Mittwoch, 19. Oktober 2011

notiz: der aktuelle systemstatus nährt sich rasant der zone "ramsch"

aktuell in griechenland- der heute begonnene generalstreik, der morgen weitergehen soll und nach gerüchten möglicherweise in einen unbefristeten übergehen könnte, trägt seinen namen zu recht - laufende berichte (deutschsprachig) unter dem ersten link; auch der britische "guardian" hat zum streik und der "europäischen schuldenkrise" generell ein live-blog laufen.

nicht nur nach dortigen berichten war es heute morgen in athen wohl so, dass eine stürmung des parlaments in der luft lag, was nicht nur von tausenden bereitschaftspolizisten, sondern auch durch eine menschenkette der griechischen (und von ihrer programmatik und den methoden her wohl teils noch stalinistisch ausgerichteten) kommunistischen partei verhindert wurde. aktuell gibt es in verschiedenen teilen athens und anderer städte immer noch auseinandersetzungen zwischen streikenden und der polizei, ebenfalls ist einiger bruch zu verzeichnen.

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der "guardian" war es auch, der als erstes medium von der neuesten
trickserei rund um die geplante "mutter aller rettungssschirme", den eurofonds "efsf", berichtete:

(...) "Wie die "Financial Times Deutschland" ("FTD") berichtet, will Schäuble ihn auf eine Billion Euro hebeln. Der britische "Guardian" geht unter Berufung auf EU-Diplomaten sogar noch weiter: Ihm zufolge haben sich Deutschland und Frankreich auf eine Summe von zwei Billionen Euro geeinigt." (...)

jenseits aller aktuellen dementis beeindruckt vor allem die dreistigkeit, mit der die kapitalmarionetten aus dem politik-betrieb inzwischen die halbwertszeiten ihrer aussagen herunterschrauben. man erinnere sich nochmals an die "bundestagsdebatte" neulich über den "rettungsschirm" und vergleiche die dort getätigten aussagen mit der neuen entwicklung.

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aber womöglich orientieren sich die politzombies auch nur am entsprechenden handeln der untoten aus der sog. finanzwelt. der eigentliche - in meinen augen - hammer des tages kommt aus den usa und wurde gestern von markus gärtner in seinem
blog veröffentlicht - weil die wichtigsten aussagen dort bereits enthalten sind, zitiere ich mal die einleitenden absätze:

"Auweia, die Zahlen klingen dramatisch, und sie stellen alles in den Schatten, wovor man sich in Europa dieser Tage fürchtet: Bloomberg berichtet gerade, dass die Bank of America Derivate aus dem Investmentbanking bei Merrill Lynch in eine Gesellschaft verlegt, die von der Einlagensicherung abgedeckt wird. Laut dem Office of the Comptroller of the Currency (OCC) umfassten die Derivate Ende Juni ein Volumen von 75 Billionen (ja, 75.000 Mrd.) Dollar, wie Bloomberg schreibt.

Die Quellen für diese Information werden nicht genannt, es sollen mehrere sein. Damit deutet sich an, wie auf der anderen Seite des Atlantiks, in Amerika, die Vorbereitungen auf einen möglichen Kollaps des europäischen Finanzsystems getroffen werden, mit der Verschiebung der Derivate – zu einem großen, aber nicht exakt bekannten Teil Garantiegeschäfte für europäische Schuldpapiere – in ein Orbit, für das die US-Einlagensicherung, sprich der amerikanische Steuerzahler, aufkommt." (...)


er schreibt weiter, dass ebenfalls von der investmentbank "j.p. morgan" derivate in ähnlicher weise verschoben worden sind, und zwar im umfang von bis zu 79 billionen dollar - und ja, es handelt sich hier nicht um us-amerikanische milliarden, sondern tatsächlich um billionen. man sollte sich bei solchen zahlen daran erinnern, dass das gesamte reale jährliche "bruttosozialprodukt" der welt auf 50 billionen dollar geschätzt wird und erhält einen kleinen eindruck von den dimensionen, um die es inzwischen geht. aber das wichtigste sind diese beiden fakten: erstens lässt sich eine solche transaktion tatsächlich nur als prävention im hinblick auf einen vorhergeahnten bankrott der eurozone interpretieren, und zweitens ist die ablagerung dieses toxischen finanzmülls auf (us-)staatskosten etwas, was in den inzwischen über hundert ständigen "occupy!"-camps quer durch die usa allerhöchstes entzücken hervorrufen dürfte.

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mrs. mop
berichtet derweil weiter vom camp in frankfurt vor der "europäischen zentralbank", welches ebenso wie das kleinere camp in hamburg vor der "hsh nordbank" noch existiert. inzwischen gibt es international neue aufrufe in sachen "occupy" für das nächste wochenende, aber dazu in den nächsten tagen mehr - dann auch noch mit einem globalen überblick, der angesichts der sich überschlagenden ereignisse allerdings zwangsläufig nur fragmentarisch sein kann.

nachtrag: gerade gefunden -
tomasz konicz zur geplanten "hebelung" des "efsf":

(...) "Ab einem gewissen Schwellenwert werden die Summen, mit denen die Krisenpolitik derzeit hantiert, unvorstellbar. Welchen Bezug haben Beträge mit zwölf Nullen zur Lebenswirklichkeit jener Bevölkerungsmehrheit, die mit permanenten Verzichtsforderungen und sozialen Erosionsprozessen konfrontiert ist? Hilft es, zwei Billionen Euro auf rund 570 Millionen Hartz-IV-Monatssätze umzurechnen, ohne daß dies absurd wirkt? Vor allem: Glaubt noch jemand von den Beteiligten, daß diese Schulden jemals beglichen werden?

Die grotesken Dimensionen besagen, daß die Verschuldungsprozesse an ihre Grenzen stoßen. Sie fungierten jahrzehntelang als Konjunkturtreibstoff der Weltwirtschaft. Das Limit dieser alle Gesellschaftsbereiche umfassenden und auf den Finanzmärkten realisierten Schuldenmacherei ist dann erreicht, wenn ein kritischer Anteil der Marktteilnehmer sich der Absurdität des Unterfangens bewußt wird. In diesem Moment kann es schnell gehen: Lawinenartige Flucht- und Spekulationsbewegungen dürften dann zur berüchtigten »Kernschmelze« des Weltfinanzsystems führen, die 2008 durch staatliche Verschuldungsprozesse hinausgezögert wurde." (...)


yo, ich glaube, inzwischen sind wir in einer phase, in der es ganz schnell gehen kann: auslöser können die entwicklungen in griechenland (und demnächst portugal, spanien, italien...) genauso sein wie eine "herunterstufung" frankreichs oder auch gewisse desaströse entwicklungen in den usa und - nicht aus dem blick verlieren - china. dabei kann der trigger inzwischen genauso aus widerstandsentwicklungen und möglichen folgen bestehen wie in den verfallsprozessen innerhalb des globalen finanzsystems selbst. ende gelände und schicht im schacht.

konicz schliesst seinen beitrag wie folgt:

(...) "Für die Linke wird es höchste Zeit, ernsthaft über grundlegende System­alternativen zum Krisenwahnsinn nachzudenken und sie in die öffentliche Debatte zu bringen."

nicht nur für die "linke", wie ich anmerken möchte - das geht letztlich alle an. in diesem sinne sehen wir uns hoffentlich am nächsten wochenende auf den strassen!

