basis: traumageschichte(n) 6 - kriegstraumata - nachbemerkungen zum symposium...
...welches am 20. juni in bremen stattgefunden hat. und es war durchaus eine interessante veranstaltung, die einiges an stoff zum weiterdenken geboten hat.
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ich bin etwas zu spät gekommen und mitten in die erste hälfte des vortrags zur militärpsychiatrie im ersten weltkrieg, "maschinengewehre hinter der front" geraten. mit diesem thema hatte ich mich u.a. auch beruflich in der vergangenheit schon etwas ausführlicher beschäftigt und dachte daher im vorfeld, dass sich dabei zumindest für mich keine grundsätzlich neuen aspekte ergeben würden. das aber war, vor allem im zusammenhang mit den nachfolgenden beiträgen, letztlich eine fehleinschätzung.
die mir bis dahin unbekannte referentin, maria hermes, die gerade an einer dissertation zum thema schreibt, arbeitete vor dem hintergrund des allgemeinen vorgehens der (deutschen) militärpsychiater einige punkte heraus, die mir besonders hervorhebenswert erscheinen: erstens spielten die "minderwertigkeitskomplexe" der psychiatrie damals auch bei der behandlung der "kriegszitterer" eine ähnlich unheilvolle rolle wie in der zivilen psychiatrie, und zwar in dem sinne, dass das streben der psychiater nach "wissenschaftlicher anerkennung" seitens der anderen und "anerkannteren" medizinischen disziplinen auch hier zu einem abstrusen biologismus hinsichtlich des krankheitsverständnisses, der diagnosenstellung und bei den behandlungsmethoden führte. besonders die zeitgenössische neurologie grenzte sich in einer heute nicht mehr vorstellbaren form von der psychiatrie ab, was hermes anhand von zitaten einiger prominenter damaliger neurologen gut deutlich machte, in denen die herablassende geringschätzung von "nur psychischen" störungen (= ohne im damaligen sinne nachweisbare organische grundlage) und der entsprechende umgang mit den patientInnen deutlich wurde.
das oben erwähnte führte dann bei den militärpsychiatern dazu, solche theoriemodelle zu entwickeln wie jenes, welches die symptome der traumatisierten als folge einer art "gehirnerschütterung" sowie der körpervermittelten erschütterung des nervensystems durch die wucht des artilleriefeuers in den grabenkämpfen bzw. die dadurch bewirkten erschütterungen des erdbodens deutete. aus damaliger sicht sehr passend, standen soldaten mit traumasymptomen doch schon grundsätzlich unter dem verdacht der (erbbedingten) "konstitutionellen schwäche", also einer grundsätzlichen minderwertigkeit, die konsequent zu ende gedacht alleine dafür verantwortlich gemacht wurde, dass soldaten auf das kriegsgrauen nicht mit unbeeindruckter ignoranz, gelassenheit und "tapferkeit" reagierten, sondern letztlich zutiefst menschlich.
diese unterstellte "minderwertigkeit" führte dann schnell auch zum grundsätzlichen verdacht der simulierten symptome (aus "feigheit"), was sich dann in den behandlungsmethoden entsprechend wiederspiegelte: zwangsbehandlungen mit elektrischen strömen (damit ist übrigens nicht die "elektrokrampftherapie" gemeint, die erst 1938 entwickelt wurde) in form von wiederholten serien von ungefilterten elektroschocks; die damals in den psychiatrischen anstalten üblichen dauerbäder (und zwar nicht nur mit körperwarmen, sondern auch eiswasser); verschiedene arten der deprivation sowie die bildung von speziellen "bettnässerkompanien", in denen die betroffenen durch "frontnahe behandlung" sowie entsprechenden einsätzen "geheilt" werden sollten. andere behandlungsmethoden wie hypnotische und suggestive sowie die bettbehandlung und obligatorische arbeitstherapie muten vor diesem hintergrund dann schon regelrecht mild und human an.
bezeichnend auch die ebenfalls von der militärpsychiatrie geprägte bezeichnung "kriegshysteriker" in der nicht nur implizit das urteil "weibischer schwäche" untergebracht wurde (und interessanterweise mit dem wort "hysterie" das zweite mal in der psychiatriegeschichte traumatisierte stigmatisiert wurden; siehe dazu den blogbeitrag zur geschichte der hysterie).
hermes untermauerte ihren beitrag durch etliche zitate aus dem bestand entsprechender krankenakten des altarchivs des klinikums bremen-ost, welches in seiner inzwischen über hundertjährigen geschichte während des wk1 auch als armeelazarett fungierte. und die mir ebenfalls teils gut bekannten akten belegen durch ihre inhalte durchaus selbst die in einer (für damalige verhältnisse) "reformorientierten" heil- und pflegeanstalt dieses neben der späteren nazi-"euthanasie"-aktion "T4" brutalste kapitel der (deutschen) psychiatriegeschichte. abschließend wurde ebenfalls nochmals deutlich gemacht, dass sich hier die damalige psychiatrische ideologie passend mit den interessen der späteren führungsschichten in der weimarer republik traf: liessen sich doch auf basis der vorher stattgefundenen psychiatrischen einordnung der traumatisierten deren mögliche entschädigungsansprüche an den deutschen staat mittels des diagnostischen konstrukts der "rentenneurose" abschmettern, die andernfalls, so jedenfalls ein diskussionsbeitrag aus dem publikum, die damalige deutsche rentenversicherung in den bankrott getrieben hätten (und dazu bei anerkennung der ansprüche und der implizit darin enthaltenen wertung des krieges auch das öffentlich verbreitete bild vom krieg als "vaterländischer notwendigkeit und ehrenvoller aufgabe" beschädigt hätten.)
