkohol ist eine der übelsten kombis überhaupt). aber es ist schon auffallend, wie im laufe der jahre und mit zunehmender massenkompatibilität von techno neben der niedergehenden musikalischen qualität ("kirmestechno", oh graus) auch das eine amphetamin durch das andere mit geradezu entgegengesetztem wirkungsspektrum ersetzt wurde (es gibt sogar leute, die das für keinen zufall halten. ich bin mir da unschlüssig, was die genaue natur des "keinen zufall" angeht).

jedenfalls finde ich persönlich viele menschen auf aktuellen massen-techno-events von ihrem auftreten und verhalten her nicht besonders sympathisch; ebenfalls könnte ich das auch überhaupt von meiner wahrnehmung vieler leute unter 25 sagen. andererseits versuche ich mir bei entsprechender mißgelauntheit auch immer zu sagen, dass die kids von heute das logische produkt des versagens meiner und der vorhergehenden generation sind und dafür noch am wenigsten verantwortlich sind. und bei aller aufregung über wie geklont erscheinende modellhafte mädchen und den dicken max markierende jungen: wenn ich mir die erbärmlichkeit nicht nur von duisburg vor augen halte, dann weiß ich, auf welcher seite - trotz aller vorbehalte und kritik - ich mich eher verorte. die jugendlichen von heute haben in vieler hinsicht die absolute arschkarte gezogen, und von daher ist es kein wunder, wenn sich etliche auch entsprechend verhalten. es ist schon okay zu sagen, dass das letztere natürlich nicht okay ist - aber dabei sollte auch immer der größere zusammenhang präsent sein.

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lotta hat drüben in ihrem beitrag ihr generelles unwohlsein mit massenveranstaltungen an sich angesprochen; und ich kenne durchaus viele, denen das ähnlich geht. bei mir sieht das anders aus: ich erinnere mich gerne an die meisten erfahrungen mit großen menschenmassen (bis 100.000); ausnahme sind bestimmte demonstrationen (wobei hier negative und gefährliche erlebnisse ja eigentlich von vorneherein einkalkuliert werden müssen, was dann den umgang mit ihnen von vorneherein anders gestaltet - im gegensatz zu einer veranstaltung wie in duisburg, wo ich nicht glaube, dass auch nur ein einziger mensch (besucherIn) im vorfeld ein solches szenario in erwägung gezogen hat, was dann den terror der katastrophe für alle betroffenen aufgrund ihrer unmittelbarkeit und des scharfen kontrastes - party, feier, musik - nochmals größer werden lässt).

aber gerade mit kleinen und größeren festivals, aber auch mit stadionbesuchen, verbinde ich eigentlich viele besondere und auch schöne momente. ich finde eine masse durchaus nicht per se ent-individualisierend, das kommt immer sehr auf die art der masse und den anlass an. eine masse kann durchaus auch positive geborgenheit bedeuten, und sie kann v.a. eine art gegenmacht darstellen, eine erfahrung gerade auf bestimmten demonstrationen, die ich für enorm wichtig halte, weil sie gefühle von vereinzelung und ohnmacht stark relativieren kann. und massen können durchaus auch spaß machen, und damit meine ich nicht den typischen und drogeninduzierten als-ob-spaß bei den einschlägigen megaevents, sondern eine besondere art der spontanen interaktion, wie sie zumindest früher bspw. auf festivals stattfand (aus diesem grund wäre ich auch zu gerne in woodstock dabeigewesen - das muss auch in letzterer hinsicht gigantisch gewesen sein).

allerdings kann ich mir durchaus vorstellen, dass analog zu den steigenden eintrittspreisen bei den heutigen festivals die spontanen und authentischen aspekte immer mehr verschwinden. und auch das vermutlich generell veränderte verhalten vieler heutiger besucherInnen eine große rolle spielt. nein, früher war nicht alles besser. aber teils entscheidend anders.

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edit am 30.07.: nochmals eine kurze und teils kommentierte zusammenstellung neuer materialien und entwicklungen.

- zur derzeitigen öffentlichen stimmung in duisburg -
ohne worte:

(...) "Die Tür des Sitzungssaales lässt Oberbürgermeister Adolf Sauerland am Freitagvormittag von innen abschließen. Unbekannte Gäste dürfen im Rathaus längst nicht mehr selbst zu den Zimmern gehen, sondern werden begleitet. Auf der Straße sind seit Tagen keine Politessen zu sehen, weil die wütenden Duisburger sie anpöbeln und bedrohen. Im Callcenter der Stadt weinen Mitarbeiter offen, weil sie reihenweise Schmähungen ertragen müssen.

Die Katastrophe der Loveparade, für die Verwaltungschef Sauerland verantwortlich gemacht wird, und seine Weigerung, Konsequenzen zu ziehen, hat in der Industriestadt Duisburg für einen Ausnahmezustand gesorgt. „Das ist Agonie hier", sagt ein Rathaus-Mitarbeiter, der nicht zitiert werden will." (...)


- wenn sich das folgende bestätigen lässt, wäre das ein nachdrückliches beispiel für
"an ihrer (macht-)sprache sollt ihr sie erkennen":

(...) "Höherrangige CDU-Quellen kolportieren indes mittlerweile, daß die Bundeskanzlerin Merkel wünsche, daß “das Problem Sauerland” bis zu ihrem Eintreffen zur Trauerfeier in der dem Rathaus benachbarten Salvatorkirche morgen, Samstag vormittag, “zu lösen” sei. Dies würde “verbindlich” von der Duisburger CDU erwartet." (...)

- nochmal die ruhrbarone mit einer interessanten
chronik der geschichte der loveparade im ruhrgebiet seit jahresanfang 2007

- und noch eine lüge bröckelt: wie es sich von beginn an schon abgezeichnet hat und auch aus vielen augenzeugenberichten zu vernehmen war, ist die polizei aller wahrscheinlichkeit nach
nicht so unschuldig, wie es vor allem der innenminister von nrw neulich suggerierte:

(...) "Ein neues Dokument aus der Einsatzleitung der Feuerwehr belastet die Polizei im Zusammenhang mit der Loveparade-Katastrophe. Dem Papier zufolge (...) gab es eine Meinungsverschiedenheit zwischen Polizei und Feuerwehr über eine geplante Sperrung des Zulaufs auf das Festgelände der Loveparade in Duisburg. Nach Ansicht der Feuerwehreinsatzleitung sei diese Maßnahme „aus einsatztaktischer Sicht sehr problematisch“. Aus diesem Grund „ist die Feuerwehr dagegen“.