Sonntag, 16. Oktober 2011

notiz: ein sonniger occupy-nachmittag im oktober - zunächst lokal

jubel, trubel, heiterkeit: gestern hat in bremen der "freimarkt" begonnen, nichts anderes als das "oktoberfest" des nordens (und ähnlich groß und monströs). was bedeutete, dass einerseits die innenstadt eh voll von leuten war und andererseits zwei beliebte und sich eigentlich anbietende ziel- und treffpunkte für demos aller art gerade von einem ableger des eigentlichen marktes besetzt sind, nämlich marktplatz mit rathaus und der sich anschließende domshof, ein platz, der rundherum wirklich zugeknallt mit bankfilialen aller art ist. so ging´s also am bahnhof los, genauer gesagt auf einer grünfläche vor dem überseemuseum.

wer war da? mehr als ich dachte; ich hatte mir allerdings vorher auch aus gründen verkniffen, überhaupt mit irgendwelchen erwartungen hinsichtlich zahlen und motivationen der teilnehmerInnen dort hinzugehen. jedenfalls waren trotz einiger fluktuation und unübersichtlichkeit wg. verkehrsknotenpunkt hbf so zwischen 300 - 500 leute da - was für eine stadt wie bremen wenig erscheinen mag und im vergleich zu bspw. anti-akw-aktionen auch ist. bloß war das hier tatsächlich eine fast reine netz-mobilisierung, mit der erschwernis einer nichtöffentlichen facebook-seite. dafür war´s dann doch erstaunlich.

zu sehen waren viele "attac"-fahnen, eine gruppe von anonymous in anzügen und mit den obligatorischen masken (so in der häufung hat das durchaus was), eine fahne der "piraten", eine riesentransparent der "arbeiterkommunistischen partei iran"; zwei ältere leute, die mit einem selbstgebastelten pappschild neue "aufklärung zu 9/11" forderten; die landeschefin der hiesigen "linke" mitsamt einigen genossInnen, plus viele ältere semester ab 50+, die mir vom habitus her wie gewerkschafter rüberkamen. also die üblichen verdächtigen? nicht ganz: eine große gruppe sehr junger leute etwa von 15 bis 25 und etliche leute, die vom outfit und ebenfalls habitus her nicht groß vom umherströmenden feier- und shoppingvolk zu unterscheiden waren.

die leute, die das ganze aus dem boden gestampft haben - ich habe mit ihnen zwischendurch ein paar kurze gespräche geführt (und dabei auch meine klage bezgl. facebook vorgebracht) - hatten zwei kleine zelte aufgestellt sowie ein - leider völlig unzureichend, weil viel zu klein und leise - mikro mit verstärker organisiert. alles tatsächlich an jeder partei und sonstigen organisation vorbei. polizei war in beschränktem rahmen (drei wannen) im hintergrund präsent und hielt sich sehr zurück.

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so, und dann wurde es ab 16.00 interessant - während die ersten minuten eine gruppe von wie neohippies daherkommenden jungen mit bongos und didgeridoo musik machten, wuchs die menge zunächst noch an und verharrte in unzähligen einzelgesprächen, bei denen es tatsächlich und hauptsächlich nach dem, was ich so mitbekam, um die aktuelle situation und die perspektiven darin ging. bei der gelegenheit traf ich auch
quirinus, der vielleicht noch einige fotos nachreichen wird.

dann begann eine der organisatorInnen zu sprechen und ging nach der begrüßung auf ihre eigenen motivationen und vorstellungen ein, wobei nicht nur sie wert drauf legte, dass die nächsten stunden von allen anwesenden selbst mit inhalten und aktionen gefüllt werden sollten. ebenfalls betonte sie, dass es nicht (nur) darum ginge, das bankensystem zu kritisieren, sondern "ganz grundsätzlich" in dieser gesellschaft etwas nicht stimmt. danach rief sie kurz dazu auf, mittels einer menschenkette noch weitere teilnehmerInnen von einem nahegelegenen platz abzuholen. was passierte, und anschließend gab es eine art kundgebung mit beiträgen eines spanischen studenten, der auf deutsch etwas zur M15-bewegung in spanien erzählte, was ich grundätzlich sehr spannend fand, leider aber aufgrund der miesen anlage weiter weg kaum zu verstehen war. er ging dabei u.a. auch auf den widerstand gegen zwangsräumungen ein und erhielt viel applaus. dann kamen ein vertreter des hiesigen
umsonstladens, der sehr berechtigt und unter viel applaus darauf hinwies, dass die unterscheidung zwischen finanz und "real"wirtschaft nicht haltbar und das ganze ökonomische system zu hinterfragen sei.

als nächstes gab es ein beitrag von "anonymous", der zuerst für heiterkeit - der redner musste seine maske für das mikro etwas hochziehen, konnte aber danach erst mal nix mehr von seinem text sehen - und dann für ordentlich stimmung sorgte. die rede war ein durchaus populistischer und radikal daherkommender rundumschlag gegen das ganze system, der aber aufgrund seiner klaren ansagen und der technik des "chantens" von parolen, die die gruppe benutzte, viel anklang fand. im anschluß kam noch ein vertreter der gerade aktuell hier laufenden bildungsproteste, die primär von schülerInnen getragen werden, zu wort und rief dazu auf, im sinne der heutigen aktion die angesetzten aktionen wie schulbesetzungen und streiks in den kommenden wochen zu unterstützen. dann gabe es wieder ein junge frau aus dem umkreis des orga-teams, die weiteres zu ihren eigenen intentionen erzählte und nach meinem verständnis sinngemäß etwa auf das hinarbeitete, was naomi klein in new york so bemerkenswert fand und was ich im letzten beitrag unten zitiert hatte - die art und weise des unmittelbaren umgangs unter- und miteinander zu ändern. so sollte eines der zelte etwa als massagezelt dienen, es wurde das von den camps in spanien und den usa entlehnte konsensprinzip erklärt und die dazugehörigen pantomimischen zeichen für zustimmung, ablehnung und veto, "weil verbale äusserungen den redefluss und die konzentration beim zuhören stören". irgendwann zwischen all dem hörte ich einen neben mir stehenden von "einer demonstration neuen typs" murmeln, und das traf es zu diesem zeitpunkt zumindest ein bißchen - die stimmung war recht entspannt und irgendwie erwartungsvoll, wobei ich mich auch frage, wie viele der anwesenden in diesen momenten gerade realisierten, dass es hier auch um ihre eigenen konsumgewohnheiten - die sind gerade bei "linken" demos vorhanden - ging.

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tja, und dann kam es zu einem kleinen bruch: nach all den reden wurde eine pause angekündigt, die von einigen anwesenden jüngeren - ich schätze mal, aus der antifa-szene - zu einer spontanen kreuzungsbesetzung am strassenbahn- und busknotenpunkt unmittelbar vor dem hbf genutzt wurde. das rief in der folge dann die anwesende polizei auf den plan, die - allerdings ohne helme - nun deutlich mehr präsenz zeigte. aus dieser blockade entwickelte sich dann eine spontandemonstration durch die proppevolle innenstadt und sogar durch die fußgängerzonen, was die polizei ansonsten bei anderen gelegenheiten gewohnheitsmässig unterbindet. hier wäre aufgrund des ungestörten zusammentreffens von demonstration und shoppender bevölkerung einiges an informationsvermittlung und auch agitation möglich gewesen, was leider aufgrund nicht vorhandener flugblätter und auch fast keinerlei parolen nicht stattfand. ich musste mich irgendwann zu diesem zeitpunkt wg. meiner gerade vergangenen erkältung und frierens ausklinken und ging mit einem kopf voller gedanken meiner wege.

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wie ich das alles fand? nun, es heisst dicke bretter bohren - in meinen gesprächen mit den aufrufenden leuten kam heraus, dass das alles tatsächlich sehr spontan entstanden ist, und auch "m15" sowie "ows" für sie das auslösende moment waren. weitere pläne hatten sie noch nicht, ausser der vorstellung, dass der tag ein start sein soll - für weitere vernetzung, um sich dann als nächstes konkret an den angesprochenen bildungsprotesten zu beteiligen. für mich selbst habe ich gemerkt, dass ich jenseits allen aktionismus tatsächlich im laufe des nachmittags klar hatte, dass ich selbst der phase des kennenlernens und der vernetzung momentan die höchste priorität einräume, und einige der vorgestellten "techniken" bezgl. selbstorganisierter veranstaltungen recht interessant finde. es ist schade, dass wir nun hier gerade vor dem kommenden winter stehen - die zeit für camps ist ungünstig,aber diese form bzw. noch zu suchende adäquate könnte tatsächlich jenseits bisheriger - schlechter und eingefahrener linker gewohnheiten - einiges neue bringen und v.a. neue alltagserfahrungen in einer neuen situation mit sich bringen. an diesem punkt schliesst sich der kreis mit einigen aussagen der organisatorInnen für mich - nicht nur das, was grundsätzlich "politisch"-ökonomisch schief läuft, sondern dazu gehörend auch das ganz praktische und alltägliche miteinander (statt des sozialdarwinistisch-kapitalistisch und letztlich soziopathischen gegeneinanders) als qualitativ neue erfahrungsmöglichkeit zu materialisieren. das scheint mir tatsächlich ein weg zu sein, der das ausprobieren lohnt, weil er ganz basal an der grundsätzlich isolierenden traumatischen matrix ansetzt, durch die un- und mittelbar die allermeisten menschen hier in ihrem verhalten festgelegt sind. das schliesst weder aus, sich gezielter ökonomische und politische strukturen vorzunehmen, noch behindert es das - eher im gegenteil könnte das eine möglichkeit sein, einen tatsächlich halbwegs stabilen punkt zu etablieren, von dem aus eine wirkliche, weil auch in den menschen selbst fundierte, umwälzung möglich erscheint. dazu kommt die nicht gering zu schätzende "prophylaxe" gegen strömungen von rechts, die in solchen prozessen enthalten ist, weil in so einem rahmen auch persönliche interventionen und konfrontationen bei und mit menschen möglich sind, die aufgrund ihrer inneren struktur eventuell für verdinglichende ideologische konstrukte offen sind. die rechten hardliner, egal ob nun neoliberale nach hayek oder aber offene nazis, werden so nicht erreicht, aber das ist auch nicht der punkt. es geht um die "schwankenden", und in der hinsicht ist die derzeitige reale und mediale präsenz von occupy unschätzbar - weil sie viele beobachterInnen ebenfalls dazu zwingt, für sich selbst stellungen zu beziehen, und damit kritisierbar macht.