*
die bereits im ersten vortrag anklingenden "besonderheiten" des ersten weltkriegs vor allem in den militärischen formen des graben- und stellungskrieges - im folgenden ein bild von der westfront, an der britische sanitäter einen verletzten bergen; beachten Sie vor allem den bodenlosen matsch -
bildeten auch einen schwerpunkt beim referat des sozialpsychologen gerhard vinnai , der sich mit der genese von hitlers antisemitismus aufgrund dessen traumatischer erfahrungen in diesem krieg (so die these) beschäftigten. hier mache ich´s mir einfach, zumal eine variante des vortrags online als pdf einsehbar ist, und zwar hier. es war im übrigen auch tatsächlich das gleiche thema, welches ich in der ankündigung zum symposium bereits als mir bekannt erwähnt hatte, und so konnte ich nun bei grundsätzlicher "vertrautheit" mit den thesen nochmal anders zuhören als beim ersten mal vor ein paar jahren. und in der nachfolgenden diskussion einige inhaltliche fragen loswerden. die erste davon bezog sich auf vinnais aussage, dass der kriegsbeginn für hitler einen echten biographischen bruch mit seinem bisherigen leben, vor allem dessen "wiener jahren", geprägt von obdach- und perspektivlosigkeit, bedeutet hätten, und ihn vor allem aus der rolle des sonderlichen außenseiters befreit hätte. dazu gibt es allerdings nun durchaus widersprüchliche informationen in der rechts in der literaturliste enthaltenen und primär mögliche relevante psychopathologische züge thematisierenden hitlerbiographie von matussek & marbach (mehr zu den thesen dieses buches hier), die hitler auch in seiner kriegszeit unter den "kameraden" eine außenseiterposition attestieren, welche sich vor allem aus der hochnäsigen verachtung hitlers gegenüber eigenheiten des frontlebens wie bspw. die rolle des alkohols sowie den endlos ausgesponnenen "weibergeschichten" unter den soldaten ergeben hätte. ich finde diese herleitung durchaus nachvollziehbar, leider gab es darauf keine wirkliche antwort vinnais oder auch aus dem publikum.
meine zweite frage bezog sich bereits auf die "männerphantasien" von klaus theweleit (siehe dazu ebenfalls die literaturliste), dem ja ebenfalls die auffällige verwendung von matsch-, sumpf-, schlamm und ähnlichen metaphern in vielen texten/romanen von soldatischen männern (und gerade denjenigen, die sich direkt nach dem krieg in den konterrevolutionären freikorps zusammenfanden und später die kerntruppen der nazibewegung bildeten) aufgefallen ist. theweleit hat mittels seines spezifisch psychoanalytischen zugangs allerdings ausdrücklich die entwicklung der psychophysischen struktur bei diesen männern, als deren markanten ausdruck er die beschriebene metaphernwelt ansieht, nicht im krieg verortet, sondern in den "normalen" erziehungsbedingungen der deutschen militärdiktatur (und so lässt sich die monarchie durchaus bezeichnen) in kindheit & jugend dieser männer vor dem krieg in kombination mit dem späteren berüchtigten deutschen militärischen (vorkriegs-)drill während ihrer rekrutenausbildung.
meine frage bezog sich nun darauf, wie vinnai den einfluss dieser - bekannt brutalen - erziehungsmethoden nicht nur bei hitler, sondern auch den soldaten bzw. späteren nazis bewertet. die antwort darauf entsprach im kern meiner eigenen heutigen position, sinngemäß: die traumatischen wirkungen des krieges dürften nicht gegen die wahrscheinlich vorhandenen traumatischen schäden aus der kindheit "ausgespielt" werden; und ebenfalls habe theweleit die kriegsfolgen (ebenfalls sinngemäß) in ihrer bedeutung eher unterschätzt. es folgte eine kurze diskussion darüber, ob nicht ein weiterer zugang auch über den "mutterkult" der nazis erfolgen könne, und zwar derart, dass für die soldaten im krieg unter feuer der erdboden, in den sie sich oft genug regelrecht vergraben mussten, nicht auch so etwas wie die "schützende mutter" (erde) dargestellt hätte, und diese verbindung ebenfalls eine rolle spielen würde. das lässt sich aus einer (klassisch) psychoanalytischen perspektive vermutlich noch vertiefen; ich möchte mich jedoch eines kommentars dazu enthalten.
(an dieser stelle möchte ich übrigens auch um verständnis dafür bitten, dass ich mich bei der darstellung von diskussionsbeiträgen hauptsächlich auf meine eigenen beschränke; es kamen schlicht zu viele aspekte zur sprache, die ich trotz erstellung von notizen während der veranstaltung dabei nicht berücksichtigen konnte.)
nach diesem zweiten beitrag jedenfalls tauchte bei mir im kopf das erstemal eine these auf, die ich wie folgt umreissen könnte: wo liegen eigentlich die unterschiede zwischen denjenigen, die in und nach dem krieg primär mit den (heute bekannten) posttraumatischen symptomen reagierten und auch daran litten, und denen, die aus dem krieg offensichtlich brutalisiert - v.a. die späteren nazis - herauskamen? liegt eine mögliche antwort etwa darin, ob jemand bereits mit deutlich traumatischen schäden und/oder gar antisozialen bis soziopathischen zügen in den krieg gezogen ist, wo sich letzterer dann wie eine art trigger auswirkte, und zwar einer mit verstärkungseffekt? das kommt mir jedenfalls wie eine sehr untersuchungswerte frage vor, zu der mir bislang nichts bekannt ist.
*
nach einer längeren pause kam dann der beitrag, auf den ich im vorfeld besonders gespannt gewesen bin: der - ja, militärpsychiater karl-heinz biesold, leitender arzt auch der psychotraumatologischen abteilung des bundeswehrkrankenhauses hamburg, referierte zu posttraumatischen störungen nach auslandseinsätzen der bundeswehr bzw. ihrer armeeinternen behandlung.
biesold betrat dabei das podium bereits mit einem (ironischen) ausdruck seiner erwartung, bei dieser veranstaltung "zerfleischt" zu werden - vermutlich hinsichtlich seiner profession als militärpsychiater -, und machte damit bei einem teil des publikums gleich auch mal pluspunkte. desweiteren stellte er sich als rhetorisch gewandter redner heraus, was ich allerdings bei seiner position (u.a. als öffentlicher repräsentant der bw) auch nicht besonders überraschend fand. nichtsdestotrotz: der vortrag war durchaus interessant, und eher als eine art in einem abgegrenzten rahmen herumspringende erzählung gehalten, unterlegt von diversen statistiken zum anschauen an der wand.