Die Feuerwehr wollte dem Dokument zufolge der Sperrung nur unter der Maßgabe zustimmen, wenn gleichzeitig die zweite Rampe zum Gelände „als Zulauframpe“ geöffnet werde. Zudem bestand die Feuerwehr darauf, dass der Zustrom von Festivalbesuchern durch den Karl-Lehr-Tunnel „durch die Polizei verhindert wird“, heißt es weiter. Das Papier entstammt dem Einsatztagebuch der Feuerwehr zur Loveparade. (...) Demzufolge sah die Feuerwehr offenbar die Polizei und nicht den Veranstalter in der Pflicht, den Tunnel zum Gelände zu sperren, damit es nicht zu einem Chaos im Eingangsbereich des Loveparade-Geländes kommt." (...)


wie schon neulich geschrieben: ein gesellschaftliches lehrstück erster qualität, bei dem einem allerdings die haare zu berge stehen.

Mittwoch, 28. Juli 2010

notiz: öl. mehr öl. noch mehr öl.

ich bin mal gespannt, ob es die beiden folgenden störfälle überhaupt in irgendwelche deutschsprachigen medien schaffen - ich selbst werde versuchen, mich beim kommentieren zurückzuhalten, weil es hier ansonsten zu gar garstigen szenen und wörtern kommen könnte...

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die situation am golf wird demnächst wieder thema sein, aber bis dahin dürfen wir uns alle mit einem neuen und anderen leck beschäftigen - relativ nahe vor der küste von louisiana, ca. 104 km von new orleans entfernt, mitten im marschgebiet, passierte vor noch nicht langer zeit - acht bis zehn stunden - das folgende: ein schlepper mit einem schwimmbagger im schlepp rammte offenbar einen knapp - die rede ist von ca. 1,20 m - unter der oberfläche liegenden versiegelten (?) bohrlochkopf (in anderen berichten war die rede von einem "natural leak", aber wie geht das bitte zu rammen?)

seitdem schießt dort das öl bis in eine höhe von ca. 30 metern in die höhe, hat bereits einen film auf dem wasser produziert und ist inzwischen mit den in der gegend ja reichlich vorhandenen ölsperren eingegrenzt worden. das versiegeln sollte ja bei dieser tiefe nicht so ein thema sein, trotzdem ist es bemerkenswert, dass anscheinend niemand weiß, wer für diese vermutlich aufgelassene quelle verantwortlich ist bzw. mal war. ebenfalls war die stelle überhaupt nicht irgendwie gesichert oder zumindest mittels einer boje gekennzeichnet. alles wunderhübsch. achja, es tritt - kein wunder - wohl auch gleichzeitig gas aus. und die art des austritts deutet auf einen ordentlichen druck dahinter hin.

näheres (in english) mit bild
hier.

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während dessen kommen aus dem us-bundesstaat michigan
meldungen über die "größte ölverschmutzung in der geschichte des mittleren westens". offizielle schätzungen sprechen von über einer millionen gallonen ( = ca. 3 780000 liter = ca. 23 757 barrel ) öl, welches aus einer lecken pipeline in bzw. an einem kleineren zulauf des kalamazoo river stammt, sich bereits in diesem befindet und auf dem weg in den michigansee ist. aufmerksam wurden wohl anwohner durch einen penetranten ölgestank in der luft - letzteres hat wohl auch zur evakuierung von bis zur stunde ca. 20 häusern am fluß geführt.

verantwortlich für die pipeline und also auch das leck ist eine relativ kleine gesellschaft, die sich bereits jetzt aufgrund ihrer offensichtlich mangelhaften wartung und eines gleichartigen umgangs mit der ölpest verschärfter beliebtheit bei den zuständigen behördenvertretern erfreut - aber das ist ja auch nicht bp, mit der sich die leute da anlegen müssen.

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wie sagte ich irgendwo in einem der vielen ölbeiträge der letzten wochen ? so sieht die normalität des ölzeitalters aus. einmal mehr.

Sonntag, 25. Juli 2010

notiz: katastrophe mit ansage - loveparade [3. update, 27.07.10]

nein, das war kein "gewöhnlicher" unfall, wie er auf veranstaltungen dieser größenordnung auch bei bester planung immer wieder mal vorkommen kann. in diesem fall gibt es inzwischen immer mehr indizien für ein multidimensionales und möglicherweise mutwilliges versagen auf mehreren ebenen - stadt, behörden und veranstalter. um das nachzuvollziehen, lese man sich sorgfältig zb. nicht nur diesen artikel vom 20. juli durch, sondern auch und vor allem die zugehörigen kommentare, in denen fast haargenau der heutige verlauf schon geschildert wurde.

motive dafür, diese geschichte - bochum hatte letztes jahr, glaube ich, aus der einsicht heraus, für eine veranstaltung dieses kalibers schlicht nicht die infrastruktur zu haben, auf die durchführung verzichtet - dann doch um, wie heute zu sehen ist, so ziemlich jeden preis in duisburg durchzuführen, könnten etwas mit der situation zu tun haben, die
hier in den krisennews 14 ziemlich in der mitte geschildert ist. duisburg war und ist faktisch pleite, und es ist nicht allzu abwegig anzunehmen, dass die vorstellung konsumierender massen plus die möglichkeit einer ordentlichen selbstdarstellung / imagepolierung wie üblich grundsätzliche bedenken hinweggefegt hat.

18 19 tote und dutzende schwer- und leichtverletzte als letzter stand - kein wunder, dass die behördlich verantwortlichen bereits rückzugslinien basteln ("keine panik im tunnel, kein fehlverhalten der polizei, keine überfüllung des geländes, die opfer haben unbefugt verbotene wege genommen" - so einige gesammelte aussagen dieses abends aus tv und presse). bei der vielzahl von augenzeugenberichten werden wir sehen, ob die herrschaften damit durchkommen. vermutlich wird´s wieder auf niedere chargen als sündenböcke hinauslaufen...

*

edit: das folgende möchte ich dann doch nicht in den kommentaren versacken lassen - wenn sich
das als real herausstellen sollte ...

(...) "Wie SPIEGEL ONLINE erfuhr, wurden bei der Bundespolizei inzwischen sämtliche Unterlagen zur Love Parade - Einsatzbefehle, Lagemeldungen, Karten - von den Computern der Beamten sowie aus deren E-Mail-Accounts gelöscht. "Da kam sehr schnell der ganz große Staubsauger", sagte ein Beamter, der sogar eine konzertierte "Vertuschungsaktion" im Gang wähnt." (...)