so, und das obige kann auch gleich mal als teil meiner antwort auf die argumentation von demon driver weiter unten in den kommentaren verstanden werden - ich finde die teils so borniert und v.a. aus dem elfenbeinturm heraus, dass ich mir eine direkte erwiderung für den moment eigentlich ersparen möchte, weil das auf einen schweren streit hinauslaufen würde. aber einen punkt doch dazu: wenn man deiner argumentation, oder auch denen von "konkret"-gremlitza, dem "gegenstandpunkt" oder auch "exit" folgt, so gibt es den richtigen moment für eine fundamentale umwälzung - niemals. immer wird zuviel "falsches bewusstsein", zuwenig "aufklärung" oder gar reaktionäres im spiel sein, um die selbst aufgelegten meßlatten spielend zu unterlaufen. ich kriege mittlerweile bei solchen argumenten echt die krätze, weil sich das letztlich als völlig ignorant gegenüber den lebensrealitäten von milliarden herausstellt und am ende auf ein explizites "ihr seid blöd, wir sind schlau und geben uns lieber einem rotweingeschwängertem weltschmerz hin" hinausläuft, anstatt die ärmel hochzukrempeln und wenigstens zu sagen "okay, wir versuchen zumindest das, was uns möglich erscheint". kritik ohne konkrete und mindestens mittelbar umsetzbare alternativen zu äussern, mag in bestimmten historischen phasen zu rechtfertigen sein. in der phase jedoch, in der wir uns mittlerweile befinden, ist das nichts weiter als selbstzentriertes herumjammern. im übrigen halte ich deine inhaltliche ausrichtung auf die produktionsverhältnisse nicht für den eigentlichen knackpunkt , aber das ist eine andere diskussion.

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zum globalen geschehen in den nächsten tagen mehr.

Freitag, 14. Oktober 2011

assoziation: aktuelle und inhaltliche anmerkungen zu occupy-everything

zunächst das aktuelle: in new york ist z.zt. früher morgen, und bekanntlich hatte der bürgermeister bloomberg für just diesen moment damit gedroht, unter dem deckmäntelchen einer "säuberungsaktion" das camp im ("privaten") zuccotti-park zu räumen. damit wird es erstmal nichts, die ganze sache ist aufgeschoben worden, nicht zuletzt auch deshalb, weil sich in den letzten stunden tausende unterstützerInnen im park eingefunden und gleichzeitig auch sog. "öffentliche personen" aus politik- und kunstbetrieb der usa eingeschaltet haben. ausführliche berichte natürlich bei occupy wallstreet selbst; das landesweite geschehen lässt sich beim liveblog der "huffington post" ganz gut verfolgen, so auch die ebenfalls sehr angespannten situationen in denver und san diego. gleichfalls ist dort ein anderer bericht zu finden, nachdem inzwischen an ca. 150 hochschulen quer durch die usa solidaritätsaktionen für occupy wallstreet laufen bzw. für die nächsten tage angekündigt sind.

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kurzer szenenwechsel: tausende kilometer weiter östlich am mittelmeer, genauer in griechenland, geht es inzwischen auf die entscheidende zielgerade - im "gelben forum" berichtet eine userin, die als auswanderin in griechenland lebt, folgendes
zur situation:

(...) "Das Land kommt wegen der vielen Streiks langsam zum Komplettstillstand. Kaum noch ein Tag, an dem Busse und Bahnen fahren (schlimm vor allem für die Region Athen, dort streiken auch die Taxifahrer), insgesamt sieben Ministerien sind besetzt. Davon betroffen vor allem das Finanzministerium vom dicken Venizelos. Dort, wo eigentlich alles koordiniert werden soll, was die "Troika" betrifft, geht schon seit Tagen nichts mehr.

Jetzt haben die Finanzbeamten u.a. auch der Steuerstellen im ganzen Land einen ganzwöchigen Streik ausgerufen. Die Zollbeamten wollen ab heute 10 Tage streiken, was schon sehr bald zu Engpässen bei Lebensmitteln und Benzin/Diesel führen wird.

Der Müll in den Städten Athen und Thessaloniki überflutet die Straßen, bereits seit mehr als zwei Wochen streiken die Müllarbeiter. Mehr als 100.000 Tonnen sollen in Athen auf der Straße liegen, es stinkt bestialisch, die Gesundheitsbehörden warnen eindringlich vor einer "tickenden Zeitbombe." In Thessaloniki-Zentrum das selbe Bild.

Die Zentrale der PPT (also der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft) ist besetzt und blockiert. Dort sollten in diesen Tagen die Rechnungen ausgedruckt werden, über die auch die zusätzliche Immosteuer eingetrieben werden soll. Das geht nicht. Nun droht die Regierung, die Rechnungen von einem externen Dienstleister drucken und versenden zu lassen. Ob sich da einer findet? Denn der Staat zahlt derzeit überhaupt niemandem mehr Geld aus, der nicht Pensionär oder Beamter ist."


dazu auch mehr bei indymedia:
"Hoffnung auf unbefristeten Generalstreik". es könnte gut sein, dass eine mögliche und medial vermittelte globale eigendynamik beim morgigen weltweiten aktionstag in griechenland den letzten tropfen bedeutet, der das fass zum überlaufen bringt. währenddessen kommen aus dem land berichte von schulkindern, die im unterricht vor hunger ohnmächtig werden. die besteallerwelten! (TM)

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mrs. mop hatte gestern bereits über die versuche in den usa seitens "liberaler" und "demokratischer" persönlichkeiten geschrieben, das "ows"-movement zu vereinnahmen, nicht zuletzt als wahlkampfhilfe für obama. weitere eher suspekte "unterstützer" sind im anfangs verlinkten blog der "huffpost" auszumachen, so etwa lech walesa, ehemals in unendlich fernen zeiten mal sprachrohr der "solidarnosc" in polen und späterer präsident ebenda; und - besonders pikant im lichte des jüngsten "terror"plots in den usa - der religiöse oberclown nr.1 im iran, ayatollah ali khamenei. aber das macht vielleicht auch deutlich, dass die occupy-bewegung vor dem hintergrund der aktuellen globalen lage in den usa das potenzial hat, tatsächlich nicht nur für die obama-administration ein ernstes problem zu werden, sondern ein mögliches szenario auch darauf hinauslaufen könnte, schwere soziale spannungen innerhalb der usa derart zu verschärfen, dass das letztlich einen inneren zerfall einleiten könnte. vor dieser möglichkeit verstehe ich solche einlassungen wie aus dem iran jedenfalls.

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thema unterstützung: die sog. kunstszene ist ebenfalls wach geworden; im rahmen der 13. "documenta" wurde von einer teilnehmenden gruppe folgendes
schreiben veröffentlicht:

"An die Generalversammlung und Bezugsgruppen von Occupy Wall Street,

Vor vierzehn Monaten besuchte eine Gruppe aus der New Yorker Beaver Street, die nur wenige Häuserblöcke südlich Eurer Besetzungs-Aktion verläuft, das Amerikanische Sozialforum in Detroit. Sie war auf der Suche nach Anregungen für neue Formen von Kultur. Diese Reise zu einem Knotenpunkt der heutigen sozialen Bewegungen war nicht nur symbolischer Natur.

Die Stadt Detroit ist so etwas wie der Inbegriff von Apokalypse und der Verlassenheit, die jeden erwartet, der glaubt, dass sowohl der Kapitalismus als auch unser Planet diese Krise überleben könnten. Die Frage, die unsere Reise beherrschte, war: Wo und wie kann sich die Kunst in gesellschaftlichen Bewegungen verorten?