er begann zunächst mit einer zusammenfassenden darstellung aller auslandseinsätze der bw seit den 1990er jahren, incl. der sog. "humanitären" wie in kambodscha u.a., und machte in dem zusammenhang auch deutlich, dass selbst bei diesen einsätzen - wie auch bei solchen primär nach naturkatastrophen - bereits ptbs-fälle zu verzeichnen waren. die psychotraumatologische abteilung existiert im krankenhaus seit 1994, ist also durchaus als "produkt" der seitdem ständig zunehmenden auslandseinsätze zu betrachten. was mir auffällig erschien, war der eindruck, dass in dieser abteilung mit einem sehr streng an die jeweils aktuellen definitionen der diagnostischen kataloge icd-10 und dsm-IV angelehnten modell der ptbs gearbeitet wird, also weitergehende und meiner meinung nach realitätsgerechtere diagnostische modelle wie bspw. das der komplexen ptbs nach judith herman auch nicht bei praktischen schwierigkeiten berücksichtigt zu werden scheint. ebenfalls interessant fand ich die betonung der zusammenarbeit zwischen bundeswehr und zivilen kliniken mit traumaschwerpunkt einerseits sowie die entsprechende zusammenarbeit mit der psychotraumatologischen forschung insgesamt andererseits - mir scheint, dass biesold das sehr bewusst als abgrenzendes moment zur historischen deutschen militärpsychiatrie ansieht (die sich damals strikt gegen alle einmischungen aus der zivilpsychiatrie offensichtlich verwahrt hat, was auch aus ihrem selbstverständnis als teil des (elitären) militärs heraus erklärbar sein dürfte).
gleichfalls fand ich die aussage bemerkenswert, dass als hauptsächliche methode der traumabehandlung EMDR eingesetzt wird, mit folgenden ergebnissen: ca. ein drittel aller behandelten ist danach wieder voll "funktions- und dienstfähig", ein weiteres drittel mit einschränkungen, und das letzte drittel verlässt entweder die armee generell (und damit auch die behandlung) oder aber reagiert nicht auf die therapeutischen interventionen (die letzteren aussagen muss ich allerdings aufgrund fehlender sicherheit bei der rekonstruktion der informationen mit einem fragezeichen versehen). aber in bezug auf emdr betrachte ich das als weiteren beleg dafür, dass es sich bei dieser technik - dieser aspekt wurde sowohl von biesold als auch weiteren diskutanten später nochmal betont; emdr lässt sich nur innerhalb verschiedener therapeutischer kontexte einsetzen und nicht "für sich" - tatsächlich um eine hoffnungsvolle möglichkeit handelt, mit posttraumatischen störungen umzugehen.
desweiteren stellte biesold ein modell verschiedener stressoren - zur einschätzung potenziell traumatischer belastungen - vor, mit dem dort gearbeitet wird. er unterscheidet dabei zwischen "operationellen" und "besonderen" stressoren; zu den ersteren zählen bspw. solche umstände wie kontakt mit einer neuen und unbekannten kultur, die trennung von gewohnten sozialen umfeld und ähnliche umstände. die "besonderen" stressoren ergeben sich bspw. aus ständiger kasernierung sowie offen kriegerischen, also gewaltvollen handlungen, situationen und erlebnissen. bemerkenswert war dabei in diesem zusammenhang das, was biesold als "neues dilemma" bezeichnete: im gegensatz zu den letzten großen kriegen unter deutscher beteiligung, die jeweils offiziell und öffentlich als absolut "notwendig", "gerecht" u.ä, gekennzeichnet und mehrheitlich auch so empfunden wurden, stellt sich gerade beim größten laufenden bw-einsatz, nämlich dem in afghanistan, offensichtlich bei vielen beteiligten die sinnfrage, d.h. die frage "wofür bin ich / sind wir eigentlich hier?" das ist vermutlich nicht nur aus meiner sicht eine absolut berechtigte frage, deren existenz aber lt. biesolds ausführungen die wahrscheinlichkeit für das auftreten einer ptbs deutlich erhöhen kann, was ich wiederum beim nachdenken nicht so erstaunlich finde. gleichfalls finde ich das absolut keinen grund, auf diese frage zu verzichten.
in diesem zusammenhang kam die sprache auch auf die immer wieder durch diverse umfragen belegte ablehnung des deutschen isaf-einsatzes von rund zwei drittel der hiesigen bevölkerung, die zu einem nicht geringen teil zu der erwähnten sinnfrage bei den beteiligten beizutragen scheint. biesold hat dabei selbst erfahrungen mit einsätzen nicht nur in afghanistan, sondern auch im kosovo und hat vor diesem hintergrund deutlich die "humanitären" aspekte und die hilfe für die jeweilige bevölkerung vor ort hervorgehoben, konnte jedoch seine skepsis bezgl. der weiteren entwicklung des afghanistan-einsatzes nicht ganz verbergen. was auch daran liegen könnte, dass zum einen die zahl der ptbs-betroffenen gerade in afghanistan ständig steigt, sich zum anderen aber auch der ganze charakter des ursprünglich als "humanitär" bezeichneten einsatzes mehr und mehr in richtung eines deutlichen kriegseinsatzes bewegt - lt. biesold werden die deutschen truppen inzwischen wöchentlich in gefechte verwickelt und müssen bei jeder bewegung ausserhalb ihrer camps mit der möglichkeit von anschlägen rechnen - "spezielle stressoren".
das folgende ist wieder mit dem hinweis auf eine gewisse unsicherheit bei meiner persönlichen rekonstruktion zu lesen: laut entsprechender statistiken sowohl aus dem irak- als auch dem afghanistan-krieg auf seiten der beteiligten westlichen truppen scheint hervorzugehen, dass sich überhaupt nur jeweils 23 bis 40% der betroffenen soldaten mit ptbs-symptomen freiwillig in behandlung begeben. dabei steht als hauptgrund bei denen, die auf eine behandlung verzichten, für ca. 65% das folgende im focus:
"ich will nicht als weichei gelten"
das spricht bände sowohl über die einstellung zu "psychischen" störungen insgesamt, und nochmals speziell beim militär. ebenfalls aber sagt es auch etwas über die - trotz zunehmender zahl von frauen in diversen armeen - immer noch vorhandenen mythen über "männlichkeit" aus, was bei dieser tendenziell und besonders strukturell immer noch erzpatriarchalen institution aber auch kein wunder ist. biesold bemühte sich dazu sehr, aus seiner sicht falsche vorstellungen über die mögliche aggressivität von traumatisierten soldaten abzuwehren, führte diese auf die traumaspezifische ständige anspannung des nervensystems zurück, verschwieg dabei aber nicht die möglichen negativen konsequenzen für familien und soziale umfelder der betroffenen. trotzdem fand ich diese aussagen selbst bei berücksichtigung eines möglichen motives, stigmatisierungen entgegenzuwirken, zu beschönigend, zumal nicht erst seit dem vietnamkrieg durchaus bekannt ist, wie gerade traumatisierte soldaten ihre traumata in grausamen taten quasi re-inszenieren können - mehr zu dieser täter-opfer-dialektik auch hier.