... dann erhalten nicht nur die in den letzten stunden zunehmenden massiven vorwürfe seitens der polizeigewerkschaft gegen veranstalter und auch die stadt ein interessantes g´schmäckle, sondern es stellt sich auch die frage, welche instanz da überhaupt in der lage sein sollte, so etwas wie wirkungsvolle ermittlungen zu führen - auch gegen behörden und teile der polizei. ich glaube, ich kann mir das ergebnis dieser ermittlungen schon jetzt lebhaft vorstellen...

und noch ein edit: obiger spon-bericht wurde sehr schnell verbreitet, und auch sehr schnell von der bundespolizei dementiert - jetzt schreibt spon in einem nachtrag das folgende:

"In einer ersten Version dieses Artikels hieß es, von Rechnern der Bundespolizei seien sämtliche Unterlagen zur Love Parade gelöscht worden. Dies ist nach unseren Recherchen auch der Fall - bei mindestens einer Dienststelle, aber nicht unbedingt flächendeckend bei der gesamten Bundespolizei."

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edit am 26.07.: weil ich gerade über zwei dokumentarische materialien gestolpert bin, ergänze ich mal hier: einmal wäre da der bericht einer augenzeugin, der unten in einem
kommentar thema ist. dazu passen dann auch folgende private fotos:

-
dieses hier dürfte den hauptsächlichen bereich der katastrophe erfassen, in dem sich auch - weiter nach rechts zur treppe (nicht auf dem bild) hin die oben erwähnte augenzeugin befunden hat. die sichtbare rote werbetafel wird in etlichen augenzeugenberichten ebenfalls erwähnt.

laut der bisherigen offiziellen aussagen müssten an der da sichtbaren tunnelwand auch die ominösen kletterversuche stattgefunden haben - ich finde das, was zu sehen ist, sehr deutlich - an einer solchen wand bzw. den kleineren reklametafeln klettert man nicht mal eben aus jux hoch, oder um schneller irgendwo zu sein (wie es diese offiziellen aussagen suggerieren), sondern das sieht nach absolutem notklettern aus. abstürze verwundern mich da ebenfalls nicht.

- das
darauf folgende foto zeigt dann diesen bereich im geräumten zustand, und es sind sieben oder acht bedeckte körper zu sehen. alle von der wand gefallen? schwere rückenmarks- und/oder schädelverletzungen jedenfalls, wie sie als erste aussagen von ärzten zu den toten im umlauf sind, kann ich mir auch als resultat massiver (und durchaus unfreiwilliger) tritte vorstellen. wer in so einer menge fällt, kommt mit einiger wahrscheinlichkeit nicht wieder hoch.

es kursieren übrigens auch etliche augenzeugenberichte, die von einigen toten im tunnel selbst berichten - und zwar nicht säuberlich aufgereiht, wie es vielleicht zu erwarten wäre, wenn die leichen erstmal an einen etwas geschützteren ort gebracht worden wären.

jedenfalls schätze ich, dass das gerede von "individuellem fehlverhalten", wie es der oberbürgermeister von duisburg gestern in die welt setzte, aus keiner perspektive wirklich haltbar ist. erstmal ist fraglich, ob wirklich alle toten beim bzw. durch das klettern gestorben sind. und selbst wenn, wäre das klettern wie schon erwähnt deutlich (!) als versuch in panik und todesangst zu begreifen, einer echten falle entkommen zu wollen.

*

noch ein trauriges
update:

"Bei der Katastrophe während der der Love Parade sind nach Angaben der Staatsanwaltschaft Duisburg deutlich mehr Menschen verletzt worden als zunächst angenommen. Die Staatsanwaltschaft bezifferte ihre Zahl am Montag auf mehr als 500. (...) 43 Menschen befänden sich noch im Krankenhaus, ein Opfer schwebe in Lebensgefahr." (...)

und mir scheint auch einiges darauf hinzudeuten, dass in der stadt duisburg selbst jetzt noch andere dinge eine rolle spielen, für die die katastrophe eine art trigger darstellt - der regelrechte
wutausbruch einer empörten menschenmenge gestern abend am ort des geschehens gegen den oberbürgermeister ist bemerkenswert:

(...) "Dort traf ihn die Wut der Trauernden mit voller Wucht - ein Mann soll ihn sogar mit Müll beworfen haben. Die restlichen Anwesenden sollen eine Traube um den Bürgermeister geildet und ihren Unmut mit Buh-Rufen und Beschimpfungen kundgetan haben.

Ein Leibwächter brachte den 55-Jährigen schließlich vor den etwa 120 Menschen in Sicherheit. Er flüchtete in seinem Dienstwagen." (...)


der bericht wurde inzwischen vom ob selbst bestätigt.

*

edit am 27.07.: ach, welch´überraschung:
Alle Opfer wurden zu Tode gequetscht.

ich hatte ja weiter oben schon meine skepsis bezgl. der version von den stürzen (hoffentlich) sichtbar werden lassen; aber das am sonntag gleich von drei seiten - nämlich stadt, polizei und "panikforscher" schreckenberg - derart massiv im brustton der überzeugung - ja nun, gelogen wurde (dazu eine lüge, die implizit die toten selbst für "fehlverhalten" verantwortlich machte), ist selbst im zynismusmodus, in dem ich mich gerade immer im angesicht der zustände befinde, schwer erträglich. warum ich das ein lüge nenne? entweder die herrschaften wussten an dem tag absolut noch nichts über die tatsächliche todesursache, dann ist das zumindest ein widerwärtiger versuch gewesen, sich selbst präventiv aus der schußlinie zu nehmen. aber ich erinnere mich an die auch oben zitierten "ärztlichen aussagen", von denen ich inzwischen gerne mal wissen würde, welcher arzt tatsächlich soetwas wann und wo gesagt hat. wer bereits sonntag tatsächlich "rückenmarksverletzungen" diagnostiziert hat, sollte ja wohl kaum nicht in der lage sein, massive quetschungen im brustbreich auch wahrzunehmen. mein gefühl ist dazu deutlich: der oder die zitierten ärzte befanden sich mit einiger wahrscheinlichkeit einzig im kopf der herren... oder sie haben vorläufige ärztliche aussagen in ihrem sinne gedeutet.
oder aber auch: sie wussten direkt bei ihren öffentlichen aussagen, dass sie da nicht die wahrheit erzählen. kann mich nicht entscheiden, was ich schlimmer finden würde.

die oben verlinkte aussage einer augenzeugin wird dadurch im großen und ganzen verifiziert. ebenso ist bis jetzt kein mir bekanntes video aufgetaucht, auf denen die angeblichen stürze zu sehen wären - bei der ballung von kameras an dem tag dort eh schon ein wunder für sich.