Im 2011 hat ein neues Zeitalter begonnen, und wir haben versucht, uns einen Begriff davon zu machen." (...)


weiteres im link; ich will dabei nun nicht näher auf ihre betrachtungen zur rolle von kunst in nder aktuellen lage eingehen, obwohl es dazu sicher einiges anzumerken gibt. eher ist interessant, wie sie sich einem vorwurf an ows nähern, der seit beginn in den letzten wochen immer und immer wieder zu vernehmen war:

(...) "Euer Mangel an Forderungen reagiert auf die Vielzahl von Forderungen und Anordnungen, denen unser Imaginäres tagtäglich nachgibt.
Euer Mangel an Forderungen lässt Raum für Diskussionen und Ideen, die sich während der gemeinsam verbrachten Zeit entwickeln können.
Euer Mangel an Forderungen verweigert sich der Tatsache, dass das Schiff nicht von jenen abstrakten Algorithmen und ökonomischen Gesetzen gesteuert wird, die auf wundersame Weise immer nur dem einen Prozent zu nutzen scheinen.

Eure Handzettel, eure Communiqués und Flugblätter sind daher nicht einfach eine Forderung an die Herrschenden. Sie wollen nicht einfach neue Privilegien, Rechte oder Schutzmaßnahmen. Sie sind Leuchtfeuer der Hoffnung, Liebe, Verweigerung und Solidarität – Gedichte für eine Multitude, die sich in einem der Zentren des Empire einen gemeinschaftlichen Raum erschafft und neu bedenkt, wie ein gemeinsamer Horizont aussehen könnte. Die Wälder, unser Wasser, unsere Luft, unsere Erde, unsere Meere sind unsere Gemeingüter. Unsere Arbeit, unsere Ideen, unsere Worte, unsere Beziehungen ebenfalls. Sie können weder einem Staat noch einem privaten Unternehmen gehören, da sie weder von einer Grenze umschlossen, noch von einer einzigen Organisation kontrolliert werden können; sie bilden die Grundlage des Lebens. Doch von uns wird erwartet, toxische Schulden und toxischen Müll als gemeinsames Schicksal akzeptieren." (...)


das sind einige bedenkenswerte ansätze drin, wie ich finde - und ja, in der derzeitigen situation macht es aus verschiedenen gründen sinn, noch auf ganz konkrete forderungen zu verzichten. das in meinen augen z.zt. wichtigste hat sinngemäß und implizit vor ein paar tagen
naomi klein bei ihrem besuch an der wall street gesagt:

(...) "Ich rede über einen Wandel der zugrundeliegenden Werte, die unsere Gesellschaft bestimmen. Das ist schwierig in eine einzige medienfreundliche Forderung zu bringen, und es ist auch schwierig herauszufinden, wie es zu tun ist. Aber es ist nicht weniger dringend weil es schwierig ist.

Das ist es, was ich auf diesem Platz vor sich gehen sehe. In der Art und Weise wie ihr euch gegenseitig ernährt, einander warm haltet, frei Informationen austauscht und medizinische Versorgung, Meditationskurse und Empowerment-Trainings erprobt. Mein Lieblingsplakat ist hier: “Ich kümmere mich um dich.” In einer Kultur, die Menschen beibringt, den Blick aufeinander zu vermeiden, zu sagen: “Lasst sie sterben”, das ist eine zutiefst radikale Aussage.

Ein paar abschließende Überlegungen. In diesem großen Kampf gibt eine einige Dinge, die nicht von Bedeutung sind:
– was wir tragen
– ob wir unsere Fäuste schütteln oder Friedenszeichen machen
– ob wir unsere Träume für eine bessere Welt für die Medien entsprechend verpacken

Und hier sind ein paar Dinge, die von Bedeutung sind:
- unser Mut
- unser moralischer Kompass
- wie wir miteinander umgehen

Wir haben einen Kampf mit den mächtigsten wirtschaftlichen und politischen Kräften auf dem Planeten aufgenommen. Das ist beängstigend. Und je mehr diese Bewegung an Stärke zunimmt, um so beängstigender wird es werden. Seid euch immer der Versuchung, auf kleinere Ziele auszuweichen, bewusst – sagen wir, etwa auf die Person, die gerade bei diesem Treffen neben dir ist. Immerhin ist das ein Kampf, der leichter zu gewinnen ist.

Gebt dieser Versuchung nicht nach. Ich meine nicht, das ihr nun nicht mehr ansprecht, wenn jemand Mist baut. Aber behandelt euch dieses Mal so, als wenn Ihr vorhabt in einem Kampf nebeneinander zu arbeiten für viele, viele Jahre. Denn die bevorstehende Aufgabe erfordert nicht weniger als das." (...)


die erfahrung - und vielleicht, gerade in den usa, das erste mal für viele - einer prinzipiell selbsorganisierten und funktionierenden sozialen struktur - das ist es, was all jene aktivitäten auf den plätzen und strassen dieser welt - ob in kairo, athen, madrid oder new york - so wichtig werden lässt, nicht nur, aber das vor allem. denn das ist letztlich nichts anderes als, wie unbeholfen und schwankend zunächst auch immer, die potenzielle möglichkeit für gelebte authentische individualität in einer kollektivität. der unverzichtbare nucleus für alles, was sich später möglicher- und wünschenswerterweise als soziale bewegung manifestiert. dieser prozeß braucht und hat seine eigene entwicklungszeit und wird sich zukünftig vielleicht unspektakulärer, aber nichtsdestotrotz wirkungsvoll, äussern - ein beispiel für das gemeinte wären die nach dem verlassen der camps in spanien folgenden
aktionen gegen zwangsräumungen:

(...) "Die Wohnungsfrage gehört zu den zentralen Anliegen der Bewegung der »Empörten«, welche am 15. Mai 2011 erstmals groß in Erscheinung trat. Die aktuellen Proteste wurden von Kommissionen der 15.-Mai-Bewegung zur Wohnungsfrage gemeinsam mit der PAH organisiert. Sie sind auch Träger des Widerstands gegen Zwangsräumungen und konkreter Solidaritätsaktionen für davon bedrohte Familien.

Nachdem an verschiedenen Orten Räumungen verhindert werden konnten, werden solche Demonstrationen von den Behörden mittlerweile gewaltsam beendet." (...)


wichtig ist, dass räumungen tatsächlich kollektiv verhindert wurden. die reaktionen des systems überraschen nicht, werden aber unvermeidlich die nächste phase des nachdenkens bei vielen beteiligten einleiten. und so kann, in einem quasi dialektischen wechselspiel, am ende ein zustand heranreifen, bei dem dann auch die systemfrage gestellt werden wird. das passiert nicht von selbst und in einem luftleeren raum, sondern das ist letztlich auch für mich ein grund, warum ich mich morgen an protesten beteiligen werde, deren inhaltliche ausrichtungen ich an vielen punkten noch als zu kurz greifend empfinde.

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denn klar sollte auch sein - und den stammleserInnen hier werde ich nichts neues erzählen: was sich da bereits aktuell und möglicherweise morgen umfassender manifestiert, ist letztlich ausdruck einer weiteren entwicklungsphase, in der gerade die bevölkerungen der westlichen gesellschaften aktzeptieren werden müssen, dass nicht nur aus sozusagen verteilungsgerechtigkeitsgründen, sondern auch aus gründen mit namen wie
exponentialität und entropie die party - zu der eh immer nur eine kleine minderheit wirklich reingelassen wurde - definitiv vorbei ist. auch, um die auf diese dämmernde erkenntnis aller wahrscheinlichkeit folgende extreme frustration zu konfrontieren, betrachte ich für mich persönlich die proteste als nötig.

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zum schluß noch ein text, der mir vieles erspart, was ich selbst an anmerkungen zu den (nicht-)reaktionen seitens der "radikalen linken" vorgehabt hatte - er trifft viele
richtige punkte, und besonders einige sätze aus dem folgenden abschnitt stellen in gewissem sinne auch eine antwort auf die kommentare von @d.d und w-day weiter unten dar:

(...) "In der Möglichkeit gegen diese Selbstabschaffung der Politik zugunsten der Wirtschaftsinteressen vorzugehen, besteht der große Wert der neuen Bewegung in den USA. Mit Occupy Wallstreet gibt es nun endlich eine erfolgreiche emanzipatorische soziale Bewegung, die der rechten Tea Party das Wasser abgraben könnte. Der rechte Populismus hat immer dort eine Chance, wo die Linke bei ihren ureigensten Themen versagt. Versagen das könnte am konkreten Beispiel auf den Punkt gebracht heißen, dass man lieber die antisemitischen Untertöne zählt, dass man der Bewegung vorrechnet, wie sehr sie im Fetischismus verfangen sei, wenn sie nicht die systemimanenten Zwänge des Wertgesetzes in Rechnung stellt. Dass man also auf einer bestimmten Lesart einer bestimmten Ausprägung des westlichen Marxismus aufbaut, die von Lukacs über die Frankfurter Schule zu Moishe Postone führt und diese gegen die ursprünglichen Autoren so sehr überbetont, dass kein Ausweg aus der kapitalistischen Entfremdung mehr denkbar erscheint.