die behandlungsbedürftigkeit - und das ergänzt in gewisser hinsicht die vorherigen aussagen - steigt nach biesolds angaben im gegensatz zu früheren kriegen bei den aktuellen besonders nach den einsätzen drastisch an. die gründe dafür sind mir zumindest weiter unklar. ja, und eine mir ganz neue information zur geschichte der kriegstraumata - oder auch der zugehörigen "vertuschungsdiagnosen" - gab´s nebenbei bei einer auflistung der zugehörigen spezifischen symptome vieler kriege, hinter denen sich nach heutigem wissenstand jeweils (post-)traumastörungen verbergen, auch noch: das "da-costa-syndrom, hinter dem sich undefinierte herzbeschwerden befinden, erfüllt nicht nur in der beschreibung wesentliche kennzeichen einer pseudo-diagnose analog der "vegetativen dystonie", sondern war historisch offensichtlich die erste breiter verzeichnete (post-)traumatische erscheinung während eines krieges, und zwar während des amerikanischen bürgerkrieges. finde ich eine interessante information, die möglicherweise auch eine neue bewertung der entwicklung der us-gesellschaft nach dem bürgerkrieg nahelegt.
ich wollte dann bei der anschließenden diskussion die gelegenheit auch nutzen, wenigstens eine meiner ganz zentralen fragen loszuwerden, die ich einem militärpsychiater immer schon stellen wollte: nämlich die, ob er keinen widerspruch zwischen seiner rolle sehen würde, als mediziner traumabehandlung innerhalb einer institution zu betreiben, zu deren impliziten aufgaben es letztlich auch immer gehört, traumatische zustände bei gegnerischen soldaten und häufiger noch bei zivilbevölkerungen zu erzeugen. ich bezeichnete diese frage ausdrücklich als "persönlich", und bekam die folgende antwort (sinngemäß): nein, er sehe diesen widerspruch nicht, sondern betrachte es als normale aufgabe einer institution, die ihre angehörigen in "hochrisikosituationen" schicken würde, auch für diese zu sorgen. mit einem (etwas gezwungenem lächeln) kam immerhin noch die anmerkung, dass es sich bei dieser position vielleicht aber auch um den ausdruck eines "gelungenen verdrängungsprozesses" handeln könnte...
eine weitere frage hatte ich vorher schon gestellt: und zwar vor dem hintergrund der beobachtung, dass bspw. sowohl im vietnamkrieg als auch während des kriegs in afghanistan zwischen sowjetischer roter armee und islamistischen fundamentalisten jeweils die nutzung von diversen drogen - in vietnam heroin (erst danach kam heroin in den usa überhaupt erst so richtig "auf den markt") und cannabis; bei der roten armee wurde im "opiumanbauland nr.1" ebenfalls heroin zu einem schweren problem - auch (analog der nutzung bei vielen junkies mit traumatischer biographie) als ausdruck der versuchten selbstmedikation traumatischer symptome betrachtet werden kann, zielte meine frage auf entsprechende beobachtungen beim aktuellen afghanistaneinsatz der bundeswehr, zumal der opiumanbau dort weiterhin boomt. biesold verneinte das überraschend deutlich, wobei mir beim nachdenken in den sinn kam, dass das tatsächlich der realität entsprechen könnte - das benannte problem dürfte militärstrategen in aller welt spätestens seit den erwähnten kriegen durchaus bewusst sein, und ich kann mir gut vorstellen, dass heutige armeen bei einer erhöhten präsenz von drogen sehr schnell in ihrem sinne durchgreifen.
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soweit meine ganz persönlichen schwerpunkte einer veranstaltung, die ich als sehr informativ bezeichnen würde. vieles aus den diskussionen fällt hier leider, wie schon erwähnt, unter den tisch - trotzdem hoffe ich, dass Sie jetzt einen brauchbaren eindruck bekommen haben.
noch eine anmerkung: während der beitrag beim schreiben immer länger wurde, habe ich mich spontan entschlossen, ihn entgegen meiner ursprünglichen absicht zu einem basis-beitrag zu machen. das liegt einfach daran, dass er jetzt rund um das thema kriegstrauma so viele hinweise und hintergründe enthält, dass ein weiterer entsprechender beitrag aus meiner sicht unnötig viele wiederholungen aufweisen würde. den anspruch nach völliger inhaltlicher abdeckung eines themas habe ich einerseits eh nicht, andererseits könnte ich ihn in diesem rahmen hier auch unmöglich erfüllen. informationen, die bestenfalls zu eigener weiterbildung ermuntern, sollten jedenfalls genügend vorhanden sein. ebenfalls ein eindruck von der vorhandenen vielschichtigkeit des themas, was auch die relevanz für (nicht nur) unsere historische und aktuelle gesellschaftliche entwicklung betrifft.
und noch ein ps: das thema der kriegstraumata innerhalb von "zivilbevölkerungen" (ein wort, welches ich immer etwas seltsam finde) bleibt natürlich auf der agenda kommender beiträge. speziell für deutschland habe ich diesen bereich allerdings schon früher bearbeitet, siehe den link oben im text zur "vegetativen dystonie".