*

der oberbürgermeister kommt inzwischen nicht nur politisch, sondern auch persönlich massiv unter druck: es gibt offene
morddrohungen, aufgrund derer er und seine familie erst mal abgetaucht sind. ich hatte ja schon nach dem angriff einer wütenden menge auf ihn am sonntagabend das gefühl, dass die katastrophe zumindest in duisburg selbst auch als eine art trigger für ganz anderes wirkt, und das verstärkt sich bei mir gerade - es könnte sein, dass die durch die parade sichtbar werdenden strukturen der (kommunal-)politik nicht nur in duisburg, sondern auch im ruhrgebiet insgesamt, eher die spitze eines eisbergs darstellen. und für viele leute offenbar das faß jetzt endgültig übergelaufen ist. der klüngel (nicht nur der kölner) ist seit jahrzehnten legendär, und nach eben diesem sieht es im zusammenhang mit der katastrophe aus.

vor dem hintergrund wird es auch interessant sein zu beobachten, wie sich eine für donnerstag angesetzte
demonstration vor dem duisburger rathaus entwickelt - gerüchte darüber gab es schon seit zwei tagen, aber inzwischen wird offen mobilisiert - anscheinend von nicht näher beschriebenen privatpersonen. in dem zusammenhang sind auch die kommentare unter den beiden eben verlinkten artikeln interessant, weil sie teils ein maß an wut und verachtung widerspiegeln, welches ich mir nicht alleine aus der katastrophe erklären kann, schon gar nicht bei leuten, die aller wahrscheinlichkeit mehrheitlich nicht direkt betroffen sind.

*

weil ich hier jetzt öfter aus dem portal "der westen" der "westdeutschen allgemeinen" zitiert habe, möchte ich auch nicht unterschlagen, dass die massive contra-berichterstattung, die jetzt im nachhinein aus dieser ecke gegen alle befürworter der parade stattfindet, eine erstklassige 180°-wendung darstellt - vor der parade nämlich pfiff nicht nur die "waz", sondern so ziemlich alle relevanten ruhrgebietsmedien, aus einem
ganz anderen loch:

(...) "Als führende Regionalzeitung legte sich auch die Westdeutsche Allgemeine (WAZ) ins Zeug. Würde die Loveparade von der Duisburger Stadtverwaltung um CDU-Oberbürgermeister Adolf Sauerland "ausgerechnet im Jahr der Europäischen Kulturhauptstadt wieder abgeblasen, wäre es peinlich für das Revier", kommentierte die WAZ. Und nachdem Sauerlands Stadtverwaltung aller Sicherheitsbedenken zum Trotz grünes Licht gab, lief die Werbemaschine richtig an: "So geil ravt die Loveparade", schrieb Bild und zeigte knapp bekleidete Technofans. (...)

Bis zur Katastrophe dürfte die Duisburger Stadtverwaltung das Gefühl gehabt haben, alles richtig zu machen. Zudem hatten die Bürokraten wohl das Schicksal des ehemaligen Bochumer Polizeipräsidenten Thomas Wenner vor Augen, der sich 2009 mit seinen Sicherheitsbedenken durchgesetzt hatte und daraufhin als Bedenkenträger abgekanzelt wurde. "So richtig peinlich" sei die Absage, befand die WAZ-Gruppe damals: "Bochum reißt die ganze Region mit rein. Wie stehen wir jetzt da?" (...)


die "waz" und auch "rp-online" haben in den letzten tagen eine relativ gute und vor allem aggressive (im sinne von fordernd) berichterstattung gefahren (und ich habe nicht das gefühl, dass das primär zur selbstentlastung dient - kann mich natürlich aber auch täuschen), aber gerade bei der ersteren wäre ein eigenes eingeständnis der miesen rolle vor dem tödlichen samstag auch überfällig.

*

jedenfalls bis hierhin alles in allem ein gesellschaftliches lehrstück allererster güte - es ist ein bodenloser abgrund sichtbar. wobei ich inzwischen das gefühl habe, immer genau schauen zu müssen, wohin der nächste schritt geht - es wimmelt hier ja nur von solchen schlünden...

Mittwoch, 21. Juli 2010

notiz: die ölkatastrophenwelttour 2010 - hallo china!

nach den großen erfolgen der vergangenen monate u.a. im golf von mexico, dem roten meer, alaska, venezuela... und den dauerauftritten alá nigeria steht das schmierige stück nun auch in china auf dem spielplan:

(...) "Im Nordosten von China bedroht ein 430 Quadratkilometer grosser Ölteppich Meerestiere und Strände. Das Büro für Maritime Sicherheit in der Hafenstadt Dalian warnte am Mittwoch vor einer grossen Gefahr für die Wasserqualität im Gelben Meer. Auslöser der Umweltkatastrophe war eine Pipeline-Explosion vor fünf Tagen.

Hunderte Boote nahmen an den Säuberungsaktionen teil. Dabei wurde ein 25-jähriger Feuerwehrmann getötet, als eine Welle ihn über Bord spülte. Strände in der Nähe von Dalian wurden geschlossen, als das erste Öl die Küste erreichte, wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. (...)

Wie viel Öl genau austrat, war nicht bekannt. Das staatliche Fernsehen berichtete von einer Schätzung von 1500 Tonnen, was etwa 1,5 Millionen Liter entsprechen würde. Obwohl sich der Ölteppich weiter ausbreitete, erklärten die Behörden, es laufe kein Öl mehr ins Meer." (...)


bedrückende photos mit durchaus apokalyptischen stimmungen einmal mehr im
big picture auf boston.com.

*

in den nächsten tagen weiteres zum thema öl sowie unseren verpfuschten ökologischen beziehungen überhaupt. es wird auch einiges zum golf nachzutragen sein - ich fürchte, die desinformationsmaschine arbeitet da gerade auf hochtouren...