Ganz sicher gibt es in einer Bewegung deren Erfolg darauf beruht, dass sie von der Basis her aus ganz unterschiedlichen Strömungen entstanden ist und von den verschiedensten Menschen getragen wird, keine einheitliche Meinung über alle Themen, geschweige denn über die gemeinsame Sache an der alle partizipieren. Vielmehr findet sich ein sehr plurales Bild von Denkansätzen und Motivationen und darunter sind dann mit Sicherheit auch solche, die Linke nicht gut finden können. Zum Beispiel Antisemitismus. Von einzelnen Äußerungen auf die gesamte Bewegung zu schließen ist aber ein Denkfehler. Ein anderer Fehler besteht darin zu verkennen, dass der Ort nicht etwa aufgrund einer fetischistischen Verblendung ausgewählt und daher falsch gewählt sei. Die Wall Street ist gerade, wie man ja sehen kann, als das (scheinbar) diffuse Symbol in der Lage einerseits einen Antagonismus in Erscheinung treten zu lassen und andererseits als konstitutives Außen dazu zu dienen, die heterogenen Strömungen und die vielen verschiedenen Menschen in der Gegnerschaft zu der Wirtschaftspolitik, die ihre Leben bedroht oder zerstört zu vereinen. Das bedeutet nicht, dass sich die gewaltfrei-partizipierenden Menschen bei Occupy Wall Street der Illusion hingeben, ihre Probleme wären gelöst, wenn ein paar Bankster aufgeknüpft würden. Deutsche Linke die so etwas unterstellen, verstehen einfach nicht, dass es sich bei der Aktion darum dreht, gegen das Übergreifen des Ökonomischen auf das Politische anzukämpfen und zwar nicht mit Marx-Exegese, sondern indem gegen das Verdrängen der Politik durch die neoliberale Ideologie ein Mehr an Politik gesetzt wird, welches von einer breitestmöglichen Basis her organisiert wird." (...)


ich erspare mir weitere anmerkungen besonders zu jenen sich "antideutsch" nennenden oder auch angehauchten - sie werden von der dynamik dieses jahres - den arabischen aufständen, israelischen protesten und jetzt occupy wall street- letztlich selbst als historische irrläufer der besonders bizarren sorte kenntlich gemacht werden.

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zum schluß noch der passende song zur zeit, der schon einige jahrzehnte auf dem buckel hat, aber geradezu paradigmatische aussagen für das heute enthält:




in diesem sinne: ich wünsche einen schönen tag morgen auf öffentlichen plätzen und strassen.

Donnerstag, 13. Oktober 2011

notiz: von einem kommentar und schneeweißen bankernasen

vor allem anderen möchte ich heute allen leserInnen zunächst diesen kommentar von "spuren4" nahelegen. lesen Sie ihn, lesen Sie ihn nochmal und nochmal und machen Sie sich inhalt und bedeutung dessen, was da steht, bewusst.

@"spuren4": erstmal vielen dank für den beitrag; ich hätte dazu einige fragen und würde mich freuen, wenn Sie mich
kontaktierenwürden, falls Sie lust haben.

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schneeweiße banksternasen:

(...) "Einer der es wissen muss, Drogenberater Richard Kingdon, spricht von einer alarmierenden Entwicklung. "Ich beobachte eine steigende Zahl von Leuten, die verschiedene Drogen nehmen, um mit den Folgen des Stresses in ihrem Berufsleben fertig zu werden", sagt der 42-Jährige. Er allein habe in den vergangenen zwei Jahren fast 100 Klienten betreut - von Alkoholabhängigen bis hin zu Ecstasy- und Kokain-Konsumenten.

Kingdon ist der Gründer des privaten Rehabilitationszentrums "City Beacon" (City Leuchtfeuer), das sich speziell um die Probleme von Beschäftigten in der Londoner City kümmert. Nach seinen Erfahrungen wird schon längst nicht mehr nach so genannten weichen Drogen wie beispielsweise Cannabis gegriffen. Kokain ist stattdessen das Rauschmittel der Wahl.

Das weiße Pulver ist in den vielen Bars und Pubs in der Londoner City erhältlich. Vertrieben wird es von professionellen Drogenhändlern, die die Bedürfnisse ihrer wohlhabenden Klientel kennen. Diskretion ist oberstes Gebot. Schließlich soll nicht gerade der Chef mitbekommen, wie sein untergebener Mitarbeiter mal schnell eine Linie zieht. Bezahlt wird in bar. Es soll sogar eine Art Partyservice geben, wo der Drogendealer am Wochenende ins Privathaus seiner illustren Kunden kommt." (...)


ich bin gerade zu faul, entsprechende berichte aus den letzten jahren herauszusuchen, muss aber bei dieser gelegenheit wieder einmal mehr feststellen, dass das gesamte thema "drogen" hier im blog eindeutig zu kurz kommt, was vielleicht auch etwas damit zu tun hat, dass ich mich in den jahren vor beginn des schreibens hier beruflich und privat in verschiedenen kontexten mit dem ganzen komplex ausführlich beschäftigt habe und diesbezgl. etwas übersättigt bin. ich gehe jedenfalls stark davon aus, dass die rolle von psychoaktiven substanzen aller art - ob "legal" oder "illegal" - gerade in der aktuellen gesellschaftlichen situation nicht zu unterschätzen ist und ähnlich wie das
öl auf einer anderen ebene als schmierstoff für das ganze system unerlässlich ist (meine persönliche vermutung ist zb., dass hierzulande am schnellsten ein aufstand losbrechen würde, wenn man konsequent den alkohol vom markt nehmen würde, und zwar ohne jede möglichkeit für irgendwelche ersatzsurrogate.)

kokain und speed (amphetamine) jedenfalls passen perfekt zur diesen milieus - wie arsch auf eimer.

*

zum kommenden samstag, dem 15.: inzwischen sind in über 70 ländern global proteste angekündigt, und es lässt sich eine gewisse eigendynamik beobachten. zum ganzen thema morgen mehr.

Dienstag, 11. Oktober 2011

assoziation: rund um das k-wort (plus updates in sachen occupy everything)

"Alle (...) schauen zu, geduldig und nett, wie wir postmodernen Menschen heute sind. Es ist viel zu ruhig.

Es ist längst Zeit, das Staunen über die irrwitzige Geschichte von den mehrfach gebündelten Schrottpapieren und den kriminellen Systemen, die ihre Verbreitung zum Geschäft gemacht haben, diesen Dealern mit gepanschten Finanzspritzen, zu überwinden und das ganze Ausmaß der sich gerade voll entfaltenden Weltkrise ins Auge zu fassen. Das monatelange öffentliche Kümmern um die Banken hat wenig gebracht und führt dazu, die akute Gefahr kommender sozialer Krisen zu vernachlässigen. Wir haben bald ganz andere Probleme, abstrakt war letztes Jahr: In Island führten Proteste der chronisch friedlichen Bevölkerung, die langen schlechten Zeiten entgegensieht, zum Sturz der Regierung, der auch nur ,abwiegeln‘ und ,weiter so‘ einfiel.

Die angesehene Zeitschrift „Foreign Policy“ hat nun die Liste der „nächsten Islands“ veröffentlicht, Staaten, bei denen sich totale Überschuldung, politisches und wirtschaftliches Missmanagement und ein kompletter Glaubwürdigkeitsverlust der Regierenden krisenhaft zuspitzen. Nicaragua ist dabei, alle anderen aber liegen in und bei Europa: Großbritannien, Griechenland, Lettland und die Ukraine. Deren wachsendes Elend wird nicht stumm bleiben. Abgesehen von Streiks, Demonstrationen, Unruhen und Plünderungen können wir rassistische Ausschreitungen gegen Migranten und Minderheiten, politische Instabilität, höhere Kriminalität und generell eine um sich greifende Gewaltbereitschaft und Radikalisierung erwarten. Diese Krise beschert uns zerfallende Gesellschaften in unserer Nachbarschaft: Wo noch die Republik war, herrscht bald die Mafia. Krise ist keine Frage von Blasen und Buchungen, da geht es um durchgeheulte Nächte. Anderswo, unter den chinesischen Wanderarbeitern und bei den Illegalen, die aus Afrika nach Europa wollen, wird die Krise Leben kosten."(...)


("es gibt systemkrise, baby!")