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ich bin etwas zu spät gekommen und mitten in die erste hälfte des vortrags zur militärpsychiatrie im ersten weltkrieg, "maschinengewehre hinter der front" geraten. mit diesem thema hatte ich mich u.a. auch beruflich in der vergangenheit schon etwas ausführlicher beschäftigt und dachte daher im vorfeld, dass sich dabei zumindest für mich keine grundsätzlich neuen aspekte ergeben würden. das aber war, vor allem im zusammenhang mit den nachfolgenden beiträgen, letztlich eine fehleinschätzung.
die mir bis dahin unbekannte referentin, maria hermes, die gerade an einer dissertation zum thema schreibt, arbeitete vor dem hintergrund des allgemeinen vorgehens der (deutschen) militärpsychiater einige punkte heraus, die mir besonders hervorhebenswert erscheinen: erstens spielten die "minderwertigkeitskomplexe" der psychiatrie damals auch bei der behandlung der "kriegszitterer" eine ähnlich unheilvolle rolle wie in der zivilen psychiatrie, und zwar in dem sinne, dass das streben der psychiater nach "wissenschaftlicher anerkennung" seitens der anderen und "anerkannteren" medizinischen disziplinen auch hier zu einem abstrusen biologismus hinsichtlich des krankheitsverständnisses, der diagnosenstellung und bei den behandlungsmethoden führte. besonders die zeitgenössische neurologie grenzte sich in einer heute nicht mehr vorstellbaren form von der psychiatrie ab, was hermes anhand von zitaten einiger prominenter damaliger neurologen gut deutlich machte, in denen die herablassende geringschätzung von "nur psychischen" störungen (= ohne im damaligen sinne nachweisbare organische grundlage) und der entsprechende umgang mit den patientInnen deutlich wurde.
das oben erwähnte führte dann bei den militärpsychiatern dazu, solche theoriemodelle zu entwickeln wie jenes, welches die symptome der traumatisierten als folge einer art "gehirnerschütterung" sowie der körpervermittelten erschütterung des nervensystems durch die wucht des artilleriefeuers in den grabenkämpfen bzw. die dadurch bewirkten erschütterungen des erdbodens deutete. aus damaliger sicht sehr passend, standen soldaten mit traumasymptomen doch schon grundsätzlich unter dem verdacht der (erbbedingten) "konstitutionellen schwäche", also einer grundsätzlichen minderwertigkeit, die konsequent zu ende gedacht alleine dafür verantwortlich gemacht wurde, dass soldaten auf das kriegsgrauen nicht mit unbeeindruckter ignoranz, gelassenheit und "tapferkeit" reagierten, sondern letztlich zutiefst menschlich.
diese unterstellte "minderwertigkeit" führte dann schnell auch zum grundsätzlichen verdacht der simulierten symptome (aus "feigheit"), was sich dann in den behandlungsmethoden entsprechend wiederspiegelte: zwangsbehandlungen mit elektrischen strömen (damit ist übrigens nicht die "elektrokrampftherapie" gemeint, die erst 1938 entwickelt wurde) in form von wiederholten serien von ungefilterten elektroschocks; die damals in den psychiatrischen anstalten üblichen dauerbäder (und zwar nicht nur mit körperwarmen, sondern auch eiswasser); verschiedene arten der deprivation sowie die bildung von speziellen "bettnässerkompanien", in denen die betroffenen durch "frontnahe behandlung" sowie entsprechenden einsätzen "geheilt" werden sollten. andere behandlungsmethoden wie hypnotische und suggestive sowie die bettbehandlung und obligatorische arbeitstherapie muten vor diesem hintergrund dann schon regelrecht mild und human an.
bezeichnend auch die ebenfalls von der militärpsychiatrie geprägte bezeichnung "kriegshysteriker" in der nicht nur implizit das urteil "weibischer schwäche" untergebracht wurde (und interessanterweise mit dem wort "hysterie" das zweite mal in der psychiatriegeschichte traumatisierte stigmatisiert wurden; siehe dazu den blogbeitrag zur geschichte der hysterie).
hermes untermauerte ihren beitrag durch etliche zitate aus dem bestand entsprechender krankenakten des altarchivs des klinikums bremen-ost, welches in seiner inzwischen über hundertjährigen geschichte während des wk1 auch als armeelazarett fungierte. und die mir ebenfalls teils gut bekannten akten belegen durch ihre inhalte durchaus selbst die in einer (für damalige verhältnisse) "reformorientierten" heil- und pflegeanstalt dieses neben der späteren nazi-"euthanasie"-aktion "T4" brutalste kapitel der (deutschen) psychiatriegeschichte. abschließend wurde ebenfalls nochmals deutlich gemacht, dass sich hier die damalige psychiatrische ideologie passend mit den interessen der späteren führungsschichten in der weimarer republik traf: liessen sich doch auf basis der vorher stattgefundenen psychiatrischen einordnung der traumatisierten deren mögliche entschädigungsansprüche an den deutschen staat mittels des diagnostischen konstrukts der "rentenneurose" abschmettern, die andernfalls, so jedenfalls ein diskussionsbeitrag aus dem publikum, die damalige deutsche rentenversicherung in den bankrott getrieben hätten (und dazu bei anerkennung der ansprüche und der implizit darin enthaltenen wertung des krieges auch das öffentlich verbreitete bild vom krieg als "vaterländischer notwendigkeit und ehrenvoller aufgabe" beschädigt hätten.)
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die bereits im ersten vortrag anklingenden "besonderheiten" des ersten weltkriegs vor allem in den militärischen formen des graben- und stellungskrieges - im folgenden ein bild von der westfront, an der britische sanitäter einen verletzten bergen; beachten Sie vor allem den bodenlosen matsch -
bildeten auch einen schwerpunkt beim referat des sozialpsychologen gerhard vinnai , der sich mit der genese von hitlers antisemitismus aufgrund dessen traumatischer erfahrungen in diesem krieg (so die these) beschäftigten. hier mache ich´s mir einfach, zumal eine variante des vortrags online als pdf einsehbar ist, und zwar hier. es war im übrigen auch tatsächlich das gleiche thema, welches ich in der ankündigung zum symposium bereits als mir bekannt erwähnt hatte, und so konnte ich nun bei grundsätzlicher "vertrautheit" mit den thesen nochmal anders zuhören als beim ersten mal vor ein paar jahren. und in der nachfolgenden diskussion einige inhaltliche fragen loswerden. die erste davon bezog sich auf vinnais aussage, dass der kriegsbeginn für hitler einen echten biographischen bruch mit seinem bisherigen leben, vor allem dessen "wiener jahren", geprägt von obdach- und perspektivlosigkeit, bedeutet hätten, und ihn vor allem aus der rolle des sonderlichen außenseiters befreit hätte. dazu gibt es allerdings nun durchaus widersprüchliche informationen in der rechts in der literaturliste enthaltenen und primär mögliche relevante psychopathologische züge thematisierenden hitlerbiographie von matussek & marbach (mehr zu den thesen dieses buches hier), die hitler auch in seiner kriegszeit unter den "kameraden" eine außenseiterposition attestieren, welche sich vor allem aus der hochnäsigen verachtung hitlers gegenüber eigenheiten des frontlebens wie bspw. die rolle des alkohols sowie den endlos ausgesponnenen "weibergeschichten" unter den soldaten ergeben hätte. ich finde diese herleitung durchaus nachvollziehbar, leider gab es darauf keine wirkliche antwort vinnais oder auch aus dem publikum.