Samstag, 10. Juli 2010

von bienen und menschen

das wetter macht mich träge, und ich habe keine lust, viel zu schreiben - aber während der siesta in der nachmittagshitze innerhalb einigermaßen kühler räume ist durchaus mal ein film drin, finde ich - und der folgende hat ein thema, welches möglicherweise in anderer art unterschätzt wird als die in den letzten wochen dokumentierten verwüstungen des ölzeitalters. es geht um das massensterben von bienen in verschiedenen weltregionen in den letzten jahren, inzwischen zwar immer noch nicht verstanden, aber immerhin schon benannt als colony collapse disorder:

(...) "Es handelt sich um ein Massensterben von Honigbienen, das durch den plötzlichen und scheinbar grundlosen Zusammenbruch der Völker ohne vorausgehende Krankheitssymptomatik charakterisiert ist. Symptome sind das Fehlen aller erwachsenen Bienen im Stock, wobei jedoch keine toten Tiere in der näheren Umgebung zu finden sind. Die Brut, junge Bienen, Honig und Pollen sind dagegen noch vorhanden. Die erwachsenen Bienen fliegen ohne erkennbaren Grund aus dem Stock und sterben. Die Ursache dieses Verschwindens ist bislang ungeklärt; bisher konnte es noch mit keinem Krankheitserreger in Verbindung gebracht werden. (...)

Die genauen Mechanismen, die CCD verursachen, sind noch ungeklärt. Vermutet werden derzeit Zusammenhänge mit Krankheitserregern, Pestiziden, genetisch veränderte Nutzpflanzen und/oder der Varroamilbe. Es ist derzeit nicht bekannt, ob es eine monokausale Ursache gibt oder eine Kombination mehrerer Faktoren verantwortlich ist; ebenso wenig ist geklärt, ob es sich tatsächlich um ein völlig neues Phänomen handelt oder um eine schon früher aufgetretene Erscheinung, die zuvor nur noch keine derartigen Ausmaße erreichte. (...)

In diesem Zusammenhang ist auch die in den USA übliche Art der Imkerei zu nennen: In den USA gibt es Imkereien mit mehreren hunderten Bienenvölkern. Bienenvölker werden zwecks der kommerziellen Bestäubung von Nutzpflanzen durch das Land zu riesigen Monokulturen transportiert, die nur sehr einseitige Nahrung bieten. Sowohl die langen Reisen als auch die potenzielle Mangelernährung durch die Monokulturen sind Stressfaktoren, die das Bienensterben begünstigen könnten." (...)


ich habe in diesem jahr hier - in der stadt - bewusst noch keine einzige honigbiene wahrgenommen; auch in den örtlichen parzellengebieten, eigentlich ein beliebter raum für bienen, ist bis auf "wilde" erdbienen nichts von den kleinen bepelzten sammlerinnen zu sehen. aus zweiter hand weiß ich inzwischen, dass ein befragter imker dafür primär den recht heftigen winter sowie den verregneten frühling (bei regen fliegen bienen nicht) verantwortlich macht, und das dürfte zumindest teilweise auch zutreffen. trotzdem: die meldungen aus den letzten jahren finde ich diffus beunruhigend; und die folgende doku dazu ist durchaus lehrreich, nicht zuletzt deshalb, weil - bezug zum obigen letzten zitat - auch sehr schön sichtbar wird, wie eine logik der effizienz und profitakkumulation sich auf alles mögliche lebende ausdehnt und dort zu massiven stresssymptomen führt. die bilder besonders aus den usa sind wirklich lehrreich und machen noch mal unser allgemein verkorkstes verhältnis zur natur, und damit letztlich natürlich zu uns selbst, deutlich.



die fortsetzungen:
teil zwei, teil drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, und die neun. ich weiß, die zersplitterung ist nervig, aber als ganzes habe ich die doku im netz noch nicht gefunden. unabhängig davon sollte das nicht vom schauen abhalten - auch, oder besser gerade dann, wenn sich irgendwann ein beklemmendes gefühl einstellt.

Freitag, 2. Juli 2010

notiz: weiteres zum ölGAU im golf (und anderswo) [update 05.07.10]

wer sich darüber wundert, warum ich in einem thematischen blog wie diesem dem thema öl jetzt schon seit wochen derartig viel platz gebe, bekommt von mir zwei antworten: erstens steht für mich der umgang nicht nur mit der katastrophe im golf geradezu paradigmatisch für das sehr gestörte verhältnis zur (nichtmenschlichen) natur, welches die westlich geprägten industriellen gesellschaften (incl. denen, die diesem modell nacheifern) rund um den globus an den tag legen. wir verhalten uns überwiegend und kollektiv sehr destruktiv als teil der ökologischen beziehungsgeflechte, in denen wir untrennbar eingewoben sind - und das wird zum einen nicht folgenlos bleiben bzw. bleibt es jetzt schon nicht, zum anderen sehe ich viele verbindungen zu den psychophysischen zuständen, die hier im blog angesprochen werden. deutlicher wird das im kommenden vierten teil der assoziationen zum öligen menetekel werden, in denen es sowohl um die traumatischen folgen für direkt betroffene menschen am golf geht und es dazu einige anmerkungen zur mir bisher unbekannten sparte der ökologischen oder umweltpsychologie geben wird, die einige sehr interessante ansätze hat - u.a. den, menschliche wesen eben auch im größeren kontext - nämlich dem ökologischen - als beziehungswesen zu begreifen; als auch um den begriff verzicht, den ich in verschiedener art & weise ebenfalls vor dem hintergrund der heutigen psychophysischen strukturen bei vielen menschen betrachten möchte.

zweitens aber: die mediale berichterstattung ist eindeutig mangelhaft (für die usa gilt das eingeschränkt), und zwar primär deshalb, weil sie bis auf ausnahmen darauf verzichtet, das ganze drama in die nötigen kontexte zu setzen (ich hatte das früher mal sinngemäß als dissoziierende berichterstattung bezeichnet - geschehnisse aller art als isolierte zu betrachten und damit letztlich die realität zu verzerren). deshalb betrachte ich die blogform abermals als möglichkeit, wenn auch in sehr kleinem rahmen eine art ergänzung / korrektur dazu zu bieten.

und weil´s mir in den letzten beiden beiträgen der kleinen reihe innerhalb der assoziationen so gegangen ist, dass die info-updates jeweils mehr raum als gedacht in anspruch nahmen, trenne ich beides jetzt. im folgenden also ein weiterer kleiner überblick an eindeutig schlechten nachrichten - aber darüber beschweren Sie sich bitte nicht bei mir.