*

obiges zitat stammt aus einem bemerkenswerten text aus der "frankfurter allgemeinen" aus dem frühjahr 2009, und man kann ihn so, wie er da steht, auch als aktuelle zustandsbeschreibung lesen. die liste der "failed states" sowie die prognostizierten (anti-)sozialen folgen sind innerhalb der letzten jahre bis heute allesamt in mehr oder weniger großem ausmaß realität geworden- die august-riots in großbritannien, die seit monaten andauernden pogrome gegen sinti/roma vor allem in vielen osteuropäischen staaten sind ebenso wie die vielfältigen europäischen und us-amerikanischen "rechtspopulistischen" strömungen diejenigen "lösungen", die sich in elitären kreisen großer beliebtheit erfreuen. und nicht zuletzt deswegen habe ich den
letzten beitrag so formuliert, wie ich´s getan habe - denn das oben skizzierte ist die sehr wahrscheinliche variante dessen, was kommt, wenn jetzt nicht begonnen wird, zumindest potenziell emanzipatorische proteste, und letztlich auch massive und wirkungsvolle widerstandsoptionen, in die öffentlichkeit zu bringen, bekanntzumachen, zu diskutieren und umzusetzen. ich halte das dafür vorhandene zeitfenster für begrenzt und plädiere stark dafür, sich ein beispiel an dem derzeitigen breiten schweigen der sog. "tea party" in den usa im angesicht der regelrecht explodierenden occupy wallstreet-bewegung zu nehmen. solche und ähnliche aktionen und ziele sind genau das, vor dem die herrschaften am meisten angst haben.

markus gärtner, dessen
wirtschaftsblog ich bei der gelegenheit gleich mal neben den querschüssen empfehlen kann, schreibt in einem ausführlichen artikel im "manager magazin" speziell zu diesem punkt:

(...) "Dass die Bewegung so schnell Zulauf erhält und der Wall Street durch ihre Erfolge näherrückt, macht einige an den Finanzmärkten bereits nervös. Beim Gipfeltreffen der Geldbranche zum Thema Bankentechnologie in Phoenix in der vergangenen Woche sei Occupy Wall Street "ein siedend heißes Thema" gewesen, räumt das Fachmagazin "Bank Systems Technology" ein. Und der Hedgefondsmanager Jim Cramer, eine Fernsehlegende unter amerikanischen Kleinanlegern, sinnierte in der jüngsten Sendung, die Proteste seien "beunruhigend für die Geldinteressen" im Lande." (...)

möge die beunruhigung schnell der nackten panik weichen! die zeit dafür ist überreif.

*

bis es soweit ist, wird allerdings noch so mancher kampf zu fechten sein - so wurde heute morgen ein camp von occupy boston geräumt, wobei die cops gegen menschen und dinge wenig zimperlich vorgegangen sind - besonders die "veterans for peace", also jene ex-soldaten aus den kriegen von vietnam bis zum golf, wurden mittels prügeln traktiert, und es ist die rede von über 100 festnahmen plus etliches an zerstörtem (camp-)material.

so sah es da gestern abend aus...




...und das passierte in der nacht bzw. am frühen morgen:



ausführlicher und mit fotos ist das alles direkt bei occupy boston nachzulesen.

aus eigenem erleben weiß ich, dass derartiges agieren der staatsgewalt nachdrückliche lerneffekte nach sich ziehen kann, und zwar nicht unbedingt im beabsichtigten sinne. und ich wüsste keinen grund dafür zu nennen, warum das - wenn solche bilder mehr werden - bei den menschen in den usa anders sein sollte.

*

ich hatte im letzten beitrag vergessen anzumerken, dass sich am 15. in über 40 ländern weltweit etwas tun wird - die liste ist mittlerweile ellenlang: brasilien, indien, australien, so ziemlich alle europäischen staaten, die usa, kanada, chile, neuseeland, ägypten... es wird sehr interessant und lehrreich sein zu sehen, wie sich jeweils der protest äussern wird, was gefordert wird und wie die jeweiligen staatlichen reaktionen ausfallen werden. vielleicht können wir wirklich die geburtsstunde einer
globalen bewegung erleben.

*

aus dem zitat vom anfang:

"Krise ist keine Frage von Blasen und Buchungen, da geht es um durchgeheulte Nächte."

das fand ich damals schon eine absolut nötige anmerkung, und auch in den jahren seit 2008 fanden sich bereits hier und da immer wieder meldungen wie
diese:

"Die Wirtschaftskrise macht den Griechen zu schaffen - und das nicht nur finanziell. Laut einer neuen Studie zerfällt das staatliche Gesundheitswesen, die Zahl von Suiziden und Krankheitsfällen steigt rapide. Schon warnen Mediziner vor einer "griechischen Tragödie". (...)

auf dem ziemlich eindrucksvollen us-blog
"we are the 99 percent" lässt sich anhand diverser schicksale nicht nur der us-amerikanischen mittelklasse nachlesen, warum es um durchgeheulte nächte geht, und was das unmittelbar mit bankbilanzen, börsenkursen und überhaupt dem ökonomischen system zu tun hat.

dabei fiel mir dann auch die eigene,
sehr unvollständige liste von todesfällen im zusammenhang mit antisozialer politik ein, die ich vor jahren erstellt hatte (ich weiß inzwischen von weiteren "fällen" nach 2006, schaffe das jedoch nicht, alles nachzurecherchieren). wir erinnern uns: in tunesien waren die "selbstmorde" von verzweifelten und verarmten letztlich das auslösende moment für den sturz einer diktatur; in den usa erkennen sich viele in den trostlosen geschichten der 99% wieder - nur hierzulande wird schamhaft gestorben, still und heimlich von der bildfläche verschwunden, und ebenso still vor sich hingelitten - und es dürfte da draussen genügend geben, die das auch ganz richtig so finden. ich fürchte, dass das so einiges über die tatsächliche menschliche qualität dieser gesellschaft hier aussagt.

Sonntag, 9. Oktober 2011

notiz: der globale herbst startet durch am 15. 0ktober

Es müsse verhindert werden, „dass immer mehr Menschen auf die Straße gehen“.

(merkel, sog. "bundeskanzlerin", auf dem csu-parteitag in nürnberg)

*

seit dem letzten beitrag vom vergangenen sonntag haben sich die ereignisse nochmals beschleunigt - einerseits deuten die sich jagenden meldungen über "abgeratete" banken und staaten, gerüchte über immer wieder neue "rettungsschirme", die miesen ökonomischen indexe vieler staaten weltweit darauf hin, dass vieles, was bereits - nicht nur von mir hier im blog - seit 2008 befürchtet wurde, in dieser neuen krisenrunde realität wird und wir inzwischen am rande des abgrunds für das internationale finanzsystem wandeln. was ja an und für sich nicht nur nicht ein problem, sondern eigentlich eine erleichterung sein könnte, wären die absehbaren verwerfungen des finalen sturzes nicht so gewaltig. andererseits reifen auch die oppositions- und widerstandsbewegungen weltweit. und vermutlich nicht nur mich hat die geschwindigkeit und massivität überrascht, die sich im gefolge von occupy wallstreet beim protest in den usa zeigt - dargestellt zb. anhand einer schönen
fotoserie.

mittlerweile gibt es ableger in so ziemlich allen relevanten us-städten, und erstaunlicher noch auch in einer vielzahl von dem, was sich mit fug und recht als provinzkäffer im hinterland der usa bezeichnen ließe. und es sind auch nicht mehr nur jeweils ein paar hundert, die da demonstrieren und zeltlager errichten. ebenfalls ist eine härter werdende gangart der - noch - jeweils verantwortlichen bundesstaatlichen repressionsorgane festzustellen - nicht nur in new york kam es zu verschiedenen terminen zu auseinandersetzungen mit den cops, sondern auch in seattle, san francisco u.a. metropolen. und so verwundern prognosen wie die folgende nicht - sandra navidi, wohl das "top-model" in broker-, börsen- und beraterkreisen, ehemals im team von roubini, inwischen mit eigener beratungsfirma im haifischbecken zugange, im interview auf n-tv:
"Man wird hart durchgreifen". ihre ausführungen zur aktuellen ökonomischen lage sind dabei nicht halb so interessant wie ihre beobachtungen einer übung der us-army in downtown boston. 2008 gab es bereits ähnliches zu vermelden; allerdings hielten sich die damaligen proteste in der folge dann doch in grenzen. was inzwischen anders aussieht.

*

aber zum 15. oktober: ursprünglich und schon vor monaten als idee eines globalen aktionstages aus spanien gekommen, findet nicht nur diese idee aufgrund der aktuellen entwicklungen nahrung; inzwischen geht es vielmehr darum, den tag als beginn einer weltweiten und kontinuierlichen oppositonsbewegung zu nutzen, lose angelehnt und eindeutig inspiriert von denjenigen aktionsformen und auch forderungen, wie sie von ägypten über spanien und griechenland jetzt an der wall street zu sehen und zu vernehmen sind.




der bayrische (!) rundfunk beteiligt sich mit einem - ähm, mobilisierungsvideo...