meine zweite frage bezog sich bereits auf die "männerphantasien" von klaus theweleit (siehe dazu ebenfalls die literaturliste), dem ja ebenfalls die auffällige verwendung von matsch-, sumpf-, schlamm und ähnlichen metaphern in vielen texten/romanen von soldatischen männern (und gerade denjenigen, die sich direkt nach dem krieg in den konterrevolutionären freikorps zusammenfanden und später die kerntruppen der nazibewegung bildeten) aufgefallen ist. theweleit hat mittels seines spezifisch psychoanalytischen zugangs allerdings ausdrücklich die entwicklung der psychophysischen struktur bei diesen männern, als deren markanten ausdruck er die beschriebene metaphernwelt ansieht, nicht im krieg verortet, sondern in den "normalen" erziehungsbedingungen der deutschen militärdiktatur (und so lässt sich die monarchie durchaus bezeichnen) in kindheit & jugend dieser männer vor dem krieg in kombination mit dem späteren berüchtigten deutschen militärischen (vorkriegs-)drill während ihrer rekrutenausbildung.
meine frage bezog sich nun darauf, wie vinnai den einfluss dieser - bekannt brutalen - erziehungsmethoden nicht nur bei hitler, sondern auch den soldaten bzw. späteren nazis bewertet. die antwort darauf entsprach im kern meiner eigenen heutigen position, sinngemäß: die traumatischen wirkungen des krieges dürften nicht gegen die wahrscheinlich vorhandenen traumatischen schäden aus der kindheit "ausgespielt" werden; und ebenfalls habe theweleit die kriegsfolgen (ebenfalls sinngemäß) in ihrer bedeutung eher unterschätzt. es folgte eine kurze diskussion darüber, ob nicht ein weiterer zugang auch über den "mutterkult" der nazis erfolgen könne, und zwar derart, dass für die soldaten im krieg unter feuer der erdboden, in den sie sich oft genug regelrecht vergraben mussten, nicht auch so etwas wie die "schützende mutter" (erde) dargestellt hätte, und diese verbindung ebenfalls eine rolle spielen würde. das lässt sich aus einer (klassisch) psychoanalytischen perspektive vermutlich noch vertiefen; ich möchte mich jedoch eines kommentars dazu enthalten.
(an dieser stelle möchte ich übrigens auch um verständnis dafür bitten, dass ich mich bei der darstellung von diskussionsbeiträgen hauptsächlich auf meine eigenen beschränke; es kamen schlicht zu viele aspekte zur sprache, die ich trotz erstellung von notizen während der veranstaltung dabei nicht berücksichtigen konnte.)
nach diesem zweiten beitrag jedenfalls tauchte bei mir im kopf das erstemal eine these auf, die ich wie folgt umreissen könnte: wo liegen eigentlich die unterschiede zwischen denjenigen, die in und nach dem krieg primär mit den (heute bekannten) posttraumatischen symptomen reagierten und auch daran litten, und denen, die aus dem krieg offensichtlich brutalisiert - v.a. die späteren nazis - herauskamen? liegt eine mögliche antwort etwa darin, ob jemand bereits mit deutlich traumatischen schäden und/oder gar antisozialen bis soziopathischen zügen in den krieg gezogen ist, wo sich letzterer dann wie eine art trigger auswirkte, und zwar einer mit verstärkungseffekt? das kommt mir jedenfalls wie eine sehr untersuchungswerte frage vor, zu der mir bislang nichts bekannt ist.
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nach einer längeren pause kam dann der beitrag, auf den ich im vorfeld besonders gespannt gewesen bin: der - ja, militärpsychiater karl-heinz biesold, leitender arzt auch der psychotraumatologischen abteilung des bundeswehrkrankenhauses hamburg, referierte zu posttraumatischen störungen nach auslandseinsätzen der bundeswehr bzw. ihrer armeeinternen behandlung.
biesold betrat dabei das podium bereits mit einem (ironischen) ausdruck seiner erwartung, bei dieser veranstaltung "zerfleischt" zu werden - vermutlich hinsichtlich seiner profession als militärpsychiater -, und machte damit bei einem teil des publikums gleich auch mal pluspunkte. desweiteren stellte er sich als rhetorisch gewandter redner heraus, was ich allerdings bei seiner position (u.a. als öffentlicher repräsentant der bw) auch nicht besonders überraschend fand. nichtsdestotrotz: der vortrag war durchaus interessant, und eher als eine art in einem abgegrenzten rahmen herumspringende erzählung gehalten, unterlegt von diversen statistiken zum anschauen an der wand.
er begann zunächst mit einer zusammenfassenden darstellung aller auslandseinsätze der bw seit den 1990er jahren, incl. der sog. "humanitären" wie in kambodscha u.a., und machte in dem zusammenhang auch deutlich, dass selbst bei diesen einsätzen - wie auch bei solchen primär nach naturkatastrophen - bereits ptbs-fälle zu verzeichnen waren. die psychotraumatologische abteilung existiert im krankenhaus seit 1994, ist also durchaus als "produkt" der seitdem ständig zunehmenden auslandseinsätze zu betrachten. was mir auffällig erschien, war der eindruck, dass in dieser abteilung mit einem sehr streng an die jeweils aktuellen definitionen der diagnostischen kataloge icd-10 und dsm-IV angelehnten modell der ptbs gearbeitet wird, also weitergehende und meiner meinung nach realitätsgerechtere diagnostische modelle wie bspw. das der komplexen ptbs nach judith herman auch nicht bei praktischen schwierigkeiten berücksichtigt zu werden scheint. ebenfalls interessant fand ich die betonung der zusammenarbeit zwischen bundeswehr und zivilen kliniken mit traumaschwerpunkt einerseits sowie die entsprechende zusammenarbeit mit der psychotraumatologischen forschung insgesamt andererseits - mir scheint, dass biesold das sehr bewusst als abgrenzendes moment zur historischen deutschen militärpsychiatrie ansieht (die sich damals strikt gegen alle einmischungen aus der zivilpsychiatrie offensichtlich verwahrt hat, was auch aus ihrem selbstverständnis als teil des (elitären) militärs heraus erklärbar sein dürfte).