*

zu den reinen bekannten fakten der inzwischen über zwei monate andauernden katastrophe im golf gibt es, was das austretende öl anbelangt, nichts grundsätzlich neues zu berichten - die genauen zahlen sind angeblich immer noch nicht ermittelbar, aber selbst die offiziellen schätzungen haben im verlauf der vergangenen wochen bekanntlich erschreckende dimensionen erreicht - gehen wir mal eher niedrig von 50. - 60.000 barrel pro tag aus. bp fängt davon einen kleinen teil auf und vetraut ansonsten auf die entlastungsbohrungen. wann diese fertig sein werden, und ob sie überhaupt das erwünschte ergebnis bringen - offene fragen. behinderungen der medialen berichterstattung, einsatz von dispersionsmitteln, keine klaren fakten hinsichtlich des massensterbens in der tierwelt - alles ist mit variationen auf dem gleichen stand, wie in früheren beiträgen dargestellt.

als neuer faktor mit der macht, die eh schon schlimme situation noch weiter zu verschlimmern, trat nun in dieser woche ins allgemeine bewusstsein, dass die saison der atlantischen tropischen (wirbel-)stürme begonnen hat, und zwar - das ist nicht nur meine persönliche meinung - mit einem regelrechten paukenschlag.


hurricane alex kurz vor seinem landfall an der kueste von nordmexico in der nacht zum ersten juli


ich habe, weil mich solche stürme persönlich faszinieren, die entwicklung von hurricane alex seit seinem stadium als
tropische depression in der westlichen karibik interessiert mitverfolgt. neben und auch wegen seiner schieren größe - noch als tropischer sturm und weit vor seinem eintritt in den golf war er mittels seiner bänder über drei meeren (karibik, ostpazifik, golf) incl. der mittelamerikanischen landmasse präsent, hatte relativ unbeschadet einen ersten landgang über die halbinsel von yucatan hinter sich gebracht und dabei - quasi im vorübergehen - dem (grössenmässig kleinen) hurricane darby auf dem ostpazifik vor mexico, der es bis zur kategorie drei brachte, das licht ausgeblasen (u.a. mittels massiver entziehung von feuchtigkeit) und sich später seine überreste "einverleibt" - hat sich alex als hurricane im golf dann über tage eher tückisch für die meisten meteorologischen prognosen verhalten, von denen viele der zeit bis zu seinem finalen landfall auch teilweise täglich hin- und hergeschwungen sind, was vermutliche stärke und den ort des landfalls anging.

alex hat (und macht es jetzt in mexico immer noch) neben seinen windspitzen von teils über 150 km/h gewaltige regenmengen produziert, die bereits in seiner prä-hurricane-phase in mittelamerika (und weitab von seinem zentrum) mehrere todesopfer gefordert haben - erdrutsche, schlammlawinen, reißende flüsse und sturmfluten an vielen küstenabschnitten pflastern seinen weg.

für mexico dürften die schäden immens sein; das wird sich vermutlich erst in einigen tagen im vollen ausmaß zeigen. und trotzdem hat die ganze golfregion diesmal noch eher glück im unglück gehabt - hätte alex eine andere richtung weiter nördlich eingeschlagen und dabei mehr zeit über dem offenen wasser verbracht, so hätte er vermutlich alle rekorde gebrochen (was er zum teil jetzt schon getan hat) und wäre vermutlich als echter "killersturm" in die annalen eigegangen. so frühe juni-hurricanes in einer solchen stärke sind vergleichsweise selten. alex hat am ende trotzden die ganze region tangiert, seine äußeren bänder mit starkwinden, gewittern und massiven regenfällen haben bis nach florida gereicht, im ganzen golf hat er starken wellengang produziert (was an den ölverschmutzten küsten für weiteren öligen nachschub sorgt) - aber er ist eben nicht direkt in die region der "deepwater horizon" gezogen. das hätte dort zu einer unterbrechung aller arbeiten von ca. zwei wochen geführt und in der zeit würde das öl völlig ungehindert auströmen. es braucht etliche tage vorlauf, um alle plattformen zu räumen und alle schiffe zurückzurufen; und hinterher ebenfalls einige tage, um wieder den betrieb zu starten. dieses damoklesschwert hängt ab jetzt bis anfang november über allen arbeiten im zusammenhang mit der ölpest.

rein meteorologisch wies alex einige eigenarten auf, die bei spezialisierten hurricaneforschern großes erstaunen erregt haben - nachzulesen (in englisch) bpsw.
hier. das ganze blog ist übrigens, wenn Sie sich für tropische stürme interessieren, sehr lesenswert. und der tenor nicht nur in den dortigen kommentaren ist überwiegend der, dass alex ein durchaus schlechtes omen in bezug auf die kommenden monate darstellt. wie ein hurricane direkt mit dem öl interagieren könnte bzw. welche folgen das womöglich hätte, ist in der entsprechenden linkliste am ende des blogbeitrags nachzulesen. für das basiswissen empfehle ich diese hurricane-faq von thomas sävert.

*

das worst-case-szenario, welches ich neulich
hier am ende skizziert hatte, ist inzwischen auch im mainstream hierzulande angekommen:

(...) "Es war ein einziger Satz von Barack Obamas Chef-Krisenmanager Thad Allen bei einer Pressekonferenz. Eine Aussage, die eher beiläufig fiel – aber dennoch bei Experten die Alarmglocken schrillen ließ. „Niemand kennt den Zustand des Meeresbodens im Bereich des Bohrlochs über dem Ölfeld“, konstatierte der Küstenwachen-Admiral vergangene Woche. Allen, der im Regierungsauftrag tapfer Optimismus zu verbreiten sucht und glaubt, bis Ende August das weiter heftig sprudelnde Leck schließen zu können, gab damit erstmals einen Hinweis auf eine dramatische Entwicklung, die Experten der Energiebranche mittlerweile als GAU sehen: einen vollständigen Kollaps der Bohrung mitsamt des umliegenden Erdreichs – mit der Folge, dass dann der gesamte Inhalt des Ölreservoirs ungehindert austreten kann und technologisch keine Chance mehr besteht, diesen gewaltigen Ölfluss zu stoppen." (...)