...welches in seiner fixierung alleine auf die banken natürlich nur einen teil des problems benennt - aber es ist interessant, wie sich die stimmung, und zwar anders als noch 2008, auch medial vor allem gegen die banken zu wenden scheint. könnte auf ein gedachtes bauernopfer hinauslaufen, mit dem die anderen systemteile noch "gerettet" werden sollen. was natürlich nicht klappen wird und kann, weil die unterscheidung zwischen finanz- und "real"wirtschaft in letzter konsequenz nicht existiert. andererseits ist es keinesfalls verkehrt, sich zunächst den banken zu widmen und von da aus den ganzen rest gleich mit aufzumischen.



die im obigen video enthaltenen punkte könnten dabei eine art minimalkonsens darstellen, den ich richtig finde und auch gerne unterschreibe - "we are aware ... of unfair systems which boost egoistic and anti-social behaviour". oh yeah.

*

zu diffuse, gar "falsche" forderungen? zuwenig programmatik, zu wenig vorstellungen über das, was nach diesem system folgt? illusionäre gedanken über "demokratie", mangelnde kenntnisse über das funktionieren des kapitalismus? personalisierte kapitalismuskritik mit offenen flanken hin zu antisemitischen stereotypen?

geh mir wech - all das und ähnliches war in den letzten jahren vor allem aus den mündern vieler hiesiger linker diverser coleur, ob "prominent" oder nicht, zu vernehmen, wenn es um proteste seit 2008 geht. und so richtig diese fragen aus einer bestimmten perspektive auch sind, so falsch und sogar irrelevant sind sie aus einer anderen. und noch nicht damit durch, die aufstandsbewegungen des arabischen frühlings zu begreifen, kommt es für die bedenkenträgerInnen jetzt knüppeldick - gegen die wall street? in den usa? sich ausbreitend? die leute wagen es, ohne die richtige theorie in der tasche das wort revolution zu benutzen? die passende erwiderung darauf steht im
kommenden aufstand, auf seite 63 der im netz kursierenden und auch im beitrag verlinkten pdf-version:

"Es gibt keinen Grund mehr zu warten – auf eine Aufheiterung, die Revolution, die atomare Apokalypse oder eine soziale Bewegung. Noch zu warten ist Wahnsinn."

und letzteres habe ich in vielen diskussionen der letzten zwei bis drei jahre hier im blog im- und explizit immer vertreten. um es kurz zu machen: so tief, wie wir kollektiv tatsächlich in so ziemlich jeder hinsicht in der scheisse stecken, ist weiteres abwarten - und worauf überhaupt? - tatsächlich wahnsinn. das neue, was da kommen mag, entsteht nicht durch wohlformulierte theorien innerhalb heimeliger seminarzirkel, sondern in der direkten auseinandersetzung, der kommunikation und dem handeln auf der strasse. die risiken und gefahren eines solchen prozesses sind groß, was mir durchaus bewusst ist. wir gehen in den kommenden zusammenbruch auch mit den denkbar schlechtesten voraussetzungen, was v.a. das "bewusstsein" vieler menschen über sich selbst und ihre eigenen involviertheiten im system betrifft. und dennoch ist alles andere, als jetzt den prozeß - egal ob man ihn nun als transformation, revolution oder evolution begreift - zu beginnen, ein schwerer fehler. das zeitliche zusammentreffen der innerkapitalistischen widersprüche, manifestiert in einigen mechanismen, die zur ökonomischen krise beitragen mit den sich bemerkbarmachenden physikalisch-energetischen grenzen des planeten, symbolhaft im peak oil enthalten, mit der katastrophalen ökonomisch-psychosozialen lage von millionen von menschen weltweit und den ökologischen verwüstungen kaum mehr einschätzbarer dimension laufen allesamt auf einen punkt hinaus:

zeit für die notbremse.

*

der deutschsprachige raum am 15. oktober:




weiteres auf 15october.net sowie occupytogether.

(eine anmerkung für bremen: occupy together vermittelt als treff für den 15. den domshof um 12.00 h, das 15october.net den bahnhofsplatz um 16.00 h. wenn sich das nicht noch klärt, empfielt es sich, beide termine zu besuchen.)

Sonntag, 2. Oktober 2011

notiz: vom arabischen frühling in den globalen herbst?

kleiner streifzug:

island:

"Wütende Isländer haben ihre Parlamentsabgeordneten am Samstag mit Eiern beworfen. Über 1000 Menschen versammelten sich zum Auftakt der Sitzungsperiode vor dem Parlament in der Hauptstadt Reykjavik.

Von lautstarkem Trommeln auf Töpfen und Pfannen begleitet, forderten sie von der Regierung mehr Unterstützung für Haushalte, die nach dem Zusammenbruch der isländischen Banken 2008 und der anschliessenden Wirtschaftskrise hoch verschuldet sind." (...)


portugal:

"Erstmals in der Amtszeit der Mitte-Rechts-Regierung ist es in Portugal zu Großkundgebungen gegen den Sparkurs gekommen. In Lissabon und Porto folgten mehr als 150.000 Menschen dem Aufruf der größten Gewerkschaft des Landes.

Auf Plakaten und Sprechchören protestierten die Demonstranten gegen die Sparmaßnahmen der Regierung, die wachsende Armut sowie den Einfluss des Internationalen Währungsfonds (IWF). Die Gewerkschaft kündigte an, gegen weitere Kürzungen bei Löhnen und Renten zu kämpfen - notfalls auch mit einem Generalstreik." (...)


usa:

"Mehr als 700 Menschen sind in New York festgenommen worden. Sie haben auf der Wall Street gegen die Verantwortlichen der Finanzkrise und die Macht der Banken protestiert." (...)

mittlerweile breitet sich die "occupy!"-bewegung rasant aus, in los angeles, washington, boston und vielen anderen größeren und kleineren städten quer durch die usa entstehen entweder ähnliche zeltlager auf öffentlichen plätzen oder aber finden andere aktionen statt, in einigen städten wie boston auch vermischt mit z.zt. ebenfalls aktiven initiativen speziell gegen die "bank of america", die sich gerade besonderer öffentlicher zuneigung erfreut. einen überblick gibt´s bei
occupy together, und natürlich widmet sich dankenswerterweise einmal mehr mrs. mop dem geschehen im landoffreedomanddemocracy(TM). man kann sich lebhaft die schlagzeilen vorstellen, wenn es diese 700 verhaftungen in china oder auch dem iran gegeben hätte...

großbritannien:

aktuell demonstrieren in manchester anlässlich des dortigen parteitags der britischen "konservativen" ca. 30.000 leute nicht nur gegen deren politik, sondern allgemein gegen das soziale elend auf der insel und weitere geplante "sparmaßnahmen". hinter dem link verbirgt sich ein liveticker.


griechenland:

"Die harten Sparmaßnahmen der Regierung und die Rückkehr der Troika nach Athen haben auch am Freitag zu diversen Demonstrationen und Protestaktionen geführt, darunter auch zu Besetzungen von Ministerien durch Angestellte. Am Freitagmittag traf sich die Troika-Delegation mit dem Finanzminister und stellvertretenden Regierungschef Evangelos Venizelos und mit dem Minister für Verwaltungsreform und E-Goverment Dimitris Reppas. Für den Abend war zudem ein Treffen mit dem Minister für Infrastruktur, Transport- und Netzwerke, Jannis Rangoussis, geplant. Besprochen werden sollten bei diesem Treffen die Liberalisierung der geschlossenen Berufe und Veränderungen im öffentlichen Nahverkehr. Weil der Eingang zum Transportministerium, das sich an der Athener Mesogion-Avenue befindet, von etwa 50 Angestellten des Ministeriums besetzt bzw. gesperrt worden war, musste dieses Treffen an einen anderen Ort verlegt werden.
Bereits zum zweiten Tag sind heute auch die Ministerien für Finanzen und Umwelt von aufgebrachten Beamten besetzt. Auch dort sollten geplante Treffen zwischen Venizelos und den Troika-Experten verhindert werden." (...)


chile:

"In Chile haben am Donnerstag nach Angaben der Veranstalter erneut bis zu 150000 Schüler, Lehrer und Studenten gegen das herrschende Bildungssystem protestiert. Die Polizei ging mit Tränengas und Wasserwerfern gegen die Demonstranten vor. Die Hochschulbildung in Chile ist eine der teuersten der Welt. 80 Prozent der Kosten müssen von den Studierenden aufgebracht werden." (...)

und so ließe sich eine ganze reise rund um den globus veranstalten - es laufen aktuell und / oder sporadisch größere und kleinere aktionen gegen die jeweilige herrschende politik und vor allem die bisherigen krisenfolgen in derart vielen ländern, dass man glatt den überblick verlieren kann. und auch all die nordafrikanisch und arabischen staaten haben erst mehrheitlich begonnen, die erste phase eines ungewissen wegs in einen wirklich revolutionären übergang zu beschreiten - der sturz von diktatoren und autokraten ist dabei vermutlich sogar noch eine der im vergleich "leichtesten" übungen.

ich verkneife mir an dieser stelle jegliche anmerkungen zur hiesigen kollektiven sedierung, das würde dann doch nur in wilde und nicht druckreife flüche ausarten. in diesem land existiert keinerlei wirkliche opposition, erst recht und gerade nicht von "links". aber das ist ein anderes thema aka trauerspiel.