gleichfalls fand ich die aussage bemerkenswert, dass als hauptsächliche methode der traumabehandlung EMDR eingesetzt wird, mit folgenden ergebnissen: ca. ein drittel aller behandelten ist danach wieder voll "funktions- und dienstfähig", ein weiteres drittel mit einschränkungen, und das letzte drittel verlässt entweder die armee generell (und damit auch die behandlung) oder aber reagiert nicht auf die therapeutischen interventionen (die letzteren aussagen muss ich allerdings aufgrund fehlender sicherheit bei der rekonstruktion der informationen mit einem fragezeichen versehen). aber in bezug auf emdr betrachte ich das als weiteren beleg dafür, dass es sich bei dieser technik - dieser aspekt wurde sowohl von biesold als auch weiteren diskutanten später nochmal betont; emdr lässt sich nur innerhalb verschiedener therapeutischer kontexte einsetzen und nicht "für sich" - tatsächlich um eine hoffnungsvolle möglichkeit handelt, mit posttraumatischen störungen umzugehen.
desweiteren stellte biesold ein modell verschiedener stressoren - zur einschätzung potenziell traumatischer belastungen - vor, mit dem dort gearbeitet wird. er unterscheidet dabei zwischen "operationellen" und "besonderen" stressoren; zu den ersteren zählen bspw. solche umstände wie kontakt mit einer neuen und unbekannten kultur, die trennung von gewohnten sozialen umfeld und ähnliche umstände. die "besonderen" stressoren ergeben sich bspw. aus ständiger kasernierung sowie offen kriegerischen, also gewaltvollen handlungen, situationen und erlebnissen. bemerkenswert war dabei in diesem zusammenhang das, was biesold als "neues dilemma" bezeichnete: im gegensatz zu den letzten großen kriegen unter deutscher beteiligung, die jeweils offiziell und öffentlich als absolut "notwendig", "gerecht" u.ä, gekennzeichnet und mehrheitlich auch so empfunden wurden, stellt sich gerade beim größten laufenden bw-einsatz, nämlich dem in afghanistan, offensichtlich bei vielen beteiligten die sinnfrage, d.h. die frage "wofür bin ich / sind wir eigentlich hier?" das ist vermutlich nicht nur aus meiner sicht eine absolut berechtigte frage, deren existenz aber lt. biesolds ausführungen die wahrscheinlichkeit für das auftreten einer ptbs deutlich erhöhen kann, was ich wiederum beim nachdenken nicht so erstaunlich finde. gleichfalls finde ich das absolut keinen grund, auf diese frage zu verzichten.
in diesem zusammenhang kam die sprache auch auf die immer wieder durch diverse umfragen belegte ablehnung des deutschen isaf-einsatzes von rund zwei drittel der hiesigen bevölkerung, die zu einem nicht geringen teil zu der erwähnten sinnfrage bei den beteiligten beizutragen scheint. biesold hat dabei selbst erfahrungen mit einsätzen nicht nur in afghanistan, sondern auch im kosovo und hat vor diesem hintergrund deutlich die "humanitären" aspekte und die hilfe für die jeweilige bevölkerung vor ort hervorgehoben, konnte jedoch seine skepsis bezgl. der weiteren entwicklung des afghanistan-einsatzes nicht ganz verbergen. was auch daran liegen könnte, dass zum einen die zahl der ptbs-betroffenen gerade in afghanistan ständig steigt, sich zum anderen aber auch der ganze charakter des ursprünglich als "humanitär" bezeichneten einsatzes mehr und mehr in richtung eines deutlichen kriegseinsatzes bewegt - lt. biesold werden die deutschen truppen inzwischen wöchentlich in gefechte verwickelt und müssen bei jeder bewegung ausserhalb ihrer camps mit der möglichkeit von anschlägen rechnen - "spezielle stressoren".
das folgende ist wieder mit dem hinweis auf eine gewisse unsicherheit bei meiner persönlichen rekonstruktion zu lesen: laut entsprechender statistiken sowohl aus dem irak- als auch dem afghanistan-krieg auf seiten der beteiligten westlichen truppen scheint hervorzugehen, dass sich überhaupt nur jeweils 23 bis 40% der betroffenen soldaten mit ptbs-symptomen freiwillig in behandlung begeben. dabei steht als hauptgrund bei denen, die auf eine behandlung verzichten, für ca. 65% das folgende im focus:
"ich will nicht als weichei gelten"
das spricht bände sowohl über die einstellung zu "psychischen" störungen insgesamt, und nochmals speziell beim militär. ebenfalls aber sagt es auch etwas über die - trotz zunehmender zahl von frauen in diversen armeen - immer noch vorhandenen mythen über "männlichkeit" aus, was bei dieser tendenziell und besonders strukturell immer noch erzpatriarchalen institution aber auch kein wunder ist. biesold bemühte sich dazu sehr, aus seiner sicht falsche vorstellungen über die mögliche aggressivität von traumatisierten soldaten abzuwehren, führte diese auf die traumaspezifische ständige anspannung des nervensystems zurück, verschwieg dabei aber nicht die möglichen negativen konsequenzen für familien und soziale umfelder der betroffenen. trotzdem fand ich diese aussagen selbst bei berücksichtigung eines möglichen motives, stigmatisierungen entgegenzuwirken, zu beschönigend, zumal nicht erst seit dem vietnamkrieg durchaus bekannt ist, wie gerade traumatisierte soldaten ihre traumata in grausamen taten quasi re-inszenieren können - mehr zu dieser täter-opfer-dialektik auch hier.