dem "tagesspiegel" war dieses szenario gestern gleich zwei artikel plus einem etwas konfus anmutenden kommentar wert (der zweite artikel mit detaillierteren informationen ist
hier zu finden; darunter auch ein link zum kommentar). wenn ich es richtig überblicke, war das aber auch die einzige größere zeitung, die diese mögliche entwicklung halbwegs angemessen zum thema gemacht hat. das finde ich gleichzeitig überraschend und dann doch wieder nicht - die einflüsse, welche auf die mediale darstellung und bewertung der katastrophe wirken, dürften sehr vielfältig sein. andererseits ist mein eindruck der, dass dabei auch eine in breiten teilen desinteressierte öffentlichkeit eine rolle spielt - oder sollte ich eher schreiben, apathische und erschöpfte? wie dem auch sei: durchaus enttäuschend finde ich die faktische nichtpräsenz einer der wohl größten menschengemachten umweltkatastrophen unserer zeit in vielen anderen, sich als politisch und kritisch verstehenden, blogs. sicher, es gibt ausnahmen, aber insgesamt finde ich bei dieser geschichte, dass sich viele blogautorInnen nicht unbedingt groß vom meinungsmainstream unterscheiden. das deutet für mich eher auf die allgemeine unterschätzung des ganzen themas hin, auch und gerade in seiner dimension als menetekel, welches ich in den letzten wochen wiederholt darzustellen versucht habe.

*

vielleicht ist aber auch bloß das erschrecken abschreckend, welches sich fast unweigerlich einstellt, wenn man sich mit dem thema öl und speziell den umständen seiner förderung näher beschäftigt - dazu war in den vergangenen beiträgen schon einiges zu lesen, und es ist frappierend, was zu all den nachrichten aus nigeria, ecuador, den kanadischen ölsandgebieten und dem golf noch an meldungen über größere und kleinere störfälle dazu kommt - ergänzend zu den bisherigen informationen wäre da einmal mehr die rätselhafte
ölverschmutzung im roten meer, bei der alles den eindruck macht, als ob hier eine massive repressive (des-)informationspolitik bei der arbeit zu besichtigen ist. ein tauchblog hat vor einigen tagen aus den erreichbaren informationen mal eine chronologie erstellt, anhand derer die ungereimtheiten, die sich aus der berichterstattung ergeben haben, ganz gut nachzuvollziehen sind.

dann kamen ende letzter woche vereinzelte meldungen über einen
störfall in venezuela, genauer im dortigen maracaibo-see (faktisch ein binnensee, auch wenn eine verbindung in die karibik existiert), der ein zentrum der venezuelanischen ölförderung darstellt:

(...) "Grund ist offenbar eine leckgeschlagene Pipeline, wie Ölminister Rafael Ramírez sagte. (...)

«Wenn jemand ein Fischernetz einholt, ist es voller Öl», sagte der 49-jährige Fischer Alfonso Moreno. Auch Vögel mit ölverschmiertem Gefieder wurden an der Ostküste des Sees angeschwemmt. Offizielle Zahlen zum Ausmass der Verschmutzung lagen nicht vor. Schätzungen gingen von einem etwa 100 Quadratkilometer grossen Ölteppich aus." (...)


diese geschichte macht für mich übrigens gleichzeitig deutlich, dass es in diesem bereich grundsätzlich keine wirklich qualitativen unterschiede macht, ob es nun private corporations oder aber staatliche konzerne sind, die das zeug aus dem boden holen. und das ist durchaus nicht unwichtig für weitere diskussionen.

als letztes beispiel für heute habe ich noch eine frappierende liste über störfälle im bereich der öl- und gasförderung in den letzten zweieinghalb jahren aus dem us-bundestaat
colorado, die einmal mehr deutlich macht, wie die tatsächliche realität bzw. normalität in diesem bereich aussieht:

(...) "Oil and gas companies have reported almost 1,000 spills to Colorado regulators over the past 2 1/2 years, totaling 5.2 million gallons of drilling liquids and oil.

They ranged from small oil leaks from half-closed valves to thousands of barrels of tainted water that escaped from pits." (...)


umgerechnet und geglättet ergibt die genannte zahl von us-gallonen ca. 19. 684.000 liter. sicher, da ist von abwässern über gas alles enthalten, was den ölfirmen bei der förderung so "abhanden kommt". nichtsdestotrotz ist diese zahl aus einem sehr begrenzten zeitraum in nur einem einzigen gebiet niederschmetternd und lässt erahnen, wie es global wirklich aussieht. peak oil hat vor diesem hintergrund durchaus sehr positive seiten.

*

abteilung gerüchte: abschliessend möchte ich noch ein paar dinge aufgreifen, von denen besonders das us-amerikanische netz seit wochen immer mehr geprägt wird, und in denen ich z.t. auch, aber nicht nur, eine erwartbare reaktion auf die offensichtlichen lügen seitens bp und auch von teilen der us-administration sehe - es geht dabei einerseits um solch lächerlichen unsinn wie demjenigen, dass die "deep water horizon" von fanatischen umweltschützern versenkt worden sei, um die ölförderung und die ganze branche überhaupt zu diskreditieren. anfänglich entblödeten sich bezeichnenderweise relativ prominente angehörige der us-republikaner nicht, derartiges zeug in die welt zu setzen. mittlerweile ist auch die "infowars"-szene aktiv - die katastrophe und besonders die reaktion der us-regierung sei insgesamt gewollt, lies: mit absicht herbeigeführt worden, um wiedereinmal der NWO ("neue weltordnung" von bilderberg und co.) zum sieg zu verhelfen. dazu geistert aktuell noch ein nordkoreanisches u-boot durch einschlägige blogs, welches die plattform torpediert habe. zu all dem möchte ich nur einmal mehr auf den basisbeitrag
paranoia hinweisen, in dem auch meine haltung zu verschwörungen bzw. entsprechenden theorien insgesamt nachzulesen ist.