Dienstag, 27. September 2011

assoziation: götz eisenberg - "die `psychopathen´ kommen" [update]

nachdem ich kürzlich schon einmal eine empfehlung für seinen text zu den britischen riots auf den "nachdenkseiten" gegeben hatte, kommt nun eine weitere: klar, dass ich bei diesem titel aufmerksam wurde - auszug:

(...) "Die vom Markt propagierten und für ein erfolgreiches Agieren auf dem ökonomischen Parkett erforderlichen Eigenschaften und Haltungen sind inzwischen bis in die Poren des Alltagslebens vorgedrungen. Eine allumfassende Rücksichtslosigkeit, ein zur Egomanie gesteigerter Individualismus, Zynismus und Gleichgültigkeit prägen den zwischenmenschlichen Umgang. So geht das „Zeitalter des Narzissmus“ bereits mit der nächsten psycho-historischen Entwicklungsstufe schwanger. Das Innenleben des allseits kompatiblen und fungiblen Menschen, den Markt, Wirtschaft und Pädagogik propagieren, weist eine große Ähnlichkeit mit dem eines Menschentypus’ auf, den wir heute noch als „Psychopathen“ stigmatisieren und den Gefängnissen und forensischen Psychiatrien überantworten. Wenn hier vom „Psychopath“ die Rede ist, ist nicht die umgangssprachliche Bedeutung gemeint, die darunter einen „durchgeknallten, unberechenbar-brutalen Typ“ versteht, sondern eine psychiatrische Diagnose, die in jüngerer Zeit von den amerikanisch-kanadischen Psychiatern Cleckley und Hare formuliert wurde. Die Diagnosemanuale beschreiben den „Psychopath“ als zur Einfühlung in andere unfähig, oberflächlich charmant, anpassungsfähig, zynisch-kalt, bindungs- und skrupellos und ausschließlich an privater Nutzenmaximierung interessiert. Das sind genau die Eigenschaften, die die Hasardeure und Gurus der New Economy und der Finanzwelt aufweisen, die uns an den Rand des Abgrunds manövriert haben und weiter manövrieren.

Vor einigen Jahren haben Paul Babiak und Robert Hare unter dem Titel „Menschenschinder oder Manager“ (München 2007) ein Buch herausgebracht, in dem sie die Unternehmen und die Finanzwelt vor dem Vordringen von „Psychopathen“ in Führungspositionen warnten, weil ihre Skrupellosigkeit und grenzenlose Risikofreude ihnen langfristig großen Schaden zufügen würden. Eine Psychologie, die ihre Erkenntnisse ans Business verschachern will, muss die Systemfehler beim einzelnen Mitarbeiter suchen und nicht bei den Strukturvorgaben einer kapitalistischen Wirtschaft. Die akademische Psychologie ist auf dem gesellschaftlichen Auge blind und versucht deshalb, wie Peter Brückner bemerkte, „den Stand der Gestirne bei bereichsweise bedecktem Himmel zu bestimmen“. Sie kann nicht erkennen, dass die beklagten Phänomene eine Begleiterscheinung des neuen kapitalistischen Zeitalters darstellen, das sich im Abschied von der traditionellen „stakeholder value“- zugunsten der „shareholder value“-Orientierung Ende der 90er Jahre ankündigte. Die entfesselt und hemmungslos, also, wenn man so will, „psychopathisch“ gewordene Geldwelt zieht wie ein Magnet „psychopathische“ Menschen an und produziert sie." (...)


tja. ich weiß nicht mehr, wie oft ich mich in den vergangenen sechs jahren hier im blog u.a. genau diesen entwicklungen von verschiedenen seiten gewidmet habe. immerhin - und leider - werden diese trends zunehmend von anderen wahrgenommen. "leider" deshalb, weil ich mich am ende in diesen fragen ganz gerne geirrt hätte, auch wenn mir meine intuition ebenso wie meine objektivistische vernunft meistens deutlich etwas anderes sagt.

ich hatte gerade mal blogintern recherchiert, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich zu den erwähnten (nicht zitierten) entwicklungen innerhalb der diagnostischen modellwelt des manuals dsm, die eisenberg als aufhänger benutzt, nicht schon mal ein paar worte geschrieben habe, konnte aber nichts finden. tatsächlich habe ich schon vor monaten etwas über die geradezu als spektakulär zu bezeichnenden revisionen im "neuen" dsm gelesen und weiß noch, dass mir besonders die geplante streichung der narzisstischen persönlichkeitsstörung ebenso wie einige tiefgehende veränderungen (bzw: war´s nicht auch die völlige abschaffung der diagnose?) im modell der borderline-ps schwer zu denken gaben. in
"wahnsinnige liebe" und die borderline-gesellschaft ist einiges von der veränderten psychiatrischen wahrnehmung besonders bei den beiden genannten störungen zu lesen, und im prinzip wird da bereits in anderen worten das formuliert, was eisenberg oben ausdrückt.

ich möchte seinen text ausführlicher kommentieren, werde da aber frühestens erst zum wochenende zu kommen. mehr dann an dieser stelle. aber schließlich können Sie sich selbst schon mal ein paar gedanken machen.

*

letztere mache ich mir gerade auch über ein video, welches die britische bbc veröffentlicht hat und das sich seit ein paar tagen wachsender und großer öffentlicher aufmerksamkeit erfreut - unter dem titel
goldman sachs regiert die welt hat das blog von cashkurs sowohl das video verlinkt als auch eine deutschsprachige übersetzung der gesamten geschichte. gerüchte, dass es sich bei dem interview um einen fake handelt, womöglich gar von den genialen yes men initiiert, geistern ebenfalls durchs netz - aber bis jetzt konnte ich diesbezgl. keine wirkliche aufklärung finden. bis auf weiteres muss das interview also als authentisch angesehen werden. und solange das so ist, stellt es in gewisser weise eine aktuelle und sehr deutliche untermauerung genau des diagnostischen befundes dar, den eisenberg thematisiert. wobei: selbst als fake würde es der realität immer noch sehr nahe kommen, aber orginale aussagen der involvierten sind doch immer noch am aufschlußreichsten.


*

edit am 01.10.: zwei kleine inhaltliche nachträge zunächst - einmal zu meinen sätzen über die angekündigten revisionen im dsm, wo ich hinterher feststellte, dass mich meine erinnerung doch nicht ganz trog, allerdings in einem zentralen punkt falsch lag. anfang 2010 zitierte ich den folgenden satz:
(...) "In der Psychiatrie sind Diagnosen selten eindeutig. Zwar existiert mit dem ICD 10 ein internationales System der WHO, der Weltgesundheitsorganisation. Aber auch dieser Katalog an Kriterien wird ständig überarbeitet, alte Überzeugungen schwinden. In Zukunft wird es beispielsweise die Diagnose "Borderline-Syndrom" gar nicht mehr geben. Die WHO hat sie als zu ungenau eingestuft." (...). es war die icd, die "international classification of deseases" der who, die formal im gesamten medizinischen bereich leitgebend ist, aber innerhalb der psychiatrie nicht nur eine art doppelexistenz mit dem dsm fristet, sondern sich in vielerlei hinsicht auch an dieses anlehnt.

dann zum zuletzt erwähnten und weltweit wellen schlagenden interview mit rastani: letzterer ist zwar kein yes man, aber durchaus als hobbytrader und - vor allem -
hochstapler anzusehen. allerdings werden seine aussagen dadurch nicht unbedingt weniger treffend.

und zum schluß: ich schlage mich gerade wieder anlässlich des eisenberg-artikels mit dem seit jahren mehrfach verschobenen, überarbeiteten und mehrfach neu begonnenem basis-beitrag "soziopathie" herum - ich verspreche jetzt aber mal nichts. überfällig wär´s allerdings.

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