die behandlungsbedürftigkeit - und das ergänzt in gewisser hinsicht die vorherigen aussagen - steigt nach biesolds angaben im gegensatz zu früheren kriegen bei den aktuellen besonders nach den einsätzen drastisch an. die gründe dafür sind mir zumindest weiter unklar. ja, und eine mir ganz neue information zur geschichte der kriegstraumata - oder auch der zugehörigen "vertuschungsdiagnosen" - gab´s nebenbei bei einer auflistung der zugehörigen spezifischen symptome vieler kriege, hinter denen sich nach heutigem wissenstand jeweils (post-)traumastörungen verbergen, auch noch: das "da-costa-syndrom, hinter dem sich undefinierte herzbeschwerden befinden, erfüllt nicht nur in der beschreibung wesentliche kennzeichen einer pseudo-diagnose analog der "vegetativen dystonie", sondern war historisch offensichtlich die erste breiter verzeichnete (post-)traumatische erscheinung während eines krieges, und zwar während des amerikanischen bürgerkrieges. finde ich eine interessante information, die möglicherweise auch eine neue bewertung der entwicklung der us-gesellschaft nach dem bürgerkrieg nahelegt.
ich wollte dann bei der anschließenden diskussion die gelegenheit auch nutzen, wenigstens eine meiner ganz zentralen fragen loszuwerden, die ich einem militärpsychiater immer schon stellen wollte: nämlich die, ob er keinen widerspruch zwischen seiner rolle sehen würde, als mediziner traumabehandlung innerhalb einer institution zu betreiben, zu deren impliziten aufgaben es letztlich auch immer gehört, traumatische zustände bei gegnerischen soldaten und häufiger noch bei zivilbevölkerungen zu erzeugen. ich bezeichnete diese frage ausdrücklich als "persönlich", und bekam die folgende antwort (sinngemäß): nein, er sehe diesen widerspruch nicht, sondern betrachte es als normale aufgabe einer institution, die ihre angehörigen in "hochrisikosituationen" schicken würde, auch für diese zu sorgen. mit einem (etwas gezwungenem lächeln) kam immerhin noch die anmerkung, dass es sich bei dieser position vielleicht aber auch um den ausdruck eines "gelungenen verdrängungsprozesses" handeln könnte...
eine weitere frage hatte ich vorher schon gestellt: und zwar vor dem hintergrund der beobachtung, dass bspw. sowohl im vietnamkrieg als auch während des kriegs in afghanistan zwischen sowjetischer roter armee und islamistischen fundamentalisten jeweils die nutzung von diversen drogen - in vietnam heroin (erst danach kam heroin in den usa überhaupt erst so richtig "auf den markt") und cannabis; bei der roten armee wurde im "opiumanbauland nr.1" ebenfalls heroin zu einem schweren problem - auch (analog der nutzung bei vielen junkies mit traumatischer biographie) als ausdruck der versuchten selbstmedikation traumatischer symptome betrachtet werden kann, zielte meine frage auf entsprechende beobachtungen beim aktuellen afghanistaneinsatz der bundeswehr, zumal der opiumanbau dort weiterhin boomt. biesold verneinte das überraschend deutlich, wobei mir beim nachdenken in den sinn kam, dass das tatsächlich der realität entsprechen könnte - das benannte problem dürfte militärstrategen in aller welt spätestens seit den erwähnten kriegen durchaus bewusst sein, und ich kann mir gut vorstellen, dass heutige armeen bei einer erhöhten präsenz von drogen sehr schnell in ihrem sinne durchgreifen.
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soweit meine ganz persönlichen schwerpunkte einer veranstaltung, die ich als sehr informativ bezeichnen würde. vieles aus den diskussionen fällt hier leider, wie schon erwähnt, unter den tisch - trotzdem hoffe ich, dass Sie jetzt einen brauchbaren eindruck bekommen haben.
noch eine anmerkung: während der beitrag beim schreiben immer länger wurde, habe ich mich spontan entschlossen, ihn entgegen meiner ursprünglichen absicht zu einem basis-beitrag zu machen. das liegt einfach daran, dass er jetzt rund um das thema kriegstrauma so viele hinweise und hintergründe enthält, dass ein weiterer entsprechender beitrag aus meiner sicht unnötig viele wiederholungen aufweisen würde. den anspruch nach völliger inhaltlicher abdeckung eines themas habe ich einerseits eh nicht, andererseits könnte ich ihn in diesem rahmen hier auch unmöglich erfüllen. informationen, die bestenfalls zu eigener weiterbildung ermuntern, sollten jedenfalls genügend vorhanden sein. ebenfalls ein eindruck von der vorhandenen vielschichtigkeit des themas, was auch die relevanz für (nicht nur) unsere historische und aktuelle gesellschaftliche entwicklung betrifft.
und noch ein ps: das thema der kriegstraumata innerhalb von "zivilbevölkerungen" (ein wort, welches ich immer etwas seltsam finde) bleibt natürlich auf der agenda kommender beiträge. speziell für deutschland habe ich diesen bereich allerdings schon früher bearbeitet, siehe den link oben im text zur "vegetativen dystonie".
monoma - 22. Jun, 15:07
Die Kriege der Zivilbevölkerung
interessante fragen
meine eigenen erfahrungen bspw. mit teile der "gta"-reihe oder auch "max payne" sind nicht einheitlich; da wäre eh das thema der täter-traumatisierung im vordergrund zu sehen. ich kenne situationen in diesen spielen, in denen mir situationsbedingt beim virtuellen morden ziemlich unbehaglich wurde, bis hin zur verweigerung.
zu gotcha kann ich aus eigener kenntnis überhaupt nix sagen, könnte mir aber auch hier situationen vorstellen, die - allerdings eher "unfall"bedingt - ernste folgen haben könnten.
noch was, weil´s mir gerade eingefallen ist: ich könnte mir bei simulativen welten auch folgen vorstellen, die vielleicht dem phänomen entsprechen, welches unter sekundärer traumatisierung bisher v.a. in bezug auf die angehörigen aller möglichen berufe diskutiert wird, die sich mit den folgen - und auch den opfern - traumatischer ereignisse beschäftigen.