schwieriger fand ich es schon zu beurteilen, was es mit dem angeblichen (und durch ein aufsehenerregendes video bei yt scheinbar belegten)
ölregen in louisiana auf sich hat - inzwischen ist von verschiedensten wissenschaftlichen quellen dargestellt worden, dass es aufgrund der physikalischen, chemischen, meteorologischen und sonstigen gesetzmässigkeiten im wasserkreislauf sehr unwahrscheinlich ist, dass es einen regelrechten ölregen in der form wie im video zu sehen eigentlich nicht geben kann, ausnahmen könnten die wirkungen von hurricanes und tornados darstellen. ich habe dabei das "der" nicht ohne grund betont: es ist nämlich nach ebenfalls durchaus glaubwürdigen quellen absolut unbekannt, wie sich der massive einsatz von dispersionsmitteln bei dieser geschichte auswirken wird. klar ist, dass öl eigentlich nicht zusammen mit wasser in einer form verdunsten kann, die es schnurstracks in dsen wetterkreislauf bringt. klar ist aber auch, dass verschiedene und leicht flüchtige komponenten des öls durchaus verdunsten können, und die preisfrage ist nun, ob diese komponenten eventuell mitsamt dem dispersionsmittel ("corexit") doch irgendwie in den wasserkreislauf gelangen könnten. der vermutliche hoax auf yt ist dabei umso ärgerlicher, weil aktuell gerade im weiteren hinterland der golfküste tatsächlich ein beunruhigendes phänomen auftritt, welches - wenn ein zusammenhang bestehen sollte - dem golfdesaster eine zusätzliche sehr üble note verleihen würde:



kurz: es geht um pflanzen aller art - bäume, blumen, getreide - , die durch eine unbekannte ursache geschädigt werden und dem anschein nach symptome einer chemischen verbrennung aufweisen. diese symptome treten sowohl in privaten gärten als auch landwirtschaftlichen betrieben auf; sie betreffen flächen mit und ohne pestizideinsatz. es gibt in diesem zusammenhang ein weiteres
video aus georgia, welches eine frau in ihrem garten aufgenommen hat, in dem die pflanzen ähnliche schäden aufweisen wie im oben gezeigten bereich in missisippi. georgia grenzt an florida im süden und an alabama im westen und hat keine eigene küste am golf. ich gehe eigentlich davon aus, dass diese geschichte mittels einer überwachung / kontrolle des regenwassers im hinterland der küsten recht schnell geklärt werden sollte - betonung liegt hier wieder mal auf "eigentlich", denn sollte sich das tatsächlich als folge der katastrophe herausstellen, dann haben alle beteiligten - zuerst die bewohnerInnen, aber auch bp und die us-regierung - ein verdammt ernstes problem mehr am hals. dann müssen wir uns womöglich über ernste schäden in der landwirtschaft (= nahrungsmittelproduktion) und mögliche kontaminationen von boden und (trink-)wasserreservoirs unterhalten. und ich kann mir gut vorstellen, dass die beiden letzteren oben genannten eine solche unterhaltung um fast jeden preis vermeiden wollen.

ich bin eher zufällig bei einer recherche dazu auch über einen artikel aus nigeria gestossen, der mich dazu veranlasst, die obigen beobachtungen aus den usa durchaus ernst zu nehmen -
hier wird darüber berichtet, dass es in nigeria in diesem jahr ein massives problem mit "acid rain" (der begriff ist nicht unbedingt gleichzusetzen mit dem "sauren regen", den wir hierzulande kennen) gibt, welches auch dort bei allen möglichen pflanzen zu massiven schäden führt. der artikel nennt als einen vermutlichen hauptgrund:

(...) "The phenomena is said to be caused by pollution of the atmosphere by certain chemicals known as hydrocarbons, nitrogen oxides and sulphur dioxide which are released when fuels and other sources of hydrocarbons are burnt." (...)

wer sich die desolate lage in den dortigen ölfördergebieten betrachtet, mit massiver abfackelung von erdgas sowie immer wieder vorkommenden bränden von größeren und kleineren ölmengen im nigerdelta, könnte einige parallelen entdecken zu dem szenario, was sich seit zwei monaten auf dem golf betrachten lässt:

kontrollierte oelverbrennung im golf von mexico

es gab seit beginn dieser art der ölbekämpfung durch abbrand auch massive kritik daran - mit dem hauptargument der extremen giftigkeit des dabei produzierten rauches. und dieser rauch kann meines wissen sehr wohl ausgeregnet werden - ob das oben dokumentierte die möglichen folgen sind, werden wir hoffentlich bald wissen.

*

edit am 05.07.: zusätzlich zu allem anderen gibt´s auch noch eine ordentliche dosis
arsen:

(...) "Natürlicherweise in einigen Mineralen und in Erdöl vorkommend, filtert das Sediment des Meeresbodens normalerweise das Arsen aus dem Meerwasser heraus. Doch wenn dieser Filter versagt oder der Zustrom des Arsens das natürliche Maß übersteigt, kann dies gleich an mehreren Stellen der marinen Nahrungskette fatale Konsequenzen nach sich ziehen. So stört es den Photosyntheseprozess von Meeresalgen und erhöht das Vorkommen schädlicher Mutationen bei Pflanzen und Tieren. (...)

„Wir können bisher nicht genau messen, wie viel Arsen im Golf momentan vorhanden ist, weil der Ölaustritt noch anhält“, erklärt Mark Sephton, Professor für Geo- und Ingenieurswissenschaften am Imperial College. „Die wirkliche Gefahr liegt jedoch in der Fähigkeit des Arsens, sich anzureichern. Das bedeutet, dass jede folgende Ölpest die Konzentrationen dieses Gifts im Meerwasser erhöht. Unsere Studie erinnert daran, dass Öllecks eine giftige Zeitbombe erschaffen können, die die Struktur der marinen Ökosysteme bedroht.“

Und dies gilt nicht nur für den Golf von Mexiko, wie die Wissenschaftler betonen, sondern durchaus auch für andere Meeresregionen: „Tausende Gallonen Öl werden jedes Jahr durch Ölunfälle, Offshore-Bohrungen und Routinemaßnahmen an Bohrinseln ins Meer entlassen, das bedeutet, dass an vielen Orten das Risiko steigender Arsenkonzentrationen besteht“, erklärt Wimolporn Wainipee. „Sie könnten langfristig das Leben von Wasserorganismen, Pflanzen und auch Menschen bedrohen, die für ihr Überleben vom Ozean abhängig sind.“


interessante vorstellung, dass eigentlich die gesamte westliche technoindustrielle zivilisation auf purem gift basiert. anders lässt sich erdöl eigentlich nicht bezeichnen. ich frage mich ja auch die ganze zeit, ob irgendjemand dort mal auf die idee kommt, die
radioaktivität im meer zu messen?

*

zu den weiter oben angesprochenen mysteriösen schäden an pflanzen in diversen hinterlandregionen der golfküste gibt´s aktuell nichts wirklich neues, jedenfalls nichts, was mir bekannt wäre. nachzutragen ist vielleicht, dass die ersten derartigen schäden bereits anfang juni registriert wurden. und ebenfalls gibt es mittlerweile berichte aus den usa selbst, dass neben den genannten bundesstaaten mississippi und georgia auch texas, alabama, florida und louisiana betroffen sein sollen. das werde ich in nächster zeit weiterverfolgen.

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